Brandt

[323] Brandt, 1) Sebastian, Dichter, s. Brant.

2) Enevold, Graf von, dän. Hofmann, geb. 1738 in Kopenhagen, wo 28. April 1772 seine Hinrichtung auf grausame Art erfolgte, auf Betreiben Struensees (s.d.), dessen Günstling er war, zum Kammerherrn (1769) und ständigen Gesellschafter des geisteskranken Königs Christian VII. (1770) ernannt, erhielt 1771 den Grafen- und Geheimratstitel, ward aber nach dem Sturz seines Gönners wegen tätlicher Mißhandlung des Königs zum Tode verurteilt.

3) Heinrich von, preuß. General, Militärschriftsteller, geb. 1789 in Lakiin (Westpreußen), gest. 23. Jan. 1868 in Berlin, studierte seit 1805 in Königsberg die Rechte, trat 1807 als Fähnrich in die Armee, kämpfte als Offizier der Weichsellegion in Spanien und 1812 in Rußland. Hier schwer verwundet in Gefangenschaft geraten (1813), erhielt er Anstellung in der polnischen Armee und trat, als seine Heimat wieder an Preußen fiel, 1816 dort als Kapitän ein. Nachdem er Lehrer am Kadettenkorps und an der Kriegsschule gewesen war, wurde er 1829 Major im Generalstab und schloß 1831 mit dem polnischen General Woroniecki die Übereinkunft ab, infolge deren die polnische Armee die Grenze überschritt und die Waffen niederlegte. 1838 wurde B. Chef des Generalstabs des 2. Armeekorps und begann 1848 als Brigadekommandeur in Posen den Kampf gegen die Insurgenten. Schon im Juli ward er Unterstaatssekretär im Kriegsministerium, trat aber bald (mit Auerswald) zurück und wurde 1849 Kommandant von Posen, 1853 Generalleutnant und nahm 1857 als General der Infanterie den Abschied. Er lebte dann in Berlin und wurde 1862 Präses der Generalordenskommission. B. war auch mehrfach politisch als Mitglied in der Volksvertretung tätig. Er schrieb: »Handbuch für den ersten Unterricht in der höhern Kriegskunst« (Berl. 1829); »Geschichte des Kriegswesens« (Mittelalter und neuere Zeit; in der »Handbibliothek für Offiziere«, das. 1830–35); »Grundzüge der Taktik der drei Waffen« (3. Aufl., das. 1859; in mehrere Sprachen, 1860 auch ins Japanische übersetzt); »Der kleine Krieg« (2. Aufl., das. 1850) u. a. Vgl. die von seinem Sohn herausgegebenen Memoiren: »Aus dem Leben des Generals A. H. v. B.« (2. Aufl., Berl. 1870, 2 Bde.; Bd. 3, 1882).

4) Heinrich Franz, Medailleur, geb. 13. Jan. 1789 in La Chaux-de-Fonds im Kanton Neuenburg, gest. 9. Mai 1845 in Berlin, trat nach siebenjähriger Lehrzeit bei einem gewissen Perret 1808 bei dem Stempelschneider Droz in Paris ein, gewann dort mit einem Theseus, der die Waffen seines Vaters entdeckt, den ersten großen Preis und kehrte 1814 in seine Heimat zurück, um von dort mit einer Unterstützung der französischen Regierung nach Rom zu gehen, wo er mehrere Denkmünzen ausführte. Von Rom ging B. 1816 nach Neapel und Sizilien und folgte 1817 einem Ruf als erster Medailleur der königlichen Münze nach Berlin, wo er eine große Zahl[323] von Medaillen in streng klassischem Geschmack schuf. Er arbeitete auch viel nach Rauchschen Modellen, so sein bestes Werk, eine Medaille auf Alexander v. Humboldt. Vgl. Lehnert, Henri François B., erster Medailleur an der königlichen Münze (Berl. 1897).

5) Johann Friedrich von, Zoolog, geb. 25. Mai 1802 in Jüterbog, gest. 15. Juli 1879 in Petersburg, studierte seit 1821 in Berlin Medizin und Botanik, habilitierte sich daselbst 1828 als Privatdozent, ging aber 1831 als Professor der Zoologie nach Petersburg, wo er bald zum Akademiker erwählt wurde. Er schrieb: »Abbildung und Beschreibung der in Deutschland wild wachsenden und in Gärten im Freien ausdauernden Giftgewächse« (mit Phöbus u. Ratzeburg, Berl. 1838); »Medizinische Zoologie« (mit Ratzeburg, das. 1827–34, 2 Bde.); »Descriptiones et icones avium rossicarum« (Petersb. 1836); »Sur les animaux vertébrés de la Sibérie occidentale« (Par. 1845); »Collectanea palaeontographica Russiae« (Petersb. 1849); »Bemerkungen über die Wirbeltiere Nordosteuropas« (das. 1856); »Über die Klassifikation der Fische« (das. 1865); »Über den Zahnbau der Stellerschen Seekuh« (das. 1833); »Symbolae sirenologicae« (das. 1845–68, 2 Tle.); »Beiträge zur nähern Kenntnis der Säugetiere Rußlands« (das. 1855); »Untersuchungen über die Verbreitung des Tigers« (das. 1856); »Über die Verbreitung und Vertilgung der Stellerschen Seekuh« (das. 1865–68); »Über die Naturgeschichte des Mammut« (das. 1866); »Über die Gattung der Klippschliefer« (das. 1869); »Beiträge zur Naturgeschichte des Elen« (das. 1870); »Über die fossilen und subfossilen Cetazeen Europas« (das. 1873–74, 2 Bde.); »Monographie der tichorhinen Nashörner« (das. 1877) u. a. Seine Biographie schrieb Strauch (1880).

6) Thure, Begründer der Massagebehandlung von Frauenleiden, geb. 6. Febr. 1819 zu Södertelge in Schweden, gest. daselbst 8. Aug. 1895, wurde als schwedischer Offizier am Stockholmer Institut für Heilgymnastik ausgebildet, ersann 1847 in Norrköping eine neue Methode, schlaffe Schleimhäute durch Widerstandsbewegungen zu kräftigen, und erreichte namentlich bei Unterleibsleiden von Frauen dauernde Erfolge. Trotz des ablehnenden Verhaltens der schwedischen Ärzte wurde die Brandtsche Methode insbes. bei Ausschwitzungen im weiblichen Becken und bei Uterusvorfällen in Europa so populär, daß Professor Schultze in Jena B. 1884 einlud, an der Jenaer Frauenklinik seine Kunst zu erproben. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich B. nicht nur als erfolgreicher Therapeut. sondern auch als bewanderter Diagnostiker, obwohl seinem »System« einige durch spätere pathologische Untersuchungen seines Schülers Ziegenspeck in München beseitigte Auswüchse anhingen. Er schrieb: »Uterinlidanden och Prolapser« (1864); »Nouvelle méthode gymnastique et magnétique pour le traitement des organes du bassin« (1888; deutsch von Schauta: »Massage bei Frauenleiden«, 3. Aufl., Berl. 1897); »Gymnastiken« (1884).

7) Karl, Theatermaschinist, geb. 15. Juni 1828 in Darmstadt, gest. daselbst 27. Dez. 1881, besuchte die Gewerbeschule und das polytechnische Institut daselbst, um dann dort und in München seine speziellen Studien zu machen, ward 1847 Maschinenmeister am Königsstädtischen Theater in Berlin und 1849 Leiter des Maschinenwesens in Darmstadt. Er richtete von 1857–81, z. T. mit seinem Bruder Fritz (s. unten 11), 24 neue Bühnen ein, darunter auch das Wagnertheater zu Bayreuth. Seine Leistungen auf dieser Bühne haben ihm den größten Ruhm eingetragen, die Einrichtung des »Parsifal« war Brandts letzte Schöpfung. In verschiedenen Einrichtungen, z. B. denen der »Afrikanerin«, »Königin von Saba« etc., hat B. seine französischen Kollegen weit übertroffen.

8) Max August Scipio von, deutscher Diplomat, geb. 8. Okt. 1835 in Berlin, wurde preußischer Offizier, begleitete 1860 die Eulenburgsche Mission nach Ostasien, wurde 1862 preußischer Konsul, 1867 Geschäftsträger, 1868 Generalkonsul des Norddeutschen Bundes, 1872 deutscher Ministerresident in Japan und 1875 deutscher Gesandter in China. 1893 nahm er seinen Abschied, lebt in Weimar, ein genauer Kenner ostasiatischer Verhältnisse. Als Gesandter war B. für eine gemeinsame Vertretung europäischer Interessen in Ostasien und wirkte für Hebung des deutschen Anteils am Handel mit China; nach der Verabschiedung trat er für Vermehrung der deutschen Flotte und der subventionierten Dampferlinien sowie für eine vernünftige Kolonialpolitik ein. Von seinen Schriften verdienen Erwähnung: »Aus dem Lande des Zopfes« (Leipz. 1894); »Sittenbilder aus China. Mädchen und Frauen« (das. 1895); »Ostasiatische Fragen. China, Japan, Korea« (Berl. 1897); »Die chinesische Philosophie und der Staatskonfucianismus« (das. 1898); »Zeitfragen« (das. 1900); »Dreiunddreißig Jahre in Ostasien, Erinnerungen eines deutschen Diplomaten« (Leipz. 1900–1902, 3 Bde.); »Japan, China und Korea« (im 2. Bde. von Helmolts »Weltgeschichte«, das. 1902).

9) Joseph, poln. Maler, geb. 11. Febr. 1841 zu Szczebrzeszyn in Polen, widmete sich anfangs dem Ingenieurfach und besuchte deshalb die École centrale in Paris, wandte sich aber schon 1862 zur Malerei und ging nach München, wo er sich unter Franz Adam und Karl Piloty ausbildete und 1867 ein eignes Atelier errichtete. Zu seinem Hauptfach machte er das Soldaten- und Kriegsbild, meist aus dem 17. Jahrh., und Genreszenen aus dem Leben seiner Landsleute, die er meisterhaft charakterisierte und mit saftigem, aber anfangs stark ins Graue spielendem Kolorit ausstattete. Eins seiner ersten größern Bilder war 1867 ein Angriff polnischer Reiter auf Türken im 17. Jahrh. Dann folgten 1868 polnische Landleute vor einer Branntweinschenke, der Übergang der polnischen Kavallerie durch den Meerbusen auf Jütland 1658 (1870), der Markttag in einem polnischen Städtchen (1872), die wild bewegte, besonders meisterhafte Türkenschlacht bei Wien 12. Sept. 1683, flotte Einquartierung (1873), Übergang einer polnischen Proviantkolonne über die Karpathen, Ukrainische Kosaken (Museum in Königsberg), Tabunenführer in Südrußland, Kosaken auf Vorposten (1876), Auszug zur Steppenjagd, Dorfstraße in der Ukraine, Kosakenlager, Tatarenkampf (1878, Hauptwerk, Berliner Nationalgalerie). In seinen spätern Werken entfaltete er einen größern Reichtum des Kolorits, das er besonders in den Kosaken auf der Fährte (1886), dem Siegesliede der Kosaken (1890), der Verteidigung eines Gehöftes durch polnische Reiter (1890, in der Neuen Pinakothek zu München), der Rückkehr der Kosaken ins Lager mit eroberten Fahnen, dem Schlittenfest zur Zeit des Königs Sobieski (1897) und dem Pferdemarkt in Balta (1902) zu starken Wirkungen erhob. B., der die große goldene Medaille der Berliner Ausstellung besitzt, hat eine große Zahl von Schülern herangebildet.

10) Marianne (eigentlich Marie Bischof), Opernsängerin (Alt), geb. 12. Sept. 1842 in Wien, war Schülerin von Frau Marschner am Wiener Konservatorium,[324] debütierte 1867 in Olmütz als Recha in der »Jüdin«, war dann in Graz engagiert und 1868 bis 1886 mit wachsendem Ansehen an der Berliner Hofopfer als Hauptvertreterin der Altpartien (Fides, Ortrud, Orpheus u. a.). 1869 und 1870 benutzte sie ihre Ferien zu Studien bei Frau Viardot-Garcia in Paris. 1882 kreïerte sie in Bayreuth die Kundry im »Parsifal«. Nach ihrem Austritt aus dem Verband der Berliner Hofoper trat sie nur noch gastierend (1886 in New York) und in Konzerten auf.

11) Fritz, Theatermaschinist, geb. 25. Febr. 1846 in Darmstadt, Bruder von B. 7), unter dessen Leitung er in die Geheimnisse der Bühnenwelt eindrang, kam 1863 an das Theater des Bades Homburg, ward 1865 technischer Direktor am Gärtnerplatztheater in München und ging 1868 in gleicher Eigenschaft an das Carl-Theater in Wien, kehrte jedoch bald in die bayrische Residenz zurück, wo er ein Engagement am Hoftheater fand. Unter den zahlreichen Bühneneinrichtungen, die B. in München ausführte, stehen obenan die in Gemeinschaft mit seinem Bruder ausgeführten Einrichtungen von »Rheingold« (1869) und »Walküre« (1870) und verschiedene Einrichtungen für die Separatvorstellungen des Königs, bei deren einer B. zum erstenmal wirklichen Regen vorführte. Auch an der Schöpfung der Wunderwerke in den Schlössern des Königs Ludwig war B. in hervorragender Weise beteiligt. Seit 1876 ist er am königlichen Theater zu Berlin angestellt; 1882 wurde er zum Maschinerie-Oberinspektor ernannt.

12) Adolf, unter dem Pseudonym Felix Stillfried bekannter plattdeutscher Schriftsteller, geb. 26. Sept. 1851 zu Fahrbinde bei Neustadt in Mecklenburg, studierte in Rostock und Leipzig Theologie und Philologie und wirkt seit 1877 als Lehrer an dem Gymnasium der Großen Stadtschule zu Rostock. Von Klaus Groth zu schriftstellerischer Betätigung angespornt und den Spuren seiner Landsleute und Vorgänger Fritz Reuter und John Brinckman folgend, veröffentlichte er 1887 den trefflichen Roman »De Wilhelmshäger Klosterlüd'« (2. Aufl., Wism. 1892, 2 Bde.); die Erzählungen »Ut Sloß un Kathen« (Leipz. 1889), »De unverhoffte Arwschaft« (Stuttg. 1898) und »Hack un Plück« (Rost. 1900); die gereimten Schwänke: »Biweg' lang. Oken Struß Läuschen un Rimels« (das. 1895) und »In Lust un Leed«, plattdeutsche Gedichte nebst Nachdichtungen des Horaz und Homer (Wism. 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 323-325.
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