Konstantin

[641] Konstantin (Cajus Flavius Valerius Aurelius Claudius), der Große genannt, röm. Kaiser 306–337, wurde 274, als ein Sohn des Kaisers Konstantius und der Helena (s.d.), geboren. Konstantius war vom Kaiser Diocletian zum Mitregenten angenommen worden, und um sich des Vaters zu versichern, behielt Diocletian den jungen K. an seinem Hofe und ließ ihm eine treffliche Erziehung ertheilen. Die Kaiser Diocletian und Maximian hatten nachher die Regierung niedergelegt und das große röm. Reich wurde von Galerius und Konstantius, welche den Titel Augustus führten, und unter deren Hoheit von Maximin und Severus, welche den Titel Cäsar führten, beherrscht. Konstantius, ein vortrefflicher Fürst, verwaltete Gallien, Spanien und Britannien, während sein Sohn in der Gewalt des Galerius blieb, welcher auf eine Gelegenheit sann, den viel versprechenden, an Körper und Geist gleich ausgezeichneten jungen Mann auf die Seite zu schaffen. Konstantius unternahm einen Heereszug nach Britannien und wünschte seinen Sohn bei sich zu sehen, welcher sich der Gewalt des übelwollenden Galerius durch eine eilige Reise zu seinem Vater entzog.. Konstantius starb in Britannien 306 und K. wurde von dem Heere desselben als Augustus und Kaiser begrüßt. So erzürnt auch Galerius über diese Nachricht war, so mußte er doch, da die Gewalt in den Händen des K. war, seine Erhebung insoweit anerkennen, daß er ihn zwar nicht als Augustus, doch als Cäsar bestätigte, und ihm die Herrschaft über die Provinzen jenseit der Alpen überließ. Bald darauf empörte sich das über die Vernachlässigung, mit welcher es behandelt wurde, unwillige Rom und erhob den Maximian, welcher diese Würde schon besessen, und dessen Sohn Maxentius zu Kaisern. Severus eilte nach Italien und verlor Truppen und Leben. Um sich zu befestigen, ging Maximian 307 zum K., vermählte ihm seine Tochter Fausta und ernannte ihn zum Augustus. K. war so klug, diese Ehre anzunehmen, ohne sich in den Kampf zu mischen, zu dem Galerius nach Italien eilte. Derselbe richtete indeß nicht mehr aus, als vorher Severus und mußte sich zurückziehen. Er ernannte nun seinen Waffengefährten Licinius zum Augustus und mußte gleiche Würde auch dem Maximin zugestehen, der in Syrien und Ägypten herrschte. Es waren also in dieser Zeit sechs Kaiser, von denen je drei zusammenhielten. K. und Maxentius, den Westen des Reichs beherrschend, standen auf Seiten des Maximian, während im Osten des Reichs Maximin und Licinius dem Galerius beistanden. Maximian gerieth indeß bald mit seinem Sohne Maxentius in Streit, und da diesem die prätorianische Leibwache zufiel, so sah sich Maximian genöthigt, bei seinem Schwiegersohn K. einen Zufluchtsort zu suchen und nachmals der Kaiserwürde zu entsagen. K. nahm ihn ehrerbietig auf, aber bald darauf benutzte Maximian die Entfernung seines Schwiegersohns, einen neuen Bürgerkrieg zu entzünden, durch welchen er sein früheres Ansehen wieder zu erlangen hoffte. K. kehrte eilend zurück, bemächtigte sich des Maximian und ließ ihn 310 heimlich hinrichten. Im folgenden Jahre starb auch Galerius und es theilten sich Maximin und Licinius in sein Gebiet, aber bald darauf traten sich K. und Licinius näher, während Maximin mit dem Maxentius ein geheimes Bündniß schloß. Im I. 312 brach der Krieg zwischen K. und Maxentius aus, zu welchem. die nächste Ursache persönliche Feindseligkeiten gegen K. von Seiten des Maxentius wurden, indem dieser vorgab, den Tod seines Vaters rächen zu müssen. Schnell ging K. über die Alpen gegen einen ihm an Mannschaft wol viermal überlegenen Feind, gegen welchen schon zwei Kaiser erlegen waren. Durch Klugheit und Tapferkeit siegte K. bei Turin, Verona und Rom, und in der letzten Schlacht verlor sein Gegner selbst das Leben. Was von dem Geschlecht des Maxentius noch übrig war, wurde ausgerottet. Im folgenden Jahre trat K. dem Licinius noch näher, indem er demselben seine Schwester zur Gemahlin gab; auch wurde in diesem I. 313 das merkwürdige Edict erlassen, nach welchem die Christen in dem röm. Reiche für die Folge geduldet und nicht länger ein Gegenstand der Verfolgung sein sollten, ja ihnen sogar das Eigenthum zurückgegeben werden sollte, welches ihnen in den vorhergehenden Verfolgungen entrissen worden war, und ihnen nicht länger öffentliche Ämter vorenthalten werden sollten. Licinius verhing jedoch bald neue Verfolgungen über die Christen. Von der Zusammenkunft mit dem Licinius eilte K. nach dem Rhein, um einem Einfall der Franken zu begegnen, während Licinius dem Maximin entgegenrückte, welcher den Maxentius rächen wollte. Maximin wurde geschlagen und starb kurze Zeit darauf. Mit dem zügellosen und grausamen Licinius gerieth K. schon 314 in Zwist, und im nächsten Jahre lieferten sich diese beiden ausgezeichneten Feldherren zwei Schlachten, durch welche Licinius zu einem nachtheiligen Frieden gezwungen wurde, aber doch noch die Würde eines Augustus behielt. Einen siebenjährigen Frieden benutzte K., um einen gesetzmäßigern Zustand in seinem Reiche herbeizuführen, der Noth, in welcher viele seiner Unterthanen schmachteten, einigermaßen abzuhelfen und die Sittlichkeit zu heben. Doch waren seine Gesetze zum Theil von grausamer Strenge. Im I. 322 züchtigte K. die andrängenden Gothen und 323 brach ein neuer Bürgerkrieg gegen Licinius aus. K. und sein ältester Sohn Crispus [641] kämpften siegreich, und Licinius mußte sich unterwerfen und der Kaiserwürde entsagen. Begnadigt, aber bald darauf wieder verdächtig, erfolgte endlich seine Hinrichtung. Auf diese Weise war 325 K. zum alleinigen Herrn des röm. Weltreichs geworden und herrschte nun mit wenigen Ausnahmen friedlich und glücklich bis an seinen Tod. Das glänzendste Werk, welches er ausführte, war die Gründung der noch jetzt seinen Namen tragenden Stadt Konstantinopel (s.d.) an der Stelle des alten Byzanz. Mit ungeheurem Aufwand von Geld und Kräften ward diese große Stadt erbauet und wurde der Sitz der Regierung, die erste Stadt des Reiches nach Rom. Einen schwarzen Flecken warfen auf den Charakter K.'s die leidenschaftlichen Handlungen, zu denen er sich im Zorn hinreißen ließ. Nicht nur den Tod des Maximian und Licinius kann man ihm zum Vorwurf machen, sondern die Geschichte klagt ihn auch der ungerechten Hinrichtung seines Sohnes Crispus, seines Neffen, eines Sohnes des Licinius, und seiner Gemahlin Fausta an. Crispus war der Stiefsohn der Fausta, und vielleicht ist die Nachricht gegründet, daß K. den Crispus verurtheilte, aufgereizt durch Anschuldigungen der Fausta, und daß er dann an dieser die Unwahrheit jener Anklagen rächte. Nochmals mußte K. 331 zum Kriege gegen die Gothen sich rüsten. Der Anfang des Feldzuges war für K. unglücklich, darauf aber wurden die Gothen 332 gänzlich geschlagen und mußten demüthig um Frieden bitten. Als die Sarmaten von ihren eignen Sklaven aus ihren bisherigen Ländern vertrieben wurden, wendeten sie sich demüthig bittend an K. um Aufnahme in das röm. Reich, und dieser wies ihnen Wohnsitze in Thrazien, Kleinscythien und Macedonien an. Nachdem K. das dreißigste Jahr seiner Regierung festlich begangen hatte, ein Glück, welches mit Ausnahme des Augustus kein röm. Kaiser erlebt hatte, starb er nach kurzem Unwohlsein 337 im Palast zu Aquyrion in der Vorstadt von Nikomedia, wohin er sich zu seiner Herstellung begeben hatte. Kurz vor seinem Tode ließ sich K. durch das Sacrament der Taufe feierlich in die Gemeinde der Christen aufnehmen und sein Leichnam wurde in der Kirche der Apostel zu Konstantinopel feierlich beigesetzt. Die größte Wichtigkeit hat K. dadurch erlangt, daß durch ihn die christliche Kirche aus dem Zustande der Unterdrückung und Verfolgung sich erhob und von nun öffentlich mit dem Anspruche Weltreligion zu sein auftreten konnte. Gewiß ist es, daß sich K. schon früher dem Christenthum zuneigte, und wenn er seine feierliche Aufnahme in den Schoos der Kirche bis zu seinen letzten Augenblicken verschob, so kann dieses theils (wenigstens in Bezug auf die erste Zeit seiner Regierung) aus politischen Gründen geschehen sein, um nicht unter seinen doch an Anzahl noch weit den Christen überlegenen heidnischen Unterthanen zu aufrührerischen Bewegungen Veranlassung zu geben, theils kann auch die Ansicht zu Grunde gelegen haben, daß die Taufe eine von allen Sünden reinigende Kraft besitze, also am besten am Abende seines Lebens vorgenommen würde, damit nicht durch neue Sünden sein Geist befleckt werde. Während seiner Regierung war K. unablässig bemüht, das Christenthum zu heben und zu fördern; er ließ seine Söhne von christlichen Geistlichen sorgfältig erziehen und lebte selbst stets im Umgange mit christlichen Geistlichen, ja schrieb sogar Abhandlungen zur Verherrlichung des Christenthums. Nachdem er zur Alleinherrschaft gelangt war, bekannte er offen seine Erkenntniß des Christenthums als ewige Wahrheit, und foderte auch seine heidnischen Unterthanen dringend auf, dem neuen Lichte sich zuzuwenden, obgleich er ihnen auch bei ihren, alten Religionsansichten völlige Freiheit zusicherte. Berühmt und wichtig für die christliche Glaubenslehre wurde das Concilium zu Nicäa, welches K. 325 zusammenberief und selbst besuchte. K. ist ebenso sehr gepriesen und bewundert als angeklagt und verachtet worden; gepriesen namentlich von christlichen, angeklagt von heidnischen Schriftstellern. Er war ein schöner, kraftvoller Mann, geübt in allen Künsten eines Kriegers, dabei klug, mäßig in allen Genüssen, wohlthätig, und milderte seine sehr strengen, aber nur auf Ordnung der Sitten abzielenden Gesetze häufig durch seine Gnade, nahm sich der Unterdrückten an, beschützte namentlich die Frauen, welche bisher häufig mit großer Willkür behandelt worden waren, setzte die Abgaben herab und brachte Ordnung in alle Zweige der Staatsverwaltung. Dagegen war er aber auch ehrgeizig, jähzornig, hinterlistig, verschwenderisch und Freund eines grenzenlosen Luxus. Seine Bekehrung zum Christenthum ist namentlich einer wunderbaren Erscheinung zugeschrieben worden, welche er gehabt haben soll, als er 312 gegen den Maxentius kämpfte. Er soll nämlich am Tage unter der Sonne ein flammendes Kreuz mit der Inschrift: In hoc signo viaces (d.h. Mit diesem Zeichen wirst du siegen) erblickt haben, und darauf soll ihm Christus des Nachts erschienen sein und ihm befohlen haben, eine Fahne in der Gestalt jenes Lichtkreuzes zu führen, das ihm am Tage erschienen war. K. und nach ihm die christliche Kirche führte auch wirklich eine heilige Standarte, das Labarum genannt, welches eine lange, mit einem Querbalken versehene Lanze war. Von dem Querbalken hing ein seidenes Tuch herab, auf welchem die Bildnisse des regierenden Kaisers und seiner Kinder eingewebt waren; auf der Spitze der Lanze stand eine goldene Krone, welche den heiligen Namenszug einschloß, der den Namen Christi und das Zeichen des Kreuzes darstellte. Griechen und Russen begehen das Fest K.'s als eines Heiligen am 21. Mai. – Bald nach seinem Tode verbreitete sich das Gerücht, K. sei durch seine Seitenverwandten durch Gift umgebracht worden. K. selbst hatte diese stets mit großer Gunst behandelt und sie zu großem Ansehen erhoben; nun aber wendete sich die blinde Rachsucht der Krieger gegen sie und alle bis auf Gallus und Julian, den nachmaligen Kaiser, wurden umgebracht. Das Reich wurde unter die drei Söhne des K. und der Fausta: Konstantin, Konstantius und Konstans, getheilt. Durch Senatsbeschluß wurde K. nach seinem Tode den heidnischen Göttern beigesellt, wie dieses auch mit den frühern Kaisern geschehen war.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 641-642.
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