Wieland [2]

[176] Wieland, 1) Sebastian, deutscher Dichter des 15. Jahrh.; er schr. das Epos: Der Held von Mitternacht, Heilbr. 1633, in welchem er die Thaten Gustav Adolfs feierte. 2) Melchior, so v.w. Guilandinus. 3) Christoph Martin, geb. den 5. September 1733 zu Oberholzheim im Gebiete der schwäbischen Reichsstadt Biberach, Sohn eines Predigers, mit welchem er bald nach Biberach kam; er studirte seit 1747 auf der Schule in Klosterbergen bei Magdeburg, wo er sich neben den alten Klassikern mit der englischen u. französischen Literatur beschäftigte; 1749 verließ er diese Schule u. bereitete sich in Erfurt weiter zur Universität vor. Nachdem er sich 1750 noch eine Zeit lang in Biberach aufgehalten hatte, wo er die Bekanntschaft der Sophie von Gutermann (der nachmaligen von Laroche) machte, bezog er im Herbste 1750 die Universität zu Tübingen, wo er die Rechte studirte, sich aber vorzugsweise mit der deutschen u. ausländischen Literatur beschäftigte. 1752 kehrte er nach Biberach zurück, ging aber bald zu Bodmer nach Zürich, welchem er sich durch seine frömmige u. deutschthümelnde, Klopstock nachgeahmte Richtung empfohlen hatte. In Bodmers Hause lebte er im Verkehr mit Gelehrten u. Künstlern u. dichterisch beschäftigt bis 1754, wo er, nachdem er durch das Studium der Griechen seine frühere Richtung aufgegeben hatte, Bodmer verließ. Er lebte dann bis. 1758 noch als Hauslehrer in Zürich u. hierauf bis 1760 in Bern. Hier lernte er unter mehren geistreichen Frauen bes. Rousseaus Freundin Julie Bondeli kennen. 1760 wurde er Kanzleidirector in Biberach u. schloß sich dem ästhetischen Cirkel an, welchen Graf Stadion auf seinem Gute Warthausen um sich bildete. Dort fand er seine Jugendgeliebte Sophie wieder u. wurde durch Umgang u. Lectüre der französischen Schriftsteller auf die Seite der Vernunftphilosophen gezogen, u. nun wich seine schwärmerische Überschwenglichkeit in seinen Dichtungen der Vorliebe für die heitern Spiele der Phantasie, mit einem starken Anstrich von sinnlicher Lüsternheit. 1765 heirathete er die Tochter eines Kaufmanns in Augsburg u. wurde 1769 Professor der Philosophie in. Erfurt, 1772 Hofrath u. Prinzenlehrer in Weimar, blieb auch daselbst, nachdem sein Auftrag vollendet war, u. stand mit Goethe, Schiller u. Herder in inniger Verbindung. Von 1798 lebte W. auf dem von ihm erkauften Gute Osmannstädt bei Weimar, welches er aber 1803 wieder verkaufte, weil er es nicht mehr behaupten konnte. Seitdem lebte er wieder in Weimar u. st. den 20. Januar 1813. Seine Gebeine ruhen in Osmannstädt in Einem Grabe mit denen seiner Gattin u. einer Enkelin seiner Jugendfreundin Laroche, Sophie Brentano. 1855 wurde in Weimar seine Statue (von Gaßer) aufgestellt. Ist W. von seinen Zeitgenossen auch mitunter überschätzt worden, so kann ihm, bei allen seinen Fehlern u. Mängeln, bes. der den Franzosen abgelernten Galanterie, Leichtfertigkeit u. Geschwätzigkeit u. da ihm Originalität u. nationale Gesinnung gänzlich abgingen, doch der Name eines großen deutschen Schriftstellers seiner Zeit nicht wohl streitig gemacht werden, welchen freilich das Loos getroffen hat, daß er bald nach seinem Tode vergessen wurde. Um die Deutsche Literatur hat er sich weniger als Kritiker verdient gemacht, dazu war er zu leicht u. seicht, als dadurch daß er der Dichtkunst Anmuth u. Wohllaut des Wortes u. Verses gab, der Romantischen Schule auf dem Wege ins Mittelalter voranging u. auch dessen dichterische Stoffe aus dem Auslande einführte, welche nicht ohne Nachwirkung blieben. Der ästhetische Werth seiner Schriften erscheint bes. in denjenigen seiner Gedichte, welche mehr darstellen, als lehren. Die Griechen zog er allen Andern vor u. verlegte gern die Scenen zu seinen Dichtungen nach Griechenland u. in die Zeiten des klassischen Alterthums, freilich nicht mehr der edeln u. großartigen, sondern der schon dem Verderbniß anheimgefallenen Zeit. Aber das Antike vermischte sich in seiner Phantasie auch mit dem Modernen, so daß der Einfluß, welchen Voltaire, Cervantes u. A. auf seine Werke gehabt haben, schwerlich zu verkennen ist, doch ist das Fremde mit seinem eigenthümlichen Geist u. Styl so verschmolzen, daß er sich über das bloße Nachahmungstalent weit erhebt. W-s Werke sind: Epische: Der geprüfte Abraham (1753), Cyrus (1757 u. 1759, unvollendet), Der neue Amadis (komisches Epos, 1771), Idris u. Zenide (romantisches Gedicht 1768) u. sein Hauptwerk Oberon (romantisches Epos, in 12 Gesängen, 1780); Lyrische: Hymne auf Gott u. Psalmen; Didaktische: Über die Natur der Dinge od. die vollkommenste Welt (1750); Zehn moralische Briefe (1751); Briefe von Verstorbenen an hinterlassene Freunde (1753); Musarion (1768); Die Grazien (1770); Dramatische: das Trauerspiel Lady Johanne Gray (1758, nach Rowe), Clementine von Porreta (nach Grandison); das Singspiel Die Wahl des Hercules; das lyrische Drama Alceste (1773); Rosamunde etc.; die poetischen Erzählungen u. Romane: Nadine (1763); Die Abenteuer des Don Sylvio von Rosalva (1764, nach dem Don Quichote); Komische Erzählungen, Erzählungen u. Märchen, Wintermärchen, Agathon (1766), Nachlaß des Diogenes von Sinope (1770), Kombabus, Die Geschichte der Abderiten (1773, satirischer Roman), Peregrinus Proteus (1791), Aristipp (1800–1802), Menander u. Glycerion (1803), Krates u. Hipparchia (1804) etc.; didaktisch-historische: Der goldne Spiegel (1772), Geschichte des Danischmend; Gespräche: Araspes u. Panthea, Göttergespräche, Euthanasia, Drei Gespräche über das Leben nach dem Tode (1805) u. v. a.; ascetische: Empfindungen des Christen (1752). Außerdem übersetzte er: Shakespeare (Zür. 1762 ff., 8 Bde.), Lucian (1788 f.), Horazens Briefe (1782) u. Satiren (1786), Ciceros Briefe (1808–12) u. vier Komödien des Aristophanes (Acharner, Wolken, Ritter u. Vögel), Wien 1813 f.; u. gab heraus: Der deutsche Mercur, 1773–89;[176] Neuer deutscher Mercur, 1790._– 1805; Attisches Museum, 1796–1804; mit Hottinger u. Jacobs Neues attisches Museum. 1805–1809. Sämmtliche Werke, Lpz. 1794–1805, 43 Bde., n.A. von I. G. Gruber, ebd. 1818–24, 49 Bde., 3. Aufl. mit W-s Biographie, ebd. 1824–26, 53 Bde., n.A. ebd. 1839–40, 36 Bde.; Auswahl denkwürdiger Briefe von W., herausgeg. von dem Folgenden, Wien 1815, 2 Bde.; W-s ausgewählte Briefe, Zür. 1815, 4 Bde.; W-s Briefe an Sophie Laroche, herausgeg. von F. Horn, Berl. 1820. Vgl. die Wielandliteratur in Deutschland, Vollständiger Catalog sämmtlicher in Deutschland erschienenen Werke u. Ausgaben W-s von 1751–1851, Kassel 1852. 4) Ludwig, ältester Sohn des Vor., geb. 1777 in Weimar; nudirte in Jena Jurisprudenz, wurde Bibliothekar u. Aufseher der Kupferstichsammlung des Fürsten Esterhazy in Wien, ging 1817 nach Jena u. von da nach Weimar, gerieth in manche Fehden, bes. mit Kotzebue über dessen Bulletin über die politische Literatur der Deutschen an den Kaiser Alexander, u. st. in Jena 1819. Er schr.: Erzählungen u. Dialogen, Lpz. 1803_–5, 2 Bde.; Lustspiele, Braunschw. 1805, u. m. a.; u. gab heraus das Oppositionsblatt. 5) Joh., geb. 1791 in Basel; trat 1807 als Oberlieutenant in das 2. Schweizerregiment u. focht in Spanien; hier in portugiesische Gefangenschaft gerathen, wurde er nach England geführt, entkam aber durch die Flucht auf ein dänisches Schiff, ging nach Hunburg u. mit dem neuorganisirten Schweizerregiment nach Holland, wurde dort Adjutant des Generals Amey u. 1814 in französischen Diensten als Bataillonschef gefangen; 1815 wurde er von den Bourbons auf halben Sold gesetzt u. begab sich nach Basel, wo er 1817 Polizeidirector des Cantons u. Statthalter des Bezirks Basel, 1822 eidgenössischer Oberstlieutenant im Generalstabe u. Generaladjutant, 1826 Obrist, 1828 Mitglied der Militäraufsichtsbehörde u. Commandant der 1. Brigade u. thätiger Rathgeber für die Stadt Basel in den Unruhen, welche die Trennung der Landschaft Basel zu Folge hatten, wurde; er entsagte 1831 dem Dienste u. st. 1832. Er schr.: Über. die Bildung der eidgenössischen Streitkräfte, Bas. 1821; Die Neutralität der schweizer Eidgenossenschaft u. die Mittel zu ihrer Behauptung, ebd. 1821; Schweizerisches Militärbuch, ebd. 1827, 3 Bde.; Anleitung zum Gebrauch des Bayonnets (franz.), ebd. 1826.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 176-177.
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