Tempelherren

[404] Tempelherren (Templer, Tempelbrüder, Milites templi, Templarii), geistlicher Ritterorden, entstand zur Zeit der Kreuzzüge in Palästina. 1119 traten die französischen Ritter Hugo von Paens, Gottfried von St.-Omer, Rollant, Gottfried Bisot, Paien von Montdidier und Archembaud von St. Amand zu einer Gesellschaft zusammen, um zur Ehre der Mutter Gottes Mönchtum und Rittertum miteinander zu verbinden, am Grabe des Heilands sich dem keuschen und andächtigen Leben sowie der Beschirmung des Heiligen Landes und der Geleitung der Pilger durch gefährliche und unsichere Gegenden zu widmen. Sie erhielten vom König Balduin II. einen Teil seiner auf dem Platze des ehemaligen Salomonischen Tempels erbauten Residenz (daher T. oder Templer) und zur Beherbergung armer Pilger von den Kanonikern des Heiligen Grabes mehrere Gebäude in der Nähe. Ihre Kleidung bestand in einem weißen leinenen Mantel mit einem achteckigen blutroten Kreuz und in einem weißen leinenen Gürtel; ihr Ordenssiegel zeigte den Tempel, später zwei Reiter (einen Templer und einen hilflosen Pilger) auf Einem Pferde. Papst Honorius 11. erteilte dem Orden 1127 die Bestätigung, Bernhard von Clairvaux entwarf 1128 in Troyes die erste Ordensregel (hrsg. von Schnürer, Freib. 1903). Erst bei der Revision der Satzungen Mitte des 13. Jahrh. (hrsg. von Henri de Curzon, Par. 1886) wurden die Ordensmitglieder förmlich in Ritter, Priester und dienende Brüder (Waffenknechte und Hausleute) eingeteilt. An der Spitze des Ordens stand der Großmeister (magister Templariorum) mit fürstlichem Rang, unter ihm die Großprioren, dann die Baillifs, Prioren und Komture. Der Großmeister hatte zur Seite das Generalkapitel oder an dessen Stelle den Konvent in Jerusalem und durfte nur mit dessen Zustimmung über Krieg und Frieden, Käufe und Veräußerungen etc. beschließen. Der Orden der T. entsprach am meisten dem Ideal des Rittertums und genoß die Gunst der Großen, weshalb er sich rasch vermehrte und durch Schenkungen großen Besitz und Vorrechte erwarb; um 1260 zählte er an 20,000 Ritter und besaß 9000 Komtureien, Balleien, Tempelhöfe. Unter den Nachfolgern Hugos von Paens in der Großmeisterwürde sind hervorzuheben: Bernhard von Tremelay (gest. 1153 bei der Eroberung von Askalon), Odo de Saint-Amand (gest. 1179), Wilhelm von Beaujeu, unter dem Akka (Accon), das letzte Bollwerk der Christen in Palästina, 18. Mai 1291 in die Hände der Muslimin fiel, und Gaudini, unter dem sich der Orden nach Cypern zurückzog. Schon im 13. Jahrh. waren Klagen über Hochmut, Treulosigkeit und Ausschweifungen der T. laut geworden; bibere templariter (saufen wie ein Templer) wurde fast sprichwörtlich gebraucht. Ohne Rücksicht auf allgemeine Interessen verfolgten sie aus Habgier und Herrschsucht eine Sonderpolitik. Oft standen sie mit den Muslimin im geheimen Bund und traten dem Kaiser Friedrich II. auf seinem Kreuzzuge (1228–29) feindlich entgegen; mit den Johannitern lebten sie in oft blutigem Streite, und von den Bischöfen wurden sie, weil deren Aussicht seit 1162 vom Papst entzogen, ohnedies gehaßt. Dazu waren die Fürsten schon lange auf die Macht des Ordens eifersüchtig. Dieser gab auch dem Neid und der Mißgunst aufs neue Nahrung, als er, allerdings auf Befehl Clemens' V., 1306 unter dem Großmeister Jakob von Molay nach Frankreich übersiedelte, um sich anscheinend müßigem Wohlleben zu ergeben. Hiermit gab er sich in die Gewalt Philipps IV. von Frankreich, der nach den Schätzen der T. lüstern und wegen ihrer Haltung in seinem Streite mit Bonifatius VIII. erbittert war. Er erhob gegen die T. die Anklage wegen Verleugnung Christi, Verehrung des Götzenbildes Baphomet (s. d.), Verspottung des Abendmahls, unnatürlicher Wollust etc., Beschuldigungen, die durch frivole Äußerungen mancher Templer und frühere Anklagen von Päpsten (so 1208 von Innozenz III.) unterstützt werden, aber sich nicht beweisen lassen. Namentlich ist die Behauptung von einer ketzerischen Geheimlehre der T., wonach sie an einen Doppelgott, den wahren himmlischen und den andern, der die Freuden der Welt erteile, geglaubt und letztern im Bild eines aus edlem Metall geformten Menschenkopfes verehrt hätten, völlig unbegründet. Am 13. Okt. 1307 wurden die T. in Frankreich mit ihrem Großmeister verhaftet; gleichzeitig begann die Einziehung ihrer Güter. Von den Rittern durch die Folter erpreßte Geständnisse wurden als Beweise der Strafbarkeit aller Mitglieder angesehen. Die Reichsversammlung in Tours und Papst Clemens V. erklärten die Anklage gegen die T. für begründet; letzterer befahl 12. Aug. 1308 das gerichtliche Einschreiten gegen sie. Am 12. Mai 1310 ließ Philipp 54 Ritter verbrennen. Das Konzil von Vienne (16. Okt. 1311 bis 6. Mai 1312) weigerte sich, ein Urteil zu fällen, aber Clemens V. hob den Orden durch eine Bulle vom 22. März 1312 auf. Der Großmeister Molay wurde mit mehreren Rittern auf einer Insel der Seine in Paris 11. März 1314 auf des Königs Befehl verbrannt. Die Güter der T. wurden in Frankreich, in Kastilien und einem Teil von England von der Krone eingezogen, in Aragonien und Portugal aber dem Orden von Calatrava, in Deutschland den Johannitern und Deutschen Rittern überwiesen. In Portugal bestand der Orden unter dem Namen Christusorden, in Schottland unter dem Namen Ritter von der Distel fort. – In der Mitte des 18. Jahrh. bemühten sich die Jesuiten, das auftauchende Freimaurerwesen mit dem alten Templerorden in Verbindung zu bringen, um den Bund in katholisch-hierarchischem Sinne zu lenken. So entstand der neue Templerorden in Frankreich, dessen Haupttendenzen die Bewahrung des ritterlichen Geistes und das Bekenntnis eines aufgeklärten Deismus waren; ihm traten die ersten Personen der Pariser Gesellschaft bei. Nachdem er sich während der Revolution aufgelöst hatte, sammelte das Direktorium seine Trümmer wieder, und man suchte nun dem Bund eine politische Richtung zu geben. Napoleon I. begünstigte ihn als ein Adelsinstitut. Die Restauration sah den aufgeklärte Tendenzen verfolgenden Bund argwöhnisch an. Die Philhellenenvereine fanden in ihm eifrige Teilnehmer. Nach der Julirevolution trat der Bund in Paris wieder öffentlich hervor, und zwar mit kommunistischen Tendenzen; seine Mitglieder nannten sich Chrétiens catholiques primitifs, und seine Geheimlehre war in einem »Johannisevangelium« zusammengefaßt. Der Orden erlosch 1837. Vgl. Wilcke, Geschichte des Ordens der T. (2. Ausg., Halle 1860, 2 Bde.); Michelet, Procès des Templiers (Par. 1841–51, 2 Bde.); Prutz, Geheimlehre und Geheimstatuten des Tempelherrenordens[404] (Berl. 1879), Entwickelung und Untergang des Tempelherrenordens (das. 1888) und Die Autonomie des Templerordens (Münch. 1905); Schottmüller, Der Untergang des Templerordens (Berl. 1887, 2 Bde.); Lea, History of the inquisition of the Middle ages, Bd. 3 (New York 1888); Döllinger, Akademische Vorträge, Bd. 3 (Münch. 1891); Gmelin, Schuld oder Unschuld des Templerordens (Stuttg. 1893); Finke, Papsttum und Untergang des Templerordens (Münster 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 404-405.
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