Drusen [2]

[353] Drusen (Gesch.). Der Ursprung der D. geht bis ins 10. Jahrh. zurück, wo sie unter ihrem Stifter Hakim (996–1021) standen. Aus ihnen gingen die Assassinen (s.d.) hervor. Unterden Befehlen einiger Scheiks lebten sie ohne ein Gesammtoberhaupt, u. einzelne Gemeinden machten verheerende Raubzüge in die, unter türkischer Herrschaft stehenden Nachbarländer. Lange schon waren Klagen über ihre Räubereien bei der Pforte geführt worden, als Murad III. endlich 1588 eine Expedition unter Ibrahim Pascha gegen sie absandte. Dieser unterwarf die D. u. setzte einen aus ihrer Mitte gewählten Emir ein, welcher königliche Macht über Land u. Heer erhielt u. an die Pforte Tribut zahlte. Die Emire kehrten indeß ihre Macht gegen die natürlichen Feinde des Landes u. wurden der Pforte immer gefährlicher; bes. Emir Fakhr Eddin, zu Anfang des 17. Jahrh., hob durch schlaue Politik seine Macht zu solcher Höhe, daß die Pforte auf ernstliche Mittel sann, seinen Fortschritten ein Ziel zu stecken. Fakhr Eddin floh nach Italien u. überließ seinem Sohne Ali die Regierung. Dieser trieb die Türken zurück u. stellte die Ruhe her; aber Fakhr Eddin, welcher darauf heimkehrte, drückte, um seiner Prachtliebe, die er an dem Hofe der Medicis eingesogen, zu fröhnen, das Land so, daß eine Empörung ausbrach. Nachdem er diese gedämpft hatte, veranlaßten seine Feinde die Pforte zu einem nochmaligen Kriegszug gegen den Emir. Es erschien 1632 ein türkisches Heer; sein Sohn Ali fiel, sein zweiter Sohn wurde gefangen, er selbst floh nach einer Felsenburg, wo ihn nach einjähriger Belagerung im October 1633 seine eigenen Leute verriethen; er wurde nach Constantinopel gebracht u. 1635 erdrosselt. Seine Nachkommen behaupteten sich im Besitz des Emirats unter der Oberherrlichkeit der Pforte. Nach dem Aussterben derselben bekam die Familie der Schebab, die ursprünglich aus Mekka stammte, das Emirat. Die Emire aus dieser Familie waren aber schwach, u. innere Unruhen, hervorgerufen u. unterhalten durch Verbindungen der Unteremire unter sich u. mit den mächtigen Familien Merad u. Kasbeya gegen den Oberemir, zerrütteten das Land. Erst unter dem kräftigen Melhem (1740–1759) erholten sich die D. von ihren inneren Unfällen u. erwarben sich wieder nach außen die frühere Achtung, die sie durch den Sturz Fakhr Eddins ganz verloren hatten. Statt Melhems ältesten, erst 11 Jahre alten Sohnes Jussuf, wurde 1759 Melhems Oheim Mansur als Oberhaupt von den D. anerkannt; 1770 aber wurde Mansur in Folge der Umtriebe des Maroniten Said el Kuri entsetzt u. Jussuf zum Emir ernannt. Unglückliche Kriege gegen die Mutualis u. gegen Scheik Daher brachten Jussuf zum Sturz, u. obgleich er durch eine Revolution wieder zum Emir gelangte, so war er doch nur als Spielwerk in den Händen des berühmten Dschezzar Pascha. Nach Jussufs Ermordung folgte ihm sein Neffe Emir Beschir (geb. 1763); bald Bundesgenoß, bald Gegner Dschezzar-Paschas, verhielt er sich gegen die Franzosen bei deren Belagerung von St. Jean d'Acre neutral. Vor den Anhängern Jussufs nach Ägypten geflohen, wurde er 1807 von Mehemed Ali von Ägypten in seine Herrschaft zurückgeführt. 1819 wurde er als Bundesgenoß des rebellischen Abdallah von St. Jean d'Acre durch großherrlichen Beschluß wieder vertrieben, aber auf Fürbitten Mehemed Alis von der Pforte 1823 begnadigt. Nach Abdallahs Besiegung bei St. Jean d'Acre durch Ibrahim Pascha wurde Emir Beschir Mehemed Alis Bundesgenoß. 1834 entstand ein Aufstand der D. gegen den Vicekönig, doch gelang es Ibrahim 1835, die D. auf Libanon zu entwaffnen, s. Ägypten (Gesch.). Emir Beschir hielt nun zu den Ägyptiern bis 1840 u. wurde 1841 wieder entsetzt, u. nachdem Ibrahim Pascha mit seiner Armee aus Syrien gezogen war, kam das Land der D. unter die unmittelbare Hoheit der Türken zurück. Alsbald aber begannen die blutigen Kämpfe zwischen den D. u. den christlichen Maroniten. Um diesen ein Ende zu machen, wurde Anfangs 1842 der Drusenemir, el Kassim, u. der Maronitenemir nach Constantinopel gefordert u. beide ihrer Würde entsetzt; an ihrer Stelle aber Omar Pascha, als türkischer Administrator, nach dem Libanon geschickt, damit er, mit je 4 Häuptlingen der D. u. Maroniten, die sie selbst wählen u. die einen bleibenden Rath des türkischen Administrators bilden sollten, das Regiment übernähme. Aber Omar Pascha hatte bald beide Parteien gegen sich, welche sich endlich zu offenem Aufstande vereinigten. Die Schlacht bei Ehden am 13. Oct. 1842 siel siegreich für sie aus, u. eine Expedition der Türken nach dem Antilibanon zur Entwaffnung der Gebirgsbewohner mißglückte gänzlich. Hierauf gab die Pforte den schon seit längerer Zeit erhobenen Vorstellungen der Großmächte nach u. rief Omar Pascha mit seinen Truppen ab. Ein Gesetz vom 7. Dec. 1842 bestimmte, daß D. u. Maroniten, jeder Volksstamm da, wo er seine Wohnsitze habe, sich selbst regieren sollten; der muhammedanische Kaimakam sollte im Süden, der christliche im Norden residiren. Da beide Volksstämme jedoch gar nicht so abgesondert, sondern vielfach gemischt unter einander wohnten, so konnte diese Anordnung keinen der beiden Völkerstämme befriedigen. Die mit der neuen Ordnung zusammenhängenden Erpressungen, unter denen die Maroniten wieder am härtesten zu leiden hatten, machten deren Lage bald so unerträglich, daß sie sich mit neuen Beschwerden u. Bitten an die Großmächte wandten. Dieselben hatten jedoch keinen nennenswerthen Erfolg, u. als neue Unruhen ausbrachen, sandte die Pforte Halil Pascha mit 1000 Mann in das Land. Eine Versammlung der[353] Häupter der Bergbewohner, welche Halil Pascha einberief, faßte folgenden Beschluß: Die D. sollten den vertriebenen Maroniten 3000 Beutel zahlen, während die Pforte 10,000 Beutel auf die Einkünfte des Ejalets Seideh übernehmen wollte; hinsichtlich der aufrecht erhaltenen Bestimmungen von 1842 wurden die den Maroniten günstigen Zusätze gemacht, daß die gemischten Bezirke unter drusischen Lehnsherren christliche Sachwalter (Wekils) bekommen, auch den unter nichtchristlichen Oberern lebenden Maroniten gestattet sein sollte, auszuwandern u. ihr ganzes Vermögen frei zu verkaufen. Kaum hatte Halil Pascha das Land verlassen, als unter den Maroniten selbst Unruhen ausbrachen, welche ihren Grund in einer religiösen Spaltung hatten Ein Haufen Bauern vertrieb den Patriarchen aus seiner Residenz u. setzte sich in Kanobia fest; zugleich kam die alte Feindschaft der D. gegen die Maroniten von Neuem zu offenem Ausbruch. Seit dem Amtsantritte Wedschihi Pascha hatten bewaffnete Schaaren wieder vielfache Gewaltthätigkeiten gegen die Maroniten verübt u. überfielen 1845 das Maronitenkloster Name. Die Folge hiervon war wieder ein allgemeiner erbitterter Kampf, der nach vielen blutigen Gefechten bereits zum Vortheil der Christen auszufallen schien: als die Truppen des Paschas offen gegen sie Partei nahmen u. furchtbare Verheerungen in den christlichen Dörfern anrichteten. Die Pforte hatte inzwischen auf die Vorstellungen der Großmächte ein Herr von 12,000 Mann nach dem Libanon geschickt, worauf sofort 40 Drusen- u. Maronitenhäuptlinge, unter ersteren der vorzüglichste derselben, Schech Hamid, gefangen genommen u. dann die weiteren Schritte gegen die ihrer Führerberaubten Völkerschaften vorgenommen wurden. Zahle, ein Hauptsitz der Maroniten, wurde am 16. Octbr. 1845 plötzlich entwaffnet, hierauf ebenso alle bedeutenderen Ortschaften, ohne daß ein erheblicher Widerstand geleistet worden wäre. Gegen die D. wurde diese Maßregel nur sehr schonend ausgeführt; dennoch zogen sich viele derselben in die unwegsamsten Gebirgsgegenden zurück, um daselbst dem Bereiche der türkischen Gewalt gänzlich entrückt zu sein. Im Frühling 1846 gab die Pforte dem Lande eine neue Verfassung, indem jedem der beiden Kaimakams eine permanente Rathsversammlung beigesellt wurde. Dieselben sollten aus Glaubensgenossen aller im Libanon wohnenden Secten bestehen (2 Maroniten, 2 D., 2 unirte, 2 nicht unirte Griechen, 2 Türken u. 1 Mutuali). Die Streitigkeiten zwischen den D. u. Maroniten dauerten indeß immer noch fort, so daß die europäischen Mächte Ende 1847 zu deren Schlichtung nochmals Versuche machten, die jedoch auch zu keinem Resultate führten, da der katholische Clerus als Grundeigenthümer vieler Klöster, die übrigen Religionsparteien, die reichen Grundbesitzer, die türkischen Beamten etc. alle ihre besonderen Interessen geltend zu machen suchten.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 353-354.
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