Grönland

[282] Grönland, das den nordöstlichsten Theil Amerikas bildende Polarland, ward etwa 100 Jahre später als Island, entweder im Jahre 932 oder 982, von den Normannen entdeckt. Mit Erik Rauda (dem Rothen), einem Isländer, der sich 986 dort niederließ, beginnt die eigentliche Colonisirung. Die Ansiedler wählten ihre Wohnsitze an der Westküste, wo das Klima zwar streng, aber nicht unerträglich ist und wo sie auf ergiebigen Fischfang hoffen durften, hatten Schafe und Hornvieh und trieben mit den wenigen Schiffen, welche von Zeit zu Zeit G. besuchten, Tauschhandel. Die Reise dorthin, obwol man heutzutage von der Nordspitze Schottlands bis zum Cap Farewell, dem südlichsten Punkte G.'s, bei günstigem Winde in etwa 6–8 Tagen fährt, dauerte in jenen Zeiten, wo die Schiffahrtskunde noch auf einer niedrigern Stufe stand, immer sehr lange und galt für höchst gefahrvoll. Wie gering der Verkehr G.'s mit Europa war, beweist die Thatsache, daß man das Ableben des grönländ. Bischofs, der 1383 gestorben war, erst sechs Jahre später in Norwegen erfuhr. G. galt für eine Region der Wunder, von welcher die abenteuerlichsten Fabeln erzählt wurden. Nicht lange nach der Colonisirung schickte der norweg. König Olaf Trygveson mehre Priester nach dem neuentdeckten Lande, welche dort das Christenthum mit entschiedenem Erfolge predigten. Es wurden Kirchen und sogar einige Klöster gebauet, und man theilte das Land in zwei Bezirke, den westl. und den östl. Dieser östl. Bezirk lag jedoch nicht, wie man lange geglaubt hat, auf der Ostküste G.'s, der Insel Island gegenüber, sondern, wie gegenwärtig erwiesen ist, ebenfalls auf der Westküste. Im Jahre 1386 erklärte die Königin Margarethe, welche die Kronen der drei skandinav. Reiche auf ihrem Haupte vereinigte, die Grönländer für ihre Unterthanen. Bis zum Anfange des 15. Jahrh lebten dann die Colonisten in Ruhe und Frieden, obwol die furchtbare Pest, welche in der Mitte des 14. Jahrh. unter dem Namen des schwarzen Todes ganz Europa verheerend durchzog, auch nach G. drang und hier viele Menschen hinraffte. Kaum hatte sich die Colonie von diesem Schlage einigermaßen wieder erhoben, als 1418 eine wahrscheinlich von einem fries. Fürsten angeführte Flotte landete und Alles mit Feuer und Schwert verwüstete. Seitdem dachte in dem durch neue Unruhen zerrütteten Skandinavien Niemand mehr an G.; es blieb vergessen, bis im Jahre 1576 der engl. Seefahrer Frobisher es wieder auffand. Hierauf sandten dann auch die Dänen wieder Schiffe dorthin, um zu erfahren, was aus den alten Niederlassungen geworden sei. Allein dieselben waren verschwunden, und von den 190 Ortschaften, die noch zu Anfang des 15. Jahrh. in G. vorhanden gewesen sein sollen, fand man keine Spuren. Also blieb G. unbeachtet, bis im Jahre 1721 ein norweg. Prediger, Johann Egede, in der löblichen Absicht, die heidnischen Bewohner im Christenthum zu unterrichten, mit seiner Familie dorthin segelte, die Niederlassung Goodshaab (Gottes Hoffnung) gründete, mit Dänemark und Norwegen einen Handelsverkehr anknüpfte und 15 Jahre im Lande blieb. Ihm folgten mehre Ansiedler: 1742 ward die Niederlassung Frederikshaab, 1775 Julianenhaab angelegt. Schon 1733 und 1758 hatten fromme Herrnhuter Neuherrnhut und Lichtenfels gegründet. Die Dänen erklären ganz G. für ihre Besitzung und ihre Ansprüche bestreitet Niemand.

Bis vor nicht gar langer Zeit war man der Meinung, G. sei eine große Halbinsel, die sich ohne Unterbrechung von etwa 591/2° nördl. Breite bis zum Pole erstrecke. Jetzt weiß man, daß es aus einer Anzahl großer und kleiner Inseln besteht, von denen die meisten nur durch ewiges Eis miteinander in Verbindung stehen. Bis zum 83° nördl. Breite ist G., welches vom Polarmeere, dem Bassinsmeere, der Lancaster- und Davisstraße umgeben ist, auf der Westküste bekannt; die Ostküste nur bis 76°; die Nordwestgrenze ist nicht zu bestimmen. Es ist etwa 300 M. lang, eine Region ewiger Nebel und furchtbarer Stürme; gewaltige Gletscher, die sich unsern der Küste erheben, reichen an vielen Stellen bis ins Meer hinab; eine Gebirgskette, die den bekannten Theil durchzieht, soll sich in den sogenannten Hirschgeweihen bis zu nahe an 8000 F. über die Meeresfläche erheben. Das Klima, nur im südwestl. Theile einigermaßen erträglich, ist in dem fast gar nicht bekannten Innern und an der Ostküste furchtbar kalt; an dieser letztern steigt selbst Ende Jun. das hunderttheilige Thermometer selten über 12 Grad. Unterm 70° Breite dauert die längste Nacht schon acht Wochen, sie wird aber durch den Mond, den Glanz des Schnees und die Nordlichter einigermaßen erhellt. Ein Land mit solchem Klima kann unmöglich Reichthum an Producten haben; auf dem nördl. Theile der West- und an der ganzen Ostküste sieht man nur spärlich Moos und hier und da einen Beeren tragenden Strauch; im südl. Theile der Westküste erreichen Zwergbirken, Erlen und Weiden eine Höhe von kaum 18 Zoll. An geschützten Stellen gedeihen einige Gemüsearten, namentlich Rüben und Kohl; auch ist Hafer, den man zu bauen versuchte, einigemal reif geworden. Die bedeutendsten Thiere sind: Polarhasen, Rennthiere, weiße Bären, Füchse, die schätzbares Pelzwerk liefern; an den Küsten leben zahllose Schwärme von Wasservögeln, die wegen ihrer Federn geschätzt werden, und Seehunde; das Meer ist reich an Walfischen, Narwalen, Heringen, Stockfischen u.s.w. Auf der vor der Westküste liegenden Insel Disko sind ergiebige Steinkohlenlager gefunden [282] worden; in G. selbst kommen Krystalle, Tropfstein, Asbest u.s.w. vor. Daß hier auch vulkanische Kräfte thätig sind, beweisen, abgesehen von dem Ausbruche eines feuerspeienden Berges, welcher 1783 sich durch dichte Gletschermassen Luft machte, auch das Vorhandensein dreier warmen Quellen und vielen Schwefels.

Die Bewohner, deren Gesammtzahl auf 21,000 angegeben wird, sind mit Ausnahme der wenigen Europäer, welche hier leben, Eskimos (s.d.). Viele Eskimos wohnen in der Nähe der dän. Niederlassungen, Logen genannt, deren etwa 20 vorhanden sein mögen. Sie bestehen mehrentheils aus der Wohnung des Pfarrers, der Kirche, einigen Factoreigebäuden und etwa 40–50 Hütten der Eskimos. Die dän. Regierung hat G., welches einen Flächeninhalt von mehr als 20,000 ! M. einnimmt, in zwei Bezirke getheilt, das Nordinspectorat und das Südinspectorat. In diesem letztern liegen Julianenhaab, die bedeutendste Niederlassung, mit 1000–1200 Einw.; Holstenborg, seit 1834 mit einer öffentlichen Bibliothek; sodann die von Herrnhutern gegründeten Ortschaften: Lichtenfels, Lichtenau, die südlichste, unter etwa 601/2° Breite, und Neuherrnhut; im Nordinspectorate ist Upernawik unter 721/2° die nördlichste Niederlassung. Die dän. Beamten sind zugleich Kaufleute; etwaige Streitigkeiten unter den Eskimos werden stets von den Missionaren geschlichtet.

Die grönländ. Gewässer werden alljährlich von zahlreichen Schiffen aus Europa, des Walfisch- und Robbenfangs wegen, besucht. Der Riese des Meers, nachdem er in den südlichern Breiten allzu stark verfolgt worden ist, hat sich nach den Polargegenden hinausgezogen und ist hier immer noch so zahlreich, daß im Sommer 1836 die Mannschaft eines hamburger Schiffes fünf Walfische und 4000 Seehunde erlegte. Die Hauptausfuhr G.'s besteht in Walfisch- und Seehundsthran, Fischbein, Barten, Narwalhörnern, Spermaceti, Eiderdunen, Seehundsfellen und Pelzwerk; im Ganzen für einige hunderttausend Thlr.; die Einfuhr europ. Waaren beträgt dagegen kaum die Hälfte jenes Werthes.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 282-283.
Lizenz:
Faksimiles:
282 | 283
Kategorien: