Nizza

[9] Nizza (franz. Nice), 1) seit 1860 französisches Departement der Seealpen (Alpes Maritimes) zwischen dem Mittelmeere, Piemont u. den Departements Nieder-Alpen u. Var; 75,99 QM.; ist gebirgig durch die Seealpen (Spitzen Col di Tenda, Col della Lunga, Col della Lombarda), die wie ein hoher Wall dicht am Mittelmeere hinlaufen, u. den von diesen ausgehenden Apenninen; Flüsse: Var (zur Regenzeit äußerst reißend, mit den Nebenflüssen Vesubla u. Tinca), Paglione, die Roya, Taggia u. der Impero; Klima heiß, doch durch Seewinde gemäßigt, auf den Gebirgen rauher, mit milden Wintern; Producte: Obst, bes. Südfrüchte, Orangen, Datteln, Johannisbrod, Mandeln, Feigen, Wein, Aloë, Kapern, Tabak; Öl, Schiffsbauholz, viel Wild, bes. rothe Rebhühner, Schnepfen u.a. Zugvögel, Fische des Mittelmeers,[9] doch auch sehr lästige Mücken, Taranteln u. Scorpione, wenig Hausvieh, doch Bienen; Einwohner: 191,642, welche einen aus dem Provençalischen u. Italienischen gemischten Dialekt. sprechen, treiben Seidenmanufactur, Wollenzeugweberei, Seife- u. Papierfabrikation, Schifffahrt, Fischerei u. Handel mit den Landesproducten. Das Departement gehört zur 9. Militärdivision u. zum 4. Militärobercommando (Lyon); 2) Hauptstadt des Departements, in reizender Lage am Fuß der sich amphitheatralisch erhebenden Meeralpen u. nahe der Mündung des Paglione an einer weiten Bucht des Mittelmeeres, mit südlicher Vegetation, sonst Festung, geschleifte Citadelle auf dem Mont Alban; besteht aus Alt- u. Neustadt, zieht sich längs des Meeres hin; schöne Plätze sind: S. Agostino, Place Victor, Place Massena, Place des Phocéens, Place royale; Kathedrale mit Bibliothek, drei katholische u. (seit 1856) eine evangelische Kirche, 12 Klöster, zwei Hospitäler, Palast des frühern Gouverneurs, Dominicaner- u. Kapuzinerkloster, Jesuitencollegium, Theater, Bäder, Bischof, Handelsgericht, Gymnasium, öffentliche Bibliothek, Fabriken in Seide, Tabak, Öl, Papier, Seife, Parfümerien, Strohhüten, Bierbrauereien, Sardellenfang, Handel mit Landeserzeugnissen u. mit Blumen, in Moos gehüllt, nach Paris u. London; 26,600 Ew. (mit Einschluß der Fremden etwa 44,000). Über der Stadt erheben sich die Trümmer des 1706 vom Herzog von Berwick unter Ludwig XIV. zerstörten Schlosses, von welchem man die herrlichste Aussicht über die Stadt u. Umgegend genießt. Der Hafen (Limpia genannt) ist klein, aber sicher u. gut angelegt, jedoch nur für kleinere Schiffe brauchbar, die großen gehn nach dem, durch den Mont Moren getrennten Hafen von Villa Franca; an ihm, auf dem Place de Bellevue, steht das 1830 errichtete Marmorstandbild des Königs Karl Felix, u. am Pont neuf eine 1827 von Israeliten zu Ehren desselben Königs errichtete Säule. Zwischen N. u. Genua an der Riviera di Ponente hin wird eine Eisenbahn gebaut. In N. weht wegen seiner nach Norden, Nordosten u. Nordwesten durch die Gebirge geschützten Lage der in der Provence so gefürchtete Nordwestwind sehr selten, dagegen namentlich im März u. April oft plötzlich ein heftiger Ostwind. Dennoch ist N. durch sein weltberühmtes Klima (das Thermometer fällt selten unter 0) jährlich, bes. im Winter, der Sammelplatz reicher Engländer, Russen, Deutscher etc., u. der Aufenthalt für Lungenkranke. Die Fremdenquartiere sind in den Vorstädten de la Poudrière u. de la Croix de marbre. Der Chemin des Anglais ist ein 1822–24 von Engländern 1/2 Stunde lang längs dem Ufer des Meeres angelegter, mit herrlichen Landhäusern gezierter Spaziergang. In der von Fremden viel besuchten Umgegend befinden sich das Franciscanerkloster Cimella, auf der Stelle der Römerstadt Cemenetium erbaut (Überreste antiker Bäder, eines Amphitheaters u. Apollotempels), das Schloß St. Andrè, wo 1388 der Vertrag abgeschlossen wurde, durch welchen die Grafschaft N. an Savoyen kam, die Schloßruine Torreitas, das Thal von Magnan, Monte calvo etc. – N. soll von Phokäern nach der Eroberung von Massilia gegründet worden sein; unter den Galliern war es eine bedeutende Stadt, wurde 158 v. Chr. von den Römern erobert, verlor aber nach dem Tode des Tiberius sein Ansehen. Später gehörte es den Grafen von der Provence, Bei den Streitigkeiten zwischen Ladislaus u. Ludwig II. erhielt es von Ersterem das Recht, sich einen Fürsten, welchen es wollte, zum Herrn zu wählen, nur nicht den Herzog von Anjou; u. N. nahm nun 1388 Amadeus VII., Grafen von Savoyen, zum Herrn. 1538 vermittelte hier Papst Paul III. den Waffenstillstand zwischen Kaiser Karl V. u. König Franz I. von Frankreich. 1543 wurde N. von den Franzosen unter Franz I. zu Land, von den Algierern unter Heireddin Barbarossa zur See belagert u. von Letzterem eingeäschert, von Ersterem genommen u. geplündert, jedoch hielt sich die Citadelle durch den Heldenmuth der Catharina Segurana. 1691 nahm es der Marschall Catinat u. 1705 die Franzosen, welche 4. Jan. 1706 auch die Citadelle erhielten; 28. Sept. 1782 wurde die Stadt von den Franzosen unter Anselme genommen u. 31. Jan. 1793 als Departement der Seealpen mit Frankreich vereinigt (s. Französischer Revolutionskrieg II. A). 11. Mai 1800 ward es zwar von den Österreichern besetzt, aber schon den 29. Mai von den Franzosen unter Suchet wieder genommen (s. ebd. III. G), bis 1814 blieb es französisch, wo es erst wieder an Savoyen kam, s. Sardinien (Gesch.). Am 16. Mai 1851 kam es in Folge des neuen Zolltarifs, durch welchen die Handelsprivilegien der Stadt u. die Freiheit des Hafens beeinträchtigt wurden, zu ernstlichen Demonstrationen, welche endlich eine militärische Einschreitung nöthig machten, wie denn von der Regierung die Aufhebung des Freihafens verfügt wurde, s. Sardinien (Gesch.). Durch Vertrag vom 24. März 1860 wurde N. mit Savoyen an Frankreich abgetreten u. am 1. April von französischen Truppen besetzt. N. ist die Vaterstadt des Mathematikers Maraldi u. des Malers Venloo. Vgl. Davils, Account of Nice; David Bertolotti, Viaggio nella Ligura marittima; Le conducteur des étrangers à N., Nizza 1846. 3) N. della Paglia (N. Monferrato), Stadt in der piemontesischen Provinz Acqui, am Einfluß der Nizza in den Belbo; Weinbau, Seidenzwirnmühlen; 4400 Ew.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 9-10.
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