Gerhard [2]

[630] Gerhard, 1) Meister G. von Rile (vermutlich Riel bei Köln), Architekt, war bis etwa 1295 der erste Meister am Kölner Dombau, dessen Grundstein 1248 gelegt war, und wahrscheinlich auch der Urheber des Planes des ganzen Baues oder doch wenigstens des Chors. Er starb gegen 1295.

2) Johann, luther. Theolog, geb. 17. Okt. 1582 in Quedlinburg, gest. 17. Aug. 1637, studierte erst Medizin in Wittenberg, widmete sich aber infolge[630] eines Gelübdes zu Jena der Theologie, wurde 1606 Superintendent zu Heldburg, 1615 Generalsuperintendent zu Koburg und 1616 Professor der Theologie in Jena, wo er sich eines so bedeutenden Rufes erfreute, daß sich nicht allein der Herzog von Weimar seines Rates in Staats- und Kirchenangelegenheiten oft bediente, sondern auch auswärtige Fürsten ihn konsultierten und seine Stimme auf Religionsgesprächen von nicht geringem Gewicht war. Unter seinen Schriften sind die bemerkenswertesten: »Loci communes theologici« (Jena 1610–22, 9 Bde.; nen hrsg. von Frank, Leipz. 1885, 9 Bde.); »Meditationes sacrae« (Leiden 1627), die unzählige Male aufgelegt, auch in die meisten europäischen Sprachen übersetzt sind (deutsch von Böttcher, 3. Aufl., Leipz. 1876; Elberf. 1900; Berl. 1901); »Harmonia Evangelistarum Chemnitio-Lyseriana... continuata« (Jena 1626–27, 3 Tle.); »Confessio catholica et evangelica« (das. 1634–37, 3 Bde.). Vgl. Troeltsch, Vernunft und Offenbarung bei Johann G. und Melanchthon (Götting. 1891); Berbig, J. Gerhards Visitationswerk in Thüringen und Franken (Gotha 1898).

3) Wilhelm, Dichter, geb. 29. Nov. 1780 in Weimar, war seit 1806 Besitzer eines Handelsgeschäfts in Leipzig und starb auf der Rückkehr von einer Schweizerreise 2. Okt. 1858 in Heidelberg. G. wußte in seinen »Gedichten« (Leipz. 1826, 2 Bde.) den Volkston so glücklich zu treffen, daß mehrere derselben eine weite Verbreitung fanden und noch jetzt gesungen werden (z. B. »Auf, Matrosen, die Anker gelichtet«, »Bin der kleine Tambour Veit«, »Die Mädchen in Deutschland sind blühend und schön« etc.). Auch veröffentlichte er das Drama »Sophronia« (Magdeb. 1822) und eine Bearbeitung serbischer Volks- u. Heldenlieder: »Wila« (Leipz. 1828, 2 Bde.; neue Ausg. von K. Braun als: »Gesänge der Serben«, das. 1877), u. a.

4) Eduard, Archäolog, geb. 29. Nov. 1795 in Posen, gest. 12. Mai 1867 in Berlin, widmete sich in Breslau und Berlin unter Böckh klassischen Studien und habilitierte sich 1816 in Breslau. Später erhielt er eine Professur am Gymnasium seiner Vaterstadt und unternahm seit 1819 wiederholt wissenschaftliche Reisen nach Italien. In Rom beteiligte er sich an Platners und Bunsens »Beschreibung der Stadt Rom«. In seinem Streben, eine systematische Denkmälerkunde des klassischen Altertums durch Abbildung und Beschreibung aller vorhandenen Denkmäler vorzubereiten, ward er seit 1828 besonders durch die von Lucian Bonaparte veranstalteten Ausgrabungen bedeutend gefördert. Unter Mitwirkung andrer Archäologen gründete er 1829 das Archäologische Institut (s.d.) in Rom. 1837 ward er als Archäolog am königlichen Museum in Berlin angestellt, 1844 zum ordentlichen Professor an der Universität daselbst ernannt und zum Mitglied der Akademie gewählt. Unter Gerhards zahlreichen Schriften sind seine umfangreichen Sammelwerke die auch jetzt noch wichtigsten: »Antike Bildwerke« (Stuttg. 1827–44, mit 140 Kupfern und der Beilage: »Griechische Mysterienbilder«, das. 1839); »Auserlesene griechische Vasenbilder« (Berl. 1839–58, 4 Bde., mit 330 Kupfern); »Etruskische Spiegel« (das. 1843–68, 4 Bde., mit 360 Tafeln; fortgesetzt von Klügmann und Körte, 1884ff.); »Griechische und etruskische Trinkschalen« (das. 1843, mit 19 Tafeln); »Etruskische und kampanische Vasenbilder« (das. 1843, mit 35 Tafeln); »Vases apuliens« (das. 1846, mit 21 Tafeln) und »Trinkschalen und Gefäße« (das. 1848–50, mit 37 Tafeln). Von Beschreibungen antiker Denkmäler veröffentlichte G. für das Museum von Neapel mit Panofka »Neapels antike Bildwerke« (Stuttg. 1828. Bd. 1), für das Museum des Vatikans mit Platner ein beschreibendes Verzeichnis in der »Beschreibung der Stadt Rom« (Bd. 2) und für das Berliner Museum »Berlins antike Bildwerke beschrieben« (Berl. 1836, Bd. 1), denen sich die »Neu erworbenen antiken Denkmäler« (das. 1836–55, 3 Hefte nebst 2 Nachträgen) u. a. anreihten. Seine übrigen Sonderpublikationen und Aufsätze in gelehrten Zeitschriften sowie seine mythologischen Arbeiten sind durch die spätern Forschungen meist überholt. G. hat der Wissenschaft mehr genützt durch seine organisatorische Tätigkeit und seine Denkmälerpublikationen als durch die Resultate seiner eignen Forschungen. Seine »Gesammelten akademischen Abhandlungen und kleinen Schriften« erschienen Berlin 1866–68 in 2 Bänden nebst einem Band Abbildungen auf 82 Tafeln. Vgl. O. Jahn, Eduard G., eine Lebensskizze (Berl. 1868); Reumont, Necrologia di Ed. G. (Flor. 1868).

5) Eduard, Maler, geb. 29. April 1813 in Erfurt, gest. 6. März 1888 in München, war mehrere Jahre Lithograph und später Architekt, bis er 1837 nach München ging und sich dort gänzlich der Malerei widmete. Längerer Aufenthalt in Italien, Spanien und Portugal führte ihn der Architekturmalerei zu, und er stellte die ältern Bauwerke jener Länder teils in Aquarellen, teils in Ölgemälden dar, wobei er sowohl das Landschaftliche als die Figurenstaffage stets in harmonischer Weise poesievoll zu verbinden wußte. Am tiefsten war er in den Charakter der maurischen Architektur eingedrungen, was seine Aquarelle aus der Alhambra, der Inquisitionspalast in Cordoba (1863) und seine Ölbilder: die nördliche Ansicht der Alhambra, die Mondnacht in einer spanischen Stadt, der Löwenhof der Alhambra bei Mondschein und der Generalife bei Granada (beide in der Galerie Schack in München), beweisen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 630-631.
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