Islam

[84] Islam (d.i. gänzliche Hingebung der Menschen in Gott), ist der arabische Name für den Muhammedanismus od. die im 7. Jahrh. von Muhammed (s.d.) gestiftete Religion. Ihre Bekenner, die Muhammedaner, nennen sich selbst im Arabischen Muslim (Moslem) od. in der Mehrheit Muslimin (Moslemin) u. im Persischen Musulman (woraus das deutsche Muselman mit dem zu vermeidenden Plural Muselmänner). A) Die Glaubenslehre besteht in Überzeugung des Herzens (Taßdik bil Kalb) u. Bekenntniß mit der Zunge (Ikrar bil Lisan) von sechs Hauptdogmen (Itikadat), deren fünf schon der Koran enthält. a) Der Glaube an Gott (Allah) ist strenger Monotheismus (Tauhid, daher das Hauptbekenntniß des Muhammedaners, welches er bei jeder Gelegenheit des Lebens ausruft: La Illa illa Allah we Muhammed Resul Allah d.h. es gibt keinen Gott, als Allah, u. Muhammed ist Allahs Prophet). Diese beiden Lehrsätze des Koran nennt man die beiden Bezeugungen (Schehadetein) u. das Aussprechen derselben das Zeugniß (Teschhid). Am tiefsten unter dem streng verpönten Götzendienst stellt daher der J. den Polytheismus (Ischrak), u. die Polytheisten (Muschrikin), zu welchen der Koran auch die Christen wegen der Trinitätslehre rechnet, sind dem Muhammedaner ein Abscheu. Die Eigenschaften Gottes (Ssifat, Außaf Allah) sind sechs wesentliche (dsatijjet): Dasein, Anfangslosigkeit, Endlosigkeit, Einheit u. Einzigkeit, Unvergleichlichkeit, Selbständigkeit; acht positive (subutijjet): Allleben, Allwissen, Allhören, Allsehen, Willen, Allmacht, Wort u. Schöpfungskraft. Vgl. A. W. Haller, Muhammeds Lehre von Gott, Altenb. 1779. b) Der Glaube an Engel (Malaïket), mit seinen, aus Licht erschaffenen Körpern, geschlechtslos, ohne körperliche Bedürfnisse u. sündenlos, doch verschieden an Form u. Bestimmung. Ihr Geschäft ist, Gott zu loben, für die Menschen zu bitten, Gottes Thron (Arsch) zu tragen etc. Sie sterben nur auf kurze Zeit, indem sie in eine Art Schlaf versinken. Zwei Engel begleiten den Menschen stets, man begrüßt sie nach dem Gebete mit den Worten: Friede mit euch! (Selam aleikum). Die vorzüglichsten sind die vier Erzengel: Dschebraïl (Gabriel), welchen Einige mit dem Heiligen Geist (Ruh el Kuds) identificiren u. mit Gott u. Muhammed als Trinität betrachten; Mikaïl (Michael), Azraïl (Abu Jahja, der Todesengel), Israfil (Seraphiel). Die Folterengel Munkir u. Nkir befragen den Begrabenen u. thun dem Gottlosen die sogenannte Grabespein an. Thabek (d.i. Scharfrichter) ist Aufseher der Hölle. Die Dämonologie des J. beruht vorzüglich auf der älteren Idee der gefallenen Engel. Solche sind Harut u. Marut; der vorzüglichste ist Iblis, welcher sich bei der Schöpfung Adams gegen Gott empörte u. vom Himmel gestürzt wurde. Überhaupt schuf man für die besonderen Übel, Leidenschaften u. Sünden besondere Teufel, z.B. Heffas (des Trunkes), Lakus (des Kerkers), Lakis (der Neuigkeiten). Den Engeln ähnlich, aber geringer, sind die Dschin, welche nach der früheren Arabischen Religion von Gott u. weiblichen Engeln gezeugt, von Muhammed aber als erschaffen erklärt wurden, unter denen es Anhänger aller Religionen geben soll, die aber als unvollkommene Wesen nicht in die Hölle, sondern in den Mittelzustand (Barzakh) kommen. c) Der Glaube an die heiligen Schriften (el Kutub), welche von Gott durch die Propheten vom Himmel gesendet, unerschaffen sind, Verordnungen, Entscheidungen u. Verheißungen enthalten u. von dem Gotteswort (Kelam Allah) selbst verschieden sind. Es gibt deren 104, nämlich 10 erhielt Adam, 50 Seth, 30 Idris (Henoch), 10 Abraham, Moses die Thora (Taurat), David die Psalmen (Zubur), Jesus das Evangelium (Indschil), Muhammed den Koran. d) Der Glaube an die Propheten (Enbija) charakterisirt bes. die muhammedanische Offenbarungslehre u. den J. überhaupt, dessen Grundidee eine fortschreitende Heranbildung der Menschheit durch immer vollkommenere heilige Schriften u. Propheten, deren letzter u. vollkommenster Muhammed, vorzugsweise der Prophet, ist. Gott sendet sie, daß sie sein Wesen, seine Eigenschaften u. seinen Willen lehren u. die Zukunft verkünden. Sie sind rein von schwerer Sünde u. insofern sie auf Muhammed hinweisen, alle Bekenner des J., welcher daher auch Din el Enbija (Religion der Propheten) heißt. Der Grad der Prophetie (Nebuet) richtet sich sowohl nach dem Modus der Offenbarung, die verschieden ist von der höheren Eingebung gewöhnlicher Menschen im Wachen u. Träumen, als auch nach der Sendung. Es gibt nämlich 240,000, nach And. 124,000 Propheten, darunter 313 Gesandte (Rusul, Mursalin) mit besonderer Mission, 6 Gesetzgeber od. Religionsstifter (Ssahib esch-Scheriet), nämlich Adam. Noah, Abraham, Moses, Jesus, Muhammed. Die canonische Zahl der Propheten, deren Namen u. Geschichte der Koran enthält, ist 28: von Adam bis Christus; dieser war ein durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Mirjam, Tochter Imrams, geborener Mensch, welcher von Gott, als die Juden ihn kreuzigen wollten, zu sich genommen wurde, während Einer von ihnen (nach Ein. Judas) die Gestalt Jesu annahm u. gekreuziget wurde. Vgl. L. Warner, Historia quam Muhammedani de Christo tradunt, Leyd. 1643; G. L. Bauer, Was hielt Muhammed von der Christlichen Religion u.[84] ihrem Stifter, Münch. 1782; Hasse, De Muhammedo resurrectionis Christi teste, Königsb. 1803 f., 3 Bde.; Gerock, Christologie des Koran, Hamb. 1839. Die Prophetenlegende bildet einen Hauptzweig der Arabischen Literatur (s.d.), gesammelt in Rosenöl von Hammer, Stuttg. 1813, 2 Thle.; Description des monum. Musulm. du cabinet de Mr. le Duc de Blacas, Par. 1828. Nach den Propheten sind die vorzüglichsten u. verehrungswürdigsten Menschen die vier ersten Khalifen (s.d., bei den Schiiten jedoch nur Ali), die Genossen (Aßhab) des Propheten (s. Muhammed), die Weisen (Ulema), die Heiligen (Aulija, türkisch Ewlja), meist Märtyrer (Schuheda) im Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen, auf deren Gräbern thurmartige Kapellen (Turbehs) stehen, welche aber von den Wehabiten zerstört wurden. Auch Reliquiendienst entstand bald nach Muhammed, dessen Bart, Kleid etc. verehrt wird. e) Der Glaube an den Jüngsten Tag (el Jaum el aakhar) od. das Ende (el Akhiret), wo zuerst die ganze Welt, ausgenommen der Thron (Arsch) u. Thronsessel (Kurs) Gottes, der Heilige Geist (el Ruh), die Tafel (Lanhel mahfus) u. die Feder (Kalam) der göttlichen Vorherbestimmung, das Paradies u. die Hölle mit ihren Bewohnern zu Grunde geht. Dann werden die Todten aus dem Barzakh, d.h. dem Zwischenzustand zwischen Tod u. Auferstehung, mit Posaunenschall erweckt, belebt u. versammelt (in Syrien, nach And. in Jerusalem), Musterung (Hisab) der Handlungen gehalten (nach Einigen 50,000 Jahre lang), jeder examinirt u. ihm das Buch (Kitab), worin seine Handlungen verzeichnet sind, u. zwar den Guten in die Rechte, den Bösen in die Linke gegeben. Das eigentliche Gericht od. Urtheil (Hukm) geschieht durch das Wiegen der guten u. bösen Handlungen auf der Wage; die mit überwiegenden guten Werken kommen ins Paradies, die Sünder, aber Gläubigen, auf kurze Zeit, die Ungläubigen für immer in die Hölle; die mit gleichwiegenden guten u. bösen Thaten in einen Mittelzustand, aus diesem durch die Vermittelung Muhammeds ins Paradies. Das Erscheinen des Antichrist (Deddschel) geht nach Ein. dem Gerichte voran, an welchem Christus Theil nimmt. Die muhammedanische Vorstellung vom Paradies u. Hölle ist sehr sinnlich. Die Auferstandenen müssen, um zur Gerichtsstätte zu kommen, die Brücke Ssirath, welche über den Teich Haudh führt u. so schmal u. glatt ist, als das schärfste Schwert, passiren; Gläubige kommen unter Muhammeds Vortritt schnell darüber u. gehen dann ins Paradies (Dschennet Gennet, d.i. Garten), welches über den Sieben Himmeln liegt u. acht Thore hat. Zuvörderst gelangen sie an den großen Brunnen Hawus Kewser, dessen Wasser weißer ist als Milch, sein Geruch angenehmer als Moschus u. um welchen unzählige Trinkschalen stehen. Im Paradies ruhen die Seligen auf golddurchwirkten Kissen, werden von unsterblichen Jünglingen u. nicht alternden Jungfrauen (Houris) mit köstlichen Speisen u. Getränken bedient, leben ohne Sünde in ewiger Freude, genießen ungestört die Freuden der Liebe u. das Anschauen Gottes, den sie mit unaufhörlichen Preisgesängen verherrlichen. Ihr Ohr wird unaufhörlich von den Gesängen des Engels Israfil u. von den Harmonien der Bäume entzückt, denn in denselben hängen Glocken, welche ein von Gottes Thron gesendeter Wind bewegt. Jeder Selige ist u. bleibt in dem Alter von 30 Jahren u. hat 60 Ellen Länge; Kinder bekommen sie nur, wenn sie es wünschen, u. diese sind sogleich erwachsen. Unter den Bäumen ragt hervor der Tuba (Baum der Glückseligkeit), dessen Stamm im Palast des großen Propheten steht u. dessen Äste in die Wohnung jedes Gläubigen reichen u. mit allen Bedürfnissen u. Genüssen behängt sind. Aus den Wurzeln des Tuba entspringen alle Flüsse des Paradieses, welche Milch, Wein u. Honig strömen. In die Hölle (Gehennem) hinab stürzen beim Übergang über die Brücke Ssirath die Ungläubigen u. Bösen. Daselbst brennt ein ewiges Feuer (Nar), stinkende Bäche u. fürchterliche Bäume sind daselbst, unter letzteren der Zakum, dessen Früchte Teufelsköpfe sind. Der Beherrscher der Hölle ist der Strafengel Thabek; sie hat sieben Abtheilungen, zu deren jeder ein Thor führt: Gehennem im engeren Sinne, wo die sündhaften Moslemin so lange büßen müssen, bis sie vollkommen gereinigt sind; Ladha, für die Christen; Hothama, für die Juden; Sair, für die Sabier; Sakar, für die Magier u. Guebern; Gehim, für die Völker, welche eigentlich Polytheisten sind; Zaoviat (Derk Assal), die allertiefste, für die Heuchler. Andere erklären diese sieben Höllen als Straforte für die sieben einzelnen Hauptsünden, Andere als die sieben vornehmsten Glieder des Leibes, womit der Mensch sündige, u. in diesen einzelnen Höllen stehen die Strafen im Verhältniß zu den Vergehungen auf der Erde. Böse Geister schleppen die Verdammten durch Feuerströme, od. ihre Köpfe werden gesotten, od. sie müssen die Teufelsköpfe vom Baum Zakum essen, welche ihre Eingeweide zerfleischen u. dgl. f) Der Glaube an Prädestination (Kadr, Takdir) durch den absoluten Rathschluß Gottes, der das ganze Schicksal (Naßab) u. selbst die moralische Beschaffenheit des Menschen unabänderlich bestimmt. Die Bösen werden stufenweise in ihrer Sündhaftigkeit verstärkt, bis sie die höchste Strafe verdienen. Durch diese Lehre des Fatalismus pflanzten Muhammed u. seine Nachfolger ihren Anhängern fanatische Todesverachtung, Muth u. Gleichgültigkeit, aber mitunter auch Unthätigkeit in Gefahren ein, u. obwohl sie schon frühzeitig heftigen Widerspruch erfahren mußte, so blieb sie doch die herrschende, trat namentlich der Ausbildung u. Anwendung der Heilkunst hemmend entgegen, so daß erst in neuester Zeit die Quarantäne in der Türkei Eingang finden konnte, u. das Fatum turcicum ist sprichwörtlich geworden.

B) Die Sitten- od. Pflichtenlehre (Din) befiehlt gewisse äußere Handlungen als Dienstverrichtungen, durch welche sich der Gläubige (Mumin) als Gottesknecht bewährt, bei denen stets die fromme Intension sein muß, u. verbietet andere. a) Die Handlungen sind achterlei: aa) unerläßliche (Faradh); bb) erforderliche (Wadschib); cc) durch stete Ausübung des Propheten geheiligte (Sunnet); dd) beliebte (Mustahabb), die nur ein- od. zweimal geübt werden; ee) gleichgültige (Mubah, Halal); ff) verbotene (Haram); gg) verabscheuungswürdige (Mekruh); hh) die das Gebet od. andere Religionsübungen ungültig machenden (Mussid). b) Die äußeren Hauptpflichten sind fünf: aa) das Waschen (Thiharet), wozu sieben Arten von Wasser tauglich sind, u. zwar das Waschen des ganzen Körpers od. Bad (Ghoßl), nach dem Beischlaf ohne Samenerguß,[85] bei jedem Samenerguß, bei einem Todesfall; bei Weibern noch außerdem nach der Menstruation, beim Blutfluß nach der Geburt, nach dem Gebären; nach der Sunna noch an gewissen Tagen u. bei gewissen Gelegenheiten; ferner das Waschen gewisser Körpertheile (Wudhu, persisch Abdest), Reinigung (Istindscha) nach der Nothdurft; die Reinigung mit Sand (Tejemmum) im Nothfalle. Für alle diese gibt es viele besondere Bestimmungen u. Vorschriften. bb) Abhaltung des Gebets (Ikam eß-Ssalat); so heißt eigentlich nur das gebotene, täglich fünfmal (daher Khamsin, persisch Nemaz) zu wiederholende, nämlich Morgens (Ssabah), Mittags (Sahar, Thahar), Nachmittags (Aßar), Abends (Maghreb) u. Nachts (Ascha). Es besteht aus kurzen Gebetformeln. Das Gebet erfordert körperliche Reinheit, einen reinen Ort, genau die bestimmte Zeit, die stete Richtung gegen Mekka (Kiblah) u. verschiedene Stellung des Leibes u. Richtung der Hände u. Finger. Vermöge der Sunna geht dem Gebet voran das Zusammenrufen (Idsan) durch einen dazu bestimmten Ausrufer (Mueddsin, persisch Bankhzen) u. die Wiederholung desselben (Ikamet) von dem Minaret der Moschee. Jedes andere freiwillige Gebet heißt Dua (Anrufung). Man bedient sich dabei einer Art von Rosenkranz (Tesbih) von 33, 66 od. 99 Kugeln an einer Schnur, an denen man die Namen abzählt. Die frommen Reichen errichten an den Straßen Gebetsteine (türkisch Nemaz Schiak), auf welchen Hauptgebetformeln ausgegraben u. daneben Brunnen zur Reinigung sind. An den Gräbern der Kaiser u. Vornehmen sind Beter (Softa's) mit reichem Einkommen angestellt. cc) Almosen (Zekat d.i. Reinigung) od. sogenannter Zehnt (Aschr), eigentlich 1/40 jedes, nicht zur Nothdurft gehörigen Vermögensantheils von bestimmter Quantität (Nißab), nach einjährigem Besitz desselben, worüber die muhammedanischen Theologen viele casuistische Distinctionen u. Bestimmungen haben. Die freiwillige Spende (Ssadakah) an Arme ist gottgefällig, u. die eintägige Verpflegung eines Armen geschieht oft als Sündenablösung. dd) Das Fasten (Ssijam) im Monat Ramasan besteht in strengster Enthaltung von jeder Art Nahrung, Tabakrauchen, geschlechtlichem Umgang u. verschiedenen anderen Genüssen von Sonnenauf- bis Untergang. Dafür entschädigt man sich nach Sonnenuntergang durch erhöhete Genüsse. ee) Die Wallfahrt (Hiddsch) nach Mekka ist sowohl Männern als Frauen vorgeschrieben, wird aber oft durch Stellvertreter erfüllt u. hat fünf Haupterfordernisse: die Vorbereitung, das Verweilen in Arafah, das Scheren od. Rasiren der Männer in Mina, die Umkreisung der Kaaba u. das Laufen zwischen Ssafa u. Merwah, u. zwar gewöhnlich folgender Art: am 7. des Wallfahrtsmonates versammelt man die Wallfahrer (Hadschi) zur Belehrung; am 8., dem Tränktag, trinkt man aus dem Brunnen Zemzem; am 9. betet man in Arafah u. begibt sich nach Sonnenaufgang nach Mozdalisah; am 10. wird in Mina das Opfer (Kurban) geschlachtet u. ein Theil davon an Arme gegeben, nachdem man sieben Steine rücklings geworfen hat; am 11. ist Ruhetag; am 12. zieht man von Mina nach Mekka, wo man die Kaaba vom Schwarzen Stein ausgehend siebenmal umkreist. Von Ssafa nach Merwa geht man siebenmal; an der durch zwei Säulen bezeichneten Strecke aber läuft man plötzlich, die Wasser suchende Hagar nachahmend.

C) Der Cultus besteht in Gebet u. Predigt. D) Feste u. Feiertage. Der wöchentliche Feier- u. Ruhetag ist der Freitag (Jaum ol Dschema, d.i. Versammlungstag), der durch besondere Gebete u.a. ausgezeichnet ist. Hauptfeste sind: a) die beiden Eid od. Beiram (s. b.); b) die sieben heiligen Nächte (el Lajjal es Saba), die durch besondere Feierlichkeiten, Beleuchtung der Moscheen, Gebete etc. ausgezeichnet werden, an die sich gewisse Vorbedeutungen knüpfen. aa) Leilet el Maulud (Mewlud), Nacht der Geburt Muhammeds, am 12. Rebiu'l-ewwal; bb) Leilet el Raghaïb, Nacht der Empfängniß desselben, am 5. Redscheb; cc) Leilet el Miaradsch (L. el Mesra), die Nacht der Himmelfahrt Muhammeds, am 26. Redschab; der Sultan feiert sie gewöhnlich in der Moschee Aghaler-Dschami des Serails, nach dem vierten Gebet mit allen Hausbeamten u. zwei von den 14 Scheiks der kaiserlichen Moscheen, wechselweise; dd) Leilet el Berat, Nacht der himmlischen Diplome od. Privilegien, am 14. Schaaban, in Indien auch Lampen- u. Todtenfest, an welcher der Todesengel u. die beiden schreibenden Engel ihre Bücher im Archiv des siebenten Himmels (Illijun) auswechseln; ee) Leilet el Kadr (Nacht der Allmacht) od. Leilet el Tenzil (Nacht der Herabsendung des Koran), am 19. Ra: masan, die heiligste u. wundervollste von allen; Gebete, in dieser Nacht gethan, haben größeres Verdienst, als alle Gebete in 1000 folgenden Monaten. In dieser einzigen Nacht des ganzen Jahres geht der Sultan aus dem Serail, um sich in die Sophienmoschee zu begeben. Bei der Rückkehr wird ihm mit einer großen Menge von Laternen von verschiedenen Farben vorgeleuchtet, wie man sie bei der Hochzeit zu brauchen pflegt. Die Sultanin Mutter führt ihm eine noch unberührte Jungfrau zu, u. wenn diese in dieser Nacht schwanger wird, so ist es eine der glücklichsten Vorbedeutungen für den Großherrn u. sein Haus, so wie für das Reich; ff) Leilet el Id (Eid) Kubra, Nacht des großen Festes am 1. Schewwal; gg) Leilet el Id (Eid) Ssughra, Nacht des kleinen Festes, am 10. Dsul Hiddscha, an den beiden Beiram, an welchen das Gebet nicht nothwendig ist, aber dennoch gehalten wird. Den 10. Muharrem: c) das Fest der Märtyrer (Schuheda); in Hindostan: d) der Frühlingsanfang (Newrus), das Fest der Frühlingsfarbe (Besend), wo die Thiere gelb gezäumt werden. e) Rahbaund (Rhaaban), nämlich alle Freitage während der Regenzeit setzt man kleine geschmückte Nachen aus Bambusrohr mit irdnen Lampen auf den Fluß, begleitet sie beim Hinabschwimmen mit den Augen u. erwartet dadurch die Erfüllung der dabei gehegten Wünsche. Diese Votivnachen od. Eliasschiffe (Elias ki geschti) sind dem Chidhr, Genius des Wassers u. der Pflanzen, geweiht. Nach Einigen ist das Fest so v.w. das persische Berghandan, wo sich das Volk am Ende des Rhaaban dem Weintrinken überläßt. Auch der Neumond ist Familienfest, u. man gratulirt sich beim Sichtbarwerden des Mondes u. dgl. m.

E) Andere Religionspflichten. a) Der Koran verbietet den Genuß des Weines, Schweinefleisches u. Blutes. Die Thiere müssen mit einem [86] Messer geschlachtet werden, wie bei den Juden. b) Die Beschneidung, als alte, in Arabien bereits herrschende Sitte in den Koran übergegangen, gehört zu den religiösen Pflichten, findet aber im achten bis dreizehnten Jahre statt. c) Polygamie ist erlaubt, doch soll man in der Regel nur drei bis vier Weiber nehmen. F) Religiöse Moral: Ergebung, Vertrauen u. Dankbarkeit gegen Gott sind die Grundpfeiler. Im Umgang mit Menschen empfiehlt der Koran vorzüglich die Tugenden der Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Dankbarkeit, Treue bei Versprechen, Wohlthätigkeit, Gerechtigkeit, Sanftmuth, Ausdauer u. Geduld, u. verbietet streng Ehebruch, Meineid, Mord, Verläumdung, falsches Zeugniß, Wucher, Spiel u. Trunk. Über Toleranz gegen Andersgläubige finden sich, wie über andere Gegenstände, entgegengesetzte Aussprüche im Koran, welche man abrogirte (Mensukh) nennt u. die aus Mangel an chronologischer Bestimmtheit der Suren der Willkür freies Spiel lassen; die Geschichte zeigt aber den J. keineswegs als tolerant, der Krieg gegen die Ungläubigen wird der Weg Gottes genannt, u. die darin starben, sind Märtyrer (Schuhedah). G) Die Gotteshäuser der Muhammedaner heißen Moscheen, s.d. An der Spitze der Geistlichkeit steht der Musti; andere Kirchendiener s.u. Moschee. Die Geistlichkeit leitet auch den Unterricht, s. Molla, Medresse. Auch gibt es eine Art von H) Klöstern (türkisch Tekie) u. Mönchen (Fakir, Kalender, Derwisch), namentlich in Indien. Dergleichen sind die Bektaschiten, Bumieiten, Ebubuhariten, Edhemiten, Ejubiten, Hizrewiten, Kadisade (Kadizadeliten), Mimetulkiten, Onulwaniden, Sadi, Sajah (Sejab), Scheikhs, Ssabchiten, deren manche fälschlich für muhammedanische Secten gelten. I) Das muhammedanische Recht ist zunächst ein religiöses, aus gleichen Quellen (s. oben) fließendes (s. Arabische Literatur). Muhammed u. die Khalifen vereinigten die höchste geistliche u. weltliche Macht; allein bei der Ausbreitung des J-s wurden diese getrennt (s. Imam, Kadi, Ulema) u. den einzelnen Länderverfassungen accommodirt, u. selbst in der Türkei hat das ursprüngliche Gemisch von Theokratie u. Despotismus in neuester Zeit harte Kämpfe zu bestehen.

K) Geschichte u. Secten. Der Inhalt des J-s ist theils der alten Arabischen Religion, dem Magierthum, dem Judenthum (vgl. Geiger, Was hat Muhammed aus dem Judenthum genommen, Bonn 1832) u. Christenthum (s. oben), welche Muhammed durch Umgang mit Juden u. Christen kennen gelernt hatte, entnommen, theils aus Polemik gegen dieselben hervorgegangen. Das Heidenthum war durch das Eindringen der Missionen des Christenthums erschüttert, dieses selbst durch Mönchswesen u. Streitigkeiten in Zerwürfniß, die mächtigen jüdischen Stämme in Arabien außer religiösem Nexus mit ihren Glaubensgenossen, der Rigorismus des talmudischen Judenthums überhaupt abschreckend. Von Arabien, dem Durchgangspunkt des Welthandels, verbreitete sich der J., unterstützt von der Waffengewalt unter Muhammed u. den ersten Khalifen in kaum einem Jahrhundert über Persien bis gegen Indien, Syrien, einen Theil von Kleinasien, über Nordafrika nach Spanien u. befestigte sich namentlich durch die Osmanen später so, daß die gesammte Christenheit vergebliche Kreuzzüge gegen den Erbfeind unternahm. Das bedeutendste muhammedanische Reich ist jetzt die Türkei, dann folgt Persien. Die Zahl der Muhammedaner schätzt man auf 120 Millionen. In Hindostan hat der J. durch Vermischung mit indischen Lehren u. Gebräuchen eine eigenthümliche Gestalt, s. Garcin de Tassy, Mém. sur les particul. de la rel. Musulm. dans l'Inde, Par. 1831; Meer Ali Hassan, Observ. on the Mussulm. of India etc. (schiitisch), Lond. 1832, 2 Bde.; Dschafer Schuref, Qanoon-e-Islam, on the customs of Musulm. of India etc., englisch von Herklots, ebd. 1832. Unrichtig ist es aber, daß der J. an sich der Forschung Feind sei, weil Muhammed die Erörterung u. Disputation über religiöse Gegenstände verboten habe. Vielmehr erhoben sich nach den ersten stürmischen Kriegszeiten unter den Khalifen Wissenschaften u. Künste, deren vorzüglichste Träger im Mittelalter Muhammedaner u. ihre Schüler waren. Die muhammedanische Scholastik, die von der Forschung über das Gotteswort den Namen (Ilm ol Kelam) hat, war von bedeutendem Einfluß auf christliche Theologie u. Wissenschaft überhaupt (vgl. Arabische Literatur). Aber in J. gibt es auch viele Secten. Schon das erste Auftreten Muhammeds begünstigte die religiöse Polemik, u. obwohl er diese wenigstens unter seinen Anhängern selbst zu entfernen trachtete, indem er sie von religiösen Streitigkeiten abmahnte, so ist doch schon im Koran von solchen die Rede, die ihr Religion in Spalten bringen u. sectirerisch (Schii) sind. Nach der Tradition soll Muhammed, als man seiner Religion die vielen Secten zum Vorwurf machte, sich auf einen göttlichen Ausspruch berufen haben: der J. werde 72 heterodoxe u. verdammte, u. eine rechtgläubige od. entrinnende (Nadschijet) zählen. Die muhammedanischen Theologen bemühen sich nun, alle Secten u. deren Unterabtheilungen unter die canonische Zahl von 73 zu ordnen, wobei natürlich eine jede sich selbst als die einzige orthodoxe betrachtet. Die Veranlassung zur Sectirerei bot aber nicht blos abweichende Glaubensansicht, sondern auch die vereinigte weltliche u. geistliche Herrschaft (Imamat); daher viele eigentliche politische Parteien als Secten erscheinen. Schon der erste Khalif Abubekr mußte gegen Renegaten (Murtedin) ausziehen. Beim Streit zwischen Ali u. Othman entstanden die Khawaridsch od. Kharedschiten. Von den Schiiten (Ketzer im weitesten Sinne) trennten sich die Rewasidh (Ausreißer, Abtrünnige), Ketzer im engeren Sinne, n.And. blos ein Zweig der Zeidi. Erst als man mit der Cultur der Wissenschaft, namentlich der Philosophie bei den Arabern, auch die einzelnen Dogmen wissenschaftlich festzustellen suchte, schieden sich die einzelnen muhammedanischen Secten genauer, daher gilt bei Einigen Waßil Ben Atha für den ersten eigentlichen Sectenstifter. Die Namen der muhammedanischen Secten sind meist von dem charakteristischen Glaubensartikel, od. von dem Namen des Stifters, durch die Endsylbe ijja, ijjet (bei den Occidentalen iten od. aner) abgeleitet. Gewöhnlich hebt man die Annahme der Sunne als Quelle für die muhammedanische Religion als obersten Eintheilungsgrund hervor, hält die Anhänger derselben, Sunniten od. Ehles-Sunne, für die einzig Rechtgläubigen u. nennt die Läugner derselben (vorzüglich Perser) Schiiten, welches [87] Wort dann, so wie andere Sectennamen, z.B. Ghollat, Rewasidh, Khawaridsch, Muatazile, nach Sprachgebrauch der Sunniten, für Ketzer überhaupt gebraucht wird. Hingegen nennen jene Secten die Sunniten selbst Schiiten. Die Hauptstreitigkeiten beziehen sich auf die Lehre von den Attributen Gottes, Fatum od. menschliche Freiheit, Beschaffenheit der im Koran verheißenen Vergeltung im Verhältniß zur Gläubigkeit u. Tugendhaftigkeit, Ewigkeit des Korans, Rechtmäßigkeit des Khalifen u. Imam.

L) Die Quellen des J. sind vorzüglich vier: a) der Koran (s.d.); b) die Tradition von Muhammed, Sunna (s.d.); c) die von der Mehrzahl der Religionsgenossenschaft (Idschmaa ol Ummet) angenommene Satzung; d) das durch Analogie aus dem Gesetze Abgeleitete. Die späteren Einrichtungen, z.B. das Predigen in der Moschee, Reliquiendienst u. dgl. heißen schöne Neuerungen (Bidaath, Husenath). Vgl. Reland, De religione Muham., Utrecht 1705, 2. Aufl. 1717 (deutsch Hannov. 1717, englisch Lond. 1712, französisch in La rel. des Muham. etc., Haag 1720); Nikolaus de Cusa, Cribratio Alcorani; J. Andrea, De confus. sect. Muhamm. (italienisch 1540; lateinisch Utr. 1595 u. 1656); Widmann, Not. ad theol. Muhamm., Frankf. 1647; M. G. Schröder, Muhamm. testis veritatis etc., Lpz. 1718; A. Morgan, Mahommetism fully explained etc., Lond. 1783–85, 2 Bde.; Pitt, Account of the rel. ad manners of the Mahommet., ebd. 1731; J. Toland, Nazarenus, or Jew, Gentil ad Mahomet. christianity, ebd. 1738, Ali-Gier-Ber, La certitude des preuves du Mahometisme, ebd. 1780, 2 Bde.; J. White, Vergl. der christl. Religion mit der Mahomdan. etc., aus dem Engl. von Burkhard, Halle 1786; Mouradgea d'Ohsson, Tabl. gen. de l'Empire othoman, Par 1787–1820, 3 Bde. (deutsch von Chr. d. Beck, Lpz. 1788); Brequigny, Mém. sur l'établissement de la rel. et de l'empire de Mahommet im 32. Bd. der Mém. de l'acad. des inscript. (deutsch von F. Th. Rink, Frankf. a. M. 1791); Augusti, Vindiciarum Corani periculum, Jena 1803; Darstellung des Einflusses der muhammedan. Glaubenslehre auf die Völker des Mittelalters, Lpz. 1810; Ölsner, Mahommed, ou sur l'influence de l'Islam, Par. 1807 (deutsch Frankf. a. M. 1810); Cludius, Muhammeds Rel. etc., Alt. 1809; Misheat ol Masabih, engl. als Coll. of traditions etc. von N. Mathews, Talc. 1809, 2 Bde.; Hamaker, De rel. Muhamm. etc., Leyd. 1818; Mill, Hist. of Muhamedism, Lond. 1818 (franz. Par. 1825); Garcin de Tassy, Exposition de la foie Musulmane, Par. 1822; Dess., Doctrine et devoirs de la rel. musulm., aus dem Arab., Par. 1826; S. Lee, Controv. tracts on Christianity on Mahomedism, transl. etc., Cambridge 1824; Alex. Müller, Der Koran u. die Osmanen, Lpz. 1826 f.; W. A. Neale, Mohamm. syst. of theol. contrast. with Christ., Lond. 1828; Ch. Foster, Mahomet. unveiled etc., ebd. 1829; W. C. Taylor, Hist. of Muhammedanism etc., ebd. 1831 (deutsch Lpz. 1837); Döllinger, Muhammeds Religion etc., Münch. 1838; Vincent, Etudes sur la loie musulmane etc., Par. 1843; Weil, Muhammed der Prophet, sein Leben u. seine Lehre, Stuttg. 1843; Bernstein, De initiis et origine relig. in Oriente, Berl. 1817; Taylor, Hist. of Mahommed and its sects, Lond. 1831 (deutsch Lpz. 1837); Schmölder, Essai sur les écoles philos. chez les Arabes, Par. 1842

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 84-88.
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