Gärtner [4]

[357] Gärtner, 1) Karl Christian, Schriftsteller, geb. 24. Nov. 1712 zu Freiberg im Erzgebirge, gest. 17. Febr. 1791, besuchte mit Gellert und Rabener die Fürstenschule zu Meißen und bezog dann die Universität Leipzig, wo er, erst ein Anhänger Gottscheds, sich später dem Dichterkreis anschloß, der die sogen. »Bremer Beiträge« (s.d.) herausgab und gegen jenen in Opposition trat. Um 1745 ging er als Hofmeister nach Braunschweig und ward 1747 Professor der Moral und Beredsamkeit am dortigen Carolinum. G. war es, der den Plan zu den erwähnten Beiträgen entwarf, sie durch das Schäferspiel »Die geprüfte Treue« eröffnete, nachher die Herausgabe leitete und den einigenden Mittelpunkt des Vereins bildete.

2) Joseph, Botaniker, geb. 12. März 1732 zu Kalw in Württemberg, gest. 14. Juli 1791 in Tübingen,[357] studierte seit 1751 Medizin zu Göttingen, ward 1761 Professor der Anatomie in Tübingen und 1768 Professor der Botanik sowie Direktor des botanischen Gartens und des naturhistorischen Kabinetts zu Petersburg. Von hier aus bereiste er die Ukraine, kehrte aber 1770 nach Kalw zurück. Zum Teil auf Banks und Thunberg gestützt, begründete er die Morphologie der Früchte und Samen in seinem berühmten Werk (»Karpologie«): »De fructibus et seminibus plantarum« (Stuttg. u. Tübing. 1789–91, 2 Bde., mit 180 Kupfertafeln). Er unterschied die Sporen der Kryptogamen von den Samen und gab eine Theorie des Samens, die an Klarheit und Konsequenz alles bisher Geleistete weit überragte.

3) Karl Friedrich von, Naturforscher, Sohn des vorigen, geb. 1. Mai 1772 in Kalw, gest. daselbst 1. Sept. 1850, erlernte die Pharmazie zu Stuttgart, wurde nach zwei Jahren in die Hohe Karlsschule aufgenommen und studierte dann zu Jena und Göttingen Medizin, worauf er sich 1796 als praktischer Arzt in Kalw niederließ. Er bearbeitete den Supplementband zu seines Vaters »Karpologie« (Leipz. 1805–1807, mit den Kupfertafeln 181–255) und den kryptogamischen Teil von Gmelins »Flora sibirica« nebst einem Anhang zum fünften Bande dieses Werkes. Seit 1826 teilte er Resultate von Bastardierungsversuchen an Pflanzen mit, und nach 25jährigen Bemühungen veröffentlichte er: »Beiträge zur Kenntnis der Befruchtung der vollkommenen Gewächse« (Stuttg. 1844) und »Versuche und Beobachtungen über die Bastarderzeugung im Pflanzenreich« (2. Aufl., das. 1849).

4) Friedrich von, Architekt, geb. 10. Dez. 1792 in Koblenz, gest. 21. April 1847 in München, bezog 1809 die Kunstakademie in München, studierte 1812–1814 in Paris und verweilte dann mehrere Jahre in Rom, Neapel und Sizilien. Als Frucht dieser Reise erschienen 1819 die »Ansichten der am meisten erhaltenen Monumente Siziliens«, Lithographien mit erläuterndem Text. 1819 folgte G. einem Ruf nach München als Professor der Baukunst an der Kunstakademie. Hier widmete er sich auch der Verbesserung der Porzellanmanufaktur und Glasmalerei als Direktor der Anstalten für diese beiden Künste, bis er auf Empfehlung von Cornelius mit dem Bau der Ludwigskirche in München seine schöpferische Tätigkeit 1829 begann. Zum Oberbaurat und Generalinspektor der architektonischen und plastischen Kunstdenkmäler Bayerns ernannt, übernahm er die Wiederherstellung des Isartores, den Bau des Bibliothek- und Archivgebäudes (1831–42), des Blindeninstituts (1833–36), des Universitätsgebäudes und des Georgianums (1835 bis 1840), des Damenstifts St. Anna (1836–39), des Erziehungsinstituts für adlige Fräulein (Max Joseph-Stift), der Salinenadministration (1838–1842), der Feldherrenhalle (1840–45), des Wittelsbacher Palastes (1843), des Siegestors und der Villa der Königin vor dem Tore. 1840 ging er mit einem Gefolge von Bauleuten und Malern nach Athen, um daselbst den nach seinem Entwurf erbauten königlichen Palast zu vollenden und auszuschmücken. In Brückenau erbaute er das Kurhaus, in Kissingen den Kursaal und die Brunnenbedachung (1833–38) sowie eine protestantische Kirche, in Zwickau das Rathaus; in Bamberg restaurierte er den Dom. 1842 wurden von ihm die Befreiungshalle zu Kelheim (welches Werk jedoch durch Klenze gänzlich umgestaltet worden ist) und die neue Friedhofsanlage in München, 1843 das pompejanische Haus in Aschaffenburg begonnen. Seit 1842 war er Direktor der Akademie. Seine Bauwerke sind zumeist im modifizierten romanischen Stil gehalten.

5) Friedrich, Maler, geb. 11. Jan. 1824 in München, Sohn des vorigen, sollte nach des Vaters Wunsch sich ebenfalls der Architektur widmen. In Athen, wohin er diesen 1841 begleitete, fühlte er sich aber weit stärker von der Malerei angezogen und besuchte nach seiner Rückkehr die Akademie in München, während ihm Simonsen aus Kopenhagen Unterricht in der Technik des Malens gab. 1846 ging G. zu seiner weitern Ausbildung nach Paris und trat in das Atelier von Claude Jaquand ein. Von dort machte er 1848 eine Studienreise nach Spanien und Marokko. 1851 besuchte G. London und verweilte hierauf bis 1857 wieder in Paris. Seit seiner Rückkehr von dort lebt er in München. Den Winter von 1870 brachte er in Algier zu, das ihm eine Anzahl dankbarer Motive (Straße in Algier, Aus der Moschee El Kebir, Das Innere eines maurischen Hauses, in der Neuen Pinakothek in München) geboten hat.

6) Heinrich, Maler, geb. 22. Febr. 1828 in Neustrelitz, bildete sich im Zeichnen bei dem Kupferstecher Ruscheweyh aus und begab sich 1845 nach Berlin, wo er seine Studien bei dem Landschaftsmaler F. W. Schirmer fortsetzte. Dann ging er nach Dresden zu Ludwig Richter und von da nach Rom, wo er durch das Studium der alten Meister und durch Cornelius gefördert wurde. Sein Streben richtete sich darauf, den Charakter der stilisierenden Landschaftsmalerei mit den Anforderungen des modernen Kolorits zu verbinden. Nachdem er zunächst in einigen Privathäusern, in den Villen des Herrn v. Lanna in Prag und Gmunden und beim Stadtrat Dürr in Konnewitz bei Leipzig, mehrere landschaftliche Zyklen mit figürlicher Staffage ausgeführt, erhielt er den Auftrag, an den Wandmalereien des neuen Dresdener Hoftheaters mitzuwirken. Dann übertrug ihm Dürr die auf seine Kosten zu bewerkstelligende Ausschmückung des Skulpturensaals im Leipziger Museum, wo er die Hauptschauplätze plastischer Kunstübung im Altertum und der Neuzeit in Wachsmalereien darstellte (1879 vollendet). Aus einer Konkurrenz um die Dekoration des Treppenhauses im landwirtschaftlichen Museum zu Berlin als Sieger hervorgegangen, führte er daselbst 1883 bis 1885 drei große landschaftliche Kompositionen aus. 1890 unternahm er eine Reise nach Griechenland, um Studien für zwei Wandbilder (Akropolis von Athen und Olympia) für die Aula des Gymnasiums in Elbing zu machen. Er hat auch italienische Landschaften in Öl (Landschaft mit der Rückkehr des verlornen Sohnes, im Museum zu Leipzig; Landschaft mit Adam, Eva, Kain und Abel, in der Dresdener Galerie; See von Nemi im Albanergebirge u. a.) gemalt. 1896 siedelte er von Berlin nach Leipzig über.

7) August, Hygieniker, geb. 18. April 1848 zu Ochtrup in Westfalen, studierte in Berlin Medizin, war zwölf Jahre Marinearzt, als welcher er viele und große Reisen machte und 1884 als Hilfsarbeiter in das kaiserliche Gesundheitsamt kommandiert wurde. Von hier ging er 1886 als außerordentlicher Professor der Hygiene nach Jena, wo er 1887 zum ordentlichen Professor ernannt wurde. G. arbeitete besonders über Wasseruntersuchung, Desinfektion und Schiffshygiene. Von seinen bakteriologischen Arbeiten verdient die Untersuchung über die Fleischvergiftung in Frankenhausen und deren Erreger sowie über die Erblichkeit der Tuberkulose besondere Erwähnung. Er schrieb: »Anleitung zur Gesundheitspflege an Bord[358] von Kauffahrteischiffen« (hrsg. vom kaiserlichen Gesundheitsamt, Berl. 1888); »Die chemische und mikroskopisch-bakteriologische Untersuchung des Wassers« (mit Tiemann, Braunschw. 1889; 4. Aufl. als »Handbuch der Untersuchung und Beurteilung des Wassers«, bearbeitet von Walter u. Gärtner, das. 1895); »Leitfaden der Hygiene« (3. Aufl., Berl. 1899); »Die Quellen in ihren Beziehungen zum Grundwasser und zum Typhus« (Jena 1902). Für Neumayers »Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen« (2. Aufl., Berl. 1888) bearbeitete er das Kapitel »Heilkunde«, für Penzoldt-Stintzings »Handbuch der speziellen Therapie innerer Krankheiten« (Bd. 1, Jena 1894) den Abschnitt über Verhütung der Übertragung und Verbreitung ansteckender Krankheiten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 357-359.
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