Basedow [2]

[417] Basedow, Johann Bernhard (eigentlich Joh. Berend Bassedau), philanthropischer Reformator des Erziehungs- und Unterrichtswesens, geb. 11. Sept. 1723 in Hamburg, gest. 25. Juli 1790 in Magdeburg, besuchte nach harten und bewegten Knabenjahren 1741–44 das Johanneum seiner Vaterstadt und studierte 1746–47 drei Semester in Leipzig Theologie. Nach weitern Studien in Hamburg war er (1743–1753) in einem adligen Haus in Holstein Hofmeister, magistrierte 1752 in Kiel und bekleidete seit 1753 die Professur der Moral und der schönen Künste, später auch der Theologie an der Ritterakademie zu Sorö (Seeland). Seine »Praktische Philosophie für alle Stände« (Kopenh. 1758) fand viel Beifall, ein gleichzeitiger Aufsatz über »Verbesserung des Religionsunterrichts« jedoch verwickelte ihn in literarischen Streit, infolgedessen er 1761 an das Gymnasium zu Altona versetzt ward. Seine dort verfaßten popularphilosophischen Schriften. »Philalethie. Neue Aussichten in die Wahrheiten und Religion der Vernunft etc.« (Altona 1763–64, 2 Bde.), »Theoretisches System der gefunden Vernunft« (das. 1765), wie die theologisch-pädagogischen: »Grundriß der Religion, welche durch Nachdenken und Bibelforschen erkannt wird« (das. 1764), »Methodischer Unterricht der Jugend in der Religion und Sittenlehre der Vernunft« und »Methodischer Unterricht in der überzeugenden Erkenntnis der biblischen Religion« (das. 1764), erweckten heftigen Sturm gegen ihren Verfasser, machten ihn aber gleichzeitig zum gefeierten Märtyrer der Aufklärung. Seines Amtes mit Belassung des Gehaltes enthoben (1768), widmete B. sich ganz der Reform des Unterrichtswesens, die er in freiem Anschluß an Rousseaus inzwischen erschienenen »Émile« im großen Stil plante. Ostern 1768 erschien seine »Vorstellung an Menschenfreunde und vermögende Männer für Schulen, nebst dem Plan eines Elementarbuches der menschlichen Erkenntnisse« (neu hrsg. von Lorenz, Leipz. 1894). Aus dem umfassenden Briefwechsel darüber entstanden (1768 u. 1769) seine »Unterhaltungen mit Menschenfreunden«, später »Vierteljährige Nachrichten vom Elementarwerk« betitelt (1770 u. 1771). Die Pränumeration auf das große Elementarwerk ergab bis 1771 gegen 13,000 Reichstaler. Als Vorläufer erschien 1769 das Schriftchen »Endzweck, Möglichkeit und Probe des versprochenen Elementarbuches«; 1770 das »Methodenbuch für Väter und Mütter der Familien und Völker«; 1774 das »Elementarwerk« selbst in 4 Bänden mit 100 meist von Chodowiecki entworfenen Kupfertafeln und erläuterndem Text, teilweise von Wolke (s. d.). Es erregte großes Aufsehen und lebhafte Diskussion, ohne jedoch viel unmittelbaren Eingang ins Schulwesen zu finden. Schon vorher (1771) war B. dem Rufe des Fürsten Leopold Franz Friedrich von Anhalt-Dessau gefolgt, um in Dessau seine Ideen praktisch auszuführen. Seine dort 1774 eröffnete Anstalt erhielt den Namen Philanthropinum. Außer B. lehrten an ihr die Schweizer Simon und Schweighöfer und der Jeveraner Wolke. Anfangs fand die junge Anstalt vielseitige Teilnahme. In Deutschland[417] und in der Schweiz wurden mehrere »Philanthropine« nach ihrem Muster gegründet; aber schon die 1775 mit Gepränge abgehaltene öffentliche Prüfung fand sehr verschiedene Beurteilung, äußere Bedrängnisse wie persönliche Ärgernisse traten hinzu, und B. selbst legte nach mißlichen Händeln, besonders mit seinem inzwischen berufenen Vertreter J. H. Campe (1776–1777; s. d.) und mit Wolke, schon 1778 die Direktion der Anstalt endgültig nieder. Er lebte seitdem bald in Dessau, bald in Leipzig, Halle, Magdeburg. Der pädagogischen Praxis überdrüssig, wandte er sich wieder der Schriftstellerei, namentlich theologischer, zu. Aus jener Zeit datieren seine Schriften: »Vermächtnis für die Gewissen«, »Urkunde einer neuen Gefahr für das Christentum« (zum Streit über die Wolfenbütteler Fragmente), »Examen in der alten natürlichsten Religion« und die zweite Auflage des »Elementarwerkes« (1785). B. war ein reichbegabter, anregender Geist, erfüllt von aufrichtiger Begeisterung für das erkannte Gute. Selbstbeherrschung, Ausdauer, edlerer Schwung und würdige Haltung fehlten ihm. In religiöser Hinsicht war er einseitiger Rationalist. In der Pädagogik ist trotz allem sein Einfluß bedeutend und nach kritischer Ausscheidung seiner Einseitigkeiten im ganzen heilsam gewesen. Vgl. Goethe in »Wahrheit und Dichtung« (III, 14); Rathmann, »Beiträge zur Lebensgeschichte Basedows« (Magdeb. 1791); I. Chr. Meyer, Leben, Charakter und Schriften Basedows (Hamb. 1791–92, 2 Bde.); K. v. Raumer, Geschichte der Pädagogik, Bd. 2 (6. Aufl., Gütersloh 1889); G. Baur in Schmids »Enzyklopädie«; Max Müller (Basedows Urenkel) in der »Allgemeinen deutschen Biographie«; Hahn, B. und sein Verhältnis zu Rousseau (Leipz. 1885); Pinloche, B. et le philanthropinisme (Par. 1890; deutsch, Leipz. 1896); Lorenz, Basedows Philanthropin (»Pädagogische Blätter«, 1892); Derselbe, Pädagogik J. B. Basedows (in Fleckeisens »Neuen Jahrbüchern«, 1893); Franke, Beiträge zur Geschichte des Philanthropins zu Dessau (»Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungsgeschichte«, Berl. 1892); Derselbe, Aus dem Nachlasse des Dessauer Philanthropins (in Fleckeisens »Neuen Jahrbüchern«, 1893); Diestelmann, Joh. Bernh. B. (Leipz. 1897); Schmid, B. und das Philanthropinum in Dessau (in der »Geschichte der Erziehung«, 4. Bd., 2. Teil, Stuttg. 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 417-418.
Lizenz:
Faksimiles:
417 | 418
Kategorien: