Barcelōna

[318] Barcelōna, 1) ehemals Grafschaft in Spanien, der größte Theil des Fürstenthums Catalonien, s. Spanien (Gesch.); 2) Provinz mit 534,000 Ew.; 3) Hauptstadt der Provinz, am Mittelmeere, am Llobregat u. Besos. B. ist nach Cadix die bedeutendste Festung Spaniens. Die Werke der Stadt sind nach der Landseite zu stärker, als auf der Seeseite, wo das sehr seichte Wasser die Annäherung verhindert. Die Stadt liegt halbmondförmig am Meer, die Endpunkte decken die zu niedrig, östlich der Stadt gelegene Citadelle (im October 1840 fast gänzlich zerstört, s. unten) u. das starke, auf einem steilen Berge westlich der Stadt gelegene, für 7000 Mann eingerichtete Fort Montjoui. Beide bestreichen den Hafen, der zwar sicher, aber flach ist u. jährlich mehr versandet. Die übrigen Werke sind unregelmäßige Bastions; die Spitze des Molo deckt ein bedeutendes Werk. B. ist Sitz des Generalcapitäns, des Erzbischofs von Tarragona u. eines Suffragans, des Handelsgerichts u.a. Behörden; es ist unregelmäßig (nur die von Fischern, Matrosen u. dgl. bewohnte, 1752 vom Generalcapitän Mina erbaute, mit in die Befestigung gezogene Vorstadt Barcelonetta ist regelmäßig u. rechtwinkelig) gebaut, aber reinlicher, als irgend eine spanische Stadt; hier großer Hafen, an einer Seite durch einen Molo geschützt, mit Leuchtthurm, schönem Quai an ihm u. andere schöne u. breite Straßen. Die Stadt zerfällt in die alte u. neue Stadt; sonst schied beide ein Wall mit Graben, jetzt ein Corso. B. hat eine Kathedral-, 9 Pfarr- u. viele andere Kirchen (S. Jago, S. Miguel etc.) u. Klöster, alten Palast der Grafen von B., sonst Inquisitionspalast, jetzt Armen- u. Blindenschule, Palast des Generalcapitäns, Bischofs, Hospitäler (darunter eins, welches 300 Kranke aufnehmen kann), Waisenhaus, Audienzpalast, Börse (Conja), Gouverneurspalast, Zoll-, Armen-, Findel-, Schauspiel- u. Stadthaus; ferner Universität, mehrere öffentliche Bibliotheken, das Kronarchiv von Aragonien. Naturaliensammlung, Seminar, Taubstummenanstalt,[318] 8 Collegien, Gesellschaft der Wissenschaften u. Künste, Anatomie, Mathematische u. Schifffahrtsschule, Ingenieur- u. Artillerieschule, Zeichenschule, Akademie der schönen Wissenschaften, große Baumwollen- u. Seidenfabriken, Tuch- u. Wolldeckenmanufacturen, Leinwebereien, Stückgießerei, Arsenal (Tarsena), Schiffswerfte, viele Handwerker, Handel mit Wein, Branntwein u. Nüssen zu Wassern. anderen Gegenständen zu Lande; gegen 230,000 Ew. Bei B. liegt Sarria, Dorf, Vergnügungsort der Einwohner von B. Münzen, Maße u. Gewichte, s.u. Catalonien. B. ist Geburtsort von Raimund Lullius. – B., im Alterthum Barcĭno, soll von Hercules, u. Andern von Hamilcar Barcas im 3. Jahrh. v. Chr. erbaut sein; zu Augustus Zeiten war es Hauptstadt der Läeiani mit gutem Hafen, der jedoch jetzt durch den Llobregat verschlämmt ist u. bei Ermita St. Señora de Port lag. Unter Vespasian war es römische Colonie u. hieß Barcino Faventia (Colonia Faventia Julia Augusta Pia Barcino); noch findet man bedeutende Überreste, z.B. von einem Tempel des Hercules u. Bädern. Im 5. Jahrh. unterwarf der König der Gothen Ataulf B. u. ward dort getödtet; im Anfang des 8. Jahrh. nahmen die Mauren B. ein; 778 eroberten es die Franken, mußten es aber schon 779, in Folge der Niederlage bei Ronceval, wieder verlassen. 796 erkannte Gado, maurischer Statthalter von B., die Herrschaft der Franken an, als er aber wieder abfiel, sendete Karl der Gr. 801 seinen Sohn Ludwig, welcher B. einnahm u. es zur Hauptstadt der Spanischen Mark (Catalonien) machte, über welche er eigene Grafen setzte, welche sich bald unabhängig machten u. selbständig von Berabis Raimund V. Berengar regierten. Dieser heirathete 1151 eine Tochter des Königs Ramiro II. von Aragon u. erhielt mit derselben dieses Reich, s. Spanien (Gesch.). Während dieser Zeit ward B. 985 von den Mauren eingenommen, aber 986 von den Christen wieder erobert. In B. wurden auch in den Jahren 540, 599, 906 u. 1064 Kirchenversammlungen gehalten, von denen die 3 ersten kirchliche Streitigkeiten beizulegen suchten, auf der letzten wurden die gothischen Kirchengesetze abgeschafft. 1395 strebte B., sich der aragonischen Herrschaft zu entziehen, setzte sich eine eigene Obrigkeit u. unterwarf sich Rene von Anjou, Grafen von Provence u. König von Neapel; aber bald kehrte es unter die Herrschaft von Johann II. von Aragonien zurück. Die Rechte des Hauses Anjou waren aber auf die Könige von Frankreich übergegangen, u. diese traten sie erst 1544 im Vertrage von Crespy völlig ab. B. ward 1640 von den rebellirenden Cataloniern den Franzosen übergeben, die es 1652, nach 15monatlicher Belagerung, wieder verloren. Im August 1697 eroberten es die Franzosen unter dem Herzog von Vendome, traten es aber schon durch den Ryswicker Frieden wieder ab. Im Spanischen Successionskrieg war B. auf österreichischer Seite u. die Residenz Karls III. u. capitulirte am 9. Octbr. 1705 für Karl III, an die englisch-holländischen Truppen; im April 1706 erschien eine französische Flotte unter dem Grafen von Toulouse vor dem Hafen u. ein Heer unter Philipp V. u. dem Grafen von Tesse zu Lande, zwar wurde 26. April das Fort Montjoui genommen, aber im Mai hob Heer u. Flotte die Blokade wieder auf. Selbst nach Karls III. Abreise hielt sich B. noch gegen eine lange Blokade u. wurde erst 1714 mit Sturm unter dem Herzog von Berwick genommen (s. Spanischer Successionskrieg); die Rechte u. Freiheiten, die es hierbei verlor, erhielt es 1715 beim Frieden wieder. 1752 wurde die Vorstadt Barcelonetta vom Generalcapitän Mina angelegt. Im Febr. 1809 bemächtigten sich die Franzosen, die bereits die Stad gemeinschaftlich mit den Spaniern besetzt hielten der Citadelle u. des Forts Montjoui, u. B. war nun der Mittel- u. Stützpunkt der französischen Armee in Catalonien. Die Spanier drängten die Franzosen mehrmals bis in die Stadt zurück u. blockirten sie daselbst. Innere Aufstände der Bewohner waren ohne Erfolg. Erst zu Ende des Krieges 1814 ward B. geräumt; 1821 grassirte das gelbe Fieber in B. u. entvölkerte die Stadt; 1823, bei der Occupation Spaniens durch die Franzosen, hielt sich B. am längsten u. ergab sich erst nach der Befreiung des Königs auf dessen Befehl an die Franzosen; 1833 gab General Lander von hier aus das Zeichen zu der Bewegung, die ganz Spanien regeneriren sollte, B. blieb indeß immer in den Händen der Christinos. Hier 1835 großer Aufstand, durch eine Kleinigkeit beim Stiergefecht erregt; der Generalcapitän Lander wurde zur Flucht genöthigt, der Gouverneur General Basta erschlagen u. Klöster u. Fabriken verbrannt; am 4.∫5. Jan 1836 erneuerte sich der Aufstand, wobei das Volk die Citadelle stürmte u. die gefangenen Carlisten niedermachte. Bei den Corteswahlen im Aug. 1836 begann der Aufstand wieder, wurde aber von der Nationalgarde unterdrückt. 1840 begann hier der Streit über die Ayuntamientos u. führte in Gegenwart der Königin-Regentin u. Esparteros am 19. Juli, bes. aber am 21.∫22. Juli zu lebhaften Unruhen, in deren Folge die Königin später (im Novbr. 1840) abdankte u. Spanien verließ (s. Spanien [Gesch.]). Neuer Aufstand gegen die Regierung am 15. Novbr. 1842, bes. wegen Einführung der Conscription, worauf die Stadt vom Generalcapitän Halen bombardirt wurde, bis sie am 15. Decbr. capitulirte. Neue Unruhen brachen im Juni 1843 aus; im August ward eine Centraljunta in B. eingesetzt; am 2. Sept. Straßengefechte mit dem Militär; die Stadt ward den 4. u. 7. Sept. von der Citadelle aus beschossen, unterwarf sich jedoch im Novbr. wieder, u. Königstruppen nahmen Besitz von derselben; 1854, bei der Revolution O'Donnels in Madrid, entstand zu B. ebenfalls eine Aufregung u. revolutionäre Bewegung, aber die Garnison, die umliegenden Forts u. die Militär- u. Civilbehörden erklärten sich ohne Blutvergießen für General O'Donnel, u. die Nationalgarde ward wieder hergestellt. In Folge des O'Donnelschen Staatsstreichs zu Madrid 1856 war zu B. neuer Tumult u. Auf stand vom 18. bis 21. Juli, u. die Nationalgarde ward wieder aufgelöst. 4) Postort im Canton Chautanque im Staate New-York am Eriesee in der Vereinigten Staaten, an der Mündung der Chautanque Creek, an der Buffalo- u. Staat-Line-Eisenbahn, macht bedeutende Geschäfte in Schiffsproviant; die Ausfuhr u. Einfuhr wurde 1852 auf 339,183 Dollars geschätzt; 5) Provinz in dem südamerikanischen Freistaate Venezuela (Columbien), 6471/3 QM.; 53,000 Ew.; grenzt nördlich an den Atlantischen Ocean u. die Provinz Cumana, östlich an Cumana, südlich, durch den Orinoco getrennt,[319] an Guyana, westlich an Caraccas u. ist in 8 Cantone eingetheilt. Das Land ist sehr fruchtbar aber wenig cultivirt u. die Bevölkerung durch Erdbeben u. innere Parteikämpfe sehr gestört worden; die Einwohner treiben Viehzucht u. Ackerbau, Handel u. Gewerbe; 6) (Neu-B.), Stadt u. Hafen darin, an der Mündung des Neveri in das Caraibische Meer. Der Hafen ist durch eine Festung, El Morro de B., geschützt, die auf einen 400 F. hohem Berge erbaut ist. B. ist wegen der großen Hitze u. fortwährend feuchten Luft ein sehr ungesunder Ort. Haupthandel mit Rindvieh, eingesalzenem Rindfleisch u. Häuten; Hauptackerbauproducte der Umgegend Indigo, Annotto, Baumwolle u. Cacao. Bevölkerung. 15,000, halb Weiße u. halb Mulatten u. Neger. Hier im Südamerikanischen Revolutionskrieg am 20. Septbr. 1816 Niederlage Morillo's durch Mac Gregor u. Bermudez; am 3. Febr. 1817 Niederlage der Insurgenten durch Bolivar.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 318-320.
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