Friedrich II. [2]

Friedrich II. [2]

[115] Friedrich II., der Große und Einzige, König von Preußen 1740–86, der Begründer des Ansehens, welches Preußen zu einer der großen Mächte Europas erhoben hat, der klügste und gewaltigste Feldherr im Kriege, der weiseste und gerechteste Fürst im Frieden, ein Freund und Kenner der Wissenschaften und Künste, ward am 24. Jan. 1712 als dritter Sohn Friedrich Wilhelm I. zu Berlin geboren.

Da seine beiden ältern Brüder schon in der Jugend starben, so ward er frühzeitig Kronprinz. Durch eine strenge, aber sorgfältige Erziehung gingen die rauhen, strengen Tugenden seines Vaters auf ihn über, aber so, daß sein eigner lebendiger Geist sie nicht als Vorurtheile und Fesseln duldete, sondern zu den glänzendsten Eigenschaften eines gewaltigen Charakters verwandelte. Der Vater behandelte den Knaben mit einer Strenge, die an Grausamkeit grenzte, [115] aber statt den jugendlichen Geist F.'s zu unterdrücken, lehrte ihn diese Strenge nur gehorchen, um einst würdig herrschen zu können. Die eigne Neigung bestimmte ihn für die Wissenschaften, der Wille seines Vaters für den Kriegerstand; beide Triebe bildeten den gewaltigen Herrscher eines kleinen Landes, gegen welchen ganz Europa die Waffen führte und unterlag, den seine Zeitgenossen nur den König nannten. Die Erziehung des Kronprinzen wurde von dem General Grafen von Finkenstein und dem Major von Kalkstein geleitet. Die Franzosen wurden damals mit Recht wie in der Politik, so auch in Wissenschaften und Künsten für das erste Volk Europas anerkannt; wir Deutschen besaßen noch keine Literatur, welche der franz. an die Seite gestellt werden konnte. Kein Wunder, daß die Erzieher F.'s diesem eine franz. Bildung gaben, daß dieser eine Vorliebe für die franz. Sprache und Bildung, der er seine Erziehung verdankte, behielt. F. liebte die Flöte und die Poesie; solche Künste waren aber seinem kriegerisch gesinnten Vater ein Greuel und er ließ den ihm misfälligen Jüngling die ganze Härte seiner eisernen Grundsätze empfinden. »Fritz ist ein Querpfeifer und Poet, er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit verderben!« so lautete das Urtheil des Vaters. Derselbe ging sogar mit dem Plane um, F. zu Gunsten seines jüngern Bruders, Wilhelm August, von der Thronfolge auszuschließen; F. war dafür seinem Vater mit wenig Liebe zugethan, mit inniger Liebe dagegen hing er an seiner Mutter. Die harte Behandlung, die Kränkungen, die er erfuhr, brachten ihn endlich zu dem verzweifelten Entschlusse, Berlin heimlich zu verlassen und zu seinem mütterlichen Oheim Georg II. von England zu entfliehen. Des Prinzen Freunde, der Lieutenant von Katt und der nachmalige Feldmarschall Keith, waren Mitwisser. Aber F. wurde eingeholt und 1730 nach der Festung Küstrin in strenge Hast gebracht. Der König war empört; er sah in seinem Sohne nur den Deserteur und ging in seinem Zorne so weit, daß er F. durch ein Kriegsgericht zum Tode verurtheilen wollte. Nur der Verwendung des kais. Hofes und des Königs von Polen gelang es, den Prinzen zu retten. Keith hatte sich durch Flucht gerettet, aber Katt mußte den Zorn des Königs büßen. F. erfuhr die schrecklichste, herzzerreißendste Strafe. Vor den Fenstern seines Gefängnisses wurde ein Schaffot errichtet und er mußte sehen, wie sein Freund, sein Liebling dasselbe bestieg und wie das Haupt Katt's für ihn fiel. Noch ein Jahr wurde der Prinz im Gefängnisse gehalten und sein Vater ließ ihm den Antrag machen: er möge reisen, studiren, thun, was er wolle, wenn er der Thronfolge entsage. F.'s Antwort war: »Er nehme den Vorschlag an, wenn der König erkläre, daß er nicht sein Sohn sei.« Nun war nie mehr von Thronentsagung die Rede, denn dem streng sittlichen Könige war eheliche Treue ein unverletzliches Heiligthum. Ehe F. an den Hof zurückkehrte, arbeitete er noch eine Zeit lang als jüngster Kriegsrath bei der Domainenkammer zu Küstrin. Nach dem Willen seines Vaters mußte er sich 1733 mit Elisabeth Christine, einer Prinzessin von Braunschweig-Bevern, vermählen, welche er niemals liebte, aber stets mit Hochachtung behandelte. Bis zu seiner Thronbesteigung lebte er in der kleinen Stadt Rheinsberg im Regierungsbezirke Potsdam ganz den Wissenschaften. Er zog einen großen Theil der berühmtesten Gelehrten seiner Zeit in seine Nähe und stand mit andern, namentlich mit dem von ihm bewunderten Voltaire (s.d.) in Briefwechsel.

Nachdem F. 1740 die Regierung angetreten, benutzte er sogleich die durch den Tod des Kaisers Karl VI. sich darbietende Gelegenheit, die alten Ansprüche seines Hauses auf mehre schles. Herzogthümer geltend zu machen, welches die Erwerbung Schlesiens, aber auch lange dauernde Kriege (s. Preußen) zur Folge hatte, in denen F. seine großartigen Feldherrntalente und seine kluge Politik auf das Glänzendste bewies. Er selbst setzte sich allen Gefahren und Strapazen des Krieges aus, sodaß ihn die Soldaten nicht nur fürchteten, sondern auch als Kriegsgefährten liebten; er hieß später bei ihnen nur der alte Fritz. Elf Friedensjahre zwischen dem zweiten und dritten (dem siebenjährigen) schles. Kriege brachte F. theils im Umgange mit den Wissenschaften, theils mit Organisation seines Heers, Ordnung der Finanzen, Verbesserung der Gesetzgebung und allseitiger Beförderung des Wohlstandes seines Reiches zu. Nach dem siebenjährigen Kriege (s.d.) war das Land sehr erschöpft, aber F. half überall schnell; er ließ Städte und Dörfer aufbauen, die im Kriege zerstört worden, gab Getreide aus seinen Magazinen, theilte Pferde an die verarmten Landleute aus, erließ den verarmten Provinzen auf gewisse Zeiten alle Abgaben, legte Kanäle an, errichtete Fabriken und Manufacturen und gründete 1764 die berliner Bank. Die Liebe und Verehrung seiner Unterthanen und das Emporblühen seines Landes waren sein Lohn. Nur die Einrichtung der Accise nach franz. Muster (1766) fand Misbilligung, sowie man ihm auch die Theilung Polens, welche 1772 in Petersburg verabredet wurde, zum Vorwurfe gemacht hat, aber mit Unrecht, da bei der Unmöglichkeit, das in sich selbst zerrissene Polen in seiner Selbständigkeit gegen Rußland zu erhalten, jene Theilung das einzige Mittel war, um nicht Polens ganze Macht in die Hände Rußlands fallen zu lassen und nicht mit Rußland in einen Krieg verwickelt zu werden, der im günstigsten Falle doch das eben erst wieder aufgeblühte Land neuen Drangsalen ausgesetzt haben würde. Durch die erste Theilung Polens erhielt F. ganz Polnisch-Preußen und einen Theil von Großpolen. Von nun an wurde Preußen in Ost- und Westpreußen eingetheilt, in Marienwerder eine Kriegs- und Domainenkammer eingerichtet und Graudenz zur Festung gemacht. Doch wäre F. 1776 fast noch einmal in Krieg verwickelt worden, indem er an dem bair. Erbfolgekriege (s. Baiern und Fürstenbund, deutscher) Theil nahm, der jedoch, noch ehe es zu einer entscheidenden Schlacht kam, durch den Beitritt der Kaiserin von Rußland, Katharina II., auf Preußens Seite beendet wurde. Der letzte große Act der scharfsichtigen Politik F.'s war die Errichtung des deutschen Fürstenbundes (s.d.). Friedrich der Einzige starb am 17. Aug. 1786 auf seinem Schlosse Sanssouci bei Potsdam, seinem Lieblingsaufenthalte. Beim Antritte seiner Regierung war sein Reich nur 2190 ! M. groß, auf denen 2,240,000 Menschen lebten, bei seinem Tode hinterließ er 3515 ! M. mit mehr als 6,000,000 Einw. und ein Heer, welches von 70,000 auf 200,000 Mann angewachsen war. Der Schatz hatte über 70 Mill. Thlr., das Land blühte in Gewerbfleiß und Wohlstand, Künsten und Wissenschaften. Seine großartige, streng rechtliche und wenn auch im Geiste seiner Zeit freisinnige, doch religiöse Denkungsart, sowie sein scharfer Verstand sprechen [116] sich in seinen Schriften aus, die zusammen 24 Bände ausmachen und ursprünglich franz. geschrieben, später aber ins Deutsche übertragen worden sind. Das preuß. Volk hängt noch mit Verehrung und Liebe an dem Gedächtnisse des großen Königs, der bei aller Strenge doch ein wahrer Vater desselben war, und tausend Anekdoten aus seinem reichen Leben gehen von Mund zu Mund und sind in Büchern gesammelt. Ein Beispiel seiner Gerechtigkeitsliebe, aber auch seiner übereilten Heftigkeit gibt der bekannte Proceß des Müllers Arnold (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 115-117.
Lizenz:
Faksimiles:
115 | 116 | 117
Kategorien: