Beschneidung

[668] Beschneidung, 1) (Ant. u. Sittengesch.), die Wegschneidung der Vorhaut des männlichen Gliedes. Diese Operation ist im Kindesalter leicht, weil hier die Vorhaut sehr lang ist, bei Erwachsenen dagegen oft schmerzhaft u. nicht ohne Gefahr, indem sich zuweilen am 3. Tage ein Wundfieber einstellt u. der Beschnittene wohl 2–3 Wochen bettlägerig bleibt. Der Zweck der B. ist Reinlichkeit u. somit Verhütung von Krankheit, indem nämlich in heißen[668] Ländern die zwischen Vorhaut u. Eichel abgesonderte Schmiere sich leicht ansammelt, verhärtet od. in Gährung u. Fäulniß übergeht u. so den Eicheltripper od. Entzündung der Vorhaut bedingt. Die B. war zwar allen Poltern des Orients eigen, vorzugsweise indeß bei den Hebräern, u. hatte bei ihnen zugleich eilten religiösen Zweck, indem die B. zugleich die Aufnahme in die Mitgliedschaft des Alten Bundes war. Die B. war von Gott dem Abraham verordnet u. von Moses zu einem gesetzlichen Institute mit religiös-sittlicher Bedeutung erhoben, daher wurden nicht blos die jüdischen Kinder, sondern später auch die Proselyten der Gerechtigkeit u. die im Hause geborenen od. erkauften heidnischen Sklaven beschnitten. Später zwangen die Juden sogar die besiegten Idumäer u. Ituräer zur B. Einen beschnitten Geborenen hielt man für heilig; die Ägyptier erzählten dies von ihren Halbgöttern, die Juden von ihren Patriarchen, auch von Adam, David etc., die Muhammedaner von Muhammed, die Perser von Ali. Bei den Juden geschieht die B. u. Namengebung (letztere auch bei den Mädchen) am 8. Tage nach der Geburt in der Synagoge, selbst wenn dieser Tag auf einen Sabbath füllt. Doch wenn das Kind schwach ist, kann die B. Verschoben werden, u. während des 40jährigen Zuges durch die Wüste war Niemand beschnitten worden, daher es später nachgeholt wurde. Bei der B. sitzt dir Gevatter auf einem Stuhl neben dem Tisch, auf welchem sie geschieht; ein anderer Stuhl bleibt für den Elias, den malt sich bei der B. gegenwärtig denkt, offen, Knaben bringen die nöthigen Geräthe, eine Wachsfackel, das Messer, Pulver zum Streuen auf die Wunde, einen Verband, Wein, Öl, Sand etc. herbei, u. beim Beginnen spricht der Beschneider (Mohel), ein in dieser Operation geübter Mann, den Gesang 2. Mos. 15, 1. Der Gevatter bringt das Kind von der Thür, wo er es den Weibern abnimmt, herbei, u. der Mohel spannt die Vorhaut in eine Art Kamm u. schneidet sie mit einem stählernen, sonst steinernen Messer ab; das Bändchen der Vorhaut aber reißt er mit dem Daumnagel ab, welche Operation Pria heißt; hierauf nimmt er Wein in den Mund u. bespritzt die Wunde u. das Gesicht des Kindes mit demselben, saugt das Blut dreimal aus der Wunde, spuckt es aus u. verbindet sie dann mit in Öl getauchter Baumwolle. Zum Schluß werden Gebete gesprochen u. dann folgt ein festliches Mahl (Beschneidungsmahl), bei dem mindestens 10 Männer u. darunter ein Rabbiner sein müssen. Auch vor der V. gestorbene Kinder erhalten die V. u. einen Namen, was erst um 876 v. Chr. eingeführt wurde, weil man glaubte, der Frühverstorbene müßte der Seligkeit entbehren, weil an die Vorhaut die bösen Geister sich ansehen. Jedoch sind einige Rabbiner gegen die Todtenbeschneidung, u. selbst von ihren Vertheidigern wird kein allzugroßer Werth darauf gelegt. Zur Zeit der Makkabäer u. unter römischer Herrschaft zogen viele Juden, um sich den Verfolgungen u. dem Spotte ihrer heidnischen Feinde zu entziehen, durch eine chirurgische Operation u. Mittel die Vorbaut wieder über die Eichel herab, um so als unbeschnitten zu erscheinen (Epispasmus, Recutitio). Bei den Ägyptiern war die B. ebenfalls u. wahrscheinlich früher, als bei den Hebräern, daher man glaubt, daß sie Abraham bei seiner Anwesenheit in Ägypten kennen gelernt u. zu den Hebräern übergetragen habe. Ob jedoch in Ägypten die B. allgemein gewesen sei, ist unbestimmt, u. man weiß nur, daß die Printer sich beschneiden lassen mußten. Die B. wurde in Ägypten erst im 14. Lebensjahre vorgenommen. Bei den Äthiopiern, bes. den Troglodyten, war die B. allgemein, u. bei den christlichen Äthiopiern ist die Sitte noch bis heute gebräuchlich, ohne eine religiöse Bedeutung zu haben, sondern aus Gesundheitsrücksichten. Bei den Muhammedanern geschieht die B. mit der Namengebung im väterlichen Hause in Gegenwart des Imans, der die Gebete spricht, durch öffentliche Barbiere, meist vom 7. bis zum 13. Jahre; der Ceremonie folgen Feste. Von den Westasiaten beschnitten sich in alter Zeit die Homeriten in Arabien; die Kolchier, die nach Herodot von ägyptischer Abkunft sein sollten; seiner die Phönicier (die unter Griechen lebenden unterließen die B.), die Syrer in Palästina, die Kappadozier u. deren Nachbarn, die Makroner. In Afrika ist außer bei den äthiopischen u. abyssinischen Völkerschaften die B. auch unter den Negerstämmen im Inneren, in Congo, Guinea u. bei den Kaffern gebräuchlich. Selbst auf einigen Inseln der Südsee u. in SAmerika hat man diesen Gebrauch angetroffen. Eine eigenthümliche Sitte in Ägypten, Äthiopien u. den benachbarten Ländern ist die B. der Weiber, wobei Man den dicken, weichen, aus der Schaam heraushängenden, die Begattung hindernden Auswuchs abschneidet. Dies geschieht an Mädchen von 7–8 Jahren, zur Zeit, wenn der Nil steigt, von umherziehenden Weibern, mit Messern, worauf die Wunde mit Asche bestreut wird. Nichtbeschnittene Weiber gelten für Unrein, u. Gefäße, woraus sie gegessen haben, werden zerschlagen, 2) (Med.), Entfernung eines Theils der Vorhaut, od. auch nur Trennung derselben mittelst eines Schnittes bei krankhafter Beschaffenheit derselben; ist vorzunehmen bei sehr verengerter Vorhaut, bei Phimosis (s.d.), bei Verhärtungen der Vorhaut od. scirrhösen, krebshaften u. anderen Entartungen od. Verwachsungen derselben mit der Eichel. Sie wird verrichtet entweder mit dem Bistouri od. einem Fistelmesser, mit od. ohne Hülfe einer Sonde, indem die Vorhaut von hinten nach vorn gespalten wirb, od. mit einer Schere, indem sie in umgekehrter Richtung getrennt wird, wobei man darauf zu sehen hat, daß äußeres ü. inneres Blatt der Vorhaut gleichmäßig getrennt sind. Dieser einfache Schnitt genügt indeß selten, meist ist noch nöthig u. räthlich ein Stück der Vorhaut in der Runde wegzuschneiden. Die Abschneidung eines vorderen Stücks der Vorhaut, nachdem diese vorgezogen u. mit einer Pinzette od. Zange etc. festgehalten worden ist, mittelst eines die ganze Bunde wegnehmenden Schnittes, ist weniger zu empfehlen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 668-669.
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