Reitkunst

[24] Reitkunst, 1) die Kunst, sich der Pferde mit Anstand, Geschicklichkeit u. Sicherheit zum Reiten zu bedienen u. das Pferd dem Willen des Reiters unterthan zu machen. I. Die R. zerfällt A) in die niedere u. höhere. Die niedere R. lehrt auf einem zugerittenen Pferde alle Gangarten, Wendungen u. Sprünge regelrecht ausführen; die höhere R. wie ein Pferd gehörig abgerichtet (zugeritten) wird (s. Zureiten des Pferdes). Andere zählen zu der niederen R. das Üben des Pferdes in den natürlichen Gangarten u. in den Wendungen, zu der höhern das Üben in den verschiedenen Schulen, noch Andere rechnen aber auch das Zureiten des Pferdes noch zur niederen R. u. nennen den Verein des Voltigirens mit der R. (Kunstreiterei, s.d.) die höhere R. Letztere besteht im Springen auf u. vom Pferde, im Stehen, Knien, Liegen auf dem Pferde, im Balanciren u. in allerhand graziösen Bewegungen während des Galops u. ist eben so gut zur Gymnastik, als zur eigentlichen R. zu zählen. B) Die R. wird außerdem in Manegen- u. Campagnereitkunst getheilt. Die Manegen- od. Schulreitkunst lehrt den Reiter sowohl, als das Pferd nach allen Regeln der Kunst auszubilden, so daß der Reiter das Pferd vollkommen zuzureiten, alle Schulen, Wendungen u. Sprünge damit zu machen u. es zu allen Diensten, welche der Besitzer des Pferdes von demselben beim Reiten verlangen kann, abzurichten versteht. Gewöhnlich üben nur Bereiter od. Stallmeister diese Kunst vollkommen u. reiten so Pferde für vornehme Personen zu. Die Campagnereitkunst sucht Reiter u. Pferd nur bis zu dem Punkte auszuarbeiten, daß beide zum Cavalleriedienst fähig sind. Sie lehrt daher sich in jeder natürlichen Gangart bewegen u. in die darauf folgende Bewegung überzugehen, auf der Stelle das Pferd zu pariren, gut zu schließen, alles zu den Wendungen u. Schwenkungen Dienende leicht vorzunehmen, daher eine leichte Führung sich anzugewöhnen, rasch aus geschlossener Ordnung in zerstreute überzugehen u. umgekehrt, das Pferd beim Blänkeln gut zu tummeln u. um dem Gegner die linke Seite abzugewinnen, leicht zu lenken u. gut zu setzen.

II. Der Unterricht in der R. wird in den Reitbahnen meist folgendermaßen ertheilt. Nachdem das gehörig gesattelte u. gezäumte Pferd in die Reitbahn geführt worden ist, naht sich der Reiterscholar im Reitanzug dem Pferde u. dem Lehrer halb von vorn, halb von der Seite, damit sich ein furchtsames Pferd nicht vor dem Nahenden scheue. Der Lehrer erklärt nun dem Scholaren die Theile des Pferdes, dessen Benennungen u. die Kunstausdrücke hierbei, ferner die Sattelung u. Zäumung, Anfangs nur im Allgemeinen, wiederholt aber das Gesagte zu Anfang der folgenden Lectionen ausführlicher. Hierauf läßt er den Scholaren aufsitzen; der Scholar tritt deshalb an die linke Seite des Pferdes, so daß er mit der Mitte des Leibes gerade vor dem herabhängenden linken Steigbügel steht, faßt, nachdem er den Zügel nach Vorschrift (s. unten) ergriffen, die Mähnenhaare, in der Nähe des Widerristes, mit der ganzen linken Hand, welche zugleich die Reitgerte, die Spitze nach oben gewendet, hält, wickelt einige Mähnenhaare von innen nach außen um den linken Daumen, setzt den linken Fuß in den Steigbügel, faßt mit der rechten Hand das hintere Ende des Sattels u. schwingt sich in zwei Tempos, in deren erstem er sich in den Steigbügel stellt, im zweiten das rechte, scharf ausgestreckte Bein über dem Sattel hebt (jedoch so, daß zwischen beiden etwa eine Spanne Raum bleibt) auf das Pferd. Ganz auf gleiche Weise, nur in umgekehrter Reihefolge, geschieht das Absitzen. Später wird das Aufsitzen auch ohne Bügel geübt, wobei die Hauptthätigkeit dem linken Arm zufällt. Nun folgen die Lectionen, wodurch der Reiter Festigkeit im Sitzen auf dem Pferde erhält. Meist wird diese Übung auf dem Sattel mit hinaufgezogenen Steigbügeln u. also ohne diese anzuwenden, zuweilen auch nur auf der Decke begonnen, u. erst später dem Scholaren die Steigbügel erlaubt. Der regelrechte Sitz ist: der Oberleib gerade, Brust heraus, Hüften vor, Kopf gerade, Hals natürlich gestreckt, so daß der Kopf nicht zwischen den Schultern eingezogen wird; die Oberarme müssen natürlich herabhängen, der Ellenbogen rechtwinklig gebogen u. die Mitte des Unterarmes an die Hüfte locker angelegt sein; die linke Hand hält die Zügel, die rechte die Reitgerte; die Oberschenkel liegen flach u. möglichst senkrecht am Sattel; die Unterschenkel, im Knie gebrochen, werden leicht angelegt, wobei die flache Wade an das Pferd zu liegen kommt, der Fuß läuft mit dem Leibe des Pferdes parallel u. der Absatz steht etwas tiefer als die Fußspitze. Auge, Hüfte u. Absatz müssen dabei eine gerade Linie bilden. Der Blick ist gerade aus u. so gewendet, daß die Ohren des Pferdes, mit denen dasselbe sein Vorhaben fast immer andeutet, stets im Bereich der Augen sind. Ganz hiervon verschieden, zwar bequemer, aber minder fest, ist die englische Weise zu sitzen: der Oberkörper wird hier etwas mehr nach vorn gebogen getragen, zwischen Ellenbogen u. Leib ist Zwischenraum, Oberschenkel, Knie u. Fußspitzen sind nicht nach innen gedreht, sondern bes. letztere auswärts gewendet, die Zehen tiefer als der Absatz; Schluß findet daher nicht Statt u. wird durch Balance ersetzt. Einige Lectionen hindurch wird der Scholar nun geübt, die erstere Sitzweise im Schritt beizubehalten. Der Scholar reitet das Pferd zuerst auf Trense. Der Trensenzügel wird so gehalten, daß er quer über der inneren Fläche jeder Hand, von der äußeren Seite nach der inneren laufend, liegt, die Finger jeder Hand werden an die innere Fläche leicht geschlossen u. der Daumen fest auf die Finger gelegt, wodurch die Trensenzügel in gleicher Lage bleiben, die Enden derselben laufen zwischen[24] dem Zeigefinger u. dem Daumen über die äußere Hand herab: die Zügel sind so weit gelinde angezogen, daß der Reiter jede Bewegung des Pferdes kühlt, ohne es jedoch im Maule zu irritiren, die Hände werden so gehalten, daß sie die natürliche Verlängerung der Unterarme bilden, wobei die Knöchel senkrecht stehen u. der Daumen sich stets oben befindet. Soll nun eine Wendung nach der rechten Seite hin gemacht werden, so wird durch Annahme des rechten Zügels nach der rechten Hüfte zu dem Pferde der Weg gezeigt, wohin es gehen soll, durch Annahme des linken Zügels nach der Mitte des Unterleibes zu die Wendung beschlossen. Man darf nie eine Wendung nur auf einem Zügel ausführen. Bei der Wendung links ist es gerade umgekehrt; beim Pariren aber werden beide Hände gleichsam schraubenförmig, so daß der kleine Finger etwas in die Höhe kommt, nach dem Unterleibe zu gedreht. Ist der Scholar eine Zeit lang mit der Trense geritten, so bekommt er auch den Stangenzügel in die Hand. Die linke Hand ist dann in der Regel zur Führung der Zügel bestimmt. Der Trensenzügel liegt hierbei quer über die innere Fläche der Hand, u. nach Bedürfniß des Reiters wird der rechte od. der linke Trensenzügel mehr angezogen, der rechte Stangenzügel aber wird zwischen dem kleinen Finger u. dem Ringfinger, von Manchen auch zwischen Ringfinger u. Mittelfinger, durchgezogen u. läuft dann nach der Einbiegung zwischen Daumen u. Zeigefinger hinüber, eben dahin quer durch die flache Hand auch der linke Stangenzügel; der Daumen hält alle vier Zügel fest. Sorgfältig muß hierbei darauf geachtet werden, daß kein Zügel ungleich angezogen ist u. so dem Pferde eine unrichtige Empfindung im Maule verursacht. Die Hand steht gerade so, wie beim Reiten auf Trense. Das Leuten geschieht durch eine allmälige vorsichtige Drehung der Hand; man wendet das Pferd rechts, indem man die Hand einwärts um den Knöchel dreht, links, indem man diese Bewegung auswärts macht. Um das Pferd anzuhalten, macht man eine schraubenförmige Bewegung mit der Hand gerade nach dem Unterleibe zu, so daß der kleine Finger die Richtung nach der Brust zu nimmt. Alle diese Bewegungen müssen sanft, vorsichtig, allmälig u. stet geschehen, damit nicht eine rohe Faust das leise Gefühl des Pferdes im Maule zerstört u. dasselbe hartmäulig macht. Dagegen darf der Reiter nicht in den entgegengesetzten Fehler verfallen u. dem Pferde den Zügel überlassen, vielmehr muß er es jeden Augenblick im Zügel haben, um, wenn es scheu wird, erschrickt, stolpert, stürzt, auseinandergeht, sich zu sehr übereilt, od. sonst eine Ungezogenheit übt, sogleich die nöthige Correction eintreten zu lassen, wobei die Schenkel auch mit thätig sein müssen. Bes. sucht der Reiter durch den sogenannten halben Arret (halbe Haltung), indem er die Hand mit einem nach u. nach immer stärkern Druck nach sich zu führt, dasselbe aber zu gleicher Zeit durch beide Schenkel antreibt, daß es nicht hinten zurückbleiben kann, das Pferd, wenn es sich übereilt u. seine Haltung verliert, wieder zu stützen od. es, wenn es zu viel auseinander geht, wieder zu vereinigen u. das Vordertheil aufzurichten. Hält er es nach u. nach auf, so daß es z.B. aus dem Galop in Trab, aus dem Trab in Schritt übergeht, so arretirt er es u. gibt ihm einen Arret, wenn dieses Stillehalten mit einem Male geschieht, was sich von dem Pariren (Parade) nur dadurch unterscheidet, daß letzteres noch kürzer u. plötzlicher u. meist im Laufen geschieht, wobei sich das Pferd auf das Hintertheil (auf die Hanken) setzt. Die erste Übung mit dem Pferde in der Bewegung geschieht immer im Schritt um die Bahn herum; man nennt hierbei auf der rechten Hand reiten, wenn die linke Seite des Reiters u. Pferdes nach der Seitenwand der Bahn zugewendet ist, u. auf der linken Hand reiten, wenn der umgekehrte Fall eintritt. Alles nach dem Mittelpunkt der Bahn Gerichtete heißt innewendig; alles, was nach den Wänden zu liegt, auswendig. Um den Reiter im Lenken zu üben u. seine Hand sicher zu machen, wird von Zeit zu Zeit chanchirt (gewechselt), d.h. in Form einer 8 od. eines S mitten durch die Bahn geritten, so daß nun statt auf der rechten Seite, auf der linken herumgeritten wird. Auch fängt man an statt der ganzen Bahn Volten, d.h. kleine Kreise od. Vierecke, zu reiten u. theilt die Reitbahn in zwei od. drei derselben in Gedanken ab, deren jede man dann wieder, um das Lenken möglichst oft zu wiederholen, in vier kleinere abtheilen kann. Auch auf diesen letztern changirt man in Form einer 8 od. eines S (reitet Kreuzvolten).

III. Die Gangarten des Pferds. A) Die vier natürlichen Gangarten sind: a) der Schritt, die gewöhnliche natürliche langsame Bewegung des Pferdes. Man läßt das Pferd hierbei im Feld- (Campagne-) schritt od. im Schulschritt gehen. Der Feld-(Campagne-)schritt ist eine demselben schon angelernte Bewegung, wo es sich bereits zusammennimmt, das Vordertheil u. die Schultern hebt u. stets mit den Hinterfüßen auf die Stelle tritt, wo die Vorderfüße gestanden haben; der Schulschritt ist eine mehr tanzende, dem Trab sich etwas nähernde Bewegung, wo das Pferd die Füße etwas hebt, die jedoch nur in Bahnen, od. bei dem Vorreiten eines Pferdes, od. wenn es paradiren soll, angewendet wird. Der natürliche Schritt, wo das Pferd mit den Hinterfüßen über die Fußtapfen der Vorderfüße vortritt, den Oberleib senkt u. sich ganz gehen läßt, wird beim Reiten als fehlerhaft verworfen. Der Schritt soll ein gemäßigter sein, indem ein zu schneller, wobei man das Pferd nicht gehörig zusammennimmt, dasselbe leicht auseinander bringt, ein langsamer aber zu wenig fördert. Hat sich der Scholar im Sitz u. in der Führung eine Zeit lang geübt, so geht der Lehrer zum b) Trab, einer raschern Bewegung, wobei das Pferd stets den Vorderfuß der einen u. den Hinterfuß der andern Seite lebhaft aufhebt u. fortsetzt, über. Im Trabe muß das Pferd den Hals wohl aufrichten, den Kopf herbeibringen u. mit dem Hintertheil wohl vorgreifen. Es muß stets in demselben schulterfrei erhalten u. gehörig zusammengenommen werden. Der Trab muß ebenfalls gemäßigt sein, ein zu schneller ermüdet das Pferd, ein zu langsamer fördert nicht. Nun folgt c) der Galop; das Pferd hebt sich hierbei auf die Hinterfüße, setzt beide Vorderfüße, jedoch den einen etwas weiter als den andern, vor, zieht das Hintertheil an u. setzt das Vordertheil nieder. Je nachdem hierbei der rechte od. linke Vorderfuß, u., dem correspondirend, auch der rechte od. linke Hinterfuß weiter gesetzt wird, galopirt das Pferd auf die rechte od. auf die linke Hand (sprengt rechts od. links an). Es ist in der Regel ein Zeichen der bessern Ausbildung des Pferdes, wenn es dahin gebracht ist, dies rechts zu thun (Galop auf dem guten Fuß); doch muß ein gut gerittenes Pferd dies nach Belieben des Reiters[25] rechts od. links thun, indem sonst der linke Hinterfuß das ganze Gewicht des Körpers stets beim Galop tragen muß u. leicht steif wird. Wenn der Reiter das Pferd ansprengen will, so wendet er den Kopf des Pferdes mit einem lebhaften, jedoch nicht in einen Ruck ausartenden Zug seines Faustgelenks (Ebrillade) nach dem Unterleibe der Seite zu, auf welche das Pferd nicht anspringen soll, u. legt zugleich den Schenkel, od. wenn das Pferd faul ist, den Sporn auf der nämlichen Seite stärker an. Bisweilen läßt man auch das Pferd während des Galops aus Rechtsgalop in den linken wechseln (Abchangiren, Changiren), indem man den andern Schenkel anlegt u. das Pferd etwas nach der andern Seite wendet. Während des Galops muß der Reiter, welcher sein Pferd gut führt, jeden Sprung, den das Pferd thut, leise in der Hand fühlen (abstoßen) u. durch die Führung den Galop verkürzen u. verlängern können. Eigentlich besteht ein guter Galop aus vier Tempos; galopirt das Pferd z.B. rechts, so setzt es den linken Vorderfuß zuerst nieder u. gleich darauf den rechten, ebenso zuerst den linken u. dann den rechten Hinterfuß. Thut es dies, so galopirt es richtig, wo nicht, wenn es z.B. beim rechts Galopiren den linken Hinterfuß od. beide zusammennimmt, falsch. Der langsamste Galop ist der kurze Galop; auf diesen folgt der Train de chasse (Jagdgalop), welcher etwas schneller ist, wo man aber das Pferd noch abchangiren lassen, schnell wenden etc. kann, u. der bes. bei Parforcejagden geritten wird; dann der gestreckte Galop, wo dies alles nicht möglich ist. Man unterscheidet auch den Bahngalop, wo das Pferd rechts anspringt, sehr zusammen geht, die Croupe sehr zur Erde senkt, mit dem Hintertheil weit vorgreift u. die Schritte mit den Vorderfüßen sowohl verkürzt, als es die Zwischenzeiten verlängert u. daher in langsamer Bewegung sich weniger zusammennimmt, sich dagegen mehr streckt u. die Bewegung verkürzt; den Feldgalop, wo es links anspringt u. ungezwungener geht; den Traversgalop, welcher ein Schließen nach einer Seite hin in kürzen Sprüngen ist; u. den Reversgalop, wenn man das Pferd herumwendet u. eben so traversiren läßt, nur daß der Kopf des Pferdes eben dahin gerichtet ist, wo früher das Hintertheil war. Das Pferd macht im Galop die schönste Figur. d) Carrière, der schnellste Lauf des Pferds, wobei es beide Vorderfüße abwechselnd mit den Hinterfüßen zugleich fortsetzt; er ist wegen der Anstrengung, welche es dem Pferde verursacht, nur auf kurze Strecken anwendbar. Die Einübung der Carrière geschieht mehr im freien Felde, als in der Bahn, od. doch in einer langen, offnen, mit Geländern eingefaßten Bahn. B) Fehlerhafte Gangarten, welche nicht in der Bahn gelehrt werden, sind: a) der Paß (Zeltergang), eine Gangart des Pferdes, wobei es beide Füße einer Seite zugleich aufhebt u. fortsetzt; er ist bequem u. fördernd, aber nicht kunstgerecht, an manchen Orten, z.B. in Spanien u. Portugal, aber sehr beliebt: b) der halbe Paß (Antritt, Mezair), eine Vermischung des Schritts mit dem Paß; c) gebrochner Paß, eine dem Paß ähnliche Gangart strapazirter Pferde, bes. im Zug; d) der Mittelgalop (fliegender Paß), wo das Pferd vorn galopirt u. hinten trabt od. vorn trabt u. hinten galopirt. C) Das Zurücktretenlassen des Pferdes geschieht durch allmäliges u. dauerndes Anziehen der Zügel. Bei allen diesen Übungen, vorzüglich beim Galop, sind Hülfen nöthig, d.h. Merkmale, welche man dem Pferde gibt, um es dazu zu bringen, eine gewisse Handlung vorzunehmen, od. eine fehlerhafte zu verhüten. Mit ihnen stehen die Strafen, wodurch ein widerspenstiges Pferd zum Willen des Reiters gezwungen u. für begangene Fehler gezüchtigt wird, in Verbindung. Die starken Hülsen, wie des Pferdes Bug mit den Schenkeln schlagen, Sporenstöße u. Ruthenschläge, sind schon mehr als gelinde Strafen anzusehen, u. dieselben u. starkes Zusammennehmen des Pferdes müssen auch verstärkt die Strafen desselben ausmachen, nicht aber darf die Strafe in einem rüden Reißen im Maule u. unnützen Stacheln mit den Sporen bestehen, u. eben so wenig darf der Reiter blos nach Laune u. ohne daß das Pferd gefehlt hat strafen. Nun folgt der Unterricht in den Schulen.

IV. Die Schulen bestehen in künstlichen u. regelmäßigen Gängen eines Pferdes: A) Zu den Schulen auf der Erde gehören: a) Schultereinwärts (Schulter passiren). In dieser Schule wird das Pferd, wenn es auf der rechten Hand geht, blos mit dem Vordertheil, von der linken Hand weg, rechts, schräg, einen Schritt abgewendet u. so gestellt, daß es von der Nase an bis zu den Hinterfüßen die Figur eines lateinischen C hat; folglich muß Kopf, Hals u. Croupe alles rechts inwendig herein gestellt sein. Dann wird der rechte Schenkel angelegt, das Pferd in Bewegung gesetzt u. dasselbe durch diese Stellung u. den angelegten rechten Schenkel gezwungen, wenn es nicht umfallen will, links vorwärts überzutreten, u. so die Füße auf der rechten, od. hier inwendigen Seite, kreuzweis, über die linken, od. hier auswendigen zu setzen. Dieselbe Schule auf der linken Hand erfordert die entgegengesetzten Hülfen u. Führung. Daher heißt ersteres links Schulter passiren u. die entgegengesetzte zweite rechts Schulter passiren. b) Croupe an die Wand. In dieser Schule wird das Pferd, wenn es auf der rechten Hand geht, ebenfalls blos mit dem Vordertheil von der linken Wand weg, rechts, schräg, einen Schritt abgewendet, wie bei dem Anfange zu Schulter einwärts, aber so, daß nun die Nase, Kopf, Hals u. Croupe, alles links gestellt wird, der rechte Schenkel angelegt u. in dieser Stellung tritt das Pferd links vorwärts über. Jetzt sieht es dahin, wohin es geht, welches bei Schulter einwärts nicht der Fall war. Dieselbe Schule auf der linken Hand erfordert auch die entgegengesetzten Hülsen u. Führung. Daher heißt die erste Schule Croupe an die Wand links u. die entgegengesetzte zweite, Croupe an die Wand rechts. Die Croupe an die Wand darf nur auf geraden u. schrägen Linien gemacht werden, niemals aber in Volten. Wenn das Pferd in diesen beiden Schulen die nöthige Fertigkeit erlangt hat, so geht man c) zu dem Travers (Traversiren) über. Wenn das Pferd auf der rechten Hand geht u. folglich rechts gestellt ist, so werden auf der Stelle, wo der Travers anfangen soll, die Zügel sanft angezogen, zugleich der linke Schenkel angelegt u. so das Pferd genöthigt in dieser Stellung rechts überzutreten, u. zwar so, daß die neue Linie, auf welcher das Pferd geht, rechtwinkelig von der vorigen ist. Hier also geht das Pferd von dem Augenblick, wo der Travers seinen Anfang nimmt, auf der kürzesten Linie von der linken Hand an die rechte, u. unterscheidet sich von a) u. b) dadurch, daß während des Travers das Vordertheil des [26] Pferdes sich genau dem Hintertheil gegenüber befindet, wo hingegen in den beiden vorhergehenden Schulen das Pferd diagonal stand u. daher das Vordertheil schräg von dem Hintertheil war. Ist das Pferd im. Travers an der entgegengesetzten Wand angekommen, so wird es arretirt, nun links gestellt, der rechte Schenkel angelegt u. so auf derselben Linie, wo es hergekommen, links übertretend zurückgeführt. Dies ist d) der Renvers. Wenn das Pferd Travers u. Renvers gehörig ausgeführt hat, so werden e) diese beiden Schulen dann sowohl auf Diagonalen, als auch in Viertel-, halben u. ganzen Volten gemacht. Bei den Volten muß aber die Croupe des Pferdes stets auf den inwendigen kleinern Raum u. das Vordertheil stets auf den auswendigen größern geführt werden; ferner darf die Volte, od. vielmehr das abgerundete Viereck, höchstens nur so groß sein, als der achte Theil einer nicht allzugroßen Reitbahn ist, weil sonst das Pferd zu sehr angegriffen werden, sich bald widersetzen u. nun der Reiter genöthigt werden würde, wieder von vorn anzufangen. Die verschiedenen Figuren, welche in Travers u. Renvers geritten werden, haben nun verschiedene Benennungen, z.B. Passaden u. Repassaden (s. b.). Die Schulen Kopf einwärts, Croupe hinaus u. Renversé (Volte renversée) sind dagegen jetzt allgemein verworfen, da eine öftere Wiederholung dieser Schulen das Vordertheil des Pferdes schwer macht. Über die Schulen Piasser (stolzer od. spanischer Tritt), Passage, Pirouette, Terre à terre, s. diese Artikel. B) Zu den Schulen über der Erde od. zu den erhabenen Schulen (Sprüngen) gehören: die Pesade, Courbette, Lançade, Redop u. flüchtiger Redop, Croupade, Ballottade u. Capriole (s.d. a.). Der Pas et le saut ist keine eigentliche Schule, sondern nur aus Terre à terre, Courbette u. Capriole zusammengesetzt, welche das Pferd unmittelbar rasch hinter einander ausführt. Auch der Galop gaillard ist vom Galop nicht zu trennen, indem er nur darin besteht, daß das Pferd dem Galop mehre Sprünge beimischt. Man beschließt den Unterricht, indem man den Scholaren mit dem Pferde das Setzen über vorgehaltene Stangen u. über Gräben lehrt. Man nimkmt hierzu einen Anlauf von 10–12 Schritt, setzt das Pferd in Galop, nähert sich dem Gegenstande auf etwa zwei Schritt, gibt dem Pferde, indem man ihm Luft läßt, die Schenkel u. andere Hülsen u. setzt so über den Gegenstand weg. Sonst verband man noch eine Anweisung zum Carrouselreiten mit dem Reitunterricht.

V. Plinius nennt den Bellerophon als Erfinder der R. (griech. Hippike); als die ältesten Reiter in Europa erscheinen die Kentauren (s.d.) in Thessalien. In Griechenland findet man auch schon früh eine Kunstreiterei, welche darin bestand, daß ein Mann mehre (gewöhnlich vier) neben einander gekoppelte Pferde auf einem Platz herumtummelte u. von einem auf das andere sprang, sich darauf setzte od. stellte, dann ein anderes bestieg etc. (vgl. Keles, Amphippoi u. Desultor). Später stieg diese Kunstreiterei bis zum Lenken von 20 Pferden mit denselben Zügeln. Mehr ausgebildet wurde die R., da man später Reiter sowohl im Kriege, als bei feierlichen Aufzügen gebrauchte. Daher sich auch schon Anleitungen über die Behandlung des Pferdes unter den Schriftwerken des Alterthums finden, so das (verlorene) Werk Timons über den Unterricht des Pferdes u. die (noch vorhandene) Schrift Xenophons über die R. (Περὶ ἱππικῆς). Sättel hatte man damals noch nicht, sondern man ritt entweder auf dem unbedeckten Pferde, od. es war eine Decke von Tuch od. Fell untergelegt; Sättel, mit höheren Gestellen, wurden erst gegen die Zeit des Kaisers Theodosius erfunden. Auch Steigbügel gab es nicht, so lange man keine Sättel hatte; man schwang sich entweder aus freier Hand auf das Pferd, indem man sich an den Mähnen anhielt, od. man stützte sich mit der Linken auf den Spieß, od. die Pferde waren auch abgerichtet niederzuknieen. Der Zaum wurde früher erfunden. Beim Zureiten nahm man bes. Rücksicht auf eine schöne Haltung der Pferde; man lehrte Schritt gehn, traben, galopiren, anspringen, lançadiren, über Gräben setzen, auf Anhöhen steigen etc. Diese Übungen wurden in den Rennbahnen vorgenommen, wo ordentliche Lehrer der R. angestellt waren. Auch übte man das Pferd in Kunstreiterstücken, lehrte es sitzen, auf den Hinterfüßen gehn, nach der Flöte tanzen etc. Die Römer hatten früh schon sich im Reiten geübt; die Übungen der Reiter fanden in dem Circus statt u. verstiegen sich bis zur Höhe des Ludus Trojanus (Quadrillen zu Pferde). Auch lernte man von den Numidiern die Pferde ohne Zäume, blos durch die Gerte (Virga) leiten. Nach Constantin dem Großen war die R. bes. in Constantinopel zu einem besondern Grad der Vollkommenheit gebracht, u. alle Kunstreiter des Mittelalters hatten dort ihre Schule gemacht. Reitbahnen wurden nachher auch in den Provinzen von den Statthaltern angelegt, weil man von ihnen Reiter zum Krieg verlangte. Im 16. u. 17. Jahrh. bildete sich die R. in Neapel u. Süditalien bes. aus, wo Ferraro u. Orisone sich hervorthaten; später breitete sie sich auch in Norditalien aus, bes. berühmt waren Cesare Fieschi, Caracciolo, Giov. Bat. Galiberti, Gal. Gualdo, Pignatelli. Von da kam die R. im 17. Jahrh. durch Pignatelli's Schüler nach Frankreich; Rufe, Tacquet, Pierre la Noue, Pluvinel, Beaugrand, Salomon de la Broué, Roue de Menou, de Solleysel, Gueriniere, Bourgelat, Carbon de Begrieres, la Fosse, de Sind, de Saunier, Vitet, bildeten die R. eigentlich mit den Engländern gemeinschaftlich theoretisch u. systematisch aus. Von den Engländern zeichneten sich bes. als Schriftsteller über R. aus: Thom. de Grey, Markham, William Cavendish Herzog von Newcastle, Hodson, William Gibson, Brake, Henry Earl of Pembroke, W. Osmer, Thomson. Die Deutschen excellirten bes. in der Campagnereitkunst; unter den deutschen Schriftstellern über R. u. Pferdewissenschaft sind zu bemerken: G. von Löhneisen, M. Lieben, Winter von Adlersflügel, von Hohberg, I. C. Pinter, Val. Trichter, Gerhardi, Fuchs, Krause, von Eisenberg, Zehentner, von Berga, Born, Griesebach, von Reitzenstein, Zorn, Prizelius, Hünersdorf, von Tennecker, Rollwehs, Hausen von Wallmerode, Lind u.A. Unter den neuesten Schriften sind vorzüglich zu nennen: Thom son, Die R., Berl. 1846; Hochstetter, Die Reitschule neuerer Zeit, ebd. 1850); Krüger, Praktischer Reitunterricht, Quedlinb. 1857; Trotta, Anleitung zur Ertheilung des Reitunterrichts, Berl. 1861.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 24-27.
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