Engel [2]

[786] Engel, 1) Johann Jakob, Schriftsteller, geb. 11. Sept. 1741 zu Parchim in Mecklenburg, gest. 28. Juni 1802, be such le das Gymnasium zu Rostock, studierte hier sowie in Bützow und Leipzig zuerst Theologie, wandte sich aber dann philologischen, philosophischen und mathematischen Studien zu. 1776 ward er Professor der Philosophie und der schönen Wissenschaften am Joachimsthalschen Gymnasium zu Berlin. Später zum Mitglied der Akademie und zum Lehrer des Prinzen Friedrich Wilhelm (nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm III.) ernannt, nahm er in den damaligen Berliner Schriftstellerkreisen bald eine wichtige und hervorragende Stellung ein; er gehörte zu den tonangebenden Männern der Berliner Aufklärung. Seine Lustspiele: »Der dankbare Sohn«, »Der Diamant« und das Schauspiel »Der Edelknabe« waren bald vergessen, dagegen enthielten seine »Ideen zu einer Mimik« (Berl. 1785–86; neu hrsg. von B. Dawison, das. 1869) viele beachtenswerte Gedanken und verschafften ihm nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms II. (1786) die Direktion des neuerrichteten Berliner Nationaltheaters, die er in Gemeinschaft mit Ramler bis 1794 führte. In den[786] weitern Kreisen des Publikums hatte ihn inzwischen! besonders sein im Sinne der Aufklärung gehaltener! »Philosoph für die Welt« (Bd. 1–2, 1775–77; Bd. 3 folgte 1800) bekannt gemacht. E. vertrat gegenüber der beginnenden Sturm- und Drangperiode mit Konsequenz und Scharfsinn den Standpunkt der moratisierenden Poesie und des nüchternen Realismus. Seine »Kleinen Schriften« (Berl. 1785), sein »Fürstenspiegel« (das. 1798), vor allem aber sein durch seine Beobachtung des Kleinen und Alltäglichen ausgezeichnetes, im übrigen poesieloses Charaktergemälde »Herr Lorenz Stark« (zuerst in Schillers »Horen« 1795 und 1796, das. 1801; vgl. R. Riemann im »Euphorion«, Bd. 7, Wien 1900) fanden, namentlich in Norddeutschland, teils verdiente, teils übertriebene Bewunderung. Nach der Niederlegung seines Amtes als Direktor des Nationaltheaters lebte E. in Schwerin und Parchim, bis er 1798 von seinem Zögling Friedrich Wilhelm III. nach Berlin zurückgerufen ward. Eine Sammlung von Engels »Sämtlichen Schriften« ward noch bei seinen Lebzeiten begonnen (Berl. 1801–1806, 12 Bde.; neue Ausg., das. 1851, 14 Bde.). Vgl. K. Schröder, Johann Jakob E. (Schwer. 1897); Daffis, Joh. Jak. E. als Dramatiker (Münch. 1899).

2) Johann Christian von, Historiker, geb. 17. Okt. 1770 zu Leutschau in Ungarn, gest. 20. März 1814 in Wien, studierte in Göttingen bei Schlözer Geschichte, erhielt 1791 eine Anstellung bei der siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien, ward 1794 Zensor, 1801 Konsistorialrat und erhielt 1812 den Adel. Er schrieb: »Geschichte von Halitsch und Wladimir bis 1772« (Wien 1793, 2 Bde.); »Geschichte der Ukraine und der ukrainischen Kosaken« (Halle 1796); »Geschichte des ungarischen Reichs und seiner Nebenländer« (das. 1797–1804, 5 Bde.); »Geschichte des Freistaates Ragusa« (Wien 1807); »Monumenta Ungarica« (das. 1809) und »Geschichte des Königreichs Ungarn« (das. 1814–15, 5 Bde.).

3) Joseph, Mediziner, geb. 29. Jan. 1816 in Wien, gest. daselbst 3. April 1899, studierte in Wien, wurde 1840 Assistent von Rokitansky in Wien, 1844 Professor der Anatomie in Zürich, 1849 Professor der pathologischen Anatomie in Prag und 1854–74 an der medizinisch-chirurgischen Josephsakademie in Wien. E. arbeitete über die Entwickelung der Knochen, Haare und Federn, über das Wachstumsgesetz der Zellen, über Beckenformen, Organgewichte etc.; namentlich aber trug er viel zur Verbreitung der Rokitanskyschen Lehren bei und förderte sie durch kritisierendes Schaffen. Besondern Erfolg hatte er auch als Lehrer der topographischen Anatomie. Er schrieb: »Entwurf einer pathologisch-anatomischen Propädeutik« (Wien 1845); »Das Knochengerüst des menschlichen Antlitzes« (das. 1850); »Untersuchungen über Schädelformen« (Prag 1851); »Darstellungen der Leichenerscheinungen« (Wien 1854); »Spezielle pathologische Anatomie« (das. 1856); »Kompendium der topographischen Anatomie« (das. 1859); »Allgemeine pathologische Anatomie« (das. 1865) u.a.

4) Karl, Musikhistoriker, geb. 6. Juli 1818 in Thiedewiese bei Hannover, gest. 17. Nov. 1882 in London, gebildet von Enckhausen in Hannover, von Hummel und Lobe in Weimar, lebte zunächst ale Musiklehrer in Hamburg, Warschau und Berlin, siedelte aber 1844 nach Manchester und 1850 nach London über, wo er eine erfolgreiche Tätigkeit als Musikschriftsteller entfaltete. Von seinen vorwiegend die Nationalmusik verschiedener Völker und Zeiten behandelnden Arbeiten nennen wir. »The music of the most ancient nations« (1864, 2. Aufl. 1870); »Introduction to the study of national music« (1866); »Musical instruments of all countries« (1869, 2. Aufl. 1873); »Musical myths and facts« (1876, 2 Bde.); »The literature of national music« (1879); »Researches into the early history of the violin-family« (1883) und seinen beschreibenden Katalog der Instrumentensammlung des South Kensington-Museums (1874).

5) Ernst, Statistiker, geb. 16. März 1821 in Dresden, gest. 8. Dez. 1896 in Radebeul bei Dresden, widmete sich ursprünglich dem Bergfach, studierte in Freiberg 1842–45 und später in Paris. 1850 zum Vorstand des Statistischen Bureaus in Dresden ernannt, gab er die »Statistischen Mitteilungen aus dem Königreich Sachsen« (4 Bde.), die »Sächsische statistische Zeitschrift« und das »Jahrbuch der Statistik und Staatswissenschaft« heraus. 1858 trat er wegen ungerechter Angriffe in der Ersten sächsischen Kammer zurück und begründete in Dresden eine Hypothekenversicherungs-Gesellschaft, womit er einen neuen Zweig des Versicherungswesens ins Leben rief. Nach Dietericis Tod wurde er 1860 als Direktor des preußischen Statistischen Bureaus nach Berlin berufen und 1863 zum Geheimen Oberregierungsrat ernannt; 1882 nahm er seinen Abschied. Unter seiner vortrefflichen Leitung erschienen die »Zeitschrift des Statistischen Bureaus« (seit 1860), das »Jahrbuch für amtliche Statistik des preußischen Staates« (1863 bis 1876, Bd. 1–4), die »Preußische Statistik« (seit 1861) und seit 1875 die »Statistische Korrespondenz«. E. veröffentlichte eine Übersicht über die Ergebnisse der ersten vier statistischen Kongresse (Berl. 1863) und einen »Rechenschaftsbericht« (das. 1865, 2 Bde.) über die Verhandlungen des Berliner internationalen statistischen Kongresses von 1863, ferner: »Die Verluste der deutschen Armeen an Offizieren und Mannschaften im Kriege 1870/71« (Berl. 1872); eine Abhandlung über die Statistik der Dampfkessel und Dampfmaschinen in allen Ländern der Erde (in der genannten Zeitschrift, separat 1874); »Die Gewerbezählung vom 1. Dez. 1875 und ihre Resultate« (Berl. 1878); »Die deutsche Industrie 1875 und 1861« (2. Aufl., das. 1881); »Das Zeitalter des Dampfes« (2. Aufl., das. 1881); »Die moderne Wohnungsnot« (Leipz. 1873); »Der Preis der Arbeit« (2. Aufl., Berl. 1872); »Das Rechnungsbuch der Hausfrau« (das. 1882); »Der Wert des Menschen« (das. 1883); »Die Lebenskosten belgischer Arbeiterfamilien früher und jetzt« (Dresd. 1895). E. gründete 1862 in Berlin auch ein mit dem statistischen Bureau vereinigtes statistisches Seminar, aus dem eine Reihe tüchtiger Beamten und Dozenten hervorgegangen ist.

6) Friedrich, Bautechniker, geb. 20. Sept. 1821 in Danzig, gest. 13. Mai 1890 in Berlin, widmete sich seit 1839 dem Baufach, ließ sich 1846 als Architekt in Wriezen a. O. nieder, machte sich mit dem Kalksandpiseebau vertraut und führte die ersten derartigen gelungenen Bauten in der Provinz Brandenburg aus. 1857–81 war er Baumeister und Dozent an der Akademie in Proskau, seitdem lebte er in Berlin. Er schrieb: »Der Kalksandpiseebau und die Kalksandziegelfabrikation« (Wriezen 1851; 4. Aufl. von Hotop, Leipz. 1891); »Handbuch des landwirtschaftlichen Bauwesens« (Wriezen 1851–53, 2 Bde.; 8. Aufl. von Schubert, Berl. 1895); »Sammlung landwirtschaftlicher und ländlicher Bauausführungen« (das. 1856 bis 1865); »Ausgeführte Familienhäuser für die ländlichen [787] Arbeiter« (das. 1857); »Album für ländliche, landwirtschaftliche und gärtnerische Bauausführungen« (Leipz. 1879–81, 3 Hefte); »Die Bauausführung« (Berl. 1885; 2. Aufl. von Bauer, 1899); »Der Viehstall« (3. Aufl. von Meyer, das. 1900); »Der Pferdestall« (2. Aufl., das. 1891). Für Durms »Handbuch der Architektur« und das »Deutsche Bauhandbuch« bearbeitete er ebenfalls Teile des landwirtschaftlichen Bauwesens.

7) Gustav, musikal. Schriftsteller und Gesanglehrer, geb. 29. Okt. 1823 zu Königsberg i. Pr., gest. 19. Juli 1895 in Berlin, studierte von 1843 an in Berlin Philologie, hörte zugleich bei Marx Vorlesungen über Musik, der er sich schließlich ganz widmete. Nachdem er bis 1861 musikalischer Berichterstatter der »Spenerschen Zeitung« gewesen, trat er nach dem Tode Rellstabs in gleicher Eigenschaft bei der »Vossischen Zeitung« ein und übernahm 1863 den Gesangunterricht an Kullaks Akademie der Tonkunst. 1874 erhielt er den Professortitel und wurde an die königliche Hochschule für Musik als Lehrer des dramatischen Gesanges berufen. E. war lange der angeschenste Musikkritiker Berlins. Seine literarischen Arbeiten sind teils gesangspädagogischen, teils philosophisch-musikalischen Inhalts. Außer Aufsätzen für die Jahresberichte der Kullakschen Akademie, für die »Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft« u.a. schrieb er »Sänger-Brevier, tägliche Singübungen« (Leipz. 1860); »Übersetzungen und Vortragsbezeichnungen zu dem klassischen Sopranalbum« (1. und 2. Folge); »Die Vokaltheorie von Helmholtz und die Kopfstimme« (Berl. 1867); »Das mathematische Harmonium« (das. 1881); »Ästhetik der Tonkunst« (das. 1884); »Die Bedeutung der Zahlenverhältnisse für die Tonempfindung« (Dresd. 1892). Außerdem veröffentlichte er: »Die dialektische Methode und die mathematische Naturanschauung« (Berl. 1865); »Die Idee des Raumes und der Raum« (das. 1868) u.a.

8) Karl, Musiker und Schriftsteller, geb. 21. Febr. 1824 zu Oldenburg im Großherzogtum, wurde zum Violinspieler ausgebildet, ging 1842 nach Rußland, um in die Kapelle des Fürsten Narischkin einzutreten, erhielt 1846 ein Engagement an der kaiserlichen Kapelle in Petersburg, ließ sich als Theaterkonzertmeister pensionieren und lebte, nach Deutschland zurückgekehrt, in Berlin, Bremen und Oldenburg, bis er sich 1869 dauernd in Dresden niederließ. Als Komponist veröffentlichte er ein Violinkonzert (H moll), Konzertstücke und Tänze. Von früh an widmete er sich daneben literarischen Studien, in deren Vordergrund eine eingehende Beschäftigung mit der Faustsage und den poetischen Bearbeitungen des Fauststoffes trat. Er gab heraus: »Deutsche Puppenkomödien. Mit geschichtlichen Einleitungen« (Oldenb. 1874–93, 12 Tle.); »Das Volksschauspiel Doktor Johann Faust« (das. 1882), dessen Echtheit jedoch starkem Zweifel unterliegt (vgl. Bruinier, Das Engelsche Volksschauspiel Doktor Johann Faust als Fälschung erwiesen, Halle 1894); »Zusammenstellung der Faust-Schriften vom 16. Jahrhundert bis Mitte 1884« (Oldenb. 1885); »Die Don Juan-Sage auf der Bühne« (das. 1887, 2. Aufl. 1888); »Das erste Faustbuch vom Jahre 1587. Ein Buchjubiläum« (das. 1887); »Die beiden alten deutschen Volksschauspiele von Doktor Johann Faust und Christoph Wagner, Fausts Famulus« (das. 1890).

9) Franz, Amerikareisender, geb. 21. Juli 1834 zu Röbel in Mecklenburg-Schwerin, durchreiste 1857 bis 1863 Venezuela und Kolumbien und ist gegenwärtig in Berlin Bibliothekar der Landwirtschaftlichen Hochschule. Außer zahlreichen Aufsätzen in Zeitschriften schrieb er: »Studien unter den Tropen Amerikas« (Jena 1878, 2. Aufl. 1879); »Aus dem Pflanzerstaate Zulia« (Berl. 1881); auch gab er einen Band Gedichte heraus: »Wegeblumen aus dem Ränzel eines Wanderburschen« (das. 1883, 2. Aufl. 1888).

10) Eduard, Schriftsteller, geb. 12. Nov. 1851 zu Stolp in Pommern, studierte 1870–73 zu Berlin Sanskrit und net-ere Sprachen, unternahm darauf weitere Neifen und lebt seit 1875 als Beamter im Stenographenbureau des Reichstags und schriftstellerisch tätig (1879–84 als Redakteur des »Magazins für die Literatur des Auslandes«) in Berlin. 1903 erhielt er den Professortitel. Er schrieb: »Italienische Liebeslieder« in deutscher Übertragung (Aschersl. 1875); »Lord Byron. Eine Autobiographie nach Tagebüchern und Briefen« (Berl. 1876; 3. Aufl., Minden 1884); »Geschichte der französischen Literatur« (Leipz. 1382, 5. Aufl. 1901); »Geschichte der englischen Literatur u. der Literatur Nordamerikas« (das. 1883, 4. Aufl. 1897); »Psychologie der französischen Literatur« (3. Aufl., Berl. 1903); »Hat Francis Bacon die Dramen Shakespeares geschrieben?« (2. Aufl., Leipz. 1883); »William Shakespeare« (das. 1897); »Die Aussprache des Griechischen« (Jena 1887); »Griechische Frühlingstage« (das. 1887); »Shakespeare-Rätsel« (Leipz. 1903); Novellen: »Wand an Wand« (Dresd. 1890), »Ausgewiesen« (das. 1891), »Des Lebens Würfelspiel« (1903) u.a. Ferner gab er H. Heines Memoiren heraus (Hamb. 1884) und war für eine Reform der Eisenbahntarife tätig, besonders in der Schrift: »Eisenbahnreform« (Jena 1888), umgearbeitet u. d. T.: »Der Zonentarif« (7. Aufl. 1891).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 786-788.
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