Keil [2]

[810] Keil, 1) Karl Friedrich, luther. Theolog, geb. 23. Febr. 1807 in Lauterbach bei Ölsnitz in Sachsen (Kreish. Zwickau), gest. 5. Mai 1888 in Rödlitz bei Lichtenstein, wurde 1833 Dozent, 1838 außerordentlicher, 1839 ordentlicher Professor in Dorpat und zog sich, 1858 emeritiert, nach Leipzig zurück. In einer großen Reihe von alt- und neutestamentlichen Kommentaren (teilweise in dem mit Franz Delitzsch herausgegebenen bändereichen »Biblischen Kommentar über das Alte Testament«) setzte er seit 1833 die Richtung Hengstenbergs fort. Von seinen übrigen Schriften nennen wir: »Der Tempel Salomos« (Dorpat 1839); »Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in die Schriften des Alten Testaments« (Frankf. 1855, 3. Aufl. 1873); »Handbuch der biblischen Archäologie« (das. 1858–59, 2. Aufl. 1875).

2) Ernst, Buchhändler, Begründer der Zeitschrift »Gartenlaube«, geb. 6. Dez. 1816 in Langensalza, gest. 23. März 1878 in Leipzig, erlernte in Weimar den Buchhandel, trat 1837 als Gehilfe in die Weygandsche Buchhandlung in Leipzig ein, übernahm 1838 die Redaktion des Journals »Unser Planet« (später »Wandelstern«), begründete in Leipzig 1845 ein eignes buchhändlerisches Geschäft und rief ein Jahr später das Monatsblatt »Der Leuchtturm« ins Leben, das, unterstützt von den angesehensten Vertretern der liberalen Bewegung (R. Blum, J. Jacoby, Wislicenus, Uhlich etc.), in der Geschichte des vormärzlichen Journalismus eine bedeutsame Wendung bezeichnete. Unaufhörliche Verfolgungen von seiten der Polizei zwangen zu häufigem Wechsel des Verlagsortes, bis endlich die Märztage von 1848 Preßfreiheit brachten und das Blatt selbst in Leipzig erscheinen durfte. Mit dem Siege der Reaktion begannen die Verfolgungen von neuem; die Zeitschrift wurde 1851 unterdrückt und K. selbst zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe[810] verurteilt, die er in Hubertusburg verbüßte. Hier reiste in ihm der Plan zu seinem Hauptunternehmen, einem neuen illustrierten Familienblatt, das vom 1. Jan. 1853 ab unter dem Titel: »Die Gartenlaube« (s. d.) erschien und in kurzer Zeit eine unerhörte Verbreitung fand. Die hervorragendsten Namen deutschen Schrifttums waren bald unter den Mitarbeitern des Blattes zu finden; die Seele aber und der wirkliche Leiter desselben war und blieb K. stets selbst bis zu seinem Tode. Unter seinen übrigen Verlagswerken waren Bocks »Buch vom gesunden und kranken Menschen« und die (zuerst in der »Gartenlaube« erschienenen) Romane von E. Marlitt und E. Werner die erfolgreichsten. Das Geschäft wurde Ende 1883 von den Gebrüdern Kröner in Stuttgart käuflich übernommen, unter der Firma »Ernst Keils Nachfolger« weitergeführt und ging 1898 unter derselben Firma an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung über, an deren Spitze Adolf Kröner stand. Ende 1903 erwarb die Firma »August Scherl, G. m. b. H.« in Berlin den Verlag der »Gartenlaube«, während der gesamte Keilsche Buchverlag an die »Union, Deutsche Verlagsgesellschaft« in Stuttgart überging.

3) Heinrich, Philolog, geb. 25. Mai 1822 in Gressow bei Wismar, gest. 27. Aug. 1894 in Friedrichroda, studierte seit 1839 in Göttingen und Bonn, wurde 1843 Lehrer an der königlichen Realschule in Berlin, bereiste 1844–46 die Bibliotheken Italiens und ward 1847 Lehrer am Pädagogium und der lateinischen Hauptschule in Halle, 1848 zugleich Privatdozent daselbst, 1855 Oberlehrer am Friedrichswerderschen Gymnasium und Privatdozent in Berlin, 1859 ordentlicher Professor in Erlangen, 1869 in Halle. Seine Hauptwerke sind die kritische Ausgabe der »Grammatici latini« (Leipz. 1856–80, 7 Bde., unter Beihilfe von Hertz und Mommsen; dazu als Supplement »Anecdota helvetica, quae ad grammaticam latinam spectant« von Hagen, das. 1870; »Caesii Bassi, Atilii Fortunatiani de metris libri«, das. 1885); die kritische Ausgabe des jüngern Plinius (das. 1870, mit Index von Mommsen), vorbereitet durch eine Textausgabe (das. 1853, 2. Aufl. 1873), und die kritische Ausgabe von Catos »De agricultura liber« und Varros »Rerum rusticarum libri tres« mit Kommentar, das. 1882–94, 2 Bde.; dazu als Bd. 3 »Indices verborum« von Krumbiegel, das. 1897–1902). Sonst nennen wir: »Analecta grammatica« (Halle 1848); »Quaestiones grammaticae« (Leipz. 1860) und die Textausgabe des Properz (das. 1850, 2. Aufl. 1867).

4) Franz, Geoplastiker, geb. 22. Juni 1822 zu Graslitz in Böhmen, gest. 10. März 1876 zu Marburg in Steiermark, widmete sich der Pharmazie, wohnte später als Apotheker in Graz, Gastein und Lienz, seit 1860 in Salzburg, seit 1865 in Wien. Sein erster geoplastischer Versuch war ein Relief des obern Draugebiets, dann ein solches der Krenzkofelgruppe in den Karnischen Alpen. Infolgedessen vom Unterrichtsministerium und der k. k. Akademie der Wissenschaften unterstützt, beschäftigte er sich nun ausschließlich mit Situationszeichnung und geoplastischen Studien und lieferte eine größere Anzahl trefflicher Reliefkarten, unter andern von der Tauernkette (in drei Sektionen, 1: 48,000; später noch durch die Gegend von Berchtesgaden und andre Partien zu einem Reliefbilde des halben Salzburger Landes in zehn Sektionen erweitert, in 2 Bearbeitungen: einer topographischen und einer geologisch kolorierten), dem Großglockner, Großvenediger und der Umgebung von Salzburg.

5) Robert, Kultur- und Literaturhistoriker, geb. 22. Aug. 1826 in Weimar, gest. daselbst 1. März 1894, studierte Rechtswissenschaft in Jena und lebte als Rechtsanwalt in seiner Vaterstadt. Die Goethe-Forschung verdankt K. mehrere Beiträge: »Frau Rath. Briefwechsel von Katharina Elisabeth Goethe« (Leipz. 1871); »Vor hundert Jahren« (Bd. 1: »Goethes Tagebuch«; Bd. 2: »Corona Schröter«, 1875); »Goethe, Weimar und Jena 1806«, nach Goethes Privatakten (Lahr 1882); »Das Goethe-Nationalmuseum in Weimar« (Weim. 1886) und »Ein Goethestrauß. Jugendgedichte Goethes, biographisch erläutert« (Stuttg. 1890). Gemeinschaftlich mit seinem Bruder Richard K. (geb. 17. Juni 1828 in Weimar, gest. daselbst 7. Febr. 1880 als Rat bei der Generalkommission für Ablösungen und Separationen) veröffentlichte er: »Geschichte des jenaischen Studentenlebens« (Leipz. 1858); »Deutsche Studentenlieder des 17. und 18. Jahrhunderts« (Lahr 1861); »Die Gründung der deutschen Burschenschaft in Jena« (Jena 1865, 2. Aufl. 1883); »Die burschenschaftlichen Wartburgfeste von 1817 und 1867« (das. 1868); »Die deutschen Stammbücher des 16. bis 19. Jahrhunderts« (Berl. 1893). Von ihm allein erschienen ferner: »Rechtskatechismus für das deutsche Volk« (Leipz. 1856) sowie die Schrift »Wieland und Reinhold, Originalmitteilungen« (das. 1885). Mit Rehbein verfaßte er die Biographie Ernst Moritz Arndts (Leipz. 1861).

6) Karl, Bildhauer, geb. 31. Mai 1838 in Wiesbaden, gest. 1. Aug. 1889 in Bad Kiedrich, begann seine künstlerische Ausbildung bei dem Hofbildhauer Hopfgarten in Biebrich, wurde 1857 in Berlin Schüler Drakes, machte 1861 eine Studienreise nach Antwerpen und in den folgenden Jahren nach Kopenhagen und Paris. 1865 beauftragte ihn der Erzherzog Stephan von Österreich mit der Ausführung von zwei kolossalen Herolden als Fackelträgern am Hauptportal des Schlosses Schaumburg a. d. Lahn. Keils weitere Arbeiten sind: die 1869 modellierte Büste des Kaisers Wilhelm I. an der Fassade der Wilhelmsheilanstalt in Wiesbaden, das 12 m lange Relief an der Westseite des Siegesdenkmals in Berlin (1871) mit der Darstellung des Feldzugs gegen Frankreich, das eherne Kriegerdenkmal in Bremen (1875), die kolossale Bronzestatue des Kaisers Wilhelm I. in einer der Nischen des Hauptportals des Berliner Rathauses und die Bronzestatue des Feldmarschalls Wrangel für Berlin (1880). Der Schwerpunkt seiner künstlerischen Begabung lag in der Porträtplastik. Seine Büsten der Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. sind besonders geschätzt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 810-811.
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