Kaufmann [2]

[770] Kaufmann, 1) Name einer berühmten Akustikerfamilie in Dresden. Johann Gottfried K. (Kauffmann), der Gründer der dortigen Fabrik selbstspielender Musikwerke, geb. 12. April 1751 in Siegmar bei Chemnitz, gest. 10. April 1818 in Frankfurt a. M., verfertigte namentlich Spiel- und Harfenuhren, erfand auch eine Flötenuhr und erregte mit seinen mechanischen Arbeiten großes Aufsehen. Seit Anfang des 19. Jahrh. unterstützte ihn dabei sein Sohn Friedrich K., geb. 5. Febr. 1785, gest. 1. Dez. 1866 in Dresden, der neben seinem großen Trompeten- und Paukenwerk (Salpingion) besonders durch sein Belloneon und seinen Trompeterautomaten sich einen Namen erwarb. Gemeinschaftlich konstruierten Vater und Sohn das Chordaulodion, das Harmonichord und das Symphonion (1839), den Vorläufer des von seinem Sohne Friedrich Theodor (geb. 9. April 1823, gest. 5. Febr. 1872) konstruierten Orchestrions, das namentlich 1850 in England Bewunderung erregte. Gegenwärtiger Inhaber des »Akustischen Kabinetts von K.« (F. Kaufmann u. Sohn) in Dresden ist Karl Theodor K., geb. 22. März 1867.

2) Christoph, originelle Figur aus der »Geniezeit«, geb. 14. Aug. 1753 in Winterthur, gest. 21. März 1795 in Berthelsdorf (Niederschlesien), studierte Medizin in Bern, beschäftigte sich aber bald ausschließlich mit den Basedowschen pädagogischen Reformbestrebungen und durchzog als Weltverbesserer, von Lavater,[770] der in seiner Physiognomik großes Wesen von ihm machte und ihm einen Platz gleich nach Christus gab, das Deutsche Reich, Hohen und Niedern. Weisen und Gelehrten eine Zeitlang imponierend, selbst dem Herzog Karl August und Goethe in Weimar, welch letzterer indessen ihn bald durchschaute. Ein wahrer Panurg, »alles könnend, was er will, alles wollend, was er kann«, gab er vor, mit einem frühern Menschenalter in Berührung gestanden zu haben und keines Schlafes zu bedürfen, lebte nur von Vegetabilien und Milch, vollbrachte als Arzt Wunderkuren, erzählte von seinen Heldentaten in Persien, unterhielt einen ausgedehnten Briefwechsel und forschte überall nach guten, kindlichen Menschen, zu deren Aufspürung er eine besondere Gabe zu besitzen behauptete, daher er in Maler Müllers »Faust« unter dem Namen »Gottes Spürhund« persifliert wurde. Schließlich erhielt er die Stelle eines Arztes bei den Herrnhutern. Vgl. Düntzer, Christoph K., der Apostel der Geniezeit (Leipz. 1882).

3) Alexander, Dichter, geb. 14. Mai 1817 in Bonn, gest. 1. Mai 1893 in Wertheim, studierte in Bonn die Rechte, leitete 1842–43 die Erziehung des Erbprinzen Karl zu Löwenstein, trieb dann in Berlin deutsche Altertumswissenschaft und lebte seit 1850 als fürstlich Löwensteinscher Archivrat in Wertheim a. M. K. gehört zu den Lieblingsdichtern des Rheinlandes. Seine innigen, frischen und lebensfreudigen Poesien erschienen unter den Titeln: »Gedichte« (Düsseld. 1852), »Mainsagen« (Aschaffenb. 1853; die »Quellenangaben« dazu Köln 1862) und »Unter den Reben« (Berl. 1871). Außerdem veröffentlichte er die Monographie »Cäsarius von Heisterbach« (2. Aufl., Köln 1862), aus dessen Werken. er »Wunderbare und denkwürdige Geschichten« in Übersetzung herausgab (in den »Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein«, das. 1888–92, 2 Tle.); »Der Gartenbau im Mittelalter und während der Periode der Renaissance« (Berl. 1892) u. a.

Seine Gattin Mathilde, geborne Binder, geb. 5. Dez. 1835 in Nürnberg, ward durch Daumer zur Poesie geführt und machte sich zuerst unter dem Namen Amara George durch ihre schwermütigen »Blüten der Nacht«, Lieder und Dichtungen (Leipz. 1856), einen Namen. Darauf gab sie »Mythen und Sagen der Indianer Amerikas« (Düsseld. 1856) und nach ihrer Verheiratung (1857) »Mythoterpe. Mythen-, Sagen- und Legendenbuch« (gemeinsam mit ihrem Gatten und Daumer, Leipz. 1858) heraus. 1858 trat sie, fast gleichzeitig mit Daumer, doch ohne dessen Wissen, zur katholischen Kirche über. Sie lebt jetzt in Würzburg. Weitere Schriften von ihr sind: »Vor Tagesanbruch«, Novellen und Gedichte (Frankf. 1859); »Clara Maitland. Aus dem Leben eines Kindes« (anonym, Köln 1860); »Auf deutschem Boden«, Erzählung (Würzb. 1877); »Die Jungfrau von Orléans«, ein Lebensbild (das. 1877); »Sophie Swetchine« (Freiburg 1878); »Dissonanzen und Akkorde«, Roman (Mainz 1879); »Don Gabriel Garcia Moreno, Präsident der Republik Ecuador« (Freib. 1891) und die lyrische Anthologie: »Mutterliebe in Luft und Leid« (Würzb. 1887).

4) Konstantin von, russ. General, geb. 3. Mai 1818 in Maidani bei Iwangorod, gest. 16. Mai 1882 in Taschkent, Sohn eines russischen Generals aus einer holsteinischen Familie, trat 1838 als Ingenieurleutnant in die Armee, kämpfte 1843 im Kaukasus mit den Tscherkessen und zeichnete sich 1855 bei der Belagerung von Kars aus. Nach dem Frieden zum Stabe des Ingenieurkorps versetzt, wurde er 1857 Generalmajor, 1861 Kanzleidirektor im Kriegsministerium, 1865 Generalgouverneur in Wilna und 1867 in der neuerrichteten Provinz Turkistan, die er organisierte und gegen innere Aufstände wie äußere Feinde verteidigte. Am 20. Juni 1868 eroberte er auf einem Feldzuge gegen Bochara Samarkand. 1873 besetzte er in kurzem Feldzuge Chiwa 11. Juni, am 24. schloß er Frieden mit dem Chan, dem am 10. Okt. ein Vertrag mit Bochara folgte. 1875 unterwarf er Kokand. Auch Kuldscha nahm er ein, das 1881 China zurückgegeben wurde.

5) Georg Heinrich, Geschichtschreiber, geb. 9. Sept. 1842 zu Münden in Hannover, studierte in Halle und Göttingen (hier unter Waitz), war seit 1865 Lehrer am Gymnasium in Göttingen, seit 1872 am Lyzeum zu Straßburg i. Elf. und wurde 1889 Professor der Geschichte an der Akademie in Münster, 1891 an der Universität Breslau. Er schrieb: »Die Werke des Cajus Sollius Apollinaris Sidonius als eine Quelle für die Geschichte seiner Zeit« (Götting. 1864); »Deutsche Geschichte bis auf Karl d. Gr.« (Leipz. 1880–81, 2 Bde.); »Die Geschichte der deutschen Universitäten« (Bd. lu. 2, Stuttg. 1888–96); »Die Legende vom heiligen ungenähten Rock in Trier und das Verbot der 4. Lateransynode« (Berl. 1892); »Politische Geschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert« (das. 1900) u. a. Auch gab er mit Bauch und Reh »Akten und Urkunden der Universität Frankfurt a. O.« (Bresl. 1897 bis 1903, Heft 1–5) heraus.

6) Richard von, Nationalökonom, geb. 29. März 1850 in Köln, studierte in Bonn, Heidelberg und Berlin Staatswissenschaften, war dann in einem Berliner Bankinstitut tätig, wurde 1879 Lehrer der Nationalökonomie an der landwirtschaftlichen Hochschule und Privatdozent an der Universität in Berlin und in demselben Jahre Professor an der Technischen Hochschule in Aachen; 1883 war er vorübergehend im Finanzministerium tätig und nahm gleichzeitig seine Lehrtätigkeit an der Berliner Universität wieder auf. 1889 wurde er Professor an der Technischen Hochschule in Charlottenburg. Er schrieb: »Die Zuckerindustrie« (Berl. 1878); »Die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen in den Staaten Europas« (das. 1879); »L'association douanière de l'Europe centrale« (Par. 1880); »Die Finanzen Frankreichs« (Leipz. 1882; franz. von Dulaure, Par. 1884); »Die Reform der Handels- und Gewerbekammern« (Berl. 1883); »Die öffentlichen Ausgaben der größern europäischen Länder nach ihrer Zweckbestimmung« (3. Aufl., Jena 1893); »Die Eisenbahnpolitik Frankreichs« (Stuttg. 1896, 2 Bde.; franz. von Hamon, Par. 1900). K. ist auch als Archäolog und durch Ausgrabungen bekannt, die er in Kleinasien, Nordsyrien und Ägypten veranlaßte.

7) David, jüd. Gelehrter und Literarhistoriker, geb. 7. Juni 1852 in Kojetein (Mähren), studierte am jüdisch-theologischen Seminar und an der Universität in Breslau und wurde 1877 als Professor an die Landesrabbinerschule in Budapest berufen. Er starb 7. Juli 1899 in Karlsbad. Von seinen zahlreichen Schriften erwähnen wir: »Die Theologie des Bachja ibn Pakuda« (Wien 1874); »Geschichte der Attributenlehre in der jüdischen Religionsphilosophie des Mittelalters« (Gotha 1877); »Jehuda Halewi, Versuch einer Charakteristik« (Bresl. 1877); »Die Spuren Al-Batla-jûsis in der jüdischen Religionsphilosophie« (Leipz. 1880); »Die Sinne. Beiträge zur Geschichte der Physiologie und Psychologie im Mittelalter« (das. 1884); »Samson Wertheimer« (Wien 1888; dazu »Urkundliches«, 1892); »Die letzte Vertreibung der Juden aus [771] Wien und Niederösterreich« (Wien 1889); »R. Jair Chajjim Bacharach und seine Ahnen« (Trier 1894); »Die Erstürmung Ofens« (das. 1895); »Aus Heinrich Heines Ahnensaal« (Bresl. 1896); »Die Memoiren der Glückel von Hameln« (Frankf. 1896); »Studien über Salomon Ibn Gabirol« (Budapest 1899). Aus dem Nachlaß S. Hellers gab er heraus: »Die echten hebräischen Melodien« (Trier 1893, 2. Aufl. 1903). Seit 1893 war er neben Braun Mitherausgeber der von Frankel begründeten »Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums«. Vgl. Rosenthal, David K. (Sonderdruck aus dem »Gedenkbuch zur Erinnerung an D. K.«, Bresl. 1901); Krauß, David K. (Berl. 1901).

8) Mathilde, Dichterin, s. Kaufmann 3).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 770-772.
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