Stephan [3]

[936] Stephan, 1) Martin, luther. Geistlicher, geb. 13. Aug. 1777 zu Stramberg in Mähren, gest. 21. Febr. 1846 in Illinois, machte, seit 1810 Pfarrer der böhmischen Gemeinde in Dresden, hier, im Muldental und im Altenburgischen Propaganda für ein starkgläubiges Altluthertum. Einer wegen seiner nächtlichen Erbauungs- und Erholungsstunden eingeleiteten Untersuchung entzog er sich und schiffte sich 1838 mit 700 seiner Anhänger nach Amerika ein. Er ließ sich dort zum Bischof ernennen, ward aber schon 30. Mai 1839 wegen Unzucht und Veruntreuung von seiner Gemeinde abgesetzt, die unter Führung von C. F. W. Walther der Kern der Missouri-Synode (s. d.) wurde. Vgl. Vehse, Die Stephansche Auswanderung (Dresd. 1840).

2) Heinrich von, Staatssekretär des deutschen Reichspostamtes, geb. 7. Jan. 1831 zu Stolp i. P., gest. 8. April 1897 in Berlin, trat 1848 in den Postdienst, wurde 1858 Postrat in Potsdam, 1859 ins Generalpostamt als Hilfsarbeiter berufen, 1865 Geheimer und vortragender Rat, 1867 Geheimer Oberpostrat. Als Dezernent der Auslandsabteilung schloß er Postverträge mit Belgien 1863, den Niederlanden 1864, Spanien und Portugal 1865, Norwegen, Schweden, der Schweiz, Italien 1868, dem Kirchenstaat 1869. Im J. 1867 löste er das Thurn und Taxissche Postwesen ab und schloß die Postverträge mit den süddeutschen Staaten und Österreich-Ungarn, wodurch vom 1. Jan. 1868 ab der Einheitstarif von 1 Silbergroschen für den einfachen Brief eingeführt und auf den Verkehr mit Süddeutschland, Österreich-Ungarn (und Luxemburg) ausgedehnt wurde. 1870 wurde S. zum Generalpostdirektor des Norddeutschen Bundes ernannt. Er organisierte in dem aus acht verschiedenen Landespostbezirken zusammengeschweißten Bundespostwesen einen einheitlichen Dienstbetrieb und führte die Postkarte ein, die er auf der 5. deutschen Postkonferenz in Karlsruhe 1865 vergeblich in einer Denkschrift empfohlen hatte. Beim Ausbruch des Krieges 1870 organisierte er die Feldpost, die ihre Aufgabe mustergültig löste. Nach dem Kriege zum Generalpostdirektor des Deutschen Reiches ernannt, ging S. an die einheitliche innere Organisation des Reichspostwesens, nachdem noch Elsaß-Lothringen und Baden in das Reichspostgebiet aufgenommen worden waren. Er schuf ein einheitliches, kodifiziertes Postrecht, gab dem Posttaxwesen eine reichsgesetzliche Grundlage, gestaltete den Paketportotarif um und führte das billige Einheitsporto für Pakete bis zu 5 kg ein. Dazu kamen die Einführung der Postaufträge, der Bücherbestellzettel, des Giroverfahrens im Postanweisungsverkehr, die Erhöhung des Meistgewichts der Drucksachen auf 1 kg, des Meistbetrags der Postanweisungen auf 400 Mk., die Zulassung dringender Pakete und nicht zum mindesten die Vermehrung der täglichen Bestellungen, die Neuordnung des Landpostwesens, Aufhebung des Landbriefbestellgeldes, Vermehrung des Landbestellpersonals und der Landbestellungen, Ausrüstung von 2000 Landbriefträgern mit Fuhrwerk. Er brachte die Zahl der Postanstalten von 4520 bis 1895 auf 28,000 und schuf die Postagenturen und die Posthilfsstellen. Nach der Verschmelzung der Telegraphie mit der Post 1875 wurde S. zum Generalpostmeister ernannt. S. gab den Anstoß zur Schaffung des sogen. Reliktengesetzes und erhob die Postunterstützungskasse durch Zuwendung reicher Mittel zu einer allgemeinen Unterstützungsanstalt, besonders für bedürftige Unterbeamte und deren Hinterbliebene, auch erwirkte er den Beamten und Unterbeamten Erleichterungen auf dem Gebiete des Lebensversicherungswesens, schuf die Postspar- und Vorschußvereine und begründete zwei große Wohlfahrtsanstalten: die Kaiser Wilhelm-Stiftung und den Töchterhort, auch vermehrte er die Amtsbüchersammlungen (1871: 6000 Bände, 1895: 60,000), richtete Lehrkurse für junge Beamte ein, schuf die Post- und Telegraphenschule und gründete das Postmuseum. Stephans größte Tat ist die Gründung des Weltpostvereins; ihr schließen sich an die auf seine Initiative geschaffenen Postdampfschifflinien nach Ostasien, Australien und Afrika, die Einrichtung der Seeposten und die Einführung geregelten Post- und Telegraphenverkehrs in den deutschen Kolonien durch Errichtung von (1895: 22) Postanstalten im Ausland. Er erweiterte und verdichtete das oberirdische Telegraphennetz und legte ein unterirdisches Kabelnetz an, das zu seiner Herstellung 15 Jahre Zeit erforderte und 5874 km Linie mit 40,000 km Leitung enthält. 1895 verfügte das Reichstelegraphengebiet insgesamt über 140,000 km (1875: 33,246) Linie mit 530,000 km (1875: 120,779) Leitung und 17,000 (1875: 1686) Telegraphenanstalten. Die Telegraphie stellte S. in hervorragendem Maß in den Dienst der öffentlichen Wohlfahrt durch Einrichtung des Hochwasser-, Unfall- und Feuermeldedienstes sowie des Zeitball- und Sturmwarnungswesens. Den Fernsprecher machte S. sofort im Interesse der Verwaltung und des Publikums nutzbar. Er verbilligte die Telegraphengebühren durch Einführung des Worttarifs, dem er auch im Welt-Telegraphenverkehr Eingang verschaffte. Seiner Bautätigkeit verdankt das Reich Posthäuser, die sich durch die Zweckmäßigkeit ihrer Einrichtungen und die künstlerische Gestaltung als vorbildlich erweisen. Bis 1895 sind an 2000 neue Postgebäude, darunter 285 reichseigne, ausgeführt worden. Die Einrichtung der Rohrpost in Berlin ist sein eigenstes Werk; in Gemeinschaft mit Werner Siemens gründete er 1880 den Elektrotechnischen Verein; 1877 übernahm er die Staatsdruckerei, die er als Reichsdruckerei zu einem Musterinstitut machte. 1880 wurde S. zum Staatssekretär des Reichspostamtes ernannt, 1885 wurde ihm der erbliche Adel, 1895 der Rang eines preußischen Staatsministers verliehen. Er war Bevollmächtigter zum Bundesrat, Mitglied des preußischen Herrenhauses und des Staatsrats. Außer verschiedenen Abhandlungen verkehrsgeschichtlichen und volkswirtschaftlichen Inhalts in Raumers »Historischem Taschenbuch« und in der Zeitschrift »Unsere Zeit« schrieb er: »Geschichte[936] der preußischen Post« (Berl. 1859); »Das heutige Ägypten« (Leipz. 1872) und »Weltpost und Luftschifffahrt« (Berl. 1874). Er begründete das »Archiv für Post und Telegraphie« (Beiheft zum Amtsblatt der Reichspostverwaltung) und gab das »Poststammbuch« (3. Aufl., Berl. 1877) heraus. Vgl. »Unter dem Zeichen des Verkehrs« (Berl. 1895); Krickeberg, Heinrich von S. (Dresd. 1897).

3) Jean Marie Edouard, Astronom, geb. 31. Aug. 1831 in Ste. – Pezenne (Deux-Sèvres), wurde 1862 Assistent an der Sternwarte in Paris, 1873 Direktor der Sternwarte in Marseille. Er entdeckte zahlreiche Nebelflecke, den Planeten (89) Julia und den Kometen 18671 und schrieb: »Detérmination de la différence de longitude Paris-Marseille-Alger« (Par. 1878) und »Lyon-Marseille« (1881); »Équation aux dérivées partielles de 2. ordre« (1866); »Voyage sur la côte orientale de Malacca« (1870).

4) (Meister Stephan), s. Lochner.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 936-937.
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