Feiertage

[28] Feiertage zeichnen sich in der christlichen Kirche vor den andern Tagen durch den gemeinsamen Gottesdienst aus, der an ihnen die Stelle der gewöhnlichen Beschäftigungen einnimmt. Sie entstanden aus den festlichen und heiligen Zeiten der Juden und Griechen, vermittelten aber die beiden Gegensätze dieser Religionen, die abergläubische Pünktlichkeit und Buchstäblichkeit der Juden und den Unglauben und die Sittenlosigkeit der Heiden und gaben ihrer Feier das Eigenthümliche einer mit religiösem Ernste gepaarten Heiterkeit. Die Grundidee der christlichen Feste war: das Andenken an die Person des Heilandes und an die Hauptwohlthaten des Christenthums lebendig zu erhalten, zum Danke gegen die göttliche Vorsehung aufzufodern und [28] zur Ausübung christlicher Tugend zu ermuntern. Die Staatsgewalt sorgte, seitdem das Christenthum öffentliche Anerkennung gefunden hatte, auf das Angelegentlichste für die Erreichung dieses Zwecks. Sie gebot an dem Gottesdienste Theil zu nehmen, alle Geschäfte und störende Lustbarkeiten einzustellen; doch blieben durch Noth oder Christenpflicht gebotene Arbeiten auch an Feiertagen unverwehrt. Für die Fortschritte des Christenthums hatte die heitere, ernste und wahrhaft fromme Weise, in der die ersten Christen ihre Festtage begingen, den glücklichsten Erfolg, denn dem ernstern Sinne mußten die lärmenden, sittenlosen Feste der Heiden zuwider sein.

Die christlichen Festtage sind nicht alle zu gleicher Zeit entstanden. Am frühesten werden der Sonntag, Charfreitag, Ostern, Pfingsten und einige Märtyrerfeste erwähnt, deren Todestag man als ihren Geburtstag feierte; das Weihnachtsfest dagegen, das in die Zeit der röm. Saturnalien fällt, tritt erst später auf. Sie lassen sich sämmtlich nach verschiedenen Gesichtspunkten eintheilen: in wöchentliche und jährliche, unbewegliche und bewegliche, hohe, mittlere und kleine, allgemeine und besondere, alte und neue, ganze und halbe. Am vortheilhaftesten ist es, sie nach den drei Hauptfesten, Weihnachten, Ostern und Pfingsten, zu betrachten, da so der wohlgeordnete Zusammenhang der ganzen heiligen Geschichte erscheint. Jedes dieser drei Hauptfeste steht mit einer Vor- und Nachfeier, sowie mit einzelnen Begleitungsfesten in Verbindung. Dem ersten oder dem Weihnachtscyklus liegt die Vorstellung von der Menschwerdung Jesu zu Grunde. Er beginnt mit der Adventszeit (s.d.) als der Vorfeier von Weihnachten und schließt mit dem Epiphanienfeste (s.d.) als dessen Nachfeier. Vom 5.–8. Jahrh. erhielt dieser Cyklus mehre Begleitungsfeste, als: den Gedächtnißtag des Stephanus, des Evangelisten Johannes, das Fest der unschuldigen Kinder, das Fest der Beschneidung und des Namenstages Jesu, das Erscheinungsfest und das Reinigungsfest der Maria. Der zweite oder Ostercyklus umfaßt die heiligen Tage zur Feier des Todes und der Auferstehung Jesu; Christus als Sieger über Tod und Hölle wird in ihm gefeiert. Das 40tägige, mit der Aschermittwoch beginnende und bis zum Sonnabend vor Ostern dauernde Fasten (s.d.) ist die Vorfeier von Ostern, die in der letzten, der sogenannten großen oder schwarzen Woche (auch Marterwoche), in welcher jeder Tag einem Festtage gleichgeachtet wird, an Bedeutung und Wichtigkeit zunimmt. Ausgezeichnet in derselben sind der Palmsonntag; der grüne Donnerstag, das Fest des h. Abendmahls und des Fußwaschens; der Charfreitag, als Todestag Jesu in tiefer Trauer begangen; und der heilige Sabbath, zum Gedächtniß des Hinabsteigens Christi in die Unterwelt, unter allen jüdischen Sabbathtagen der einzige, den die christliche Kirche beibehalten hat. Mit dem Ende der h. Sabbathnacht beginnen die Ostern, das größte aller christlichen Feste, das den nächsten Sonntag, der auch der weiße genannt wird, weil sonst an ihm die jungen Christen in weißen Kleidern erschienen, zur Nachfeier hat. – Die beiden ersten heiligen Zeiten schließen das ganze Erdenleben Jesu in sich, von den Tagen seiner Geburt bis zu dem Augenblicke, wo er sich seinen Jüngern und Freunden als der Auferstandene zeigte. Die dritte heilige Zeit stellt ihn in seiner göttlichen Erhabenheit dar, wie er zur Rechten Gottes sitzend, als unsichtbares Oberhaupt seiner Gemeinde noch fortfährt, dieselbe durch den Beistand des verheißenen Geistes auf Erden zu regieren. Dieser Cyklus beginnt mit dem im 4. Jahrh. eingeführten Himmelfahrtsfeste und endet mit der Octave oder dem achten Tage nach Pfingsten, an welchem man vom 10. Jahrh. an das Trinitatisfest zu feiern anfing. In den großen Zwischenraum vom dritten bis zum ersten Cyklus verlegte man später die vielen Marien-, Engel-und Aposteltage, die Feste der Märtyrer und Heiligen.

Da die große Anzahl der Festtage, die beinahe die Hälfte des Jahres einnahmen, die Trägheit begünstigte und zu vielfachen Misbräuchen Veranlassung gab, so hoben die Reformatoren alle Feste, die mit der christlichen Religion in keiner nähern Beziehung standen, auf. Die Feier minder wichtiger Feste, die man aus Gewohnheit beibehielt, wurde später auf den zunächst folgenden Sonntag verwiesen. Auch in der katholischen Kirche wurde im 17. und 18. Jahrh. die große Menge der Feste durch die Päpste Urban VIII., Benedict XIV. und Clemens XIV. verringert, indem viele ganz aufgehoben, andere auf halbe, an denen nach dem vormittägigen Gottesdienste gearbeitet werden darf, herabgesetzt wurden. Über die Feier der hohen Feste stimmen alle christlichen Kirchen überein, da gegen gehören folgende ausschließlich der katholischen Kirche an, von denen nur die bischöfliche Kirche in England einige beibehalten hat: 1) einige Marienfeste, indem bei den Protestanten nur drei religiös gefeiert werden; 2) das Fest der Erfindung und Erhöhung des h. Kreuzes, der Verklärung Christi, der Lanze Christi u.s.w.; 3) das Fronleichnamsfest; 4) das Fest der Aposteltheilung und Petri Stuhlfeier; 5) das Fest der Heiligen; 6) das Fest aller Seelen. Merkwürdig ist es, daß über die Feier des Reformationsfestes bei den Protestanten keine Übereinstimmung herrscht, indem es nicht in allen Ländern, wie in Sachsen, den 31. Oct., sondern wegen örtlicher Umstände an andern Tagen gefeiert wird. Bei der Säcularfeier desselben machten jedoch diese Länder von den übrigen protestantischen keine Abweichung.

In neuerer Zeit erhoben sich über die christlichen Feste mancherlei Streitigkeiten, die aber nicht wie die früherer Zeit über das Alter und die Rechtmäßigkeit derselben, sondern darüber handelten, ob die ihnen zu Grunde liegende heilige Geschichte Jesu und seiner Apostel mit den Fortschritten der Aufklärung vereinbar sei, oder ob ihnen nicht vielmehr, um dieselbe nicht zu hindern, reine Vernunftideen untergelegt werden müßten. Mit Recht setzte man diesem Bestreben die ewige Wahrheit der christlichen Religion entgegen, deren geistiger Inhalt mit keiner wahrhaft gebildeten Vernunft in Widerspruch ist. In Frankreich machte man nach der Revolution die heilige Geschichte wieder zur Grundlage der religiösen Erbauung, da während derselben die christlichen Feste als etwas Altherkömmliches abgeschafft und dagegen im Jahre 1793, wo auch der Nationalconvent auf Robespierre's Antrag das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele decretirte, folgende von der Republik zu feiernde Feste angeordnet worden waren: das Fest 1) des höchsten Wesens und der Natur; 2) des Menschengeschlechts; 3) des franz. Volks; 4) der Wohlthäter der Menschheit; 5) der Freiheit und Gleichheit; 6) der Märtyrer der Freiheit; 7) der Republik; 8) der Freiheit der Welt; 9) der Vaterlandsliebe; 10) des Hasses der Tyrannen und Verräther; 11) der Wahrheit; 12) der Gerechtigkeit; 13) der Schamhaftigkeit; [29] 14) des Ruhms und der Unsterblichkeit; 15) der Freundschaft; 16) der Mäßigkeit; 17) des Heldenmuths; 18) der Treue; 19) der Uneigennützigkeit; 20) des Stoicismus; 21) der Liebe; 22) der ehelichen Treue; 23) der kindlichen Liebe; 24) der Kindheit; 25) der Jugend; 26) des männlichen Alters; 27) des Greisenalters; 28) des Unglücks; 29) des Ackerbaues; 30) der Industrie; 31) unserer Ahnen; 32) der Nachwelt und der Glückseligkeit. – Noch werden in Preußen und Sachsen ein Todtenfest zum Andenken an die Verstorbenen, ein oder zwei Buß- und Bettage und ein Erntefest gefeiert. Die in Preußen in der Zeit von 1813–16 für die Befreiung von der franz. Knechtschaft angeordneten Dankfeste, als: 1) der Jahrestag der Schlacht bei Leipzig am 18. Oct.; 2) die Einnahme von Paris am 31. März und 3) die Schlacht bei Belle-Alliance am 18. Jun. kommen allmälig, wie sich das Zeitinteresse ändert, ab.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 28-30.
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