Dietrichstein [2]

[143] Dietrichstein, altes, katholisches, theils gräfliches, theils fürstliches Haus, stammt aus Kärnten, nach einer Überlieferung von den Grafen von Friesach u. Zeltschad; der gewöhnlich angenommene Stammvater ist Reingart I. (st. 1004). Zu Anfang des 16. Jahrh. zerfiel die Familie in zwei Linien, die Weichselstätt-Rabensteinsche u. Hollenburg-Finkensteinsche. Kaiser Maximilian I. ertheilte ihnen 1506 das Erbmundschenkenamt in Kärnten (s. D. 3), 1514 wurden sie in den Freiherrenstand erhoben (s. unten 19); später erhielten sie die Grafenwürde (s. unten 16), 17), 22) u. 1624 die Hollenburger Linie die Reichsfürstenwürde (s. unten 27), welche 1631 für Maximilian (s. unten 28) so bestätigt wurde, daß nur der älteste D. die fürstlichen Vorzüge genießen sollte (die anderen heißen Grafen fort), u. 1690 die Belehnung mit dem Ober-, Hof- u. Erblandjägermeisteramt in Steyermark. Merkwürdig: 1) Heinrich, der 1335 die Burg D. gegen Margarethe Maultasch tapfer vertheidigte, sie aber endlich verlassen mußte, s. Dietrichstein (Geogr.). 2) Diethmar, Vetter des Vor., baute die Stammburg wieder auf u. st. 1370. 3) Pongraz (Ponkraz), jüngster Sohn Georgs, mußte das Stammschloß D. 1483 an den ungarischen Feldherrn Marepeter ergeben, kämpfte 1492 bei Villach gegen die Türken, erhielt 1506 von Maximilian I. das Erbmundschenkenamt in Kärnten u. st. 1508. Er ist Stammvater der noch lebenden D-e; zwei seiner Söhne stifteten die beiden oben genannten Hauptlinien: I. die Weichselstätt- Rabensteinsche Linie: A) die Hauptlinie, gestiftet von Ponkrazens älterem Sohne: 4) Franz, geb. 1476; er erwarb die Herrschaften Kammerstein u. Weitersfeld u. das Amt Windischgrätz u. st. um 1550; von seinen Söhnen stiftete Leonhard eine Nebenlinie, s. unten 12); die Hauptlinie setzte fort: 5) Seyfried, geb. 1507, st. 1586, dessen Enkel 6) Gabriel zwei Söhne hatte, die wieder zwei Linien stifteten: a) die ältere Weichselstätt-Rabensteinsche setzte fort: 7) Johann Christoph, geb. 1624, der nebst seinem Bruder Johann Franz (s. unten 10) 1652 in den Reichsgrafenstand erhoben wurde, 1690 das Oberjägermeisteramt in Steyermark erhielt u. 1704 st.; von seinen Söhnen erwarb 8) Joh. Franz Gottfried die Herrschaft Waldstein u. Stübing, Rabenstein u. Ulrichskirchen u. st. 1755; mit dem letzten seiner Söhne, 9) Karl Hannibal, st. 1794, erlosch diese Linie, u. das 1703 errichtete Fideicommiß kam an die Nachkommen des Folgenden; b) die jüngere Weichselstätt-Rabensteinsche Linie stiftete 10) Joh. Franz, Gabriels zweiter Sohn, geb. 1629 u. st. 1728; 11) Maximilian, Sohn des 1818 verstorbenen Grafen Dismas Franz, geb. 23. April 1785 u. seit 1808 vermählt mit Antonie, geb. Gräfin Saurau (geb. 1789); er hat keine Kinder. Der jetzige Besitzer der Fideicommißherrschaften Waldstein u. Rabenstein ist der Urenkel des Vor. B) Die jüngere Nebenlinie, a) in Ebenau, gestiftet von 12) Leonhard, Sohn von Franz, s. oben 4); von seinen Nachkommen mußten die Enkel seines Sohnes Seyfried u. die Söhne Georg Alberts, 13) Joh. Albert u. 14) Georg Siegmund, als der Evangelischen Confession zugethan, emigriren, u. der Erstere st. 1692 ohne männliche Nachkommen zu Nürnberg, der Letztere st. 1674. b) Die Pulsgauische od. jüngere Steyerische Linie (D.-Hollenburg), gestiftet von 15) Erasmus, jüngerem Sohn Seyfrieds (s. ob. 12); dessen Söhne, 16) Joh. Balthasar u. 17) Siegmund Ludwig, 1631 vom Kaiser Ferdinand II. zur Reichsgrafen würde erhoben wurden u. die Herrschaften Hollenburg, Finkenstein u. Landskron erwarben; der Letztere stand in großer Gunst bei dem Kaiser; 1637 erhielt er vom Kaiser Ferdinand III. die Vorrechte des großen Reichspalatinats, das Münzrecht etc. u. es gibt noch mehrere Münzen von ihm; er st. 1678. Der jetzige Besitzer des Majorats, 18) Joh. Duglas, Sohn des 1796 gestorbenen Grafen Franz Ludwig, geb. 16. Aug. 1779 in Lemberg, stammt von Franz Adam (st. 1702), zweitem Sohn Siegmund Ludwigs (s. oben 17); er erwarb 1802 von dem letzten Grafen von Leslie die Herrschaft Bäreneck u. ist seit 1809 in kinderloser Ehe vermählt mit Antonie, geb. Gräfin von Thurn-Valsassina (geb. 1786).

II. Die Hollenburg-Finkensteinsche Hauptlinie, gestiftet von 19) Siegmund, dem jüngeren Sohne Ponkrazens (s. oben 3), geb. 1484, Liebling des Kaisers Maximilian I., erhielt von demselben Finkenstein, Lankowitz, Schmierenberg, Hollenburg, Mautten, Gmnudi etc., war Obersilberkämmerer u. wurde 1514 in den Freiherrenstand erhoben, nachdem er siegreich gegen die Venetianer gekämpft hatte. Er stillte 1515 einen Aufruhr der Bauern bei Gönnowitz in Untersteyer, 1525 einen gleichen in Obersteyer; stiftete 1517 den Orden des St. Christoph gegen Schwören u. Trinken u. st. 1540 in Gratz u. wurde zu Neustadt in der Burgkirche neben Maximilian beigesetzt. Von seinen Söhnen wurden zwei Linien gestiftet: A) die ältere Hollenburgsche od. der Österreichische Zweig: gestiftet von 20) Siegmund Georg, geb. 1526 u. gest. 1593 in Hollenburg. Von seinen Nachkommen, welche wie der Stifter protestantisch waren, mußte 21) Bartholomäus, geb. 1579, emigriren u. st. 1635 in Nürnberg; 22) Gundaccar, des Vor. Sohn, geb. 1623, wurde später katholisch u. 1656 nebst seinem Bruder Christian in den Reichsgrafen-, 1684 vom Kaiser Leopold I. für seine Person in den Reichsfürstenstand erhoben; er erwarb Merkenstein, Spitz u. Schwallenbach, Sitzendorf etc., welches er zum Fideicommiß machte, u. st. 1690 in Augsburg; ihm folgte 23) Gundaccar Ferdinand, sein Großneffe, Sohn des Oberstlieutenants Otto Heinrich von D., geb. 1678 u. gest. 1744. Im Mannes stamm erlosch diese Linie mit 24) Joseph, geb. 1763, Urenkel des Vor. u. Sohn von Karl Gundaccar Joseph (geb. 1719, st. 1764 in Mainz); er st. 1825 u. hinterließ eine Tochter, Maria Anna, die seit 1819 mit Graf Karl von Clary u. Aldringen vermählt war u. 1835 starb; das Fideicommiß wurde nach des Grafen Tode meist veräußert. B) Die jüngere Nikolsburgsche, jetzt fürstliche Nebenlinie, wurde gestiftet von 25) Adam, Sohn Siegmunds (s. oben 19), geb. 1527; er wurde von den Kaisern Ferdinand u. Maximilian II. mehrmals als Gesandter gebraucht u. wirkte zum Abschluß[143] des Passauer Vertrages 1552 u. des Religionsfriedens zu Augsburg 1555 thätig mit. Vergeblich war aber sein Bemühen 1561, vom Papste Pius V. die Haltung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt, die Priesterehe u. die Aufhebung der Ordensgelübde der Malteser zu erlangen. Auch befand er sich als Botschafter Maximilians II. am Hofe Philipps II., u. ihm verdankt man einen sehr freimüthigen Bericht über das unglückliche Ende des Infanten Don Carlos (1568); er st. 1590. Auch er ruht in der Kaisergruft. 26) Sigismund, älterer Sohn des Vor., erwarb um 1600 die reichsgräfliche Würde u. st. 1602. 27) Franz, jüngerer Bruder des Vor., geb. 1570 in Madrid, wurde Kämmerer des Papstes Clemens VIII., Domherr in Olmütz, dann in Breslau, 1598 Cardinal u. kurz darauf Legatus a latere, 1699 Bischof in Olmütz, dann unter Rudolf Cardinalprotector in dessen Erbreiche u. Statthalter von Österreich, erwarb große Besitzungen u. wurde für sich u. sein Geschlecht 1622 in den Reichsfürstenstand erhoben. Er ließ sich eifrig angelegen sein, Protestanten zur Katholischen Kirche zurückzuführen, war tapferer Soldat, beförderte Gelehrsamkeit durch Anlegung von Bibliotheken u. Buchdruckereien, führte die Piaristen in Mähren ein u. schloß 1621 den Frieden mit Gabor; er st. 1636 in Brünn. Sein Nachfolger in der fürstlichen Würde war sein Neffe u. Universalerbe 28) Maximilian, Sohn Siegmunds, geb. 1596, welchem 1631 die fürstliche Würde bestätigt wurde; er verkaufte viel von seinen Besitzungen u. st. 1685; von seinen Söhnen folgte 29) Ferdin and Joseph, geb. 1636; 1684 wurde die von ihm 1678 erkaufte Herrschaft Trasp in Engadin vom Kaiser Leopold I. als reichsunmittelbare Herrschaft erklärt; 1690 succedirte er in dem Majorate der Österreichischen Linie (s. oben 22), stiftete 1697 das Fräuleinstift Mariaschule in Brünn u. st. 1698. Ihm folgte 30) Leopold Ignaz, sein Sohn, geb. 1660; er st. 1708 ohne männliche Erben; daher folgte ihm 31) Walther Franz, sein Bruder, geb. 1664, der früher Domherr in Passau u. Olmütz war; er starb 1738; von seinen Söhnen folgte ihm 32) Karl Maximilian, geb. 1702; er vermehrte die fürstliche Besitzung sehr, erbte die Fideicommißherrschaft Proskau u. Chrzelitz, wovon er den Namen D.-Proskau annahm, u. st. 1784; 1782 hatte er resignirt zu Gunsten seines ältesten Sohnes 33) Joh. Karl, geb. 1728, welcher vorher Gesandter in Dänemark, dann des Kaisers Joseph II. Begleiter auf seinen Reisen war; 1782 verkaufte er Proskau u. Chrzelitz, erbte dagegen 1802 die gräflich Leslieschen Fideicommißherrschaften Oberpettau u. Neustadt, wovon er den Namen D.-Proskan-Leslie annahm; trat 1803 Trasp an die Helvetische Republik ab, wofür er die mediatisirle Herrschaft Neuravensberg in Württemberg erhielt, u. st. 1808; ihm folgte 34) Franz Joseph, Fürst von D.-Proskau-Leslie, geb. 28. April 1767, nahm frühzeitig österreichische Militärdienste u. war schon mit 20 Jahren Oberlieutenant im Geniecorps; 1788 zum Hauptmann im Generalstabe befördert, nahm er unter London Antheil an der Belagerung von Berbir, rückte 1789 zum Major im Geniecorps u. 1790 zum Oberstlieutenant u. wirklichen Kämmerer auf. 1791 führte er den Sturm auf das große Hornwerk von Valenciennes, zeichnete sich dann bei der Leitung eines Theils der Belagerungs arbeiten von Quesnok u. Maubeuge aus, wurde 1794 Oberst, 1796 Generalmajor, besorgte 1797 u. 1798 die diplomatischen Geschäfte am russischen Hofe in Petersburg u. schloß am 15. Juli 1800 mit dem französischen General La Horie den Waffenstillstandsvertrag des Feldzeugmeisters Kray mit Moreau ab. 1801 verließ er den Dienst u. folgte 1808 seinem Vater Joh. Karl, fungirte bis 1809 als k. k. Hofcommissär u. wurde in diesem Jahre zum wirklichen Geh. Rath ernannt. Später lebte er in Zurückgezogenheit nur den Künsten u. Wissenschaften. Er folgte auch 1825 in der älteren Hollenburgischen Speciallinie u. st. 8. Juli 1854. Er war seit 1797 vermählt mit Alexandria, geb. Gräfin Schuwalow (geb. 1775, st. 1847). 35) Fürst Joseph, einziger Sohn des Vorigen, geb. 28. März 1798 u. vermählt seit 1821 mit Gabriele, geb. Gräfin von Wratislaw-Mitrowitz (geb. 2. Novbr. 1804); er hat blos Töchter. 36) Moritz, Graf von D.-Proskau-Leslie, Oheim des Vorigen u. Bruder von D. 34), geb. 1775 in Wien, seit 1791 Militär, wurde Adjutant des Generals Mack u. des Erzherzogs Karl, lebte seit 1800 den Wissenschaften, leitete 1815 die Erziehung des Herzogs von Reichsstadt, war 1819 Intendant der kaiserlichen Kapelle in Wien, 1821 bei dem Hoftheater, wo er für die Kunst u. Vervollkommnung des Wiener Theaters mit Erfolg wirkte, u. 1826 Präfect der kaiserlichen Bibliothek, auch Geheimerrath, Obersthofmeister der Kaiserin u. Kämmerer; er succedirte 1852 seinem Bruder Karl in der Fideicommißherrschaft der älteren Hollenburgschen Linie u. ist seit 1800 vermählt mit Therese, geb. Gräfin von Gilleis (geb. 1779). 37) Graf Moritz, Sohn des Vor., geb. 1801, österreichischer Geheimerrath u. Kämmerer; war bis zum August 1848 österreichischer Gesandter in London, ging im Mai 1g 51 in einer außerordentlichen Sendung nach Paris, angeblich. in Bezug auf die Frage wegen des Eintritts Österreichs mit seinem ganzen Staatencomplex in den Deutschen Bund, u. st. im Octbr. 1852 in Wien; er war seit 1842 vermählt mit Sophie, geb. Gräfin Potocka (geb. 1820), u. hinterließ keine Kinder.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 143-144.
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