Heß

[258] Heß, 1) Johann H. oder Hessus, ein um die Einführung der Kirchenreformation in Schlesien ver dienter Mann, geb. 1490 in Nürnberg, gest. 5. Jan. 1547, trat als Sekretär des Bischofs zu Breslau auf Reisen in Verbindung mit Humanisten, ging später nach Italien und ward 1519 Doktor der Theologie zu Ferrara, 1520 Diakonus in Rom. Nach Breslau zurückgekehrt und Domherr geworden, trat er 1521 zur evangelischen Lehre über, wurde 1522 Prediger in Nürnberg und 1523 an die Magdalenenkirche nach Breslau berufen, wo er 1524 in einer Disputation öffentlich die Sache des Evangeliums siegreich verteidigte. Vgl. Köstlin, Johann H. (in der »Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens«) (1864, Bd. 6 u. 12); Küntzel, Dr. Johann H. (Bresl. 1890).

2) Johann Jakob, theolog. Schriftsteller, geb. 21. Okt. 1741 in Zürich, ward dort 1777 Diakonus, 1795 Oberpfarrer und Antistes der Geistlichkeit des Kantons und starb 29. Mai 1828 in Zürich. Er ist bekannt als der eigentliche Bahnbrecher für die Literatur des Lebens Jesu. Durch seine »Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu« (Zürich 1768–73, 6 Tle.), die mit der »Jugendgeschichte Jesu« (1773) in erweiterter Gestalt als »Lebensgeschichte Jesu« erschien (8. Aufl., das. 1822–23, 3 Bde.), ein Werk, das den Zeitgenossen neuerungssüchtig, den Spätern altgläubig[258] schien, aber mit seiner leise vermittelnden Darstellung ein halbes Jahrhundert lang dem frommen Bedürfnis in Deutschland genügte. Vgl. Escher, Johann Jakob H., Skizze seines Lebens und seiner Ansichten (Zürich 1837).

3) Karl Ernst Christoph, Kupferstecher, geb. 22. Jan. 1755 in Darmstadt, gest. 25. Juli 1828 in München, erlernte zuerst in Straßburg das Schwertfegerhandwerk, widmete sich aber seit 1776 in Augsburg der Kupferstecherkunst und ging 1777 nach Düsseldorf, um an dem von Krahe begonnenen großen Galeriewerk zu arbeiten. 1783 begab er sich nach München und von hier nach vierjährigem Aufenthalt nach Italien. Nach München zurückgekehrt, folgte er einem Ruf nach Düsseldorf, um mit Bartolozzi wieder an dem großen Galeriewerk zu arbeiten. Er lieferte in punktierter Manier mehrere ausgezeichnete Blätter, z. B. den Marktschreier nach Gerard Don, die Himmelsfahrt der Maria nach Guido Reni, das Porträt Rubens' und seiner Gattin, eine heilige Familie nach Raffael und das Jüngste Gericht nach Rubens. 1806 siedelte H. mit der Düsseldorfer Akademie und Galerie nach München über. Hier vollendete er unter anderm einen heil. Hieronymus nach Palma und das Bild des Königs Maximilian nach Stieler.

4) Heinrich, Freiherr von, österreich. Feldzeugmeister, geb. 17. März 1788, gest. 13. April 1870 in Wien, trat 1805 in den österreichischen Militärdienst, war während des Feldzugs dieses Jahres dem Generalquartiermeisterstab zugeteilt und wurde 1809 als Oberleutnant in den Generalstab versetzt. In dem Feldzug von 1809 zeichnete sich H namentlich bei Wagram aus, wurde 1813 Hauptmann im Generalquartiermeisterstab und machte die Feldzüge von 1813 und 1814 mit. 1815 zum Major befördert und seit 1822 Oberstleutnant, bekleidete er von 1821–23 die Stelle eines Kommissars des österreichischen Okkupationskorps in Piemont, ward 1829 Oberst und Kommandant des 2. Infanterieregiments, 1831 in den Generalstab versetzt und zum Chef der Generalstabsabteilung bei den mobilen Korps in Oberitalien ernannt, in welcher Stellung er sich große Verdienste um die praktische Ausbildung der Truppen erwarb. 1834 zum Generalmajor befördert, erhielt er 1839 die Leitung des Generalquartiermeisterstabes und wurde 1842 zum Feldmarschalleutnant, 1848 zum Generalquartiermeister bei der Armee in Italien unter Radetzky ernannt, und hatte den allerwesentlichsten Anteil an den glänzenden Erfolgen der österreichischen Waffen in den Feldzügen von 1848. Am 8. Aug. 1848 schloß H. den Waffenstillstand mit Sardinien ab, nach dem die Piemontesen hinter den Ticino zurückgehen mußten. Als diese 12. März 1849 denselben kündigten, entwarf H. den Plan zu jenem berühmten fünftägigen Feldzug, der mit dem Siege von Novara endete. Der Kaiser ernannte ihn darauf im September 1849 zum Wirklichen Geheimen Rat und Chef des Generalstabs der gesamten Armee. 1854 befehligte er während des Orientkrieges die an den Ostgrenzen des Reiches aufgestellte Armee und erzwang die Räumung der Donaufürstentümer von den Russen. Ende Mai 1859 nach der Schlacht von Magenta zum Heere nach Italien entsendet, schloß er 8. Juli mit den Franzosen den Waffenstillstand von Villafranca. Am 12. Juli wurde H. zum Feldmarschall befördert und mit dem Oberkommando der österreichischen Armee in Italien betraut. Am 31. Jan. 1860 ward er zum Hauptmann der Trabantenleibgarde, 18. April 1861 zum lebenslänglichen Mitglied des Herrenhauses ernannt. Vgl. »General H. in lebensgeschichtlichem Umrisse« (Wien 1855).

5) Georg, nordamerikan. Bildhauer, geb. 28. Sept. 1832 in Pfungstadt (Hessen-Darmstadt), war anfangs Klempner in Darmstadt und bildete sich daneben in der Sonntagsschule im Zeichnen aus. 1850 wanderte er nach Nordamerika aus und erwarb dort durch Möbelschnitzereien so viel, daß er sich in München bei Widnmann vier Jahre lang der Bildhauerkunst widmen konnte. Dann kehrte er nach Amerika zurück, wo er sich in New York niederließ. Seine Idealschöpfungen wie seine Porträtstatuen haben den lyrisch-romantischen Zug der Schwanthalerschen Schule. Von ihnen sind hervorzuheben: die Statuen der Echo und Lorelei, die Idealbüste der Wasserlilie, eine Statue des jugendlichen Goethe und ein Hochrelief: das unterbrochene Gebet.

6) Richard, Forstmann, geb. 23. Juni 1835 in Gotha, studierte in Aschaffenburg und Göttingen, stand 1858–68, zuletzt als Forstkommissar in Ohrdruf, im gothaischen Forstdienst und wurde 1868 Professor der Forstwissenschaft und Direktor des akademischen Forstinstituts in Gießen. Außer einigen kleinern Schriften gab er heraus: »Der Forstschutz« (Leipz. 1878; 3. Aufl. 1898–1900, 2 Bde.); »Lebensbilder hervorragender Forstmänner« (Berl. 1885); »Die Eigenschaften und das forstliche Verhalten der wichtigern in Deutschland vorkommenden Holzarten« (das. 1883, 2. Aufl. 1895); »Enzyklopädie und Methodologie der Forstwissenschaft« (Nördl. u. Münch. 1885–92, 3 Bde.); »Die Forstbenutzung« (2. Aufl., Berl. 1901). Auch bearbeitete er die 4. Auflage von Karl Heyers »Waldbau« (Leipz. 1893). Vgl. Kraetzl, Dr. Richard H., biographische Skizze (Brünn 1902).

7) Heinrich, alpiner Schriftsteller, geb. 29. Dez. 1857 in Wien, lebt daselbst als Redakteur der »Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins«; schrieb Führer durch das Gesäuse (4, Aufl., Wien 1904), die Hohen Tauern, Zillertaler, Ötztaler und Stubaier Alpen u. a. und mit Purtscheller: »Der Hochtourist in den Ostalpen« (in »Meyers Reisebüchern«, 3. Aufl., Leipz. 1903, 3 Bde.).

[Maler.] 8) Ludwig, schweizer. Maler und Kupferstecher, geb. 16. Okt. 1760 in Zürich, gest. daselbst 13. April 1800, war anfangs Fleischer, wurde aber durch Sal. Geßner zur Malerei geführt. 1794 besuchte er Florenz und Rom. Von seinen der Alpenwelt und Italien entlehnten Landschaften sind der Montblanc, das Rütli und die Tellskapelle hervorzuheben. Seil 1795 ätzte er auch Landschaften in Kupfer. Vgl. Joh. Heinr. Meyer, Biographie von Ludwig H. (Zür. 1800).

9) Karl Adolf Heinrich, Maler, geb. 1769 in Dresden, gest. 3. Juli 1849 in Wilhelmsdorf bei Wien, bildete sich teils bei Kloß, teils durch das Studium nach ältern Meistern und errang, besonders nachdem er Rußland, Ungarn und die Türkei durchreist hatte, eine Meisterschaft in der Darstellung der Pferde. Von seinen Werken sind sein Pferdewerk (12 Bl., 1807). Studienblätter für Pferdeliebhaber, der Durchmarsch der Uralischen Kosaken durch Böhmen 1799 und die von ihm in Lithographien herausgegebenen Pferdeköpfe in natürlicher Größe (Wien 1825) zu nennen. Seit 1808 war er in Wien ansässig, wo er Lehrer an der Kunstakademie wurde.

10) Peter, Maler, Sohn und Schüler von H. 3), geb. 29. Juli 1792 in Düsseldorf, gest. 4. April 1871 in München, erhielt den ersten Kunstunterricht von seinem Vater, radierte bereits in seinem 10. Jahr Tierstücke und bezog 1806 die Münchener Akademie. Den [259] Feldzügen 1813–15 wohnte er im Generalstabe des Fürsten Wrede bei und zeichnete während dieser Zeit mehrere Szenen an Ort und Stelle. Später machte er Reisen nach Wien, in die Schweiz und nach Italien. Bis 1817 malte H. nur kleinere Bilder ländlichen und militärischen Inhalts, dann trat er mit einem größern, der Schlacht von Arcis-sur-Aube, auf; 1820 folgten die Verteidigung der Kinzigbrücke bei Hanau durch den General v. Pappenheim, ein Scharmützel zwischen französischen Dragonern und österreichischen Husaren und die Donischen Kosaken mit gefangenen französischen Bauern; 1823 ein Biwak österreichischer Truppen, 1829 das Gefecht am Engpaß bei Bodenbühl an der Tiroler Grenze, 1832 das Gefecht bei Wörgl in Tirol 1833 begleitete er den König Otto nach Griechenland und zeichnete hier unter anderm dessen Einzug in Nauplia, den er 1835 in einem großen, an Bildnissen reichen Gemälde ausführte (München, Neue Pinakothek). 1839 folgte er einem Rufe des Kaisers Nikolaus nach Petersburg und Moskau und stellte in acht großen Schlachtenbildern die Hauptereignisse pou 1812 dar. In den Arkaden des Münchener Hofgartens führte er mit seinem Gehilfen Nilson 39 Fresken aus der Geschichte der Befreiung Griechenlands vom türkischen Joch aus. Seine Gemälde sind durch lebensvolle Auffassung und treffliches Kolorit ausgezeichnet.

11) Heinrich von, Maler, Bruder des vorigen, geb. 19. April 1798 in Düsseldorf, gest. 29. März 1863 in München, war erst Schüler seines Vaters und kam mit diesem 1806 nach München, wo er 1813 in die Akademie der Künste aufgenommen wurde. Seine ersten größern Gemälde, namentlich eine Grablegung und eine heilige Familie (1817), verschafften ihm in der Königin Karoline, die jenes Bild kaufte, eine Gönnerin. Er malte für sie 1817–21 noch die Christnacht, eine Charitas in Lebensgröße und mehrere Madonnenbilder. 1821 ging er nach Rom, wo er fünf Jahre zubrachte. Nach seiner Rückkehr ward H. Professor an der Münchener Akademie. H. hatte sich mit der Glasmalerei schon damals so erfolgreich beschäftigt, daß König Ludwig I. ihm die Leitung einer eignen Anstalt für sie übertrug. Im Dezember 1826 begab sich H. nach Regensburg, wo er die Entwürfe zu den Glasgemälden für den Dom anfertigte, die, von Frank und Schwarz ausgeführt, in der Geschichte der neuern Glasmalerei Epoche machen. An sie reihten sich Kartons für die Fenster der Auer Kirche in München. In seiner Professur an der Akademie war sein erster Erfolg die Errichtung einer eignen Klasse für die Ölmalerei; aber erst 1847 trat die neue Organisation ins Leben, und auch dann hatte er mit so vielen Hindernissen zu kämpfen, daß er sich veranlaßt fand. seine Professur niederzulegen. 1827 begann er die Kartons für die Allerheiligenkirche, und 1837 waren die Malereien darin vollendet. In der ersten Kuppel und deren Nebengewölben befinden sich 33 kleinere und größere Darstellungen aus dem Alten Testament, in der zweiten Kuppel und deren Nebengewölben 34 Gemälde aus dem Neuen Testament; der Bogen über dem Altar, jener über der Chornische und letztere selbst enthalten 11 Bilder aus der Geschichte der Kirche. Von 1840–46 malte H. die Fresken der Basilika, in denen das Leben des heil. Bonifatius und der zu ihm in Beziehung stehenden Glaubensboten geschildert wird. 1849 wurde er Direktor der königlichen vereinigten Sammlungen. Seine Kompositionen zeichnen sich durch einfache, aber großartige und würdevolle Auffassung und geschmackvolle Ausführung aus.

12) Karl, Maler, Bruder der beiden vorigen, geb. 1801 in Düsseldorf, gest. 16. Nov. 1874 in Reichenhall, erhielt seit 1806 in München seine Kunstbildung und sollte sich nach seines Vaters Wunsch der Stecher- und Radierkunst widmen. Doch gab er bald seiner Neigung zur Malerei nach, in der ihm vornehmlich Wagenbauer und sein Bruder Peter Vorbilder waren. Seine Schilderungen des Gebirgslebens sind durch poetische Auffassung, Wahrheit und treffliche Charakteristik ausgezeichnet.

13) Eugen, Maler, Sohn von H. 10), geb. 25. Juni 1824 in München, gest. daselbst 21. Nov. 1862, lernte bei seinem Vater und an der Münchener Akademie, sodann in Brüssel, wo er sich die belgische Technik mit glücklichem Erfolg aneignete. Jagdszenen, historisches Genre, Kriegsszenen waren seine Stoffe. Zwei Hauptwerke von ihm, den Überfall der Schweden bei Dachau und französische Kürassiere während des Brandes von Moskau, besitzt die Neue Pinakothek in München.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 258-260.
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