Merseburg [2]

[156] Merseburg, 1) Regierungsbezirk der preußischen Provinz Sachsen, gebildet aus Theilen von Magdeburg, dem Kreise Ermsleben, nebst Dankerode von Halberstadt, der Grafschaft Mansfeld, dem Wittenberger Kreise (ohne die Ämter Belzig u. Baruth), dem preußisch gewordenen Theile des Leipziger Kreises (od. den Ämtern Delitzsch, Düben, Eilenburg u. Zörbig) u. des Meißnischen Kreises (mit Ausnahme der zum Regierungsbezirk Frankfurt gekommenen Ämter Finsterwalde u. Senftenberg), den Ämtern Querfurt u. Heldrungen des Fürstenthums Querfurt, des Thüringischen Kreises (ohne die Ämter Langensalza, Tennstädt u. Weißensee, Treffurt u. Voigtei Dorla), den vormals zwischen Stolberg u. Schwarzburg unter sächsischer Hoheit gemeinschaftlichen Ämtern Heringen u. Kelbra, u. aus den Grafschaften Stolberg-Stolberg u. Stolberg-Roßla; grenzt an Hannover, Anhalt, die preußischen Regierungsbezirke Erfurt, Magdeburg, [156] Potsdam, Frankfurt u. Liegnitz, das Königreich Sachsen, das Herzogthum Altenburg, die Fürstenthümer Reuß, das Großherzogthum Sachsen-Weimar, Schwarzburg, u. schließt das weimarische Amt Allstädt ein; umfaßt 1883/4 QM. mit 756,000 meist evangelischen Ew. Die Oberfläche ist von der östlichen Grenze bis zur Saale eine ausgedehnte Ebene mit wenig Bergen (der Petersberg) u. mit sandigem Boden von mittelmäßiger Ergiebigkeit, der kleinere Theil ist fruchtbar (Goldene Aue), nur theilweis gebirgig (Harz, Finne u. Schmücke); Flüsse: Elbe mit Schwarzer Elster (Pulsnitz u. Röder), Saale (Unstrut, Lippe, Weiße Elster, Wipper, Bode), Mulde; Kanal: der sächsische Floßgraben; zwei Landseen: der Süße u. Salzige See; Ackerbau u. Viehzucht sind bedeutend; Obstbau u. bei Naumburg, Freiburg, Seeburg u. Weißenfels Weinbau. Die Waldungen sind beträchtlich, das Mineralreich liefert Silber, Kupfer, Stein- u. Braunkohlen u. Salz, auch finden sich Mineralquellen. Die Industrie nicht sehr bedeutend. Eintheilung in die 17 Kreise: Bitterfeld, Delitzsch, Eckartsberga, Halle, Liebenwerda, Mansfelder Gebirgskreis, Mansfelder Seekreis, Merseburg, Naumburg, Querfurt, Saalkreis, Sangerhausen, Torgau, Schweinitz, Weißenfels, Wittenberg u. Zeitz; 2) Kreis darin, 103/4 QM., 58,800 Ew.; 3) Hauptstadt beider vorigen, an der Thüringer Eisenbahn (Halle-Eisenach) u. der Saale, mit steinerner Brücke, Sitz der Regierung, hat evangelisches Hoch- u. Domstift, Land- u. Stadtgericht, um 1200 erbaute Domkirche, dem Grabdenkmal des Gegenkönigs Rudolf von Schwaben u. dessen rechter Hand, welche ihm 1080 in dem Kampfe gegen Heinrich IV. abgehauen wurde, Schloß, welches mit der Domkirche im Viereck einen Hof umschließt u. worin jetzt die Regierung sich befindet u. in dessen Garten ein Denkmal des Feldmarschalls Grafen Kleist von Nollendorf u. große Baumschule ist, Gymnasium (Domschule), Armen-, Versorgungs-, Kleinkinderbewahr- u. Arbeitsanstalt, Waisenhaus, Ständehaus für die Stände der Provinz Sachsen, Land- u. Stadtgericht, berühmte Bierbrauerei (Merseburger Bier), Leimsiedereien, Fabriken für bunte Papiere, Pappwaaren etc., Pappenmühle, lithographischer u. Kupferdruckanstalt, Färberei, Druckerei, Bleichanstalt u. Weberei, Tabaksfabrikation, Essigsiedereien, königliches Gestüt; Freimaurerloge: Zum goldenen Kreuz; 12,000 Ew. – M. soll schon zur Zeit Karls des Großen gegründet worden sein, 922 ließ es Kaiser Heinrich I. ummauern, 924 wurde es von den Hunnen zerstört. 28. Aug. 933 Sieg der Deutschen unter Heinrich I. über die Hunnen (vgl. Keuschberg). M. war im 10. u. 11. Jahrh. Lieblingsaufenthalt der deutschen Kaiser, nachdem es Otto I. zur kaiserlichen Pfalz erhoben hatte. 973–1302 wurden 15 Reichstage hier gehalten, bis zum 11. Jahrh. war es Hauptstadt der schon im 9. Jahrh. vorkommenden Grafschaft M., welche zwischen Thüringen, der Mark Zeitz, der Ostmark, Meißen u. Böhmen lag u. die Städte Leißnig, Rochlitz, Wurzen, Mulsen, Groitzsch, Memleben etc. begriff. Graf Erwin, zu Anfang des 10. Jahrh., war durch seine Tochter Hatburge Schwiegervater des Kaisers Heinrich I. Die Grafen von M. starben 1007 mit Esiko II. aus. 1010 hielt Kaiser Heinrich II. einen Fürstentag in M., erklärte den Grafen Gunzelin in die Acht u. ernannte an seiner Stelle Friedrich von Wettin. Dadurch hörte M. auf, der Sitz dieser Grafen zu sein, dagegen blieb es Sitz des Bisthums, das von Otto I. 968 gegründet worden war. 1080 starb auf dem alten Schlosse (Altenburg) der Kaiser Rudolf von Schwaben. Große Brände: 1323, 1387, 1444, 1479 u. 1662. 1631 wurde die Stadt von den Kaiserlichen unter Pappenheim genommen; 1632 wieder an die Kaiserlichen übergeben; 1636 von den Schweden gebrandschatzt u. 1640 von denselben unter Königsmark geplündert. 1656–1738 war M. Sitz der herzoglich Sächsisch-Merseburger Linie. 29. April 1813 wurde es von den Franzosen, nach hartnäckiger Gegenwehr des Major Lobenthal, genommen u. 18. September von Thieleman wieder gewonnen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 156-157.
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