Wessenberg

[119] Wessenberg, altes stiftsfähiges Geschlecht, stammt aus der Schweiz, wo die nach der Schlacht bei Sempach, 1383, von den Eidgenossen zerstörte Stammburg Wessenberg jetzt noch in Ruinen bei Mandach im Bezirk Brugg des Cantons Aargau vorhanden ist; die W. zogen sich darauf nach dem Sundgau zurück, theils siedelten sie sich im Elsaß u. Breisgau an; 1681 vereinigten sie Namen u. Wappen der Herren von Ampringen mit dem ihrigen. Die ununterbrochene Stammreihe beginnt mit Johann von W. 1470, sie besitzen in Baden die Herrschaften Feldkirch u. Fuhrenthal u. in Böhmen die Herrschaft Dicitenitz. Bekannt sind bes. 1) Joh. Philipp Karl, geb. 6. Juli 1717; wurde 1742 bei der Krönung Karls VII. zum Reichsritter geschlagen, wurde darauf Conferenzminister am sächsischen Hofe in Dresden u. Obersthofmeister der verwittweten Kurfürstin u. leitete auch die Erziehung des minderjährigen Kurprinzen Friedrich August; 1776 legte er seine Stelle nieder u. lebte auf seinem Landgute Feldkirch im Breisgau. 2) Freiherr Joh. Philipp, Sohn des Vor., geb. 28. Nov. 1773 in Dresden, trat 1797 als Diplomat in österreichische Staatsdienste, wurde 1803 Ministerresident in Frankfurt, 1806 in Kassel, später österreichischer Gesandter in Berlin u. 1811 an Fr. Stadions Stelle in München, wo er den Grund zur Aussöhnung seines u. des baierischen Hofes legte. 1813 stiftete er den Bund zwischen Österreich u. England, nahm dann lebhaften Antheil an den beiden Pariser Frieden, so wie an den Verhandlungen[119] des Wiener Congresses, wo er den Unterhandlungen über deutsche Angelegenheiten präsidirte, an der Centralhofcommission zur Organisirung der Österreich zugefallenen Provinzen etc. Darauf war W. eine Zeit lang, als dem liberaleren Princip nicht abhold, ohne Staatsgeschäfte u. erst 1830 wurde er wieder als Gesandter in die Niederlande u. zur Londoner Conferenz geschickt, vor deren Ende er 1831 in sein Stillleben zurückkehrte. Er lebte von 1835 an auf seiner Besitzung in Baden, wurde im Mai 1848 nach Wien berufen, übernahm nach Ficquelmont den Vorsitz im Gesammtministerium mit dem Ministerium des Auswärtigen u. dem des Kaiserlichen Hauses. Bei der Wiener Revolution vom 6. Oct. 1848 ging er nach Olmütz zum Kaiser, legte hier am 21. Nov. seine Ämter nieder, zog sich wieder ins Privatleben nach Baden zurück u. st. 1. Aug. 1858 in Freiburg im Breisgau. 3) Freiherr Ignaz Heinrich, Bruder des Vor., geb. 4. Nov. 1774 in Dresden, studirte in Dillingen, Würzburg u. Wien Theologie, wurde 1798 Domherr in Constanz u. durch Karl von Dalberg 1800 Generalvicar des Bisthums Constanz. Indem W. eifrig für Diöcesaneinrichtung, Pastoralconferenzen, Bildung des jungen Clerus (wozu er das Seminar in Meersburg stiftete), Schulunterricht, Verbesserung des Rituals, Einführung der deutschen Sprache in der kirchlichen Liturgie, des deutschen Kirchengesanges, milderer Fastengebote etc. u. namentlich auf eine deutsche Nationalkirche unter einem deutschen Primas, bes. als kirchlicher Gesandter bei dem Wiener Congreß u. 1816 in den Frankfurter Conferenzen wirkte, wurde er dem Papst verdächtig, u. als Dalberg ihn 1814 mit Genehmigung des Großherzogs von Baden zum Coadjutor u. Nachfolger im Bisthum Constanz ernannte, verweigerte ihm der Papst seine Bestätigung u. befahl nach Dalbergs Tode, 1817, wo die Constanzer Capitularen W. zum Bisthumsverweser gewählt hatten, dem Capitel einen besser bewährten Mann zu wählen W. ging Ende Juni 1817 nach Rom, allein der Papst ließ ihn nicht vor u. seiner Vertheidigungsschrift wurden Beschuldigungen u. Vorwürfe u. die Forderung unbedingten Widerrufs entgegengestellt, weshalb er unverrichteter Sache zurückkehrte. Dennoch blieb er Bischof von Constanz u. 1822 wurde er von dem badenschen Clerus zum Erzbischof von Freiburg vorgeschlagen, aber nicht bestätigt, ebensowenig, als ihn der König von Württemberg zum Bischof von Rottenburg wünschte. Als in Folge des Concordats das Bisthum Constanz 1827 aufgelöst wurde, lebte W. als Privatmann in Constanz u. wirkte als Abgeordneter der ersten Kammer (seit 1819) auf dem badenschen Landtage bis 1833, dann als Schriftsteller u. als Wohlthäter der Armen u. Beförderer aufstrebender Künstler u. st. 9. Aug. 1860 in Constanz. Er schr.: Elementarbildung des Volks, Zür. 1814, 2. Aufl. 1835. Die Bergpredigt unsers Herrn, ebd. 1820, 5. Aufl. St. Gallen 1846; Jesus, der göttliche Kinderfreund, Zür. 1820; Die Auferstehung unsers Herrn, ebd. 1821; Johannes der Vorläufer unsres Herrn, ebd. 1821; Lieder u. Hymnen zur Gottesverehrung der Christen, Const. 1825; Die christlichen Bilder, ebd. 1826–28, 2. Aufl. St. Gallen 1845, 2 Bde.; Christ-katholisches Gesang- u. Andachtsbuch, Const. 1828; Julius, Pilgerfahrt eines Jünglings (religiös-didaktisches Gedicht), Stuttg. 1831; Mittheilungen über die Verwaltung der Seelsorge nach dem Geiste Jesu u. seiner Kirche, Augsb. 1832, 2 Bde.; Die Kraft des Christenthums zur Heiligung des Sinnes, Const. 1633, n.A. St. Gallen 1845; Ritual nach dem Geiste u. den Anordnungen der katholischen Kirche, Stuttg. 1833; Reform der deutschen Universitäten, Const. 1834; Über Schwärmerei, Heilbr. 1833; Betrachtungen über die wichtigsten Gegenstände im Bildungsgange der Menschheit, Aarau 1836; Die Parabeln u. Gleichnisse des Herrn vom Reiche Gottes, Const. 1839, 2. Aufl. St. Gallen 1845; Die großen Kirchenversammlungen des 15. u. 16. Jahrh. in Beziehung auf Kirchenverbesserung, Const. 1840, 4 Bde.; Fenelon (ein Epos), ebd. 1812; Blüthen aus Italien, ebd. 1818; Neue Gedichte, ebd. 1827; Pilgerfahrt eines Jünglings, ebd. 1831; Sämmtliche Dichtungen, Stuttg. 1833–44, 6 Bdchn.: Gott u. die Welt, Heidelb. 1857, 2 Bde.; Kaiser Friedrich II. (Trauerspiel), 2. Aufl. Freib. 1863. Er begründete auch das Archiv für die Pastoralconferenzen in den Landcapiteln des Bisthums Constanz, Meersb. 1804–14. Vgl. Über das neueste Verfahren der römischen Curie gegen den Bisthumsverweser von W., Karlsr. 1818; I. L. Koch, Ausführliches Rechtsgutachten über das Verfahren des römischen Hofs in Angelegenheit der Bisthumsverwaltung des von W. etc., Frankf. a. M. 1819; Jos. Beck, W-s Leben u. Wirken, Freib. i. B. 1862. Jetziger Chef: 4) Freiherr Philipp, Enkel von W. 2) u. Sohn des 1848 verstorbenen Freiherrn Heinrich, geb. 1837, ist unvermählt u. hat auch keine Brüder.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 119-120.
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