Turenne [2]

[941] Turenne (spr. Türenn), 1) Henri de Latour d'Auvergne, Vicomte von T., geb. 11. Sept. 1611 in Sédan, zweiter Sohn des Herzogs Heinrich von Bouillon u. der Elisabeth von Nassau, Tochter des Prinzen Wilhelm I. von Oranien, wurde, da er früh seinen Vater verlor, von seinem Oheim, dem Prinzen Moritz von Oranien, in Holland erzogen, trat 1625 in die niederländische Armee, wurde 1626 Hauptmann u. machte mehre Belagerungen mit. Als er 1630 nach Paris ging, um die Rechte seiner Familie auf die Souveränetät von Sédan zu vertreten, gewann ihn Richelieu für den französischen Dienst; er machte als Oberst unter Laforce einen Zug nach Lothringen mit, wurde 1634 Maréchal de Camp u. zog unter Lavalette an den Rhein, wo er Mainz entsetzte; seit 1637 mit dem Herzog Bernhard von Weimar verbunden, eroberte er Landrecy, Maubeuge u. 1638 Breisach u. ging dann zu Lavalette nach Piemont, blieb nach dessen Tode bei der Armee u. focht von 1639–42 gegen die Spanier, wo er u.a. bei Casale siegte u. im Septbr. 1640 Turin zur Capitulation zwang. 1642 eroberte er Roussillon, 1644 wurde er Marschall u. ging nach Deutschland, um die bei Tuttlingen geschlagene Armee im Elsaß zu reorganisiren. Mit dem Herzog von Enghien verbunden eroberte er die Pfalz, das Kurfürstenthum Mainz u. die Rheinlande von Strasburg bis Coblenz; dagegen suchte er Freiburg vergebens zu entsetzen u. wurde 5. Mai 1645 von Mercy bei Mergentheim geschlagen, aber im August entschied er die zweite Schlacht bei Nördlingen, erhielt nach Enghien das Commando, zog sich über den Rhein zurück, eroberte Trier u. vereinigte sich 1646 in Hessen mit den Schweden unter Wrangel u. schlug die Baiern bei Zusmarshausen, worauf der Kurfürst Maximilian nach Österreich flüchtete u. endlich Waffenstillstand schloß, s. Dreißigjähriger Krieg S. 326 f. Nun ging T. nach Flandern, wo er viele Plätze wegnahm u. dadurch den Abschluß des Westfälischen Friedens beschleunigte. Nach dem Frieden 1648 stand T. u. sein Bruder Anfangs mit an der Spitze der Fronde; zwar schien er sich dem Hofe wieder zu nähern, als indeß neue Gewaltstreiche Mazarins die Fronde wieder zu den Waffen trieb, so begab er sich nach Stenai, dem Sammelplatz der Fronde, wurde aber 5. Dec. 1650 von dem Marschall Duplessis-Praslin bei Rethel geschlagen. Er söhnte sich darauf mit dem Hofe aus u. begleitete den jungen Ludwig XIV. nach Saumur, schlug die Fronde bei Gergeau, nöthigte den Prinzen Condé durch kluge Maßregeln zum Rückzuge, schlug darauf den Herzog von Lothringen u. führte den jungen König 1652 nach Paris zurück. Jetzt erhielt er den Oberbefehl über die königliche Armee gegen Condé, welcher in spanischen Diensten stand, eroberte 1654 Rethel, Mouson u. Menehould, entsetzte Arras u. zwang die Spanier zum Rückzuge nach Cambrai. 1655 mußte er die Belagerung von Valenciennes aufheben u. sich nach le Quesnoy zurückziehen, aber bald rückte er wieder vor, belagerte Dünkirchen, schlug den Prinzen Condé, welcher die Stadt entsetzen wollte, an den Dünen u. führte so den Krieg, bis 1659 der Pyrenäische Frieden geschlossen wurde. 1660 wurde er Generalmarschall aller Heere u. befehligte in dem Kriege 1667 mit Spanien die Armee unter dem König, eroberte die Franche Comté u. Flandern u. wurde darauf 1668 katholisch. 1672 befehligte T. unter Ludwig XIV. gegen Holland u. Wilhelm III. von Oranien u. schloß 1673 mit dem Großen Kurfürsten von Brandenburg den Frieden von Vossem. 1674 ging er bei Philippsburg über den Rhein, nahm Sinsheim, trieb die Verbündeten über den Neckar u. eroberte die ganze Pfalz, welche er auf das Entsetzlichste verwüstete. Der Kurfürst von Baiern forderte ihn deshalb zum Zweikampf, welche Forderung ihn jedoch sein König anzunehmen verbot. Über den Rhein zurückgekehrt, schlug er die Verbündeten unter dem Herzog von Lothringen bei Sinsheim u. bewog sie durch einen falschen Rückzug im Elsaß Winterquartiere zu beziehen, kehrte durch die Vogesen zurück, überfiel die Verbündeten, schlug sie 29. Decbr. 1674 bei Mühlhhausen u. 5. Jan. 1675 bei Türkheim u. zwang sie zur eiligen Rückkehr über den Rhein. 1675 stand ihm Montecuculi wieder gegenüber, u. am 27. Juli 1675 wurde T. bei einer Recognoscirung bei Sasbach unweit Offenburg von einer Kanonenkugel getödtet. Sein Leichnam wurde in der Abtei von St. Denys beigesetzt. Bei der Zerstörung der dortigen Königsgräber im October 1793 wurde sein wohlerhaltenes Skelet ebenfalls herausgenommen u. in dem Naturaliencabinet des Jardin des plantes in Paris aufgestellt, bis Bonaparte 1801 den Leichnam mit dem, ihm von seiner Familie in der Abtei von St. Denys errichteten marmornen Denkmal in den Dom der Invaliden nach Paris überführen ließ. Der Cardinal Rohan setzte ihm 1781 bei Sasbach einen Denkstein, welchen Moreau 1801 restauriren ließ. 1829 wurden ihm ebendaselbst u. 1841 in Arras Denkmäler errichtet; auch im Schloßhof von Versailles steht seine Statue. Er hinterließ Memoiren, welche von 1643–58 reichen u. von Grimoard als Collection des mémoires du maréchal de T. (Par. 1782, 2 Bde.) herausgegeben wurden. Deschamps, einer seiner Offiziere, veröffentlichte unter dem Titel Mémoires (Par. 1687, 2. A. 1756) die Geschichte von T-s beiden letzten Feldzügen; Lebensbeschreibungen T-s sind von Raguenet, d'Avrigny, Buisson (Amsterd. 1712) u. Ramsay (Par. 1733, 4 Bde.). 2) Henri Amédée Mercure, Graf von T., geb. den 23. Sept. 1776 in Pau, trat 1793 in die Dragonercompagnie von Toulouse u. machte den Feldzug in den westlichen Pyrenäen mit, 1794 war er Ordonnanz-Freiwilliger des General Dugommier, an dessen Seite er der Campagne in den Ostpyrenäen beiwohnte. Nach dem Tode dieses Generals verließ er im Novbr. 1794 die Armee u. kehrte auf seine Güter zurück. Im October 1805 rief ihn Napoleon zur Armee in Deutschland u. ernannte ihn zu seine Ordonnanzoffizier mit dem Range eines Capitäns der Cavallerie der Kaisergarde. T. machte die Feldzüge in Deutschland, Preußen u. Polen mit. [941] Ende 1807 mit dem General Junot nach Portugal gesendet u. 1808 zum Escadronschef ernannt, nahm er wieder die Stellung als Ordonnanzoffizier Napoleons ein u. begleitete denselben nach Spanien. 1809 erhielt T. das Commando eines Cavallerie-regiments u. zeichnete sich in der Schlacht von Wagram aus, 1812–15 war er im Gefolge Napoleons während der Feldzüge in Rußland, Deutschland, Frankreich u. Belgien. 1815 nahm er, inznischen Oberst geworden, seinen Abschied, lebte längere Zeit in der Schweiz, wurde 1827 Generalmajor, 1831 Pair von Frankreich u. starb am 16. März 1852 in Paris.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 941-942.
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