Universität

[528] Universität, Hochschule, ist der Name von Unterrichtsanstalten, auf welchen alle Hauptzweige der Gelehrsamkeit und des menschlichen Wissens, sowie der sogenannten freien Künste und die betreffenden Hülfswissenschaften gelehrt werden, die zur gründlichen und höhern Ausbildung des Menschen erfoderlich sind. Sie sind Anstalten, welche in ihrer edlen Bedeutung nicht allein die Ausbildung in einzelnen Fächern für die unmittelbare Anwendung im Dienste des Staats und der Gesellschaft, was man auch unter den sogenannten Brotstudien versteht, sondern auch die höhere Fort- und Ausbildung der Wissenschaft und Kunst selbst nach allen ihren verschiedenen Richtungen vermitteln sollen. Sie unterscheiden sich dadurch wesentlich von allen andern Bildungsanstalten, die entweder nur vorbereitende Institute sind, wie Gymnasien und Lyceen, oder an denen nur einzelne Zweige der Wissenschaft und Kunst umfassend gelehrt werden, wie z.B. die Heilkunde in den medicinischen Akademien, [528] oder die endlich gar nicht auf directen Unterricht angelegt sind, wie Gesellschaften von Gelehrten für Beförderung bestimmter wissenschaftlicher Zwecke und Ausbildung einzelner wissenschaftlicher Fächer. Die Entstehung der Universitäten wird häufig von den Dom- und Klosterschulen hergeleitet, welche nach den von Karl dem Großen gestifteten in einem großen Theile von Europa entstanden und bis zum 12. Jahrh. die einzigen Anstalten für eine höhere wissenschaftliche Bildung in damaliger Bedeutung waren. Aus ihnen gingen jedoch nur jene gelehrten Männer hervor, welche zuerst außerhalb derselben eine Anzahl von Schülern um sich versammelten und dieselben in einzelne Fächer der Wissenschaften einführten. So entstanden unter der Benennung von Schulen oder Studienanstalten zuerst in Italien Institute, welche sich im Geiste der Zeit bald zu Corporationen ausbildeten und von denen die medicinische Schule zu Salerno in Neapel, sowie die Rechtsschule zu Bologna (s.d.), schon in der Mitte des 12. Jahrh. eines ausgebreiteten Rufes genossen. Die Studirenden waren in Nationen abgetheilt und wählten jährlich einen Vorsteher des Ganzen, welcher Rector genannt wurde. Auch in Paris hatten sich Gelehrte niedergelassen, welche in der Philosophie, Rhetorik und Theologie Unterricht ertheilten, und schon 1206 wurden hier zuerst vier Facultäten (s.d.) eingerichtet, daher Paris im heutigen Sinne die erste Universität besaß, welcher Name übrigens im 13. Jahrh. erst gebräuchlich wurde. Die vorzüglichste Stelle nahm jedoch dort das Studium der Theologie, besonders nach Stiftung der Sorbonne (s.d.) ein, und die ganze Hochschule erhielt sogar diesen Namen. Schon im 12. Jahrh. hatte ihr der König Philipp August mit andern Vorrechten auch das der eignen Gerichtsbarkeit verliehen, wie denn vorher Bologna durch Kaiser Friedrich I. die wichtigsten Privilegien erhielt. Von Besoldung der Lehrer durch den Staat war indeß noch nicht die Rede, und die Einkünfe derselben bestanden blos in dem Honorare, was sie von den Studenten erhielten; später suchte man jedoch durch Gehalte die berühmtern Lehrer zu fesseln. Dagegen wurde für Unterstützung mittelloser Studirender durch Stiftung sogenannter Collegien gesorgt, in welchen sie freie Wohnung und Beköstigung, auch wol Beihülfe an Geld erhielten, und dergleichen Stiftungen, welche in Deutschland auch Bursen (lat. bursa, davon die Nutznießer bursarii oder bursales, wovon die Benennung Burschen herrührt) hießen, vermehrten sich später sehr ansehnlich durch die Spenden reicher Privatleute. Die Besetzung der Lehrerstellen blieb übrigens lange den an einer Universität befindlichen Lehrern selbst überlassen, welche aus den sich darum bewerbenden Schülern die Befähigten mittels eigner Prüfungen wählten, durch welche sie nach und nach zu einem höhern Range aufrückten und die zu den akademischen Würden eines Baccalaureus, Licentiaten, Magisters und Doctors führten. Die Ertheilung derselben fand unter Beobachtung feierlicher und symbolischer Gebräuche statt, von denen man jetzt meist abgegangen ist; die Verleihung jener Würden aber ist das Vorrecht der Universitäten geblieben, welche übrigens bis zur Reformation ihre Privilegien von den Päpsten erhielten.

Abgesehen von dem Nutzen für die Wissenschaften trugen auch die Vortheile, welche eine Stadt als Sitz einer Universität genoß, sehr zur Vermehrung derselben bei und in Frankreich wurden im 13. Jahrh. noch zu Toulouse (1226) und Montpellier (1289) welche gestiftet. Auch die ältesten engl. Universitäten, Oxford und Cambridge, entstanden im 13. Jahrh., in Deutschland aber war die nach dem Muster der pariser im J. 1348 zu Prag (s.d.) errichtete die erste Universität. Sie war in vier Nationen, die böhm., poln, baier. und sächs. eingetheilt, welche weiterhin nachgeahmte Eintheilung die Veranlassung zu den später unter dem Namen der Landsmannschaften bekannt gewordenen Studentenverbindungen gab, die aber längst ihren frühern Nutzen verloren hatten, bevor sie auf den deutschen Hochschulen mit andern Studentenverbindungen in neuester Zeit aufgehoben wurden. Nach der prager ward 1365 die Universität zu Wien (s.d.), 1387 die zu Heidelberg (s.d.), 1388 eine zu Köln gestiftet, welche 1798 aufgehoben worden ist; Dasselbe geschah mit der 1392 in Erfurt errichteten im J. 1816. Auf der prager Universität ausgebrochene Streitigkeiten und dadurch herbeigeführte Auswanderung vieler Studirenden veranlaßten 1409 die Gründung der Hochschule zu Leipzig (s.d.); die Universitäten zu Rostock wurden 1419, zu Greifswald 1456, zu Freiburg 1457, zu Trier 1454 errichtet, welche letztere aber nie zu rechter Blüte gelangte und gegen Ausgang des vorigen Jahrhunderts (1797) sich auflöste. Die zu Ingolstadt 1472 gegründete Universität ist 1802 nach Landshut, und von da 1827 nach München verlegt worden; die zu Tübingen wurde 1477, gleich der bis 1798 zu Mainz bestandenen errichtet; die Universität zu Wittenberg, die erste in Deutschland, welche nicht vom Papste, sondern von Kaiser Maximilian I. die Bestätigungsurkunde erhielt, ward 1502 gestiftet und 1815 mit der zu Halle später (1694) errichteten vereinigt; ebenso wurde die seit 1505 in Frankfurt an der Oder bestandene 1811 mit der erst 1702 in Breslau (s.d.) gestifteten verbunden. Als erste protestantische Universität ist die zu Marburg 1527 gegründete merkwürdig; die zu Königsberg in Preußen ist 1544, zu Jena 1557, zu Dillingen 1554 errichtet, und letztere 1804, wie die 1576 in Helmstedt gestiftete im J. 1809 wieder aufgehoben worden; die Universität Würzburg besteht seit 1582. Ferner bestanden Universitäten zu Altdorf von 1575–1809, Herborn von 1654–1818, wo sie in ein Seminar verwandelt wurde, Grätz von 1586–1783 und Paderborn von 1592–1815; die Universität Gießen wurde 1601 gestiftet; die zu Molsheim erhielt sich von 1618–1702, zu Rinteln von 1619–1809, zu Salzburg von 1622–1810, zu Münster von 1631–1821, wo sie nach Bonn verlegt wurde, zu Osnabrück 1632–33, zu Bamberg von 1648–1803, zu Duisburg von 1655–1804. zu Kiel seit 1665, zu Innsbruck von 1670–1782, wo sie in ein Lyceum verwandelt, darauf 1792 wiederhergestellt, 1810 aufgehoben und 1826 abermals hergestellt worden ist. Auch in Bützow, im Fürstenthum Schwerin, bestand von 1760–89 eine Universität, in Lingen von 1687–1820; die zu Halle ward 1644, zu Breslau 1702 gegründet. Kassel besaß von 1709–86, Fulda von 1734–1804 eine Universität, und die zu Göttingen datirt von 1734, die zu Erlangen von 1742, die zu Bonn von 1774. In Stuttgart war eine Hochschule von 1770–94, in Landshut die von Ingolstadt 1802 dahin, und 1826 nach München verlegte; [529] die Universität Berlin ist 1810 gegründet worden, und die schon erwähnte zu München 1826.

In andern europ. Ländern bestehen Universitäten und wurden zum Theil wieder aufgehoben: in Dänemark zu Soroe von 1623–65, und zu Kopenhagen seit 1479; in Norwegen zu Christiania seit 1811; in Schweden zu Upsala seit 1476, und Lund seit 1666; in Großbritannien und seinen europ. Besitzungen: 1) in England, zu Oxford seit Anfang des 13. Jahrh., zu Cambridge seit 1257, und zu London seit 1828, und eine zweite, King's college, d.i. königl. Collegium, benannte, seit 1829; 2) in Schottland zu St.-Andrews seit 1412, zu Glasgow seit 1454, zu Aberdeen seit 1506, und Edinburg seit 1582; 3) in Irland zu Dublin seit 1591; 4) auf den ionischen Inseln zu Korfu seit 1823; auf der Insel Malta zu Lavalette. In Frankreich bestehen 26 Akademien in verschiedenen Städten, die jedoch nicht sämmtlich auf alle Zweige der Wissenschaften eingerichtet sind, was blos mit Paris (gestiftet um 1200) und Strasburg (gestiftet 1538) der Fall ist. Von den übrigen, an denen nur einige Fächer gelehrt werden, nennen wir Montpellier (gestiftet 1289) und Toulouse (gestiftet 1229), wo sich auch eine protestantisch-theologische Facultät befindet. Spanien zählt 16 Universitäten, von welchen drei mayores oder von erster Classe, nämlich Salamanca (gestiftet 1250), Valladolid (1346), Alcala (1499), die andern menores oder von zweiter Classe sind; im allgemeinen Verfall des Landes haben sich aber auch mehre von diesen, sowie andere früher bestandene aufgelöst. Portugal besitzt eine Universität zu Coimbra seit 1279, die zu Lissabon 1279 und zu Evora 1578 gestifteten aber sind eingegangen. Im Königreich der Niederlande sind Utrecht seit 1636, Leyden seit 1575, Gröningen seit 1414 Sitze von Universitäten, und die zu Franeker seit 1585, zu Harderwijk seit 1600 bestandenen sind 1816 aufgehoben worden. Im Königreich Belgien bestehen die 1816 zu Lüttich und zu Gent, 1834 zu Brüssel und zu Mecheln gestifteten Universitäten, welche letzte 1836 nach Löwen verlegt wurde, wo schon von 1426–1830 eine bestanden hatte. In Italien wurden Universitäten zu Bologna 1158, zu Neapel 1224, zu Padua 1228, zu Rom 1245, im 14. Jahrh. zu Perugia, Pisa, Pavia, Siena, Palermo, im 15. Jahrh. zu Turin, Florenz und Catania, 1540 in Macerata, 1548 in Messina, zu Parma 1606, zu Mantua 1625, zu Urbino 1671 und erneuert 1826, zu Cagliari 1720, zu Sassari 1765, zu Mailand 1765, zu Genua 1812 gestiftet, sind aber zum Theil verfallen und eingegangen. Die Schweiz zählt die vier Hochschulen Genf (gegründet 1368 und erneuert 1538), Basel (1459), Zürich (1832) und Bern (1834). In Ungarn ward in Klausenburg 1580, und zu Tyrnau 1635 eine Universität gegründet, die letzte aber 1780 nach Ofen, und 1784 nach Pesth verlegt. Die Universität zu Lemberg in Galizien wurde 1784 gestiftet und 1817 erneuert; die in der jetzigen freien Stadt Krakau datirt von 1400 und ist 1817 neu hergestellt worden. Im Königreiche Polen ist die 1816 zu Warschau angelegte im J. 1832 wieder geschlossen worden. In Rußland sind Universitäten zu Dorpat (gestiftet 1632), Moskau (1803), Wilna (1576 gestiftet und 1833 aufgehoben), Kasan (1804) und Charkow, zu Petersburg (1819) und Helsingfors, wohin 1827 die seit 1670 zu Åbo bestandene verlegt wurde, und Kiew. In Griechenland besteht die Universität Athen seit 1837. – Im Allgemeinen und besonders im Äußern herrscht im Wesen der europ. Universitäten eine gewisse Übereinstimmung, die alten engl. ausgenommen, wo klösterliche Formen vorwalten und die Studenten in Collegien und Hallen, wie die meist durch Stiftungen von Privatleuten entstandenen Anstalten heißen, unter strenger Aufsicht beisammen wohnen. Nicht die Vorlesungen der Professoren sind dort das vorzüglichste Bildungsmittel, sondern die Studirenden erhalten in den Collegien Unterricht, lassen sich noch Privatunterricht ertheilen und werden zu Privatstudien angeleitet. Alle Mitglieder einer engl. Universität tragen auch eine besondere, nach Amt und Rang, welchen sie in einem Collegium bekleiden, verschiedene Kleidung, deren wesentlichste Stücke ein mantelartiges Obergewand und Mütze von besonderer Form ist. Jedes Collegium hat einen Vorsteher, welcher nebst den sogenannten Fellows, d.h. derjenigen bestimmten Zahl Mitglieder einer solchen Anstalt, welche aus dem Stiftungsvermögen derselben ein jährliches Einkommen als Pfründe genießen, die Stiftung verwalten, erledigte Stellen besetzen, sowie gewöhnlich den Vorsteher wählen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 528-530.
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528 | 529 | 530
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