Wrangel [3]

[364] Wrangel, ein altes, aus Westfalen stammendes, um. 1100 nach Dänemark übergesiedeltes u. im 13. Jahrh. nach Livland gekommenes Geschlecht, welches dort mehre Güter erwarb u. sich in mehre Linien theilte u. von da theils nach Schweden kam, wo es dem Lande große Feldherren lieferte, theils u. zwar 1740 nach Preußen u. nach Pommern sich wendete, wo es gegenwärtig blüht u. in der Provinz Preußen begütert ist. Sein Freiherrenstand wurde 1561 von Polen u. 1853 in Preußen bestätigt. I. Zum schwedischen Zweige gehören: 1) Hermann W., geb. 1587; zeichnete sich schon unter dem König Karl IX. von Schweden gegen Rußland u. Dänemark aus; Gustav Adolf gab ihm 1609 den Oberbefehl in Polen u. erhob ihn zum Feldmarschall; er nöthigte 1629 Polen zum Waffenstillstand, begleitete hierauf Gustav Adolf nach Deutschland u. kehrte erst nach dessen Tode nach Schweden zurück, er schloß 1635 den Frieden zwischen Schweden u. Polen, befehligte 1636 die Armee in Pommern, focht mit Glück u. eilte zum General Bauer, welchen die kaiserlich-sächsische Armee bedrohte, konnte sich aber mit Bauer über den Operationsplan nicht einigen, wurde zurückberufen u. st. 1644 als Generalgouverneur von Livland. 2) Karl Gustav, Graf von W., Sohn des Vor., geb. 1613: begleitete den König Gustav Adolf nach Deutschland, diente nach dessen Tode unter dem Prinzen Bernhard von Weimar u. Bauer, befehligte nach dessen Tode 1641 einen Theil des Heeres bis zu Torstensons Ankunft u. begleitete diesen 1643 nach Holstein; er befehligte 1644 die schwedische Flotte, schlug im October d. J. die dänische bei Femern, siegte dann zu Lande in Schleswig u. Holstein u. trug so 1645 viel zum Frieden von Brömsebro bei. In den Reichsgrafenstand erhoben, übernahm er, nachdem Torstenson das Commando niedergelegt hatte, mit Königsmarck den Oberbefehl in Deutschland, vereinigte sich mit Turenne u. schloß 1647 mit dem Kurfürsten von Baiern den Waffenstillstand von Ulm u. zog dann nach Böhmen, wo er Eger eroberte, retirirte aber, da der Kurfürst den Waffenstillstand aufhob, vereinigte sich mit Turenne u. schlug 1648 die Österreicher u. Baiern bei Zusmarshausen. Nach dem Westfälischen Frieden kehrte W. nach Schweden zurück, begleitete 1655 den König Karl Gustav nach Polen u. befehligte die Schweden 1656 in der Schlacht bei Warschau. 1657 zog er nach Dänemark, eroberte 1658 Kronenburg u. befehligte die holländische Flotte, konnte aber nichts gegen Kopenhagen ausrichten. 1659 vertheidigte er Fünen gegen die Dänen u. 1674 befehligte er die schwedische Armee, welche als Verbündete Ludwigs XIV. in Brandenburg einfiel; Krankheitshalber legte er aber das Commando bald nieder u. st. 1675 in Schweden. II. Aus dem dem Hause Lindeberg entsprossenen, vom Freiherrn Friedrich gestifteten Zweige in Preußen stammen: 3) Freiherr Ludwig, Sohn des Stifters, geb. 1774, war preußischer Generallieutenant u. st. 1851; jetziger Chef ist: 4) Freiherr Ludwig, Sohn des Vor., geb. 1802, ist preußischer Oberst a. D.; sein ältester Sohn Ludwig ist 1833 geboren. 5) Graf Friedrich, Oheim des Vor., geb. 13. April 1784 in Stettin, trat 1796 als Junker in das Dragonerregiment von Werther, machte als Lieutenant den Feldzug von 1807 beim L'Estocqschen Corps in Preußen mit, wurde 1808 Premierlieutenant u. 1811 Rittmeister u. that sich 1813 bei Großgörschen, Bautzen u. Hainau hervor, wurde Major, kämpfte dann bei Kulm, Leipzig u. Etoges, wurde 1814 Oberstlieutenant u. Commandeur des zweiten westpreußischen Dragonerregiments, focht bei Laon u. Sezanne u. avancirte 1815 zum Oberst. Er übernahm 1821 das Commando der 10. Cavalleriebrigade in Posen u. wurde 1823 Generalmajor; 1830 commandirte er ein größeres Detaschement aus allen Waffen, welches einen Theil der Grenze des Großherzogthums Posen unmittelbar zu bewachen hatte, als im Königreich Polen Krieg u. Cholera zugleich wütheten; 1834 wurde er Commandeur der 13. Division, zeigte im Dec. 1837 in Münster bei den Unruhen, welche die Inhaftnahme des Erzbischofs von Köln verursachte, große Energie, wurde 1838 Generallieutenant, 1839 commandirender General des 1. Armeecorps in Königsberg u. 1842 in gleicher Stelle zum 2. Corps nach Stettin versetzt. Im Herbste 1843 leitete er bei Berlin die großen Cavallerieübungen, wurde 1845 Chef des 3. Kürassierregiments u. 1848 Oberbefehlshaber der in Schleswig-Holstein agirenden u. zum 10. Armeecorps gehörigen Bundestruppen, siegte am 23. April 1848 bei Schleswig über die Dänen u. rückte bis nach Jütland hinein, legte aber bereits am 8. Sept. den Oberbefehl nieder. u. kehrte nach Preußen zurück; hier übernahm er das Obercommando in den Marken, rückte im November mit den Truppen in Berlin ein, stellte dadurch die Ordnung u. die Autorität der Regierung wieder[364] her u. wurde zum General der Cavallerie ernannt. Seit Oct. 1849 führte er gleichzeitig das Commando des 3. Armeecorps u. den Oberbefehl der Truppen in den Marken. Im Sommer 1852 bereiste er, auf Einladung des Kaisers von Rußland u. in dessen Gefolge, die russischen Staaten u. besuchte Constantinopel. Am 15. Aug. 1856, zu seinem 60jährigen Dienstjubiläum, wurde er Generalfeldmarschall u. übernahm beim Beginn des Deutsch. dänischen Krieges das Obercommando über die alliirte österreichisch-preußische Armee, welche 31. Jan. 1864 in Scheswig-Holstein einrückte, u. behielt dies bis zum Waffenstillstand im Mai 1864, wo er zum Grafen von W. ernannt wurde u. das Obercommando an den Prinzen Friedrich Karl von Preußen abtrat.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 364-365.
Lizenz:
Faksimiles:
364 | 365
Kategorien: