Ferrara

[204] Ferrara (Gesch.). F. ist das Forum Allieni, lange ein bloßes Dorf, wurde es erst 604 n. Chr. mit Mauern zur Vertheidigung gegen die Longobarden umgeben; zur Stadt wurde es erst in der Mitte des 7. Jahrh. unter Papst Vitalian erhoben. Es gehörte zum Exarchat u. stand auch in kirchlicher Beziehung unter Ravenna, später kam es an Toscana. Unter den Vornehmen F-s waren die Torelli, Nachkommen Heinrichs des Zänkers von Baiern, durch Reichthum u. Einfluß ausgezeichnet, u. Friedrich, Sohn Ludolfs von Sachsen, herrschte seit 1092, wo sich E. von der Herrschaft der Markgräfin Mathilde losgesagt hatte, in F. Sein Sohn Guido Salinguerra I., der seinem Vater als Herrscher folgte, machte sich 1118 zum Podesta von F., verschönerte F. u. beförderte den Handel. Sein Sohn (gegen 1150) schloß an der Spitze der Ghibellinen mit Kaiser Heinrich VI. einen Vertrag u. wurde von demselben als Herr von F. anerkannt. Unter[204] ihm brach der verderbliche Zwist zwischen den Torelli u. Este aus; Angehörige des Letztern entführten nämlich die junge Gräfin von Adelard, die Verlobte des ältesten Sohnes von Torello, u. gaben sie Obizzo I. von Este zur Gemahlin. Salinguerras Sohn, Salinguerra II. Torello, wurde zwar 1195 zum Podesta erwählt, allein er mußte 1196 vor Azzo VI. von Este F. verlassen. Von nun an dauerten die Kämpfe zwischen den beiden Häusern mit abwechselndem Glücke auch nach Azzos VI. Tode (1212) fort, dessen Bruder Azzo VII. von Este 1221 Salinguerra II. aus F. vertrieb. Dieser kehrte indeß bald zurück u. regierte bis 1240 friedlich, wo er dann von dem Markgrafen von Este in F. belagert u. gefangen wurde; sein schwacher Sohn Giacomo Torello verließ F. u. ging zu seinem Großvater nach Verona. Azzo VII. regierte bis 126.4 über F. worauf sein Enkel Obizzo II. von Este zum Podesta erwählt wurde, welchem 1293 dessen Sohn Azzo VIII. folgte. Als dieser 1308 starb, versuchte Salinguerra III. Torello, Sohn Giacomos, der sich 1301 an die Spitze von Bologna, Forli u. Imola gestellt hatte, sich F-s zu bemächtigen; zwar wurde er von den Bürgern anerkannt, konnte sich aber nicht gegen die Este halten. Nach Azzos VIII. Tode hatte sich Fulco, der Sohn eines natürlichen Sohnes von Azzo VIII., nach seines Großvaters Willen der Besitzungen desselben bemächtigt, Azzos Brüder aber baten den Papst um Hülfe gegen ihn, wogegen F. demselben lehnbar werde. Kaum aber hatte der Papst F. besetzt, so forderte Fulco die Venetianer auf, F. zu nehmen; dies geschah, doch wurden die Venetianer am 23. Aug. 1309 von den Päpstlichen bei F. geschlagen, u. der Papst setzte König Robert von Neapel als Vicar nach F. Gegen die eigenmächtigen Statthalter desselben erhoben die Ferrareser 1317 einen Aufstand u. wählten Renald u. Obizzo III., Söhne des Bruders von Azzo VIII., des Markgrafen Aldovrandin II. von Este, zu Podesten, u. diese gesellten sich noch ihren Bruder Niclas I. zu; der Papst erkannte sie aber nicht an, sondern excommunicirte sie u. belegte F. mit dem Interdict. Erst 1332, nachdem sie sich dem Papste als Vasallen unterworfen hatten, wurden sie von demselben als Vicare eingesetzt. Auf Niclas I. folgten 1352 Aldovrandin III., Sohn Obizzos III., 1361 Niclas II., Aldovrandins III. Bruder, 1388 Albert, der zweite Bruder Aldovrandins III, 1393 Niclas III., Alberts Sohn, dessen Jugend Azzo von Este benutzte, um gegen ihn eine Empörung zu stiften, in deren Folge Niclas 1394 fliehen mußte, doch führten ihn die Venetianer, Bologneser u. Florentiner zurück. Aus Dankbarkeit schloß er sich deren Verbindung gegen Mailand an, u. 1428 wurde zu F. der Friede zwischen Venedig u. Mailand geschlossen. Als Beschützer der Wissenschaften erneuerte Niclas 1402 die von seinem Vater gestiftete Universität zu F. 1441 folgte ihm sein natürlicher Sohn Lionel, unter welchem am 2. Juli 1450 zu F. der Friede zwischen Venedig u. König Alfons von Sicilien zu Stande kam. 1450 folgte ihm sein Bruder, der prachtliebende Borso, welchen Kaiser Friedrich III. 1459, wegen der ausgezeichneten Aufnahme, die er bei ihm gefunden, zum Herzog von Modena u. Reggio machte; 1471 ertheilte ihm sein Lehnsherr, Papst Paul II., auch die Würde als Herzog von F. Hercules I., Sohn Niclas III. u. Bruder Borsos, folgte diesem, vertheidigte seine Staaten mit Hülfe von Mailand, Florenz u. Neapel gegen die Venetaner, erlangte nach einem ungünstigen Frieden 1484 die Neutra lität, lebte dann dem Glücke seines Landes, den Künsten u. Wissenschaften. Sein Freund u. Minister war Bojardo, Graf von Scudiano, auch Ariost lebte an seinem Hofe; er starb 1505. Alfons I., sein Sohn, folgte ihm; dessen zweite Gemahlin war seit 1501 die berüchtigte Lucrezia Borgia. Alfons I. war tapfer, staatsklug u. Freund der Künste. Sein Bruder Hippolyt (geb. 1479), der mit ihm wirkte, war Erzbischof von Gran, seit 1488 von Capua, Narbonne u. Mailand u. Bischof zu F. u. Modena, er wurde 1493 Cardinal-Diaconus u. kaiserlicher Vicar in Italien, vertheidigte seinen Schwager, Franz Sforza, gegen Frankreich u. mußte deshalb nach Deutschland fliehen. Nach Italien zurückgekehrt, trat er zur französischen Partei, unterstützte seinen Bruder Alfons I. im Kriege gegen den Papst u. Venedig u. erfocht 1509 selbst einen großen Sieg am Po gegen die Venetianer. Papst Julius II. nöthigte ihn, nach Ungarn zu gehen, von wo er erst nach Leos X. Erwählung zurückkam; er st. 1520 zu F., nachdem Leo X. Hippolyt u. Alfons in die Enge getrieben u. mit dem Kirchenbanne belegt hatte. Hippolyt, ausgezeichnet als Staatsmanu u. Krieger, war leidenschaftlichen u. wilden Charakters. Seinem natürlichen Bruder Julius, der sein Nebenbuhler bei einer von Beiden geliebten Dame war, ließ er die Augen ausstechen, weil diese von jener einst schön genannt worden waren. Der Gemißhandelte verschwor sich, als Alfons I. die sen Frevel ungeahndet ließ, mit seinem Bruder Ferdinand, um Alfons zu entthronen u. sich an Hippolyt zu rächen. Die Verschwörung ward jedoch entdeckt u. beide Brüder büßten das Attentat mit lebenslangem Gefängniß. Papst Hadrian VI., der 1521 auf Leo X. folgte, hob den Bann auf, allein sein Nachfolger, Clemens VII., hielt ihm Modena vor u. suchte ihn auch der übrigen Staaten zu berauben, u. erst die Eroberung Roms durch Kaiser Karls V. Truppen 1527 schaffte ihm Ruhe. Alfons I. starb 1534, u. sein Sohn Hercules II. folgte ihm. Dieser war ein treuer Anhänger Karls V., wußte aber, als Schwiegersohn Ludwigs XII., sich immer in gutem Einvernehmen mit diesem zu erhalten. Sein Sohn Alfons II. folgte ihm 1559; prachtliebend u. stolz, bewarb er sich mehrmals um die polnische Krone u. begünstigte Künste u. Wissenschaft. An seinem Hofe lebte Tasso, bis diesen seine unglückliche Liebe zu der Prinzessin Eleonore ins Gefängniß brachte. Mit Alfons starben die Herzöge von F. in ihrem legitimen Stamm 1597 aus. Der Papst Clemens VIII., ohne Rücksicht auf Cäsar, den Sohn von Alfons, eines natürlichen Sohnes von Alfons I. u. den von Alfons II. designirten Nachfolger, zu nehmen, zog F. u. die geistlichen Lehen als erledigt ein, u. Cäsar begnügte sich mit Modena u. Reggio; F. bildete seitdem einen Bestandtheil des Kirchenstaates. 1735 erhob Clemens XII. das dasige Bisthum zu einem Erzbisthum. Im Juni 1796 wurde F. von den Franzosen eingenommen, trat am 8. Oct. zum Cispadanischen Bunde u. blieb im Frieden von Tolentino der Cisalpinischen Republik. Als diese 1804 die monarchische Form annahm, kam F. zum Königreich Italien u. erst 1814 durch den Frieden von Paris u. den Wiener Congreß[205] wieder an den Kirchenstaat zurück; am 24. Mai 1799 wurde F. von den Österreichern unter Klenau genommen. Nach den Bestimmungen des Wiener Congresses, die den Österreichern das Recht der Besatzung dans les places de Ferrare garantirten, hielten die Österreicher seit 1814 die Citadelle von F. besetzt. In den Unruhen 1847 in dem Kirchenstaate verlangte Österreich zur Sicherheit seiner in der Citadelle liegenden Truppen die Erlaubniß zur Besetzung der ganzen Stadt. Ungeachtet dies Verlangen von dem päpstlichen Statthalter abgeschlagen wurde, besetzte Österreich dennoch am 13. Aug. d. I. die Stadt, zog aber, nach langen Verhandlungen, seine Besatzung Ende d. I. in die Citadelle zurück. Auch im Febr. 1849 besetzten die Österreicher unter Coronini die Stadt, aber nur vorübergehend.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 204-206.
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