Malta [1]

[801] Malta), 1) Inselgruppe im Mittelmeere, südlich von Sicilien, den Briten gehörig, aus den Inseln M., Gozzo, Cuino u. Cuminotto bestehend; 10,3 QM. mit 142,540 Ew. Der Boden besteht fast gänzlich aus verwitterten Kalkfelsen mit vielen Höhlen; wenig Gebüsch u. nur wenige, meist zur Bewässerung der Felder dienende Bäche; Klima sehr angenehm, gesund u. zur Beförderung der Vegetation sehr günstig, doch durch den Sirocco beschwerlich. Auf M. u. Gozzo hat man die Cultur des Bodens erzwungen, indem man von Sicilien das Erdreich dahin schaffte; die Felder sind alle mit Mauern eingefriedigt, um bei der hügeligen Formation der Insel das Wegwaschen der Erde unmöglich zu machen. Producte sind: Esel, aus der Berberei hierher gebrachte gezähmte Gazellen, Ziegen, Schafe, Schweine, Bienen, wenig Rindvieh u. Pferde, viele Fische, Getreide (aber nicht zureichend), Baumwolle (mit starkem Absatz, bes. nach England, wohin sie geschoren gebracht wird); Äpfel, Birnen, Pomeranzen u. Apfelsinen, Gemüse, Gewürzkräuter, Zuckerrohr, Wein, starkriechende Blumen (Rosen) u. treffliche Feigen (Malteser Feigen); aus dem Mineralreich findet man Kalk, Alabaster, Porzellanerde, Spuren von Quecksilber, Gold u. Silber, auch gibt es ansehnliche Salzwerke. Die Einw., ein Gemisch von Urbewohnern, Italiern, Arabern u.a., sind fleißig, einfach u. genügsam, sprechen ein verdorbenes Arabisch (s. Maltesische Sprache), doch in den Städten Italienisch, haben einen scharfen, durchdringenden Verstand u. eine ungemein leichte Auffassungsgabe, aber wenig geistige Bildung, sind abergläubisch u. fanatisch u. kennen keine Ehegesetze, weshalb sehr frühzeitig Ehen geschlossen werden, die Familien aber verarmen u. auswandern. Sie beschäftigen sich bes. mit Landbau, Steinbrechen, Schifffahrt u. haben als Seeleute.[801] einen Ruf; sie lieben Musik u. Tanz. Der Handel beschränkt sich auf Landesproducte (Baumwolle, Südfrüchte) u. Fabrikate (Uhren, Filigranarbeiten, Blechgeschirr) zur Ausfuhr, u. Tuch, Öl, Colonialwaaren, Getreide (dieses aus Sicilien) zur Einfuhr. Einen bedeutenden Gewinn geben die vielen hier anlegenden Schiffe. Auf M. rechnet man öffentlich nach Pfund Sterling, s.u. Großbritannien (Geogr.), jedoch die Valuta um etwa 11 Proc. geringer; die frühere u. im Privat- u. Geschäftsverkehr noch gewöhnliche Rechnungsweise ist nach Scudi zu 12 Tari à 20 Grani, 255/6 Sc. = 1 feine Mark od. 1 Scudo = 16 Sgr. 2, 783 Pf. Wirklich geprägte Münzen in Gold: Doppie nuove, einfache, doppelte u. halbe zu 10, 20 u. 5 Scudi di Malta; in Silber: Oncie zu 21/2 Scudi od. 30 Tari u. halbe, 2, 1 u. 1/2 Scudo, 6, 4, 2 u. 1 Taro; in Kupfer: 1, 1/2, 1/4 u. 1/8 Taro od. 20, 10, 5 u. 21/2 Grani; Maße u. Gewichte sind die sicilischen, s.u. Neapel (Geogr.). Die Briten unterhalten eine Garnison von etwa 2000 Mann mit einer Miliz von 500 Eingebornen; es ist ihnen M. als Seestation u. feste Position von großer Wichtigkeit u. gibt nebst Gibraltar die Herrschaft des Mitteleers zur See. An der Spitze der Verwaltung steht ein Gouverneur, welcher unmittelbar von dem Colonialsecretär abhängt; ihm zur Seite stehen der katholische Erzbischof, der Militärcommandant, der Gerichtspräsident u. drei vom Gouverneur ernannte eingeborne Amtspersonen. Gesetzbuch das Corpus juris u. das päpstliche Recht; Gerichtssprache seit 1823 englisch. Als Souverän von M. stiftete 1810 Georg III. den St. Georgs- u. Michaelsorden. Man rechnet die Einnahme auf 130,000 Pfd. St., die Ausgabe (ohne die Garnison) 110,000 Pfd. Sterl. 2) Hauptinsel dieser Gruppe, 8 QM. mit über 100,000 Ew. in 2 Städten u. 22 Dörfern; ist auf der Südseite eine unzugängliche Felsenwand, auf der anderen sind 10 meistens befestigte Häfen u. mehrere Vertheidigungsanstalten; sie hat mehre Felsen (darunter Begemna mit einer Höhle) u. Vorgebirge (Dellinara, Benlisa, Dragutte u.a.). Hauptstadt der Insel M. ist: La Valetta (s.d.). Vgl. Gozzo u. Cumino.

Die ältesten Herren M-s waren die Phöniker, von deren Bauten sich noch auf Gozzo Spuren finden; sie benutzten diese Insel als Stapelplatz für ihre Waaren u. machten dieselbe zum bedeutendsten Handelsplatz des Mittelmeeres. Damals hieß die Insel Ogygia; Einige halten das Hyperia des Homer, wo Eurymedon regierte, für M., auch soll hier Dido vom König Bottos aufgenommen worden sein.736 v. Chr. eroberten Griechen die Insel, welche sie nun Melite nannten u. eine aristokratische, mit demokratischen Elementen gemischte Verfassung hier einführten. Berühmt waren damals die feinen Baumwollenwaaren von M., die Malteser Rosen u. der ausgezeichnete Honig, alles Verlassenschaften der Phöniker. Um 400 nahmen die Carthager M., welche 216 den Römern weichen mußten. Durch diese erhielt die Insel Freiheit, nach ihrem Gesetze zu leben u. Geld zu prägen; auch fügten zu dem Juno- u. Herculesdienst noch andere Culte u. bauten dem Apollo u. der Proserpina herrliche Tempel, sowie ein Theater (wovon noch Reste in der Citta Notabile). 56 n. Chr. scheiterte hier an der Nordspitze der Bai St. Panl der Apostel Paulus (s.d.) u. bekehrte mehre Insulaner zum Christenthum. 454 nahmen die Vandalen die Insel, welche sie 464 den Gothen räumen mußten; die Gothen vertrieb 533 Belisar u. besetzte M. für das Byzantinische Reich. 870 nahmen die Araber M. ein u. veränderten den Namen Melite in Maltache, woraus noch später M. wurde. Sie mußten die Insel den Byzantinern wieder einräumen, welche es auch bis 904 besaßen, wo es die Araber von Neuem eroberten. Als 1090 die Normannen unter Graf Roger M. einnahmen, errichteten sie hier ein Marquisat, verbanden M. mit Sicilien u. vertrieben 1120 die Araber ganz von M. Seit seiner Verbindung mit Sicilien theilte M. dessen Geschick, kam durch die Vermählung der Tochter des Königs Roger II. mit Kaiser Heinrich VI. an Deutschland, 1266 nach dem Siege Karls von Anjou über Manfred an Frankreich u. 1282 nach der Sicilianischen Vesper an Peter III. von Aragonien. Als nach der Eroberung von Rhodus 1522 der Johanniterorden ohne festen Sitz war, erhielt der Orden im März 1530 die Insel M. vom Kaiser Karl V. (s.u. Johanniterorden). Dieser Vertrag wurde durch eine päpstliche Bulle vom 25. April 1530 bestätigt u. die Insel am 26. October vom Orden in Besitz genommen, worauf sich der Orden von seinem neuen Sitze Malteserorden nannte. Ein gleich das Jahr darauf erfolgter Angriff der Türken bewog den Großmeister zu Anlegung verschiedener Befestigungen.1546 landete der Seeräuber Dragut u. setzte sich in dem Flecken Troschien fest, wurde aber vertrieben.1551 wurde ein gleicher Versuch vergebens gemacht; ebenso mußten 1565 die Türken nach einem Verluste von 25,000 Mann wieder abziehen. Doch auch der Orden hatte so viel dabei gelitten, daß in dem Hauptorte M. nur noch 600 waffenfähige Männer, mit Einschluß der Ritter, übrig waren. Um für die Folge sicherer zu sein, legte der Großmeister Johann de Lavalette 1566 den Grund zu der Stadt Lavaletta, welche sein Nachfolger, Peter v. Monte, 1571 vollendete. Durch die Macht des Ordens blühte die Wollenzeugfabrikation u. der Handel, u. M. erreichte unter dessen Herrschaft seine höchste Blüthe. 1798 aber nahm Bonaparte, welcher auf seinem Zuge nach Ägypten am 10. Juni hier landete, die Stadt am 17. Juni durch Verrath französischer Ritter, bes. des Commandanten Bosredon, welche den Großmeister v. Hompesch einschüchterten u. überredeten, weg, s. Französischer Revolutionskrieg IV. Bonaparte ließ eine Garnison von 4000 Mann unter Vaubois zurück u. segelte 19. Juni weiter. Das rohe Benehmen der französischen Garnison gegen die Einwohner rief diese bald zur Rache auf; sie belagerten die Franzosen in Lavaletta, u. dazu wurde die Insel von der englisch-portugiesischen Flotte blockirt. Erst nach zweijähriger Belagerung capitulirte die französische Besatzung am 8. Sept. 1800 an die Engländer u. zog nach Frankreich ab. Im Frieden von Amiens wurde zwar die Rückgabe der Insel an den Orden unter neutraler Garantie versprochen, aber von den Engländern 1803 verweigert. Diesen verblieb M. auch im Frieden zu Paris u. bei dem Wiener Congreß 1814 u. somit der Schlüssel zum Orient u. ein guter Theil der Herrschaft über das Mittelmeer; doch ließen sie die Einwohner im Besitz ihrer Rechte, Freiheiten u. Religion u. änderten überhaupt in der hergebrachten Verfassung nur wenig. Vgl. Abela, Melita illustrata, u. Ausg. von G. A. Ciantar,[802] 1772–80, 2 Bde.; Niderstedt, Melita vetus et nova, im 6.Bde. von Gronovs Thesaurus graec. antiq.; H. Brès, M. antica illustrata, Rom 1816; Boisgelin, Ancient and modern M., Lond. 1825, 2 Bde.; Avalos, Tableau historique, physique etc. de M., Par. 1830; Miège, Hist. de. M., Par. 1841, 3 Bde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 801-803.
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