Artikel in der Wikipedia: Kabbala

[309⇒] Kabbala (Kabbalah, Überlieferung), jüdische Geheimlehre und Mystik, enthält Elemente, die bis in die vorchristliche Zeit reichen (Spekulationen über die Engel, den Thron Gottes, den »Schnee« um denselben, den »Metathron« usw.), ist aber erst infolge des Einflusses des Neuplatonismus und der pythagoreisierenden Zahlensymbolik und nicht vor dem 9. Jahrhundert entstanden (das Buch Jezirah = Buch der Schöpfung), im Buche Sohar (Zohar, Glanz) um 1300 wohl durch den spanischen Juden Moseh ben Sehm Tob de Leon (auf Grundlage von Lehren Isaaks des Blinden, seiner Schüler und verschiedener Gegner des Maimonides) zusammengefaßt und von anderen kommentiert und fortgesetzt (Isaak Luria, gest. 1572; Horwitz, gest. 1622). Das Buch Jezirah erschien hebräisch 1562, lateinisch 1642, deutsch 1894. Das Buch Sohar erschien 1558, 1560, 1623, 1858 u. ö., lateinisch 1684. Artis Cabbalisticae scriptores, 1587.

Die Kabbala weist die Einflüsse der griechisch-alexandrinischen Philosophie, des Neuplatonismus, Neupythagoreismus und Gnostizismus auf. Ihre Lehre ist eine emanatistische: Die geistige und die sinnliche Welt geht durch Ausstrahlung aus dem göttlichen Einen hervor, durch eine Art Selbstschöpfung, Selbstoffenbarung desselben. Gott ist das Unendliche, das [⇐309][310⇒] »En-Soph«, das unbegrenzte, eigenschaftslose »Nichts«, das anfangs alles war, das Urlicht, das alles erfüllte, das Verborgene, der »Alte der Tage«. Um sich zu offenbaren, setzt er die Welt aus sich heraus; sie geht aus ihm hervor, indem sich das Urlicht gestaltet und nicht gestaltet, indem es in alles hineinstrahlt und doch eins bleibt. Es beschränkt sich selbst; dadurch entsteht ein leerer Raum, in welchen das Urlicht die Welt (bzw. die Welten) hineinstrahlt. Die Vermittlung zwischen Gott und der sinnlichen Welt bilden die geistigen Kräfte, welche von Gott ausstrahlen, bzw. aus dem »Adam Kadmon«, dem himmlischen Urmenschen und Urbild des irdischen Menschen, dem Sohne Gottes. Es gibt zehn solcher Kräfte oder Urzahlen, »Sephiroth«, Lichtkreise, welche durch die Selbstbeschränkung des göttlichen Lichtes entstehen; die drei ersten Sephiroth sind »Krone«, »Weisheit« und »Verstand« (logos). Die Sephiroth bilden zusammen die Welt »Aziluth« (Azilah), die auch als der Körper des Adam Kadmon bezeichnet wird. Die anderen aus dem Ensoph emanierenden Welten sind »Beriah« (die Welt der, als Geister gedachten, Ideen), »Jezirah« (die Welt der Seelen), »Asijjah« (die Welt der Sinneswesen). Der Mensch gehört den drei letzten Welten zugleich an, der zweiten durch die Vernunftseele (neschama), welche unsterblich ist, der dritten durch den Geist (ruach), der vierten durch, den Lebenshauch (nephesch). Es gibt eine Präexistenz und eine Seelenwanderung.

Die Kabbala hat auch auf eine Reihe christlicher Philosophen einen Einfluß ausgeübt, so auf Raymundus Lullus, die Grafen Pico von Mirandola, Marsilius Ficinus, Reuchlin, Agrippa von Nettesheim, Paracelsus, H. More, St. Martin u. a.

Vgl. A. FRANCK, Systeme de la Kabbale, 1842; deutsch, 1844. – Au. JELLINEK, Beiträge zur Geschichte der Kabbala, 1852. – Auswahl kabbalistischer Mystik, 1858. – NEUMARK, Gesch. d. jüdischen Philos. I, 1. [⇐310]

Quelle: Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 309-310.
Lizenz: Gemeinfrei
Faksimile

[913⇒] Kabbăla (hebr., »Überlieferung«), die Geheimlehre der Juden, eine mystische Religionsphilosophie, die sich im Anschluß an die orient. Emanationslehre mit dem geheimen Sinn des Gesetzes, den magischen Kräften gewisser Namen etc. beschäftigt. Das höchste Ansehen genießt das Buch Sohar. – Vgl. Jellinek (1851-52). – Kabbalíst, Kenner, Ausüber der K.; kabbalistisch, zur K. gehörig; Kabbalisterei, Kabbalístik, kabbalistische Kunst. [⇐913]

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 913.
Lizenz: Gemeinfrei
Faksimile

[404⇒] Kabbăla (hebr., »Überlieferung«, »empfangene Lehre«), in der talmudischen Zeit die neben dem schriftlichen Gesetz der Juden hergehende Tradition, die halachische Überlieferung, das mündliche Gesetz, dann auch die Gesamtheit der prophetischen Schriften der Bibel. Jetzt versteht man unter K. die mystische Religionsphilosophie des jüdischen Mittelalters, die aus der ältern Geheimlehre hervorging und sich vom 13. Jahrh. n. Chr. an zu einem eignen System ausbildete. Letztere, aus dem Streben, die tiefsten Fragen über Gott und Welt zu lösen, entstanden, vereinigt Elemente der jüdisch-hellenistischen Geistesrichtung und der orientalischen Emanationslehre. In phantastischen Bildern und Ausdrücken wurden früh schon metaphysische Betrachtungen (über Gott, sein Wesen und Wirken, seinen Thron und Hofstaat [Maasse merkaba]) und physische (über Welt und Schöpfung [Maasse bereschit]) angestellt; aber diese Lehre, die leicht gefährlich werden konnte, ward geheimgehalten. Sie drang ein in die Schriften jüdischer Gelehrten und machte sich in einer Reihe selbständiger Werke geltend, deren Verfasser sich nicht nennen, aber zur Erhöhung des Wertes ihrer Schriften irgend einen großen Gelehrten als Autor vorschieben. So war es bereits mit den ältern kabbalistischen Büchern, Jezirah (s. d.), Rasiel, Bahir, geschehen, und so geschah es auch mit dem Buch Sohar (s. d.), dem Hauptwerk der K. Wie in diesem Buch, so zeigt sich die K. überhaupt als eine religionsphilosophische Exegese, die in haggadischer Form mit Buchstaben- und Zahlenspielerei und neben den Erörterungen natürlicher und übernatürlicher Fragen auch mit Moral und mit den jüdischen Legenden, Allegorien und Sentenzen sich beschäftigt. Nach der Kulturepoche der jüdischen Literatur des Mittelalters (15.–16. Jahrh.) verflachte sich, zuerst in Palästina (s. Sabbatäer) und Italien, das literarische Leben im Studium der K., die dann in Deutschland und bis auf unsre Zeit in Polen (s. Chassidim) begeisterte Anhänger fand. Die Theorien der K. suchte man auch praktisch zu verwerten und glaubte durch Amulette, Aussprechen und Schreiben gewisser Wörter, der Gottesnamen und Bibelstellen Wundertaten verrichten zu können. Auch Christen, durch den Scholastiker Raimund Lullus (geb. 1253) auf die K. hingewiesen, wie Papst Sixtus IV., Johannes Pico von Mirandola, Reuchlin, Agrippa von Nettesheim, Knorr o. Rosenroth u. a., machten sie zum Gegenstand der Forschung. Vgl. Bloch, Geschichte der Entwickelung der K. (Trier 1894); Artikel »Cabala« in »The Jewish Encyclopedia«, Bd. 3 (New York 1902), wo die gesamte Literatur verzeichnet ist, und E. Bischoff, Die Kabbalah, Einführung in die jüdische Mystik und Geheimwissenschaft (Leipz. 1903). Die kabbalistischen Schriftsteller s. Jüdische Literatur, S. 346 s. – K. heißt auch die dem Schächter (Schochet) nach abgelegter Prüfung von dem Rabbiner erteilte Befugnis zum Schächten (Schlachten des Viehes nach jüdischer Vorschrift). [⇐404]

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 404.
Lizenz: Gemeinfrei
Faksimile
Faksimile

[296⇒] Kabbâla (hebr.), eigtl. das Empfangene, dann die mündliche Tradition, und zwar die Überlieferung einer geheimen, göttlichen Weisheit, heißt die im Mittelalter entstandene jüdische Mystik. Auf Grundlage der Emanationslehre (vgl. Emanation) haben die Kabbalisten seit dem neunten Jahrhundert mystisch-theosophische Spekulationen ausgebildet, denen sie durch Pseudepigraphen (gefälschte Schriften) den Schein des Altertums [⇐296][297⇒] gaben. Wie Elias will auch die Kabbâla auf den Messias hinweisen, wie jener mit feurigen Rossen in den Himmel dringen. Sie strebt, die Sinnenwelt aus dem »Ensoph« (dem Unendlichen) als dessen notwendige Selbstoffenbarung zu erklären. Vom göttlichen Ensoph und zu ihm hin entwickelt sich alles. Die zehn Sephiroth (Lichtströme), deren Inbegriff der Adam Kadmon, der Urmensch, ist (s. d.), bilden die vier Welten, nämlich Aziluth (d.h. die vollkommene, die unveränderlich ist), Beriah (die veränderliche), Jezirah (die geformte Welt) und Asiah (die lebende). Hauptquelle dieser krausen Phantastik ist das Buch Jezirah, welches im 9. Jahrh. n. Chr. abgefaßt, aber dem Rabbi Akiba (2. Jahrh.) zugeschrieben wurde, und das Buch Sohar aus dem 13. Jahrh. Im 16. und 16. Jahrh. beschäftigten sich auch christliche Gelehrte mit der Kabbâla, so Petrus Pomponatius. Marsilius Ficinus, Pico v. Mirandola, Renchlin, Agrippa, Paracelsus u. a. Vgl. Frank, Die Kabbâla (übersetzt von Jellinek, Leipzig 1844). Jellinek, Beiträge zur Gesch. der Kabbâla. 1851-1852. [⇐297]

Quelle: Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 296-297.
Lizenz: Gemeinfrei
Faksimile

[535⇒] Kabbalâ (eig. »Überlieferung«) heißt die vom Neuplatonismus (s. d.) beeinflußte, vom 9. bis 13. Jahrhundert ausgebildete jüdische Mystik (vgl FRANCK, La cab. p. 353 ff.; JELLINEK, Beiträge zur Gesch. d. Kabbala, 1851). Die kabbalistischen Lehren befinden sich in den Büchern »Jezirâ« und »Sohar«. Es wird eine Emanation (s. d.) der geistigen (intelligiblen) und materiellen WeltenAziluth, Beriâ, Jezirâ, Asiâ«) aus den zehn »Sephiroth« (s. d.) (deren Einheit der »Adam Kadmon«, (s. d.), ist) und mit diesen aus dem Absoluten, dem »Ensoph« (s. d.), gelehrt. Mit der Kabbalâ beschäftigen sich auch REUCHLIN (De art. Cabb.), PICO VON MIRANDOLA, AGRIPPA, H. MORE u. a. [⇐535]

Quelle: Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 535.
Lizenz: Gemeinfrei
Faksimile
Faksimile

[204⇒] Kabbăla (hebr., genauer Kabāla, d.i. die empfangene Lehre), 1) die Geheimlehre der Juden, welche sich bis zum 12. Jahrh. allmälig zu einer eigenen Schule u. Literatur ausgebildet hatte. Die ersten Elemente derselben zeigen sich schon im Persisch macedonischen Zeitalter; ihre Grundlage aber bildet die orientalische Emanationslehre. Obgleich bei Philo, im Talmud u. den Midraschim einzelne philosophisch-theologische Ausführungen vorkommen, so hat es doch eine eigentliche Literatur der K. bis auf die Zeit der späteren Gaonim (seit 800 n.Chr.) nicht gegeben. Die Geheimlehre selbst erstreckte sich auf die Lehre vom göttlichen Thronwagen u. die Schöpfungslehre; man stellte Erörterungen u. Betrachtungen über das Wesen, die Eigenschaften, Wirkungen (Namen) u. Offenbarungen Gottes u. des himmlischen Hofstaates, Sterne u. Engel, so wie über die erste u. fortwährende Entstehung u. Natur der Geschöpfe an. Hieran knüpften sich einzelne verwandte Stoffe, wie aus dem Gebiete der parsischen Dämonenlehre, Astrologie, Chiromantie, sympathetischen Heilkunde; ebenso Betrachtungen über den verborgenen Grund u. Zweck der Gesetze, welche jedoch ihrer Zeit bei den Strenggläubigen auf Widerstand stießen. Die Literatur der Geheimlehre wird durch das Buch Jezira (d.i. Buch der Schöpfung; hebr. u. deutsch von I. F. v. Meyer, Frankf. 1829) eröffnet, welches aus dem 8. Jahrh. stammt, aber bei der Vorliebe für Pseudepigraphie, welche die ganze Kabbalistische Literatur charakterisirt, dem berühmten R. Akiba zugeschrieben [⇐204][205⇒] wird. Philosophisch erläuterten dasselbe in Arabischer Sprache Saadja Gaon (st. 942), Isak Israeli (st. 940–50) u. Jakob Ben Nissim in Kairowan; in Hebräischer Sabbatai da Nola (um 946), Jehuda Ben Barsillai in der Provence (um 1130) u. Jehuda Halevi in Spanien (1140). Die vorzüglichsten unter den Schriften der älteren Geheimlehre sind außer einigen Kapiteln der Boraita des R. Elieser, die großen u. kleinen Hechalot, angeblich von R. Ismael, das alte, Salomon beigelegte Rasiel, der Midrasch Konen, das Alphabet des Akiba, so wie die verloren gegangenen Bücher Hajaschar u. Juchasin. Erst in Europa, u. zwar in der Provence u. Italien, wurde die jüdische Geheimlehre zur wirklichen K. gestempelt, die verschiedenen oben erwähnten Themen derselben zu einem systematischen Ganzen verknüpft u. dieses mit einer Art jüdischer Theosophie verwebt. Die K. zog seit Ende des 12. Jahrh. auch Exegese, Moral u. Philosophie in ihr Bereich u. gestaltete sich so zu einer mystischen Religionsphilosophie. Die ungemein reiche Kabbalistische Literatur der folgenden drei Jahrhunderte lehrt den geheimen Sinn der Heiligen Schrift u. ihrer Auslegungen (der Haggadas), die höhere Bedeutung der Gesetze, so wie durch Anwendung göttlicher Namen u. heiliger Sprüche das Wunderthum. Der Subjectivität war der größte Spielraum gelassen; deshalb war die Zahl der Systeme u. Auslegungen fast eben so groß als die der Verfasser. Die Bücher wurden den Ältesten Autoritäten untergeschoben. Als Begründung der neuen mystischen Literatur ist wahrscheinlich der Blinde zu betrachten, welchem das Buch Bahir zugeschrieben wird; ein Zeitgenosse von ihm in Deutschland ist Eleasar aus Worms (1220), welcher viele kabbalistische Schriften verfaßte. Es entstanden verschiedene Schulen, unter denen die Woharische die wichtigste ist. Letztere betrachtet gewissermaßen als ihre Bibel das berühmte Buch Sohar, welches dem Simeon Ben Jochai, einem Schüler des Akiba, zugeschrieben wird, jedenfalls aber dem Ende des 13. Jahrh. angehört u. in Aramäischer Sprache (welche jedoch in den verschiedenen Handschriften mehr od. weniger hebräisch gefärbt ist) wahrscheinlich von Abraham Abulafia (geb. 1240 in Tudela) verfaßt wurde Die Kabbalistische Literatur des 14. u. 15. Jahrh. besteht meist aus Bearbeitungen älterer Schriften; die Hauptthätigkeit gruppirte sich allmälig um den Sohar. Gegner der K. wurden einerseits die Philosophen, andererseits die Talmudisten. Von der Provence, wo die K. gegen Ende des 12. Jahrh. durch den Propheten Elias, einen jüdischen Gelehrten, geoffenbart worden sein soll, verbreitete sich dieselbe zunächst nach Italien u. von hier aus nach Norden u. Osten, auch später zu den Christen. Zu Anfang des 16. Jahrh. war sie bereits bis nach dem Orient u. Polen gedrungen. Namentlich durch die Schule des Isak Luria Asihkenasi in Safet (1534–70) trat die kabbalistische Lehre in ein neues Stadium; sie wurde populär gemacht u. drängte sich in alle Lebens- u. Literaturkreise ein. In Magie u. Buchstabenklauberei ausartend, wurde den Bibelbuchstaben u. Zeichen (Vocalen, Accenten, selbst Verzierungen) u. ihren masorethischen Regeln ein geheimer Sinn, den Gebeten u. Ceremonien eine höhere Intention untergelegt u. der damit verbundenen Ausübung eine höhere Wirkung für Angelegenheiten dieser u. jener Welt zugeschrieben. Dies führte zu den Schwärmereien der Sabbathianer u. der Chassidim (s.d.) in Polen. Die Kabbalistische Literatur erhielt mit dem 16. Jahrh. einen neuen Schwung; sie besteht in Commentaren der Bibel, der Bücher Jezira u. Sohar, in Supercommentaren über die Kabbalisten Nachmanides, Bechai Ben Ascher, Recanate, Ehlkitilla u. andere Ältere, so wie über die Schriften des genannten Luria, des Mose Corduero u. Chajim Vital. Seit Reuchlin beschäftigten sich auch christliche Gelehrte, z.B. Knorr von Rosenroth (Cabbala denudata, Frankf. 1677–84, 2 Bde.), mit der K. Die gründlichsten Kenner der K. unter den deutschen Juden sind gegenwärtig Zunz, Rappoport u.a. Jelinek. Vgl. Frank, La Kabbale, Par. 1844 (deutsch von Jelinek, Lpz. 1846). 2) Die Befugniß, welche der jüdische Schlächter (Schochet) nach abgelegter Prüfung u. praktischer Probe von einem Rabbiner erhält, u. ohne welche Niemand schlachten darf. 3) Ein wahrsagerisches Kunststück, wobei durch Berechnung der Buchstaben einer aufgestellten Frage ein Orakel gesucht wird. [⇐205]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 204-205.
Lizenz: Gemeinfrei
Verweise:

Almukabāla (v. arab.), im Mittelalter, so v.w. Algebra.

Kabāla, s. Kabbala.

Faksimile
Faksimile

[521⇒] Kabbala (vom hebr. kabal = auffangen, empfangen, daher K. = die empfangene, näher die mündlich überlieferte Lehre), die mystische Religionsphilosophie der Juden. Dieselbe soll sich auf die Uroffenbarung Gottes an die Menschen im Paradiese stützen, welche seit Adam unter allen Völkern sich mündlich durch besonders auserwählte Seelen und so als Geheimlehre fortgepflanzt habe. Historisch ist die K. eine Mischung von jüdischen Ideen mit solchen aus andern Religionen des Orients sowie mit den Philosophemen des Pythagoras, [⇐521] [522⇒] Platon und Aristoteles. Die Hauptquellen der Kabbalistik, Wissenschaft von der K., sind die Bücher Jezirah (Buch der Schöpfung) und Sora (Buch des Glanzes); ersteres soll der Rabbi Akiba (s. d.), das andere sein Schüler Rabbi Simon ben Jochai abgefaßt haben. Gewiß ist. daß erst Raimund Lullus (1234–1315 n. Chr.) die K. erwähnt, deren Inhalt und Geschichte von einer Menge der abenteuerlichsten jüdischen Sagen überwuchert, mit Cosmogonien, Angelogien, Dämonologien u.s.f. bereichert und mit allem Aberglauben, Weissagerei, Zauberei u.s.f. in Verbindung gesetzt worden war. Die K. scheint wesentlich auf ein theosophisches System hinauszulaufen, worin eine Zahlen- und Buchstabensymbolik und besonders die Zahlen 1–10, die Sephirot, als Urzahlen oder Kategorien des Weltalls die Hauptrolle spielen. Durch Marsilius Ficinus (s. d.), die beiden Mirandola u.a. wurde die K. bekannter, in Deutschland zuerst durch Reuchlin; Th. Paracelsus und besonders Jakob Böhme (s. d.) befaßten sich viel mit ihr, das Interesse für letztere hielt das für die K. wach, in welche in unserer Zeit F. X. v. Baader, Molitor u.a. einzudringen suchten. Ob aber die K. eine pantheistische Emanationslehre oder reiner Theismus, welches der Sinn der einzelnen Lehren sei u.s.f., darüber stritten und streiten bis zur Stunde sogar die jüdischen Gelehrten, namentlich Beer, Freistadt, Joel, Jellinek. [⇐522]

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 521-522.
Lizenz: Gemeinfrei
Faksimile

[523⇒] Kabbala, d.h. die Überlieferung, war ursprünglich der gemeinsame Name für die ganze mündlich fortgepflanzte Erklärung des jüd. Gesetzes seit dem Exil. Noch vor dem Eintritte der christlichen Zeit schied sich ihr Inhalt in eine öffentliche und Geheimlehre. Erstere machte die Auslegung des Gesetzes zu einem Mittel der Lebensweisheit und wurde schriftlich in den zwei Talmuden (s.d.) abgefaßt. Letztere suchte in dem angeblich auf unmittelbare Offenbarung (Mystik) gegründeten Gesetze eine höhere Natur- und Religionsweisheit zu erforschen und bediente sich hierbei der allegorischen Kunst, die den wörtlichen Sinn in einen geheimen tiefern Sinn umzudeuten lehrte. Sowol das Schwierige der Auslegung, als das Überschwengliche ihrer Geheimnisse machten, daß diese Art der Überlieferung nur von wenig Geweihten gefaßt und eben deshalb auch nur unter Geweihten fortgepflanzt werden konnte; und da sich ihr Inhalt, auch nachdem sie schriftlich abgefaßt worden war, nicht vollendete, so erhielt sie vorzugsweise vor dem Talmud den Namen Kabbala. Der Inhalt ihrer geheimnißvollen Lehren ist zum großen Theil chaldäische und persische Religionsweisheit, unterscheidet sich aber durch ihren mystischen Charakter; daher die sonderbaren Lehren von den Eigenschaften Gottes, von den vier kabbalistischen Welten, von den 32 Fußtapfen der Weisheit, von den 50 Eingängen der Klugheit u.s.w. Die Kabbala will ihrem Anhänger nicht nur das Interesse der Wissenschaft gewähren, sondern für ihn auch von praktischer Wichtigkeit sein, da sie ihn in den Stand setzt, Geister zu berufen, Krankheiten zu vertreiben und andere Wunder zu verrichten. Nach dem Vorgeben der Kabbalisten empfing Adam die Geheimlehre in einem Buche vom Himmel. Nachdem sie mehrmals verloren gegangen war, wurde sie aufs Neue von Abraham, Moses, Esra und zuletzt von Simeon, dem Sohne des Jochai, aufgezeichnet. Ihr Einfluß auf die Wissenschaft erstreckt sich bis auf die neueste Zeit, obgleich die Bildung der Zeit über den in der Kabbala herrschenden Aberglauben erhebt. [⇐523]

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 523.
Lizenz: Gemeinfrei
Faksimile

[34⇒] Kabbala, eine rabbinische Geheimlehre, die in dem Zahlenwerthe der hebräischen Buchstaben, sowie in deren Versetzung, tiefsinnige Offenbarungen erblickt und Alles mystisch deutet und auslegt. Diese Lehre fand viele Anhänger; Einige behaupteten, Jesus Christus sei im vollen Besitz solcher geheimnißvollen Kunst gewesen, und nur durch ihre Macht habe er seine Wunder geübt. Es ruht übrigens in vielen kabbalistischen Lehren eine tiefe Poesie, die mit morgenländischer Gluth und Begeisterung wie eine lodernde Naphthaquelle zu dem Nachthimmel des Geheimnisses emporflammt.

–ch– [⇐34]

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 34.
Lizenz: Gemeinfrei
Faksimile
Faksimile

[193⇒] Die Cabbala. Der Name Cabbala, welcher durch mündliche Ueberlieferung verdeutscht wird, bezeichnet bei den Juden bald die Lehre von den Propheten, bald die vorälterlichen Sagen, bald aber, und zwar vorzüglich, die mystische Philosophie. Der Name Cabbala ist so alt noch nicht; was aber die cabbalistische Philosophie betrifft, so sind die Meinungen der Gelehrten über den Ursprung derselben sehr verschieden. Die Juden leiten die cabbalistischen Geheimnisse aus den ältesten Zeiten ihres Volks, ja von Adam selbst her. Wenn aber auch schon bei den Ebräern, wie bei den barbarischen Völkern, in den frühesten Zeiten ein geheimer Unterricht Statt gefunden hat, so ist dieses doch bloß in gottesdienstlichen Sachen der Fall gewesen. Was aber die philosophische Cabbala betrifft, so ist der Ursprung derselben in Egypten zu suchen, und von den Zeiten des Simeon Schetachides an zu rechnen, welcher sie aus Egypten nach Palästina gebracht hat. Sie wurde erst im zweiten Jahrhundert niedergeschrieben, damit sie mit der Zerstreuung des jüdischen Volks nicht verloren gehen möchte. Die neuern Ausleger haben viel fremdartiges hinein gemischt. Man theilt die Cabbala in die symbolische und reale. Die symbolische beschäftigt sich vorzüglich mit Buchstaben, denen sie geheimnißvolle Bedeutungen giebt; die reale, welche der symbolischen entgegen gesetzt wird, und Lehren begreift, wird wieder in die theoretische und practische [⇐193][194⇒] eingetheilt. Die theoretische sucht die heilige Schrift nach den geheimen Ueberlieferungen zu erklären, und ein philosophisches System der Metaphysik, Physik und Pnevmatik aus derselben aufzustellen; die practische hingegen verspricht uns eine Wissenschaft, Wunder zu thun, und zwar bloß durch eine künstliche Anwendung der göttlichen Namen und Sprüche in der heiligen Schrift. Nach der Wiederauflebung der Wissenschaften studirten viele gelehrte Männer die Cabbala. Unter den neuern Cabbalisten sind vorzüglich Heinrich Morus und Christian Knorr berühmt, welcher letztere das vornehmste aus den cabbalistischen Schriftstellern in zwei lateinischen Quartanten zusammen getragen hat – der Cabbalist, ein Anhänger der Cabbala. [⇐194]

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 1. Amsterdam 1809, S. 193-194.
Lizenz: Gemeinfrei

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon