Starhemberg [2]

[694] Starhemberg, ein altadeliges, jetzt theils fürstliches, theils gräfliches Geschlecht in Österreich, welches sich von den Welfen herschreibt u. dessen Vorfahren die Markgrafen von Steyermark waren. Der eigentliche Stammvater des Geschlechts war 1) Adalbero, der jüngste Bruder des Markgrafen von Steyermark, lebte in der Mitte des 11. Jahrh. Seine Nachkommen theilten sich in drei Linien, die Ernestinische, Albertinische u. Henricische. Von ihnen erbauete Gundaccar I. 1176 die Veste Starhemberg (angeblich nach dem Storchemberg, worauf sie lag, genannt u. 1579 an den Erzherzog Albrecht verkauft) im Lande ob der Enns an der baierischen Grenze u. nach ihr nannte er sich u. seine Söhne. Die beiden ersten Linien erloschen u. nur 2) Erasmus I. aus der dritten Linie pflanzte das Geschlecht fort; er war geb. 1503 u. errichtete ein Freicorps auf seine Kosten, als 1529 Wien von den Türken belagert wurde. Seine Söhne Rüdiger (st. 1582), Gundaccar u. Heinrich (st. 1585), erhielten durch einen von ihrer Mutter, Anna geb. Gräfin von Schaumburg, 1572 mit dem Kaiser Maximilian II. getroffenen Vergleich die Herrschaften Schaumburg, Eferding, Mistibach, Peuerbach, Erlach u.a. Güter u. stifteten abermals drei Hauptlinien, von denen die Gundaccarische 1643 u. die Henricische 1857 erloschen sind, so daß jetzt nur noch die Rüdigerische besteht. 1467 wurden sie Freiherrn, 1643 in den erbländischen u. Reichsgrafenstand u. 1765 in den Reichsfürstenstand mit Beschränkung auf den Erstgebornen erhoben. Wappen: quergetheilt, oben ein wachsender, blauer, feuerspeiender Panther in Silber; unteres Feld ganz roth. Es bestehen vier Majorate: das große fürstliche, das gräflich Gundaccarische, das Henricische, älterer Zweig zu Wildberg u. der jüngere zu Schaumburg-Gstöttenau. Auch besitzt das Haus die Herrlichkeit neunzig rittermäßige Lehen zu verleihen, auch mehre Senioratsgüter. A) Die Rüdigerische od. Albertinische Linie theilte sich nach Rüdigers Tode, 1582, durch dessen zwei Söhne Paul Jakob (st. 1635) u. Ludwig (st. 1620); doch ist mit dem Grafen Sigmund die letztere erloschen u. nur die Paulinische blühet fort; der Sohn Paul Jakobs, Konrad Balthasar, erhielt 1643 die Reichsgrafenwürde u. hinterließ drei Söhne, Ernst Rüdiger (s. unten 3), Franz Ottokar u. Gundaccar Thomas; da Ernst Rüdiger 1701 starb u. seine Söhne 1688 u. 1691 in den Türkenkriegen blieben, so setzten seine beiden Brüder das Geschlecht in zwei Ästen fort: a) der ältere Ast von Schaumburg u. Waxenberg, gestiftet von Franz Ottokar, dieser Ast erhielt 1765 die Fürstenwürde, erlosch aber 1860 (s. unten 6); u. b) der jüngere od. Gundaccarische, gräfliche Zweig zu Eschelberg, gestiftet von Gundaccar Thomas; dieser erwarb 1717 das Oberst-Erb-Land- u. Hofmarschallamt in Österreich ob u. unter der Enns, mit den dazu gehörigen Herrschaften Oberwalsen, Senftenberg u. Zeber, u. 1726 das ungarische [694] Indigenat. Dieser Ast erbte von Ernst Rüdiger mit dessen Tochter, welche an den Sohn des Gundaccar Thomas, Franz Anton, vermählt war, die Besitzungen Ernst Rüdigers u. dessen ihm für die Vertheidigung Wiens ertheiltes Wappen (s. unten 3), sowie nach Absterben des älteren Astes 1860 die Fürstenwürde (s. unten 7). Zu dieser Linie gehören: 3) Graf Ernst Rüdiger, ältester Sohn des Grafen Konrad Balthasar, geb. 1635, nahm Kriegsdienste u. focht unter Montecuculi u. war Commandant von Wien, als diese Stadt 1683 von den Türken belagert wurde; er stellte die Befestigungswerke eiligst her, bewaffnete die Bürger, schlug mehre Stürme der Feinde ab, zerstörte deren Werke, machte glückliche Ausfälle u. hielt die Stadt, bis am 11. September ein Hülfsheer unter König Johann Sobieski von Polen heranzog, welches am 12. September die Türken besiegte u. zum Abzug zwang. Der Kaiser Leopold ernannte S. wegen der ausgezeichneten Vertheidigung Wiens zum Feldmarschall u. Staatsminister u. gab ihm den Stephansthurm in sein Wappen, die Bürgerschaft aber befreiete das Haus S-s auf der Wieden von Abgaben. Er diente nachher unter dem König von Polen in Ungarn, wurde vor Ofen verwundet u. lebte fortan als Präsident des Hofkriegsrathes, vorzugsweise mit der Organisation des Heeres beschäftigt, in Wien, wo er 1701 starb. 4) Fürst Georg Adam, Großneffe des Vor., Enkel Franz Ottokars u. Sohn Konrad Sigismunds, geb. 1724 in London, wo sein Vater damals österreichischer Gesandter war; er trat früh in Staatsdienst, wurde 1755 Gesandter in Paris u. 1765 in den Fürstenstand erhoben; 1766 ernannte ihn der Kaiser Joseph II. zum Oberhofmarschall u. Conferenzminister u. schickte ihn 1780 als Statthalter nach den Niederlanden; er kehrte 1783 nach Wien zurück u. st. 1807. 5) Fürst Ludwig, Sohn des Vor., geb. 12. März 1762, war kaiserl. königl. Geheime Rath u. st. 2. September 1833; er war seit 1781 vermählt mit Luise geb. Prinzessin von Arenberg. 6) Fürst Adam, älterer Sohn des Vor., geb. 1. August 1785, folgte seinem Vater 1833 in dem fürstlichen Majorate u. st. 7. April 1860; er war seit 1842 vermählt mit Aloysia geb. Prinzessin von Auersperg, u. da er keine Kinder hatte, auch sein einziger Bruder, Graf Georg, kinderlos verstorben war, so vererbte das fürstliche Majorat auf den jüngeren Ast. 7) Fürst Camillo, Sohn des 1859 verstorbenen Grafen Karl u. der Gräfin Marie, aus dem jüngeren, Gundaccarischen Aste, geb. 9. September 1804, succedirte dem Vorigen 1660 in der Fürstenwürde u. ist jetzt Senior der Familie u. Besitzer der sämmtlichen fürstlichen u. gräflichen Starhembergischen Fideicommisse in Ober- u. Unterösterreich, Oberst-Erblandmarschall in Österreich ob u. unter der Enns u. erblicher Reichsrath, erbliches Mitglied des Herrenhauses, wurde im Februar 1863 wirklicher Geheime Rath; vermählt zum ersten Mal mit Guidobaldine geb. von Steinmetz (gest. 1835) u. zum zweiten Mal seit 1838 mit Marie Leopoldine geb. Gräfin von Thürheim (geb. 1817); Sohn erster Ehe ist Reichsgraf Camillo, geb. 1835. B) Die Henricische od. jüngere Hauptlinie wurde von Heinrich, Sohn des Erasmus, gestiftet; sie theilte sich in mehre Linien, von denen nur die jüngere noch besteht. Sie zerfiel wieder in zwei Linien, in die a) von Gundaccar XV. (st. 1667) u. in die b) von Adam Max herrührende. Merkwürdig darunter sind: 8) Graf Guido, der vierte Sohn des Grafen Bartholomäus, geb. 1657; wurde bei den Jesuiten erzogen, trat 1680 in das Regiment seines Vetters, Ernst Rüdiger, in welchem er von unten auf dienen mußte. Während der Belagerung von Wien zeichnete er sich als dessen Generaladjutant aus, wurde nach derselben Obristlieutenant u. 1686 nach der Erstürmung von Ofen Oberst; er kämpfte 1688 vor Belgrad u. vertheidigte Essek; 1692 ernannte ihn der Kaiser Leopold zum Feldmarschalllieutenant u. übertrug ihm die Vertheidigung von Ehrenbreitstein; doch kehrte er 1693 nach Ungarn zurück, wohnte der Schlacht von Zenta unter dem Prinzen Eugen von Savoyen bei u. folgte 1700 diesem nach Italien, wo er 1703 den Oberbefehl erhielt, die Franzosen unter Vendome von dem Einfall in Tyrol abhielt u. dann sein Heer mit dem des Herzogs von Savoyen vereinigte (s. Spanischer Erbfolgekrieg S. 430). Nach Spanien gesendet hatte er dort über wenig Streitkräfte zu gebieten, führte aber den kleinen Krieg glücklich; 1710 zog er, nach dem Siege bei Almenara am 27. Juli u. bei Saragossa am 20. August, in Madrid ein u. ließ hier Karl III. zum König proclamiren, mußte aber die Hauptstadt bald wieder verlassen u. zog nach Barcelona (s. ebd. S. 448). Als Karl 1712 nach Deutschland zurückkehrte, um die Kaiserkrone zu übernehmen, blieb S. als Vicekönig in Barcelona, mußte aber in Folge des Vertrags vom 14. Mai 1713 diesen Platz räumen u. ging nach Wien zurück, wo er Präsident des Hofkriegsraths wurde u. 1737 starb. Vgl. A. Arneth, Leben des Feldmarschalls S., Wien 1853. 9) Graf Adam Maximilian, Bruder des Vor., geb. 1669; trat früh in Kriegsdienste u. begleitete 1702 den römischen König Joseph als Adjutant zur Belagerung von Landau. 1704 wurde er Generalwachtmeister u. war bei der kaiserlichen Armee in Italien, bis er 1706 als Feldmarschalllieutenant nach Ungarn geschickt wurde, wo er Güns eroberte. Als Generalfeldzeugmeister wohnte er 1716 u. 1717 dem Türkenkriege bei, wurde 1719 Vicecommandant von Wien, 1723 Generalfeldmarschall u. Wirklicher Geheime Rath u. 1740 Commandant von Wien, als welcher er 1741 starb. 10) Graf Heinrich, geb. 16. Mai 1774, starb als Senior des Hauses S. u. Besitzer der Primogeniturgüter Wildberg, Lobenstein, Auerberg etc. am 22. April 1857 in Linz u. mit ihm erlosch die Henricische Linie.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 694-695.
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