Kroatien [2]

[830] Kroatien. Das jetzige K. war Anfangs von den Pannoniern bewohnt, nach deren Besiegung durch Augustus, 35 v. Chr., es eine Provinz von Illyrien bildete, welche 395, bei der Theilung des Römischen Reichs, zu dem Abendländischen Reiche gezogen wurde. Um diese Zeit war schon das Christenthum daselbst eingeführt. 489 gerieth K. in die Gewalt des Gothenkönigs Theoderich u. machte seitdem einen Theil des Reiches Italien aus, das aber 535 wieder vom Kaiser Justinian erobert wurde. Hierauf waren die Avaren einige Zeit Herren K-s, bis endlich im 7. Jahrh. die Kroaten daselbst einwanderten u. dem Lande seinen, Namen gaben. Die Kroaten, ein slawisches Volk, hatten ursprünglich ihre Sitze wahrscheinlich im östlichen Galizien u. in Weißrußland u. nannten sich Chorwaten; 634 wies ihnen der griechische Kaiser Heraklius Dalmatien an, um die Avaren zu vertreiben; sie eroberten das Land auch bis 638 u. traten zum Christenthum über, fielen aber wieder vom christlichen Glauben ab u. machten sich auch von dem byzantinischen Hofe unabhängig (641–829). Seit Ende des 8. Jahrh. geriethen sie in Abhängigkeit der Franken, entzogen sich aber 819 unter ihrem Großfürsten Ljudivit deren Herrschaft. Sie schlossen darauf mit dem Papst einen Vertrag u. verpflichteten sich zur Wiederannahme des Christenthums, traten aber, als sie 868–879 wieder den griechischen Kaisern unterworfen waren, zur Griechischen Kirche[830] über, führten 868 die von Cyrillus u. Methodius aufgesetzte slawische Liturgie in ihrem Lande ein u. erkannten bis 879 den verketzerten Patriarchen Photius als ihr geistliches Oberhaupt an.

Um diese Zeit wußte sich der Fürst Muncimir von K. der Oberherrschaft der morgenländischen sowohl, als der abendländischen Kaiser zu entziehen u. legte den Grund zu einer vorübergehenden Macht des Kroatischen Reichs, auf welchem sein Nachfolger, Crescimir, mit Glück weiter fortbaute. Dieser Fürst besaß außer blühenden Handelsstädten eine Flotte von 80 großen u. 100 kleinen Schiffen u. ein Heer von 60,000 Reitern u. 100,000 Mann zu Fuß. Nach seinem Tode zerfiel diese Macht wieder durch bürgerliche Kriege, hob sich aber wieder unter Crescimir II. dem Großen, welcher sich bes. den Bulgaren furchtbar machte. Dessen Sohn Dircislaw führte zuerst seit 990 den Titel eines Königs von K., u. zwar mit Bewilligung des griechischen Kaisers, welchen er für seinen Oberherrn anerkannte. Doch verlor er einen großen Theil an den Dogen von Venedig, welcher sich der dalmatisch-griechischen Städte annahm, von denen Dircistäw ein Schutzgeld forderte. Dieses Mißverhältniß zwischen K. u. Venedig wurde durch die Thronbesteigung Stephans wieder ausgeglichen, der eine Schwester des Dogen zur Gemahlin hatte. Dessen Sohn, König Crescimir Peter, vergrößerte sein Reich zu Wasser u. zu Lande, erlangte die alte Schutzgerechtigkeit über alle griechischen Orte wieder, welche seither den Venetianern gehört hatten, u. nannte sich deshalb König von Dalmatien, um 1050. Nach seinem Tode gelangte erst Slavizo 1073 u. nach dessen Absetzung 1075 Zwonimir Demetrius auf den kroatischen Thron, welcher sich der Hoheit des griechischen Kaisers entzog u. dem Papste unterwarf. Als dessen Witwe 1088 den König Ladislaw von Ungarn zur Hülfe gegen die Byzantiner herbeirief, kam K. in Abhängigkeit von Ungarn. Mit Dircislaw, dem Neffen Zwonimirs, st. 1091 der letzte Zweig der alten kroatischen Könige aus. Den Streit der kroatischen Großen über den Thron benutzte König Ladislaw der Große von Ungarn, um sich des Landes zu bemächtigen, u. setzte dort seinen Vetter Almus, unter der Oberherrlichkeit Ungarns, ein. Nach Ladislaws Tode wurde aber Almus 1095 von seinem Bruder Koloman verdrängt, welchem sich auch die übrigen, bisher von den Ungarn noch unbesiegten Kroaten unterwarfen. Nach Kolomans Tode gerieth sein Sohn Stephan 1114 in einen Krieg mit dem Dogen Ordelafo Falieri von Venedig, welcher Belgrad, Zara, Sebeniko u. Spalatro eroberte, aber 1117 bei Zara geschlagen u. getödtet wurde, worauf die Venetianer alle gemachten Eroberungen wieder verloren. 1168 eroberte der griechische Kaiser Emanuel I. fast ganz K., welches 1180 an dessen Schwiegersohn, den König Bela III. von Ungarn kam, u. so nebst Dalmatien wieder mit Ungarn vereinigt wurde. Nun machte Bela seinen Sohn Emmerich zum König von K. u. Dalmatien, der die Herrschaft über beide bei seiner Thronbesteigung in Ungarn (1196) wieder seinem Bruder Bela überließ. Dieser übergab sie 1222 zuerst seinem ältesten Sohn Bela u. 1226 dessen Bruder Koloman, welcher 1242 bei einem Einfalle der Mongolen sein Leben verlor. Nach Belas Tode erlangte Stepko Subich durch Reichthum u. weises Verhalten bei allen Kroaten so großes Ansehen, daß ihn die Stadt Trau zu ihrem Grafen ernannte u. seine fünf Söhne später die Herren von fast ganz Dalmatien u. K. wurden, während der Vortheil, welchen König Ladislaw von Ungarn von denselben zog, so gering war, daß sein Schwager, König Karl von Sicilien, die Länder als Brautschatz für seine Gemahlin verlangte. Doch erhielt er sie weder durch Überredung, noch durch Waffengewalt Glücklicher war sein Sohn Karl Robert, welcher 1300 bei Spalatro landete u. fast von allen dalmatischen u. kroatischen Großen als König anerkannt wurde. Doch dauerte die Trennung von Ungarn nicht lange, denn 1309 wurde Karl Robert auch in Ungarn als König anerkannt. Aber die Unruhen, welche verschiedene Große, von den Venetianern unterstützt, erhoben, wurden erst durch die kräftigeren Maßregeln des Königs Ludwig 1342 beseitigt, welcher K., Dalmatien u. Slawonien mit Siebenbürgen vereinigte u. seinem Bruder Stephan übergab.

Nach Ludwigs Tode erhielt dessen älteste Tochter Maria, Gemahlin des Königs Sigismund von Böhmen, Ungarn nebst K., u. König Andreas von Neapel, welcher auf Einladung der dalmatischen Großen Dalmatien, K. u. Ungarn ohne Widerstand eroberte, wurde 1386 ermordet. Kurz nachher wurde sein Sohn Ladislaw zum König in Dalmatien u. K. ausgerufen, da sich dieser aber nicht länger gegen Sigismund halten konnte, so verkaufte er 1409 seine Ansprüche den Venetianern, worauf Ungarn mit Venedig über K. in Streit kam. Nach der Mitte des 15. Jahrh. wurde K. fast fortwährend von den Türken beunruhigt, bes. nach dem Tode des Königs Matthias u. seines Nachfolgers Ladislaw. Größer noch wurde die Gefahr unter Ferdinand, König von Ungarn, dem die kroatischen Stämme 1527 auch als ihrem König gehuldigt hatten, u. unter Maximilian II. Fast ganz K. wurde entvölkert u. schien jedem Eroberer als Beute Preis gegeben. Da auf diese Weise die Gefahr selbst dem Deutschen Reiche nahe gebracht wurde, so beschloß der Kaiser, ein stehendes Reichsheer in den kroatisch-slawonischen Wüsteneien zu halten. Es wurde eine Markgrafschaft nach alter Weise errichtet, welche Kaiser Rudolf unter der Benennung eines ewigen Generalats der kroatischen Grenze dem Erzherzog Karl von Steyermark, Kärnten u. Krain (1575) verlieh. Die ungarischen Stände mußten, wenn auch ungern, dieses Generalat anerkennen, als das einzige Mittel, die völlige Vereinigung K-s mit Deutschland zu verhindern. Auch behielt der jedesmalige Ban von K., Slawonien u. Dalmatien die Verwaltung der Regierungsangelegenheiten u. selbst das Feldherrnamt über die alten Unterthanen, die nicht in das Generalat gehörten. Die Reformation fand auch in K. Eingang, wurde aber zu Anfang des 17. Jahrh. gewaltsam unterdrückt. Sultan Murad III. eroberte 1592 die Festung Bihaes in K., welche seitdem beständig in türkischer Gewalt geblieben ist. Die eigentliche Grenze aber wurde erst 1699 in dem Karlowitzer Frieden genau bestimmt, in welchem der Sultan alles Land jenseit der Unna an das ungarische K. abtrat. Das Kroatische Litorale dagegen wurde 1717 zum Österreichischen Litorale geschlagen, blieb aber unter der Gespannschaft Zagreb bis 1776, wo das Litorale aufgehoben, der Strand in drei Gespannschaften vertheilt u. wieder mit K. verbunden wurde. Von 1767–77 wurden die drei Reiche, K., Slawonien u. Dalmatien nebst anderen mit Griechen bevölkerten Staaten Illyrien genannt u. von einer besonderen[831] illyrischen Hofdeputation in Wien regiert. Später bildete jedes derselben wieder ein besonderes Königreich (Kroatisches Provinzial, s. Kroatien 2), jedoch waren die Militärgrenzen gegen die Türken davon getrennt u. hatten ihre besondere militärische Verfassung, während K. u. Slawonien als dem Kronlande Ungarn einverleibte Königreiche behandelt wurden. Der Sprachenzwang, welchen die Magyaren über die slawische Bevölkerung dieser Länder ausübten, erbitterte indeß dieselben so sehr, daß sie sich in ihrem Streben nach einer unabhängigen Stellung 1848 der serbischen Bewegung anschlossen u. daß im Herbst 1848 unter der Leitung des Ban Jellachich eine kroatisch-serbische Bewegung ausbrach, die von großem Einfluß auf den Verlauf der ganzen Ungarischen Revolution (s. Ungarn, Gesch.) wurde. 1849 erschien die österreichische Reichsverfassung (Gesammtmonarchie), welche auch wirklich die Königreiche K. u. Slawonien von Ungarn trennte u. beide erstern nebst dem Küstenlande u. dem Gebiete der Stadt Fiume zu einem eigenen Kronlande vereinigte (s. Kroatien 3), wogegen die syrmischen Bezirke von Ruma u. Illok an die neu organisirte Woiwodschaft Serbien kamen; der bei Slawonien gebliebene syrmische Bezirk wurde dem Comitat Esseg zugetheilt. Vgl. Csaplovicz, Slawonien u. K., Pesth 1819, 2 Bde.; Neigebauer, Die Südslawen u. deren Länder, Lpz. 1851.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 830-832.
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