Palérmo [2]

[326] Palérmo, Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), einer der wichtigsten Hafen- und Handelsplätze Italiens, liegt unter 38°7´ nördl. Br. und 13°21´ östl. L., an dem gegen NO. sich öffnenden Golf von P., an der Nordküste Siziliens in der fruchtbaren Ebene Conca d'oro (Goldmuschel), die nördlich vom Monte Pellegrino und östlich vom Monte Catalfano begrenzt ist, und an den Eisenbahnen Messina-Trapani, P.-Catania, P.-San Carlo, P.-Porto Empedocle. Wegen der milden Wintertemperatur (durchschnittlich 11,3, im Jahresmittel 17,5° bei 117 Regentagen) und der geringen Temperaturschwankungen ist P. eine der geeignetsten Winterstationen für Brustkranke.

Wappen von Palermo.
Wappen von Palermo.

Die Stadt bildet ein mit der kleinern östlichen Seite dem Meere zugewendetes Viereck und zerfällt durch die sich rechtwinklig schneidenden Hauptstraßen Via Vittorio Emanuele und Macqueda in vier Teile. An der Nordwestseite der Stadt außerhalb der in Boulevards umgewandelten Wälle ist ein Villenviertel entstanden. Am Meeresufer zieht sich als herrliche Promenade das Foro Italico bis zu dem öffentlichen Garten Flora (Villa Giulia) hin. Die meisten Straßen sind eng. Mittelpunkt der Stadt ist die an der Kreuzung der beiden genannten Hauptstraßen gelegene, achteckige Piazza Vigliena oder Quattro Cantoni. Von öffentlichen Plätzen sind außerdem zu nennen: Piazza Pretoria mit prachtvollem Brunnen (1550), Piazza Marina mit schönem öffentlichen Garten (Giardino Garibaldi), Piazza Bologni mit dem Standbild Kaiser Karls V. (1630). der von einer Balustrade mit Heiligenstatuen eingefaßte Domplatz, die große Piazza Vittoria mit dem Denkmal Philipps V. u.a. Bemerkenswerte Denkmäler sind unter anderm die des Industriellen Florio (1875), F. Cavallottis (1904) und Francesco Crispis[326] (1905). Unter den Toren sind die Porta Felice (1582 bis 1637) und die triumphbogenartige Porta Nuova (1584) die bemerkenswertesten. P. zählt über 300 Kirchen und Kapellen nebst mehr als 70 ehemaligen Klöstern. Imposant ist der der Assunta geweihte Dom, unter dem Normannenkönig Wilhelm II. 1169 bis 1185 im gotischen Stil erbaut, seitdem wiederholt ergänzt und zu Ende des 18. Jahrh. mit einer stilwidrigen Kuppel versehen. Von besonderer Schönheit ist an der malerischen Hauptfassade die Vorhalle (1426–58). Das modernisierte Innere enthält die Grabmäler des Königs Roger II., seiner Tochter Konstanze, ihres Gemahls, des Kaisers Heinrich VI., und des Sohnes des letztern, Friedrich II., dann den silbernen Sarg der heil. Rosalia. Mit der Kathedrale durch zwei Bogen verbunden ist der schöne Glockenturm und der erzbischöfliche Palast. Von Kirchen sind ferner bemerkenswert: San Domenico, die weitläufigste Kirche der Stadt (von 1458), jetzt die sizilische Ruhmeshalle, seit 1904 mit dem Grabmal Crispis; San Giuseppe; L'Olivella mit schönem Oratorium; La Casa professa mit der überreichen Jesuitenkirche (1554–1683); Santa Maria della Catena (1392) mit schöner Vorhalle; La Martorana (1143 gestiftet, wiederholt erneuert), mit normannischem Turm und alten Mosaiken auf Goldgrund; San Giovanni degli Eremiti, ein byzantinisch-normannischer Bau aus dem Jahre 1132 mit fünf Kuppeln. Der hochinteressante Palazzo Reale ist ein malerischer Gebäudekomplex in verschiedenen Stilarten mit der vom alten Normannenbau erhaltenen Torre Pisana (auch Santa Ninfa, 1787 als astronomisches Observatorium von Piazzi eingerichtet, der hier den Planeten Ceres entdeckte), der herrlichen, von Roger I. 1132 erbauten Cappella Palatina mit prachtvollen Wandmosaiken auf Goldgrund und dem mit normannischen Ornamenten und Mosaiken geschmückten Saal Rogers. Bemerkenswert sind ferner: das ehemalige Ospedale mit einem grandiosen »Triumph des Todes«, der Palazzo Chiaramonte (1307–80 erbaut, jetzt Gerichtsgebäude), das Rathaus (1463), das Universitäts-, das Finanzgebäude und der erzbischöfliche Palast. Unter den Privatpalästen, die meist prunkvolle Rokokofassaden aufweisen, sind die ausgezeichnetsten die Paläste Abbatelli, San Cataldo, Forcella, Ajutamicristo, Geraci und Riso. Die Zahl der Einwohner belief sich 1901 auf 253,541, mit dem Gemeindegebiet auf 309,694. Die Industrie ist hauptsächlich durch Maschinenbauanstalten und Eisengießereien, Dampfmühlen, Fabriken für Teigwaren, Konfitüren, chemische Produkte und Möbel, Sumachmühlen, Gerbereien und Buchdruckereien sowie eine königliche Tabakfabrik und eine städtische Mühle und Brotbäckerei vertreten. Der alte Hafen von P., La Cala, ist nur für kleinere Schiffe zugänglich; der neue, 96 Hektar große, aber kaum zur Hälfte über 7 m tiefe, im N. am Fuß des Monte Pellegrino, hat zwei Moli mit Leuchttürmen. In ihm sind 1903: 3633 handelstätige Schiffe von 2,036,582 Ton. ein- und 3614 Schiffe von 2,031,572 T. ausgelaufen, so daß sich der gesamte Schiffsverkehr auf 4,068,154 T. beläuft, womit P. unter den italienischen Häfen nur Genua und Neapel nachsteht. Die Warenbewegung zur See betrug 693,500 T. im Werte von über 60 Mill. Lire. Die Hauptartikel sind in der Ausfuhr: Agrumen (8,16 Mill. Lire), Sumach (6,86), Wein (1,26), Weinstein, Olivenöl (1,83), Schwefel (nur 13,636 T., noch nicht 3 Proz. der Gesamtausfuhr Siziliens), Getreide, Mandeln, Häute und Felle, Essenzen und Manna; in der Einfuhr: Getreide und Mehl, Steinkohle, Metalle und Maschinen, Holz, Schafwollwaren, Baumwollwaren, Seidenwaren, Petroleum, Leder und Lederwaren, Fette, Kurzwaren. P. hat eine gute Trinkwasserleitung (noch aus der Zeit der Araber).

Umgebung von Palermo.
Umgebung von Palermo.

An Unterrichtsanstalten besitzt die Stadt eine 1805 gegründete Universität mit vier Fakultäten (für Jurisprudenz, Medizin, Naturwissenschaften und Mathematik, Philosophie und Literatur) und (1903) 1035 Studierenden. Mit ihr sind eine Notariats-, eine pharmazeutische und eine Ingenieurschule, ein Hebammenkursus, ein Botanischer Garten, eine naturhistorische Sammlung etc. verbunden. Außerdem hat P. 3 königliche Lyzeen und Gymnasien, ein Technisches Institut, 4 Technische Schulen, ein Institut für die Handelsmarine, ein erzbischöfliches Seminar, eine Kunst- und Kunstgewerbeschule, ein Konservatorium für Musik, ein Taubstummeninstitut, mehrere Akademien u. dgl. Eine wertvolle Kunstsammlung ist das Nationalmuseum mit hochbedeutenden antiken Skulpturen (Metopen von Selinunt). Die städtische Bibliothek hat 200,000 Bände und 2961 Manuskripte, die Nationalbibliothek 170,000 Bände und 1500 Manuskripte. P. besitzt ferner ein großes Hospital, ein Militärspital, mehrere Waisen- und Versorgungshäuser, ein Armen-, ein Findel-, ein Irren-, ein Zuchthaus, dazu vier Theater, darunter das königliche Teatro Bellini, das Teatro Vittorio Emanuele und ein großes Sommertheater (Politeama). Merkwürdig ist das jährlich vom 11.–15. Juli mit einer prachtvollen Prozession, Ausschmückung der Stadt, Illumination, Feuerwerken und Pferderennen gefeierte Fest der heil. Rosalia. P. ist der Sitz des Präfekten, eines Erzbischofs, eines Kassations- und Appellhofs, eines Tribunals, des Generalkommandos des 12. Armeekorps, einer Handelskammer und mehrerer Konsuln fremder Staaten (darunter auch eines deutschen Berufskonsuls). Schöne Punkte der Umgebung sind der 597 m hohe Monte Pellegrino mit prachtvoller Aussicht und der Grottenkirche der heil. Rosalia; die königliche Villa Favorita (im chinesischen Stil) mit schönem Park, die Villen Belmonte, Serradifalco, Tasca, mit schönen Gärten, die beiden alten normannischen, in würfelartiger Gestalt erbauten Paläste Zisa (1164) und Cuba (1182,[327] jetzt Kaserne), die berühmte Kathedrale von Monreale (s. d.) und das palastähnliche ehemalige Benediktinerkloster San Martino (jetzt landwirtschaftliche Anstalt).

Geschichte. P., das Panormos der Alten, wurde von den Phönikern, bei denen es wahrscheinlich MachanathLager«) hieß, gegründet, gehörte später den Karthagern und war im ersten Punischen Kriege die Hauptstation ihrer Flotte. Nachdem die Römer die Stadt 254 v. Chr. erobert und einen Angriff der Karthager 250 zurückgeschlagen hatten, ward P. Munizipium und später unter Augustus Kolonie (Colonia Augusta Panormitanorum). 515 wurde es von den Goten erobert, doch 535 von Belisar wieder besetzt. 831 eroberten es die Sarazenen. Am 10. Jan. 1072 bemächtigte sich der Normanne Robert Guiscard der Stadt, die seit Roger II. Residenz der normannischen Könige von Sizilien war und mit ihrem Reich an die Hohenstaufen kam. Kaiser Friedrich II. wurde hier erzogen und, wie sein Vater, Heinrich VI., hier begraben (s. oben). Nachdem sein Sohn Manfred bei Benevent 1266 gefallen war, bemächtigten sich die Franzosen Siziliens und seiner Hauptstadt. Aber das Volk ertrug die französische Herrschaft nur mit Unwillen; die Sizilianische Vesper (s. d.) begann 1282 in P. Hierauf ward Peter von Aragonien in P. zum König gekrönt. Dieses blieb nun Hauptstadt Siziliens und nach dessen Anfall an Spanien Residenz der Vizekönige. Am 3. Juni 1676 wurde die spanisch-holländische Flotte bei P. von der französischen geschlagen. 1693 und 1. Sept. 1726 wurde die Stadt durch Erdbeben bedeutend beschädigt. 1799 flüchtete sich Ferdinand IV. vor den Franzosen von Neapel nach P. und residierte hier mit kurzer Unterbrechung bis 1815. Als Ferdinand IV. Neapel und Sizilien als »Königreich beider Sizilien« zu Einem Reich vereinigte, brach in P. 1820 ein Aufruhr aus, der die Stadt allen Greueln einer Pöbelherrschaft preisgab, bis sie sich 5. Okt. dem General Pepe ergeben mußte. Am 5. März 1823 wurde P. abermals durch ein Erdbeben bedeutend beschädigt. Im September 1847 brachen in P. neue Unruhen aus, die am 12. Jan. 1848 zu einem allgemeinen Aufstand führten. Nach blutigem Kampf wurden die königlichen Truppen zum Rückzug in die nahegelegenen Forts und in den königlichen Palast gezwungen, der am 25. Jan. ebenfalls vom Volk erstürmt wurde. Am 4. Febr. konstituierte sich das Generalkomitat von P. als provisorische Regierung für ganz Sizilien, und 25. März wurde das sizilische Parlament nach P. einberufen. Nachdem aber Messina gefallen und der größte Teil der Insel von den königlichen Truppen besetzt worden war, ergab sich 15. Mai 1849 auch P. Am 26. Mai 1860 erschien Garibaldi vor der Stadt und nahm sie tags darauf; auch die Zitadelle, welche die königlichen Truppen noch besetzt hielten, wurde 30. Mai zur Kapitulation gezwungen. Seitdem gehört P. zu Italien. Vgl. Oppermann, Palermo (Bresl. 1860); Schubring, Historische Topographie von Panormus (Lüb. 1871); Di Giovanni, La topografia antica di P. dal secolo X al XV (Palermo 1890, 2 Bde.); La Lumia, P., il suo passato, il suo presente, i suoi monumenti (das. 1891); Arcoleo, P. und die Kultur in Sizilien (deutsch, Dresd. 1900); Pitré, La vita a P. cento e piu anni fa (Palermo 1904, Bd. 1); Zimmermann, Palermo (Bd. 25 der »Berühmten Kunststätten«, Leipz. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 326-328.
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