Unger [2]

[916] Unger, 1) Johann Georg, Formschneider, geb. 26. Okt. 1715 in Goos bei Pirna, gest. 13. Aug. 1788 in Berlin, erlernte in Pirna die Buchdruckerkunst und trieb zugleich als Autodidakt die Holzschneidekunst. Seit 1740 in Berlin, befaßte er sich von 1757 an ausschließlich mit dem Formschnitt. Unter seinen Arbeiten ist eine Folge von fünf Landschaften hervorzuheben.

2) Johann Friedrich, Buchdrucker, Form- und Stempelschneider, Sohn des vorigen, geb. um 1750 in Berlin, gest. daselbst 26. Dez. 1804, trat in die Fußstapfen seines Vaters und bildete sich zu einem der ausgezeichnetsten Männer seines Faches. Die von ihm erfundene Frakturschrift (Ungersche Schrift) hatte Ähnlichkeit mit der Schwabacher Schrift. U. wurde 1800 Professor der Holzschneidekunst an der Berliner Akademie und wirkte in dieser Stellung für die künstlerische Wiederbelebung des Holzschnittes.

3) Franz, Botaniker und Paläontolog, geb. 30. Nov. 1800 auf dem Gut Amthof bei Leutschach in Steiermark, gest. 13. Febr. 1870 in Graz, studierte in Graz, Wien und Prag Medizin, praktizierte seit 1827 als Arzt in Stockerau und Kitzbühel, ward 1836 Professor[916] der Botanik in Graz, 1850 Professor der Pflanzenphysiologie in Wien und lebte seit 1866 im Ruhestand bei Graz. Er schrieb: »Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse« (Wien 1836); »Über den Bau und das Wachstum des Dikotyledonenstammes« (Petersb. 1840); »Über Kristallbildungen in den Pflanzenzellen« (das. 1840); »Anatomie und Physiologie der Pflanzen« (Wien 1855); »Synopsis plantarum fossilium« (Leipz. 1845); »Chloris protogaea, Beiträge zur Flora der Vorwelt« (das. 1841–47); »Genera et species plantarum fossilium« (Wien 1850); »Iconographia plantarum fossilium« (das. 1852); »Sylloge plantarum fossilium« (das. 1860); »Die Urwelt« (das. 1851, 3. Aufl. 1864); »Versuch einer Geschichte der Pflanzenwelt« (das. 1852); »Geologie der europäischen Waldbäume« (Graz 1870); »Wissenschaftliche Ergebnisse einer Reise in Griechenland und den Ionischen Inseln« (Wien 1862); »Die Insel Cypern« (mit Kotschy, das. 1865); »Botanische Streifzüge auf dem Gebiet der Kulturgeschichte« (das. 1857–67, 7 Tle.). Vgl. Reyer, Leben und Wirken des Naturhistorikers Franz U. (Graz 1871); Leitgeb, Gedächtnisrede (das. 1870); »Briefwechsel zwischen Franz U. und Stephan Endlicher« (hrsg. von Haberlandt, Berl. 1899).

4) Joseph, hervorragender österreich. Jurist und Staatsmann, geb. 2. Juli 1828 in Wien, habilitierte sich 1852 daselbst als Privatdozent, ging 1853 als außerordentlicher Professor des Zivilrechts nach Prag, von wo er 1857 wieder nach Wien berufen ward. Lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses, gehörte er vom November 1871 bis Februar 1879 zum Kabinett Adolf Auersperg als Minister ohne Portefeuille, in welcher Eigenschaft er durch sein ausgezeichnetes Rednertalent die Regierung so geschickt vertrat, daß er sich den Namen des »Sprechministers« erwarb. Im Januar 1881 wurde er zum Präsidenten des Reichsgerichts ernannt. Seinen juristischen Ruf begründete er durch das »System des österreichischen allgemeinen Privatrechts« (Bd. 1 u. 2, Leipz. 1856–59; beide in 5. Aufl. 1892; Bd. 6, 1864, 4. Aufl. 1894). Außerdem schrieb ec: »Die Ehe in ihrer welthistorischen Entwickelung« (Wien 1850); »Über die wissenschaftliche Behandlung des österreichischen gemeinen Privatrechts« (das. 1853); »Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen« (das. 1853) und »Der revidierte Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen« (Leipz. 1861); »Die rechtliche Natur der Inhaberpapiere« (das. 1857); »Die Verlassenschaftsabhandlung in Österreich« (Wien 1865); »Zur Reform der Wiener Universität« (das. 1865); »Die Verträge zugunsten Dritter« (Jena 1869); »Schuldübernahme. Fragment aus einem System des österreichischen Obligationenrechts« (Wien 1889); »Handeln auf eigene Gefahr« (Jena 1891, 3. Aufl. 1904); »Handeln auf fremde Gefahr« (das. 1894) u. a. Mit seinem Ministerkollegen Glaser begründete er die »Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des k. k. obersten Gerichtshofs« (Wien 1859 ff., 2. Aufl. 1873 ff.).

5) William, Kupferstecher, geb. 11. Sept. 1837 in Hannover, Sohn des Juristen und Kunsthistorikers Friedrich Wilhelm U. (geb. 1810 in Hannover, gest. 22. Dez. 1876 als Professor in Göttingen), bildete sich seit 1854 auf der Akademie in Düsseldorf unter Keller, arbeitete seit 1857 bei Thäter in München, kehrte 1860 nach Düsseldorf zurück und ging 1865 nach Leipzig, sodann nach Weimar. Auf Anregung des Verlegers der »Zeitschrift für bildende Kunst« begann er 1866, Gemälde alter, besonders niederländischer, Meister im Museum zu Braunschweig zu radieren, denen 1869 eine zweite Reihe von Blättern nach Gemälden der Kasseler Galerie folgte. Durch diese Arbeiten hat er die Kunst der Radierung in Deutschland neu belebt, und er fand zahlreiche Nachfolger und Schüler. Den Winter 1871/72 brachte er in Holland zu, wo die Blätter zur »Frans Hals-Galerie« (mit Text von Vosmaer) entstanden. Seit 1872 lebt U. in Wien, wo er 1881 Professor an der Kunstgewerbeschule des k. k. Museums und 1895 an die Akademie der bildenden Künste berufen wurde. Hier entfaltete er eine sehr umfangreiche Tätigkeit, die sich auch auf Nachbildungen von Gemälden moderner Künstler und auf Originalradierungen erstreckte. Sein Hauptwerk ist die »Galerie des Wiener Belvedere« (mit Text von K. v. Lützow). Von einzelnen Blättern sind die Radierungen nach dem Ildefonsoaltar von Rubens (im Auftrag der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst in Wien), nach Rubens' Doppelbildnis seiner beiden Söhne in der Galerie Liechtenstein und nach Heffners Ruinen von Ostia hervorzuheben. Seine künstlerische Eigenart befähigt ihn vorzugsweise zur Wiedergabe der Gemälde der Niederländer (Rubens, van Dyck, Fr. Hals, Rembrandt), der Venezianer (Tizian, Veronese) und der Spanier (Murillo, Velazquez) der Blütezeit, deren koloristische Wirkungen er mit seinem Verständnis nachzubilden vermag. Vgl. Graul, William U. und sein Radierwerk (Wien 1891).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 916-917.
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