Holland [2]

[477] Holland (Gesch.). Zur Zeit der Römer wurde Südholland von den batavischen Volksstämmen der Canninefaten u. Marsatier, Nordholland von den Friesen bewohnt. Erstere wurden schon im 5., letztere im 8. Jahrh. von den Franken unterworfen u. unter Karl dem Großen christianisirt. Unter den Grafen, welche das Land regierten, zeichneten sich seit 10. Jahrh. die von Vlaardingen aus, u. zwar: Dietrich I., Sohn Gerolfs, eines friesischen Grafen, welcher das Land von Karl dem Einfältigen 022 zu Lehen erhalten haben soll; ihm folgte um 963 sein Sohn Dietrich II., der mit den Friesen siegreich kämpfte u. 988 starb; sein Sohn Arnold der Große, welcher den Krieg gegen die Friesen fortsetzte u. 1003 (1004) starb; Dietrich III. von Jerusalem, sein Sohn, besiegte die Friesen, baute Dortrecht, zog in das Gelobte Land u. st. 1039; sein Sohn Dietrich IV. kriegte mit dem Grafen von Flandern, dem Bischof von Utrecht u. dem Kaiser Heinrich III. u. wurde 1049 in Dortrecht von den Kaiserlichen getödtet; Florens I., sein Bruder, setzte die Fehde fort u. wurde 1061 ebenfalls getödtet; Dietrich V., sein Sohn, folgte ihm unter der Vormundschaft seiner Mutter Gertrude, u. unter ihm kommt der Name H. zuerst urkundlich vor. Der Bischof von Utrecht wollte nämlich das Erbe erschleichen u. ließ sich daher die Belehnung mit H. vom Kaiser Heinrich IV. ertheilen. Graf Robert von Flandern, welcher Gertruden geheirathet hatte, vertheidigte zwar seinen Stiefsohn gegen den Bischof, wurde aber bei Leyden von den kaiserlichen Hülfsvölkern besiegt u. verjagt; nun nahm Graf Gottfried von Lothringen den Titel Graf von H. an, wurde aber 1076 ermordet, u. Dietrich V. kam wieder in den Besitz von H. u. st. 1091. Sein Sohn Florens II. der Feiste, der ihm unter Vormundschaft seiner Mutter Othilde von Sachsen folgte, schloß 1106 ein Bündniß mit Kaiser Heinrich V. gegen Flandern (das erste Mal. wo sich die Grafen, die vormals immer mit den Sachsen gegangen waren, an einen König fränkischen Stammes anschlossen); Florens st. 1122. Sein ältester Sohn Dietrich VI. stand anfangs unter Vormundschaft seiner Mutter Petronella od. Gertrud, u. wurde von seinem Oheim, dem Kaiser Lothar von Sachsen, mit dem Oster- u. Westergau belehnt; er suchte vergebens Flandern zu erobern, mußte 1127 u. 1132 mit den empörten Friesen kämpfen, gerieth mit dem Bischof von Utrecht in Streitigkeiten, zog 1139 nach Palästina u. st. nach seiner Rückkehr 1157. Sein Sohn Florens III. führte mit Flandern einen unglücklichen Krieg, wurde 1168 gefangen u. mußte alles Land westwärts von der Schelde von Flandern zu Lehen nehmen, auch Walcheren u. mehrere Scheldeinseln an Flandern abtreten. Auch mit den Westfriesen wurde er durch seinen Bruder, den Bischof von Utrecht, in unglückliche Kriege verwickelt; endlich schloß er sich 1188 dem Kreuzzug an u. st. 1190 in Antiochien. Sein Sohn Dietrich VII. wurde in einer Fehde gegen den Bischof von Utrecht von dessen Verbündeten, dem Herzog von Lothringen, gefangen u. st. 1203. Auf Verlangen der Stände folgte ihm sein Bruder Wilhelm I., obgleich testamentarische Bestimmungen festsetzten, daß ihm seine Tochter Ada, Gemahlin des Grafen von Loß, folgen sollte; Wilhelm hielt sich durch das Glück seiner Waffen im Besitz der Grafschaft; focht hierauf für England gegen Frankreich, als er aber 1214 in der Schlacht bei Bovines gefangen wurde, mit Frankreich gegen England, weshalb ihn der Papst, Englands Bundesgenoß, in den Bann that. Er machte dann einige Kreuzzüge u. st. 1223. Sein Sohn Florens IV. folgte ihm unter der Vormundschaft seines Oheims Gerhard von Geldern; mündig geworden, bekriegte er den Bischof Otto von Utrecht bis 1225, focht dann gegen Gröningen u. wurde in einem Turnier[477] 1234 getödtet. Ihm folgte sein sechsjähriger Sohn Wilhelm II., welcher, kaum 20 Jahre alt (1247) zum deutschen König erwählt wurde. Er führte gegen Margaretha von Flandern glücklich Krieg u. kam 1256 auf einem Zuge gegen die rebellischen Friesen, indem er mit seinem Pferde in einen Sumpf versank, um (erst 1282 wurde sein Leichnam aufgefunden). Nach ihm regierte sein zweijähriger Sohn Florens V., erst unter der Vormundschaft seines väterlichen Oheims Florens u. dann unter der des Grafen Otto von Geldern. Seit einiger Zeit gehörte Seeland mit zum Besitzthum der Grafen von H. Hierdurch mächtiger geworden, bekriegte Florens, als er die Regierung selbst antrat, die Westfriesen, die alten Feinde seines Hauses, u. schlug sie 1282 u. 1287; führte Krieg gegen Utrecht u., mit dem Herzoge von Kleve u. von Brabant verbunden, gegen den Grafen von Geldern. Mit einem Theil des Adels uneinig, wurde er in Utrecht durch List 1297 aufgehoben u. später ermordet. Sein unmündiger Sohn, Johann I., st. schon 1299 in Haarlem, u. mit ihm erlosch der Mannesstamm der alten Grafen von H.

Der Sohn Adelheids, der Schwester Wilhelms II., Johann von Avesnes, Graf von Hennegau, folgte nun als rechtmäßiger Erbe als Johann II., u. durch ihn wurde H. mit Hennegau vereinigt. Er führte unglücklich Krieg mit Flandern u. verlor fast sein ganzes Land, jedoch erhielt er dasselbe durch die Treue seiner Unterthanen u. die Tapferkeit seines Sohnes Wilhelm wieder; auch mit den aufrührerischen Seeländern kriegte er u. st. 1304. Sein Sohn Wilhelm III. setzte den Krieg mit Flandern fort u. endigte denselben erst 1323 mit einem leidlichen Frieden; er besiegte 1313 Westfriesland u. vereinigte es mit seinen Besitzungen. Als er 1337 starb, folgte ihm sein Sohn Wilhelm IV., der 1343 gegen die heidnischen Lithauer zog, nach seiner Rückkehr Utrecht vergeblich belagerte u. 1345 bei Staveren gegen die aufrührerischen Friesen blieb. Mit ihm starb der hennegauische Mannstamm aus. H. fiel nun mit Hennegau u. Seeland an Margaretha, die zweite Tochter Wilhelms III., Gemahlin des Kaisers Ludwig des Baiern, welche dieser damit belehnte. Nach dem Tode ihres Gemahls 1349 kehrte sie nach H., das indessen ihr Sohn Wilhelm V. verwaltet hatte, zurück. Diesem, dem ersten Grafen von H. aus dem Hause Baiern, gab sie H. u. Seeland mit der Bedingung, daß er ihr eine Apanage zahlen u. Hennegau lassen sollte; Beides that er nicht, u. die Mutter wollte nun ihrem Sohne die Regierung wieder entreißen. Hierdurch entstanden die Parteien der Hoeks (Hamati, d.i. die mit Angelhaken versehenen, so genannt, weil sie spottweise ihre Feinde wie Kabeljaus an Angeln zu fangen, versprachen, auch Rothe Mützen genannt), Anhänger der Gräfin Margaretha; u. Kabeljaus (Asellati, weil sie ihre Gegner, wie der Kabeljau die bleiernen Locksische, verschlingen wollten, auch Graue Mützen genannt), Anhänger Wilhelms, auf dessen Seite fast ganz H. war. Margarethens Partei siegte zwar in einem Seetreffen bei Veeren 1351, wurde aber bei der unvorsichtigen Verfolgung bei Briel geschlagen u. gezwungen, nach England zu fliehen. Dort kam eine Aussöhnung zu Stande, worin bestimmt wurde, daß Margaretha Hennegau, Wilhelm aber die übrigen Provinzen behalten, Letzter auch der Mutter die bedungene Apanage zahlen solle. Nach dem Tode Margarethens 1355 wurde Wilhelm V. 1357 wahnsinnig, er wurde in Quesnoi festgesetzt u. st. hier 1389. Nach 1357 brach der alte Zwist wieder aus, die Kabeljaus wollten Wilhelms V. Gemahlin, Margaretha von Lancaster, als Regentin bestätigt, die Hoeks dagegen Wilhelms Bruder, den Baiernherzog Albrecht (s.d. 27) zum Rudward (Vicekönig) haben; Letztere drangen durch, Albrecht wurde Regent u. nach Wilhelms Tode Graf von H. Anfangs begünstigte er die Hoeks, später aber durch Einfluß seiner Geliebten, Adelheid von Polgeest, die Kabeljaus; die Hoeks rächten sich u. ermordeten Albrechts Geliebte. Nachdem Albrecht die Friesen noch besiegt hatte, st. er 1404. Sein Sohn Wilhelm VI., setzte den Krieg gegen die Friesen, die von Geldern u. Brabant unterstützt wurden, fort u. st. 1417, nachdem er seine Tochter Jacobäa (Jacqueline), die 1415 mit Johann, Dauphin von Frankreich, verheirathet u. seit 1417 Wittwe war, als Erbin von H. eingesetzt hatte. Die Hoeks leisteten dieser Bestimmung Folge, dagegen unterstützten die Kabeljaus den Vatersbruder der Jacobäa, Herzog Johann von Baiern, welcher früher Bischof von Utrecht gewesen war, jedoch den geistlichen Stand verlassen hatte, um die Regierung anzutreten, u. setzten denselben auch wirklich in den Besitz von H. Jacobäa heirathete nun den Herzog Johann IV. von Brabant, u. als sie sich von diesem wieder getrennt hatte, den Herzog von Humphrey von Gloucester u. bekriegte mit diesem ihren Oheim u. ihren vorigen Gemahl, der ihr Hennegau vorenthielt; sie wurde aber 1423 gefangen u. ihrem Oheim Philipp von Burgund ausgeliefert; zwar entkam sie der Hast, u. auch der Herzog von Baiern st. 1424 in Haag; allein dies half der Prinzessin nichts; denn der Herzog Philipp von Burgund wurde zum Rudward u. nächsten Erben der Grafschaft H. u. Seeland erklärt. Noch eine Zeit lang vertheidigte sich Jacobäa; doch als sich auch der Herzog von Gloucester von ihr scheiden ließ, u. sie andere Unfälle erlitt, erkannte sie 1428 Philipp von Burgund als Regenten von H. u. Seeland u. als Nachfolger an u. behielt sich blos Hennegau u. einige Einkünfte vor. Nach ihrem Tode 1436 blieb nun Philipp von Burgund im ungestörten Besitz der Erbschaft, u. die Geschichte H-s verschmilzt nun mit der Burgunds. Mit diesem Herzogthum kam H. durch Maria, Erbtochter von Burgund, an Maximilian von Österreich, dann durch Karls V. Sohn, Philipp II., an Spanien, riß sich mit den andern nördlichen Provinzen im 16. Jahrh. von Spanien los u. bildete eine der sieben vereinigten Provinzen. 1806–10 bildete die Provinz H. einen Theil des Königreichs Holland; über dieses Königreich, welches Napoleon seinem Bruder Ludwig gab, u. welches nach dessen Abdankung 1810 ein Theil von Frankreich wurde, bis es 1813 wieder an das Haus Oranien kam, s.u. Niederlande (Gesch.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 477-478.
Lizenz:
Faksimiles:
477 | 478
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon