Demēter [1]

[829] Demēter (gr., d. i. Mutter Erde, bei den Römern Ceres), Tochter des Kronos u. det Rhea, Göttin des Ackerbaues mit Bezug auf feste Ansiedelungen u. diese begleitende Gesetze des ehelichen u. bürgerlichen Lebens, daher Thesmophoros genannt (Urheberin von Satzungen, bes. das eheliche u. weibliche Leben betreffend). Insofern das Getreide aus dem Schooße der Erde emporsproßt, steht sie auch in Beziehung zur Unterwelt (daher Chthonia genannt). Bezug auf das bürgerliche Leben gewann D. dadurch, daß Versammlungen, welche in der Regel nach der Ernte gehalten wurden, mit Dankopfern für den Erntesegen verknüpft od. unter ihren Schutz gestellt waren; so stand die D. Panachäa nebst anderen Göttern den achäischen Nationalversammlungen vor, u. die D. Amphiktyonis od. Pyläa den phokischen Amphiktyonenversammlungen in den Thermopylen. Als Ackergöttin hat D. den Menschen alle Arten des Getreides gegeben (daher ihre Beinamen Anesidora, Heraussenderin der Gaben, Melophoros, Sito, Getreidegeberin) u. dieselben deren Anbau gelehrt; sie sorgt auch für das Gedeihen der Feldfrüchte, daher ihre Beinamen: Euporos, Pyrophoros, Philopyros (von den Arten des den Menschen ertheilten Getreides); Enkarpos, Polykarpos, Karpophoros (die Fruchtbare, Früchte bringende); Chloe, Euchloos, Chloephoros (die ihre Frucht gedeihen u. zu Nutz der Menschen wachsen läßt), schickt günstige Witterung (als Eueteria, Geberin guter Jahre, u. Horephoros, Geberin guter Witterung), milden Regen (Chamyne, Ompnia, die Feuchte, durch Feuchtigkeit nährende), verleihet den Erntesegen (Kauftis, Erysibe, die durch Sonnenschein das Korn reist u. es vor schädlichem. Mehlthau schützt; Xanthe, die blonde Göttin der reisen Garben); sie unterstützt auch die Menschen beim Mähen u. Garbenbinden (daher Amallophoros, Julo), beim Dreschen auf der Tenne (Aloas, Euatosia), beim Aufspeichern auf den Böden, auch beim Mahlen u. Brodbacken (Himalis, Aliteria Megalomazos, Megalartos). Alle Ackergeräthe sind ihre Erfindung. Sie ist dann Göttin der Herden u. Weiden, der Schafe (in Megara) u. Kinderzucht,[829] weshalb sie auf Bildwerken oft auf einem Stier sitzend erschemt. D. hatte von Zeus die Persephone geboren; nach anderer Sage liebte Poseidon die D., welche sich ihm in Gestalt einer Stute zu entziehen suchte; aber Poseidon ereilte sie als Hengst, worauf sie das Roß Arion u. die Persephone (Despoina, d. i. Herrin, genannt) gebar. Persephone wurde mit dem Willen des Zeus von Aïdoneus (Pluto) geraubt. Als Ort dieses Raubes nennt der Homerische Hymnus auf D., welcher das Ereigniß erzählt, das Nysische Gefilde, doch ist unbestimmt, ob das Thrakische od. Eleusische gemeint ist. Im Allgemeinen hielt man, anknüpfend an die Vorstellung, daß Aïdoneus in den Tiefen der Erde wohne, Gegenden, wo blumige Gefilde waren, auf denen Persephone mit ihren Freundinnen gespielt haben sollte, für den Ort der Entführung, bes. wenn in der Nähe Höhlen od. Felsklüfte waren, welche man für Eingänge in die Unterwelt ansah. Daher die vielen localisirenden Erzählungen. Später werden als Entführungsorte genannt: Eleusis, Hermione, Nysa in Karien, Heraklea Pontika in Bithynien, Hipponium in Italien, eine Gegend bei Syrakus od. am Ätna, bes. Enna in Sicilien. Schmerzensvoll (daher Achäa, die Betrübte, genannt) u. im Trauergewand (daher Meläna, die Schwarze) suchte D. (die deshalb Deo, die Suchende heißt) die entführte Tochter; sie eilte, wie es auf Bildern dargestellt ist, Fackeln tragend (daher Daduchos, die Fackelträgerin) dem Wagen des Aïdoneus nach, der mit einem letzten Schrei ihrer Tochter vor ihren Augen verschwand. Neun Tage lang durchirrte sie alle Länder, ohne Nahrung zu sich zu nehmen. Am 10. Tage begegnete ihr Hekate, die aber auch nur den letzten Schrei der Persephone gehört hatte; den Thäter Aïdoneus hatte nur der allsehende Helios erblickt, welcher auch der D. die That offenbarte. Zürnend in ihrem Schmerz verbarg sich D. im einsam öden Gebirge. Die Fruchtbarkeit der Erde hörte auf u. Hungersnoth trat ein. Zeus dachte daher auf Versöhnung, ein Vertrag zwischen D. u. Aïdoneus wurde geschlossen, daß Persephone jeden Frühling ihre Mutter sehen, im Herbst aber wieder zu ihrem Gemahl hinabsteigen solle. So ist der Wechsel der Vegetation in den Jahreszeiten symbolisirt. Den Menschen aber, bei denen die suchende D. auf ihrem Zuge einkehrte, war sie zu großem Segen geworden, sie hat dieselben den Ackerbau gelehrt u. als Kurotrophos (d. i. pflegende Amme) die Kinder erzogen zu tapferen Helden u. weisen Königen. Damals kam sie auch nach Eleusis u. setzte sich in ihren Schmerz versunken an einem Brunnen nieder. Da kamen die Töchter des Keleos, Sohnes des Eleusis, zu dem Brunnen, um Wasser zu schöpfen, u. von einer lustigen Magd, Jambe, durch deren Scherze aufgeheitert, nahm D. wieder Speise u. einen Labetrunk zu sich. Sie pflegte darauf den Demophoon (s. d.), Sohn des Keleos, u. wollte denselben unsterblich machen, indem sie ihn mit Ambrosia salbte u. über Feuer hielt. Allein sie wurde dabei von der Mutter Metanira überrascht, welche schrie u. das Vorhaben störte. D. zürnend, offenbarte sich nun als Göttin, Demophoon aber, wenn auch nicht unsterblich, wurde doch ewiger Ehre theilhaftig, weil er eine unsterbliche Göttin zur Erzieherin gehabt hatte. An dem Quell Kallichoros ließ sich dann D. von Keleos einen Tempel bauen. In Eleusis lehrte sie die Herrscher Triptolemos, Diokles, Eumolpos u. Keleos die Eleusinischen Mysterien (s.d.). Den Triptolemos sandte sie dann auf einem geflügelten Schlangenwagen in alle Länder, um den Segen von Eleusis unter alle Völker zu verbreiten. Den skythischen König Lynkos, welcher den Triptolemos tödten wollte, verwandelte sie in einen Luchs. In den kleinen u. großen Eleusinien, welche ihr zu Ehren gefeiert wurden, spiegelten sich die Bewegungen der D. vom tiefsten Schmerz bis zur stillen Beruhigung, die sie in Eleusis erfahren hatte, in den Handlungen der Mystä (s.d.) wieder. Unter schmerzlichen Geberden wurde allerorts, wo D. sich niedergelassen haben sollte, die verlorene Tochter gesucht, dann wurde der Labetrunk genossen u. das Fest erhielt eine freudige Bedeutung. In den Eleusinischen Mysterien tritt auch hauptsächlich die Beziehung der D. zur Unterwelt hervor; auch bildete in Eleusis ein Todtenopfer den Schluß des Festes. Übrigens war an allen Cultusstätten der D. auch ein Todtenorakel, u. in Athen, Sparta u. Rom wurden ihr bei Leichenbegängnissen Opfer dargebracht. Mit Jasios od. Jasion (wahrscheinlich ein Gott der fruchtbaren Erdtiefe od. des Regens), welcher den ersten Samen gesäet hatte, vereinigte sich D. auf Kreta u. gebar von ihm den Plutos (d. i. der personificirte Reichthum), der aber von Zeus aus Neid mit dem Blitz erschlagen ward. Der Cultus der D. ist sehr alt; Herodot führt ihn auf die Zeiten der Pelasger zurück, daher ihr Beiname Pelasgis. Er blühte bes. in Arkadien zu Pheneos, Thel pusa u. Phigalia; in Messenien zu Arene u. Andania; in Lakonien zu Amyklä u. Helos, dann in Sikyon, Korinth, Phlius, Argos, Hermione, Megara, Eleusis (daher Eleusia, die Eleusinische, genannt), von wo er nach Athen, den Inseln u. Kleinasien gebracht wurde; in Böotien, bes. in Theben u. in den Thälern von Tanagra u. Oropos; in Phokis, Lokris (bes. in der Gegend von Opus u. bei den Thermopylen); auf den Inseln Kreta, Paros, Thasos, Lemnos, Imbros, Samothrake; in den ionischen Colonien Ephesos, Miletos bis nach Heraklea am Pontos; in Süd-Kleinasien auf dem Vorgebirge bei Knidos; in Großgriechenland u. Sicilien, auch in Rom (als Ceres). Feste (Demetria) waren außer den Eleusinien: in Attikadie Haloen (s.d.), an andern Orten Thalysien genannt, ein ländliches Erntefest; dann als Saatfeste (Proĕrosia od. Proakturia), die Thesmophorien (s. d.), die nach Herodot noch von den Pelasgern herrührten, bei den Ionern, auf Trözen, in Attika, auf Euböa, Delos, Paros etc., in Miletos, Ephesos, Thracien, am Pontos u. in Sicilien. In der Feier der attischen Thesmophorien, die nur von verheiratheten Frauen in Athen in dem nahen Demos Halimus mit strenger Enthaltsamkeit u. ernsten Gebräuchen, die mit Scherzen u. Neckereien abwechselten, gefeiert wurden, lag die doppelte Beziehung des Demetercultus auf die durch den Samen befruchtete Erde u. die in ihr verborgenen Naturkräfte, dann auf die weibliche Fruchtbarkeit, Geburt u. Kinderpflege. Attribute der D. waren Ähren, Mohn, Schlangen (Bild der Wiederbelebung), Fackeln, der Kalathos mit Blumen od. Ähren gefüllt. Heilig war ihr der Kranich, welcher mit seinem Kommen Regen zum Gedeihen der Saat bringt; der Narkissos als Todesblume. Geopfert wurden ihr Kühe, Schweine (wegen ihrer Fruchtbarkeit), Blumen u. Honigwaben. Abbildung: mit einer Fackel, einem Kranze von Kornähren od.[830] einem Büschel Mohnköpfe, bei dem bisweilen auch ein Büschel Kornähren ist, od. mit dem Füllhorn. Statt des letzteren hat sie zuweilen eine Sichel. Auch wird sie, Bacchos auf dem Schoße habend, od. ihn umarmend dargestellt, bisweilen auch auf einem, mit Drachen bespannten Wagen, in der einen Hand od. in beiden Händen eine Fackel haltend. Sichere Statuen der D., die meist von Praxiteles herrühren, sind selten, oft unerkenntlich wegen der abgestoßenen Attribute. Auf kleinen Bildwerken od. Münzen sind D. u. Persephone gewöhnlich schwer zu unterscheiden, wenn nicht eine zartere Jugend u. ein anmuthiger Reiz die Tochter auszeichnet.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 829-831.
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