Rosenkreuzer

[365] Rosenkreuzer, ursprünglich die Idee eines Bundes,[365] welcher zu Anfang des 17. Jahrh, gegenüber dem damals bes. in Deutschland verbreiteten gnostischen Mysticismus einer- u. dem scholastischen Orthodoxismus andererseits, zur allgemeinen Umgestaltung u. Verbesserung in Staat, Kirche u. Schule auf Grund des reinen u. richtig verstandenen Schriftchristenthums von allen Ständen Europas geschlossen werden sollte. Diese Idee ging von Joh. Val. Andreä (s.d. 4) aus u. war dargestellt in den drei gedruckten Aufrufen: Fama fraternitatis R. C. od. Brüderschaft des hochlöblichen Ordens des R. C., Kassel 1614; Confession u. Bekenntniß der Societet u. Bruderschafft R. C., ebd. 1615, u. Chymische Hochzeit Christian Rosenkreutz (1603 geschrieben) 1616. Nach der Einkleidung der Idee in der letzten Schrift war Christian Rosenkreuz (womit der echte Christ mit seinen Freuden u. Leiden im Verhältniß zu Gott u. zur Welt bezeichnet werden sollte), ein junger Edelmann, geb. 1388, aus dem Kloster nach dem Heiligen Lande gezogen u. hatte in Damaskus, Ägypten u. Fez die Geheimnisse der Physik, Mathematik u. Magie gelernt. In Spanien suchte er vergebens die gelernte Weisheit mitzutheilen u. kehrte deshalb nach Deutschland zurück, baute sich ein schönes Haus (Domus Sti. Spiritus), wählte aus seinem früheren Kloster drei Freunde zur Bildung der Brüderschaft des Rosenkreuzes, mit denen er die Weltreformation ins Werk setzen wollte, u. cooptirte später noch vier Mitglieder, welche nun vom Meister unterrichtet auszogen, um für den vorgesetzten Zweck zu wirken. Als Ordensregeln galten: die Mitglieder des Bundes widmen sich der unentgeltlichen Krankenheilung; sie tragen keine besondere Ordenstracht, führen aber ein Siegel mit den Buchstaben R. C.; sie kommen alle Jahre einmal in dem Bundeshause zusammen, um Bericht über ihre Erfolge zu erstatten; jeder muß bei seinen Lebzeiten einen zu seinem Nachfolger bestimmen; die Brüderschaft soll 100 Jahre ein Geheimniß bleiben. Der Vortheil der Theilnahme an der Brüderschaft sollte der Besitz der höchsten Wissenschaft u. bei sittlich reinem Leben Freiheit von Krankheit u. Schmerz sein; der Tod u. die Begräbnißstätten der Brüder blieben gegenseitig verborgen, nur ihr Namewar bekannt. Nachdem die Gesellschaft unter Christ. Rosenkreuz u. seinen Nachfolgern im Meisterthum 120 Jahre bestanden hatte, wurde zufällig in dem Bundeshause das Grab Christ. Rosenkreuz's in einem Gewölbe gefunden, dabei allerhand mystische Figuren u. Geräthschaften u. die Bücher der Brüderschaft mit den Mysterien des Ordens. In der Fama u. Confession wurden nun die Gelehrten zur öffentlichen Prüfung der Grundsätze der Brüderschaft, sowie Fürsten u. Unterthanen, Reiche u. Arme zum Anschluß an dieselben aufgefordert; in kirchlicher Hinsicht gehörte dazu das Bekenntniß des biblischen Christus u. der Gebrauch der zwei Sacramente, in politischer die Anerkennung des Römischen Reichs; das Goldmachen als höchste Aufgabe der Philosophie wurde für die Brüderschaft abgelehnt, da dieselbe zwar leicht Gold machen könne, aber viele andere bessere Stücke habe. Diese Idee Andreä's hatte das eigenthümliche Schicksal allgemein für eine wirklich bestehende geheime Gesellschaft gehalten u. von Vielen beurtheilt, ohne von Einem verstanden zu werden, die Einen billigten u. priesen sie u. wollten Mitglieder werden (so der Tyroler Haselmeier u. der thüringische Geistliche Dav. Meder in Judicium theologicum, 1616), namentlich die Alchymisten, wie der Engländer Rob. Fludd, I. Sperber, Mich. Maier etc.; Andere dagegen verketzerten u. verfolgten sie schriftlich, so namentlich die Theologen Christoph Nigrinus (Sphynx rosea, Frankf. 1629), Gilbert de Speignari, Val. Griesman, Georg Rostius, Nikol. Hunnius u. A., wie auch Mediciner, wie Andr. Libavius, welcher den R-n die Absicht unterlegte die Galensche Schule zu stürzen u. den Theophrastus Paracelsus zur Geltung zu bringen. Gegen diese Verkennung seiner Absicht u. gegen die Annahme der R. als wirkliche Gesellschaft schrieb Andreä den Menippus (satyrische Dialoge), 1617; Invitatio Fraternitatis Christi, 1617 f.; Mythologia christiana, 1619; Turris Babel s. Judiciorum de Fraternitate Rosaceae Crucis chaos, 1619; Reipublicae christianopolitanae descriptio, 1619 u.a. Indeß hatte doch die Idee auch mehrfach Beifall gefunden, u. es begannen um 1620 mehre bedeutende Männer mit Andreä über einen solchen Bund sich zu vernehmen, doch wurde die Ausführung durch die Unruhen des Dreißigjährigen Krieges gestört, dagegen bemächtigten sich Schwärmer, mystische Philosophen u. Alchemisten der Idee, u. es entstand u.a. 1622 im Haag eine wirkliche Gesellschaft von R-n mit Verzweigungen in Amsterdam, Nürnberg, Hamburg, Danzig, Mantua, Venedig u. Erfurt. Sie nannten sich wahre R. u. ihren Stifter Christian Rose, sie trugen öffentlich einen schwarzen seidenen Schmuck, welchen sie bekamen, nachdem sie einige Exstasen gehabt hatten; in ihren Versammlungen aber gingen sie mit einem blauen Ordensbande, an welchem ein goldenes Kreuz mit einer Rose hing. Die neuen R. erschienen 1756–1768 zuerst in Süddeutschland als Inhaber eines höheren Ordensgrades der Freimaurerei, in dem Bemühen die Freimaurerei selbst, als eine aus den früheren R-n hervorgegangene Verbrüderung, darzustellen u. den Wahn zu nähren, daß das eigentliche Geheimniß der Freimaurerei in einem Nimbus von Theosophie, Magie u. Alchemie verborgen sei, zu dessen Enthüllung nur Hochgeweihte gelangen. Schröpfer u. später Wöllner u.A. gingen in diese eiteln Bestrebungen ein. Seit dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrh. ist indessen die deutsche Freimaurerei von dieser Verirrung allmälig ganz zurückgekommen. In der französischen Freimaurerei hat sich aber der Ritter od. Prinz Rosenkreuz (Le souverain prince Rosecroix) als 7. u. letzter Grad des Rite français ou moderne, od. als 18. in dem aus Amerika nach Frankreich eingeführten Altenglischen Systeme lange, nach anderen Systemen auch noch in anderen Stellungen erhalten; er sollte eine Feier des Todes u. Wiederauflebens Jesu auf eine katholisch-religiöse Weise bedeuten. Vgl. Missiv an die Brüderschaft des Ordens des goldenen u. Rosenkreuzes, Lpz. 1783 (darin ein Verzeichniß von 200 Rosenkreuzerschriften von 1614–1783); Semler, Sammlungen zur Historie der R., Lpz. 1786–88, 4 Stücke; Chr. von Murr, Über den wahren Ursprung der R., Sulzb. 1803; Buhle, Über Ursprung u. die vornehmsten Schicksale der Freimaurer u. R., Gött. 1804; Nicolai, Bemerkungen über den Ursprung u. die Geschichte der R. u. Freimaurer, Berl. 1806; Die beiden Hauptschriften der R., die Fama u. die Confession, kritisch geprüfter Text etc., Frankf. 1827; Guhrauer, Kritische Bemerkungen über Sinn u. Zweck der Fama fraternitatis etc. in Riedners Zeitschrift für historische Theologie 1852, S.298 ff.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 365-366.
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