Lützow

[631] Lützow, ein altes Adelgeschlecht, welches ursprünglich aus Baiern stammen soll u. im 11. Jahrh. in Mecklenburg einwanderte, wo es zu dem sogenannten eingebornen Adel gehört, um die Mitte des 13. Jahrh. das erbliche Landmarschallamt erwarb u. in Civil- u. Kriegsdiensten der mecklenburgschen Herzöge stand; seit dem 16. Jahrh. kommen auch Glieder der Familie vielfach in österreichischen, preußischen, schwedischen, dänischen etc. Kriegsdiensten vor, u. es sind bis jetzt 19 Generäle aus der Familie hervorgegangen. Im Laufe der Jahrhunderte theilte sich das Geschlecht in viele Linien, welche noch jetzt in einem gräflichen, freiherrlichen u. adeligen Hause blühen. Die alten Familiengüter in Mecklenburg wurden im 18. Jahrh. verkauft. A) Gräfliches Haus, stammt aus der Drei-Lützower Linie ab, machte sich zu Ende des 17. Jahrh. in Böhmen ansässig u. besitzt dort die Allodialherrschaft Lochowitz (0,43 QM. 3080 Ew. in 6 Ortschaften); es erhielt 1692 den Reichsgrafenstand, 1695 den böhmischen Grafenstand u. folgt der Katholischen Confession. Dermaliger Chef ist: 1) Graf Hieronymus, Sohn des verstorbenen österreichischen Generalmajors Grafen Johann Nepomuk Gottfried, geb. 1776, ist österreichischer Kämmerer u. Geheimer Rath u. seit 1826 Wittwer von Karoline geb. Reichsgräfin Kolowrat-Liebsteinsky; sein ältester Sohn Rudolf ist 1812 geboren, sein jüngerer 2) Graf Franz, geb. 1814, ist österreichischer außerordentlicher Gesandter u.[631] bevollmächtigter Minister bei dem großherzoglich hessischen Hofe u. auch bei dem nassauischen Hofe accreditirt; er ist seit 1848 mit Henriette geb. Miß Seymour vermählt. 3) Graf Rudolf, Bruder von L. 1), geb. 1780, war früher österreichischer Gesandter in Dänemark u. Württemberg, Internuntius in Constantinopel, Gesandter in Turin u. bis 1848 Gesandter in Rom; er war seit 1824 mit Ignatia geb. St. Just de Teulada vermählt u. st. 28. Oct. 1858. B) Freiherrliches Haus, aus der Linie Pritzier-Schwechow abstammend, aus welcher der mecklenburgische Landrath u. Kammerdirector Kurd (geb. 1599) 1643 die Reichsfreiherrnwürde erhielt. 4) Freiherr Leopold, Sohn des 1819 verstorbenen preußischen Eeneralmajors u. Domprobsts von Kolberg Freiherrn Johann Adolf, geb. 26. März 1786 in Berlin, trat 1803 als Offizier ins Regiment Garde du Gorps, machte als Adjutant die Schlacht bei Auerstädt mit, trat 1809 in österreichische Dienste, wurde Oberstlieutenant im Generalstabe u. nahm als solcher am Feldzug unter Kienmeyer Theil. Mit gleichgesinnten Freunden ging er 1810 nach Spanien u. wurde Capitän in der Fremdenlegion. In die Capitulation vom 13. Jan.1812 eingeschlossen, wurde L. als Kriegsgefangener nach Autun gebracht Dieser Gefangenschaft entzog er sich, traf am 2. Juli. 1812 im Lager von Drissa ein, wurde Major in der Russisch-deutschen Legion, kam später in den Generalstab des General Doctorow, wurde 1813 während ses Waffenstillstandes zum General Pahlen versetzt, avancirte nach der Schlacht bei Leipzig zum Obersten u. wohnte allen Schlachten bis zur Einnahme von Paris 1814 bei. In diesem Jahre trat er in preußische Dienste zurück, wurde 1815 dem Generalstabe Blüchers zugetheilt, 1829 Generalmajor, 1832 Director der allgemeinen Kriegsschule, 1834 Commandant der 9. Infanteriebrigade, 1836 der 9. Division zu Glogau, 1839 Generallieutenant u. 1843 Chef der Landgendarmerie u. Commandant von Berlin. Er st. den 27. Aug. 1844 in Gotha auf der Rückkehr von einer Badereise nach Berlin. Er war seit 1835 mit Therese geb. von Richthofen (st. 1839) vermählt. Jetziger Chef ist: 5) Freiherr Leo, Sohn des Vorigen, geb. 1817, ist preußischer Kreisgerichtsrath zu Görlitz u. seit 1847 mit Maria geb. v. Orville vermählt. 6) Ludwig Adolf Wilhelm Freiherr von L., Bruder von L. 4), geb. den 18. Mai 1782 in der Mittelmark, trat früh in preußische Dienste, wurde Offizier in einem Kürassierregiment u. machte die Feldzüge 1792–94 u. 1806–7 mit. Er war bei dem 1813 ausbrechenden Kriege Major u. errichtete seit Februar, mit königlicher Erlaubniß, das Lützowsche Freicorps, welches sich in Zopten u. Rogau in Schlesien bildete u. Ende März bereits 900 Mann Fußvolk u. 260 Mann Reiter stark war. Das Corps sollte sich selbst uniformiren u. bewaffnen, der Staat es besolden. Uniform: eine schwarze Litewke, mit schwarzem Kragen u. Aufschlägen, roth vorgestoßen, gelben Knöpfen, Czackos u. schwarzem Lederzeug. Die Cavallerie trug messingene Achselstücke mit halben Monden von gelbem Blech. Das Corps zog im April nach Sachsen, cantonirte in Leipzig, verstärkte sich hier u. in Halle bis zu 1200 Mann Infanterie (1 Bataillon, 2 Jägerdetachements u. 1 Abtheilung tyroler Schützen von 50 M. u. 400 M. zum Stamm eines 2. Bataillons) u. 400 Pferde (4 Schwadronen u. 1 Abtheilung Kosaken), zog nun über Dessau u. am rechten Elbufer bis Dömitz, wo suchte auf das linke Ufer der Elbe zurückzugehen u. sich in den Harz, den Schwalenberger, Lippischen u. Solinger Wald zu werfen, mit der Cavallerie aberdie Verbindung zu unterhalten, indessen zog es sich nach einem Gefecht in der Göhrde (12. Mai) wieder zurück. Die Infanterie war inzwischen auf 2000 M. gewachsen. L. machte aber mit der Cavallerie am linken Elbufer, von Tangermünde aus, über Eisleben, Neustadt an der Orla u. Plauen einen Streifzug nach dem Bayreuthischen, durchschnitt die feindlichen Militärstraßen, hob Couriere u. Transporte auf, machte Scheinüberfälle auf Magdeburg u. Hof, erfuhr hier am 4. Juli den Abschluß des Waffenstillstandes u. wollte über Gera u. Dessau zurückgehen: als die Cavallerie vom General Fournier u. dem württembergischen General Normann am 18. Juni Abends bei Kitzen unweit Zeitz angegriffen, gefangen u. zersprengt wurde. L. für seine Person entkam. Auch die Infanterie war unter Woronzow mit dessen Corps von Havelberg aufgebrochen u. hatte, vor Leipzig am 2. Juni ankommend, den Herzog von Padua in große Verlegenheit gesetzt. Das Corps sammelte sich nun in der Gegend von Nauen u. reorganisirte sich, so daß es nun aus 2800 Mann Infanterie, welche in 3 Bataillone, aus 480 Pferden, die in 2 Husaren- u. 2 Uhlanenescadrons u. 1 Jägerdetachement getheilt waren, u. aus 1 Compagnie Artillerie u. 1 Depot von 500 M. u. 50 Pferden bestand u. nunmehr als 2 reguläre Infanteriebataillons u. 1 Cavallerieregiment wirkte. Dem Namen nach stand es unter dem dritten preußischen Armeecorps (Bülow), in der That aber unter Tettenborn. Mit diesem zog es nun gegen die Niederelbe u. focht bei Lauenburg (17. Aug.) u. bei Vellahn (21. Aug.). Ende Aug. ging L. mit 200 Pferden gegen Schwerin vor, überfiel bei Rosenhagen einen feindlichen Transport (wobei Körner blieb) u. kehrte nach der Stecknitz zurück, wo es die Vorposten bezog. 500 M. Infanterie u. 500 Pferde wurden Anfangs September unter L. selbst nach der Göhrde detachirt, wo sie unter Wallmoden kühmlich kämpften u. mehre Streifzüge nach Lüneburg, Verden, Nienburg, Minden etc. ausführten u. Mitte October an der Blockade u. Einnahme Bremens Theil nahmen; der andere Theil hatte, stets auf Vorposten stehend, im September u. October lebhafte Gefechte bei Boitzenburg, Zarenthin, beim Weißen Hirsch u. Honsdorf, bis sich das Corps Anfangs November bei Zelle u. Bremen wieder concentrirte, dort ansehnlichen Zuwachs erhielt u. eben nach den Niederlanden aufbrechen wollte: als dasselbe der Kronprinz von Schweden auf seinem Marsch gegen Hamburg fand, es zu seiner Avantgarde machte u. bis Ende Dec. die Vorposten gegen die Stecknitz u. dann gegen Hamburg' beziehen ließ. Es kam hier den 1. Dec. unter den General Woronzow. Gegen Weihnachten brach L. mit den zwei Schwadronen nach Frankreich auf, während die Infanterie u. übrige Cavallerie einen Streifzug nach Holstein machte u. Friedrichsstadt u. Glücksstadt bezwingen half. Nach dem Frieden mit Dänemark brach das Corps nach dem Rhein auf, welchen er den 16. Febr. bei Köln überschritt, u. dann Jülich mit berennte. Eben aufgelöst u. im Begriff nach der großen Armee zu marschiren, erhielt es zu Vervins die Nachricht von dem Frieden. L. war unterdessen über Bonn, Lüttich u. die Ardennen am 12. Februar bei der Schlesischen Armee zu Chalons eingetroffen[632] u. bildete nun ein Streifcorps auf der rechten Flanke derselben. Eben hatte er dem General St. Priest am 12. März zu Rheims wichtige Befehle gebracht, als er am 15. bei dem Rückmarsch von dem aufgebotenen französischen Landsturm überfallen wurde. Nach großem Verlust erreichten beide Schwadronen, mitten durch insurgirte Gegenden, in der Gegend von Rheims die russischen Truppen wieder, doch wurde L. abermals hierbei verwundet u. sein Adjutant Friesen getödtet. Später wurde die Cavallerie zur Einschließung von Soissons verwendet, wo sie bis zur Einnahme von Paris blieb. Nach dem Frieden von Paris bezog das Lützowsche Freicorps Cantonnirungen um Bocholt u. Kleve. Durch Entlassung schmolzdie Infanterie bis auf 1350, die Cavallerie auf 500 M., die Artillerie wurde als reitende Batterie der schlesischen Artilleriebrigade einverleibt. Nach Napoleons Rückkehr von Elba rückte das Corps wieder nach der Maas vor u. wurde hier, in der Gegend von Dinant, die Infanterie in das 25. Infanterieregiment, die Cavallerie in das 6. Uhlanenregiment umgeformt, letztere gab die erste Escadron zur Bildung des neunten Husarenregiments ab. L. wurde nach den Feldzügen von 1814 Obristlieutenant, er blieb Commandeur des 6. Uhlanenregiments, jedoch befehligte er 1815 eine Cavalleriebrigade des ersten Armeecorps u. wurde bei Ligny gefangen. Er wurde nach dem Kriege Oberst u. trat als Commandeur seines Regiments wieder ein.1816 erhielt er das Commando der Cavalleriebrigade in Münster, wurde 1822 General, um 1833 zur Disposition gestellt u. st. in der Nacht vom 5. zum 6. Dec. 1834 in Berlin. Vgl. Geschichte des Lützowschen Freicorps, Berl. 1827. 7) Therese von L., geb. 4. Juli 1804 in Stuttgart, Tochter des russischen Gesandten bei den Freien Städten, Heinrich v. Struve, lebte seit 1814 in Hamburg, vermählte sich 1825 mit dem russischen Staatsrath u. Generalconsul R. v. Bacharacht daselbst u., nachdem diese Ehe getrennt worden war, 1849 mit dem niederländischen Obristen v. L. u. reiste mit diesem 1850 nach Batavia, Surabaya u. Java, wo sie 16. Sept. 1852 starb. Sie war eine der vorzüglichsten Schriftstellerinnen der neueren Zeit auf dem Gebiete des Romans u. der Reisebeschreibung; schr. unter ihrem Taufnamen Therese: Briefe aus dem Süden, Braunschw. 1841; Ein Tagebuch, ebd. 1842; Falkenberg, ebd. 1843; Am Theetisch, 1844; Lydia, 1844; Weltglück, ebd. 1845; Heinrich Burkart, ebd. 1816; Paris u. die Alpenwelt, Lpz. 1846; Eine Reise nach Wien, ebd. 1848; Alma, Braunschw. 1848; Novellen, Lpz. 1849, 2 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 631-633.
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