1. Alt kirchen haben dunckel gläser (Fenster). – Franck, II, 55a; Tappius, 55; Eyering, I, 49 u. 503; Petri, II, 11; Henisch, 768, 3; Lehmann, 7, 22; Gruter, I, 4; Schottel, 1113a; Sutor, 888; Sailer, 193; Mayer, I, 20; Braun, II, 42; Reinsberg II, 122.
Holl.: Oude kerken hebben donkere glazen. (Harrebomée, I, 394b.)
2. Alte Kirchen, dunkle Fenster (Gläser). – Simrock, 5663; Körte, 3403; ostfriesisch bei Bueren, 957.
Von alten Kirchen, alten Menschen und auch alten mit allerlei Menschensatzungen angefüllten Glaubenssystemen.
3. Alte Kirchen haben gut geleut. – Lehmann, 9, 65 u. 147, 98b; Simrock, 5664.
4. Alte Kirchen haben gute Glocken.
Alter Leute Rede soll man beachten.
Böhm.: Staré chrámy dobré zvony maji. (Čelakovsky, 284.)
5. Auch in der Kirche gibt's Spinneweben genug.
Holl.: In de kerken wast ook wel spinrog. (Harrebomée, I, 399a.)
6. Auf welche Kirche du kommst, deren Gewohnheit halte. – Eiselein, 377.
7. Auss der Kirchen in die Küchen vnd auss der Küchen in die Kirchen. – Gruter, III, 7; Lehmann, II, 36, 74.
8. Ausser der Kirche kein Heil.
So lehrt die Kirche, welche behauptet, im Alleinbesitz des richtigen Wegs zum Heil zu sein.
Dän.: Uden kirken ingen salighed. (Prov. dan., 345.)
Frz.: Hors de l'église il n'y a point de salut. (Kritzinger, 381a.)
9. Bâr in d'r Kerche störbt, werd ömsûst begrabe. (Meiningen.) – Frommann, II, 409, 42.
10. De Kark îs kên Hâs. (Rendsburg.) – Hochdeutsch bei Simrock, 12359a.
Will sagen: Man habe dahin nicht zu eilen, sie laufe nicht davon wie ein Hase.
Holl.: De dominé is geen eendvogel en de kerk geen kikvorsch; de een zal mij niet ontvliegen en de ander niet ontspringen. – De dominé is geen windhond en de kerk geen haas; zie loopen niet weg. (Harrebomée, I, 142a.)
11. De Kerch is kâ Frosch, die huppt net wack. – Lohrengel, II, 93.
12. De Körch ös ut Têgel on Kalk, on de Diewel öss e Schalk. – Frischbier2, 2026.
13. De larrelter Kark, de hangt vull Krallen, vull Klinkerklare, rosinrode Bloodskrallen. – Kern, 38.
Ein Spruch, den sich die Kinder in Ostfriesland zum Nachsprechen aufgeben und den Nichtostfriesen selten zum ersten mal richtig und geläufig über die Zunge bringen. Klinkerklar = hell und klar, altniederländisch klinkklar, wie »hell« mit »hallen« auch den »klingenden« Ton; dann auch der Glanz. Larrelt ist ein Kirchdorf bei Emden.
14. Der Kirche den Bann, der Obrigkeit das Schwert, den Eltern die Ruth. – Petri, II, 97; Henisch, 185, 52; Sailer, 96.
15. Der Kirchen Gebet thut mehr bei der Regierung, denn das Schwert der Obrigkeit. – Petri, II, 98.
16. Die christliche Kirche verfolgt niemand, sie wird verfolgt. – Opel, 393.
17. Die erste in der Kirche, die letzte beim Tanz, sind zwei Blumen im Mädchenkranz. – Reinsberg I, 82.
18. Die erste Kirche hatte hölzerne Kelche und goldene Priester, die neue Kirche hat hölzerne Priester und goldene Kelche.
Die Russen: Das alte Kloster hatte ein hölzernes Ikonostas und einen goldenen Igumen (Abt); das neue Kloster hat einen hölzern Igumen und ein goldenes Ikonostas. (Altmann VI, 418.)
19. Die heilige römische Kirche hat den Kerbzettel der Zehngebote verschnitten. – Eiselein, 390.
[1336] 20. Die in der Kirche die grössten Kreuze machen, sind nicht allzeit die Frömmsten.
21. Die Kirch ist Christi Burg, Schloss vnd Kammer, da er wohnet. – Petri, I, 25.
22. Die Kirch ist an dem orth, da wird des hirten Stimm gehort. – Petri, I, 42.
23. Die Kirch steht nimmer arger, als wenn sie ruhe vnd fried hat. – Petri, I, 26.
Die sie also bekämpfen, sind ihre wahren Freunde.
24. Die Kirche dürstet kein Blut. – Bodemeyer, 581; Graf, 549, 93.
Wenn dem so ist, dann hat sie es nach dem Zeugniss der Geschichte ohne Durst getrunken.
25. Die Kirche geht vor.
Frz.: L'église va devant. (Kritzinger, 262a.)
26. Die Kirche gestattet kein Unrecht. – Lünig, I, 246; Graf, 548, 72.
Ihr idealer Zweck ist die Heiligung ihrer Glieder, also der Kampf gegen das Unrecht.
27. Die Kirche hält kein Gericht über das, was heimlich geschieht. – Binder II, 714; Schamelius, 30, 9.
Lat.: De occultis non judicat Ecclesia. (Schamelius, 30, 9.)
28. Die Kirche hat alleweg den Vorrang. – Eiselein, 376; Simrock, 5685.
Nach Montalembert muss die Kirche Königin sein, wenn sie nicht nichts sein soll.
29. Die Kirche hat einen Straussenmagen, sie kann die härtesten Dinge vertragen.
30. Die Kirche hat 'n guten Magen, sie verdaut Länder mit Sporen und Kragen. Vgl. Goethe's Faust 1. Th. (Hempel's Ausg. XII, 92): »Die Kirche hat einen guten Magen, hat ganze Länder aufgefressen, und doch nie sich übergessen.«
Die Spanier haben den Spruch: Der Geiz hat einen Mann erschlagen und hat sich in die Kirche gerettet, und wohnt nun drin seit jenen Tagen. (Westermann's Monatshefte, IV, 587.)
31. Die Kirche hat viererlei Waffen: Gottes Wort, Glaube, Gebet und Geduld.
Es fehlt nicht an Schriftstellern, die noch andere Waffen der Kirche kennen wollen, z.B. Llorente, welcher berechnet, dass allein in Spanien von 1481-1808 von der Inquisition über 341000 Personen bestraft, davon 31912 wirklich, 17669 im Bildniss verbrannt und 291456 mit strengen Bussstrafen belegt worden sind; an Schriftstellern, welche von allerhand Folterwerkzeugen reden, die sich vom Glauben und Gebet stark unterscheiden. Auch in neuester Zeit erwähnt Proudhon noch einer besondern Waffe der Kirche, die aber vielleicht nur eine Erscheinungsform der Geduld ist und zwar in seiner Schrift: Die Gerechtigkeit in der Revolution und in der Kirche, übersetzt von L. Pfau (Hamburg 1858), wo es (S. 33) heisst: »Wie das Schilf der Fabel biegt sie und bricht nicht. Vor der politischen Macht duckt sie und dauert; vor der Philosophie duckt sie und dauert; vor der Wissenschaft duckt sie und dauert; vor der Reform duckt sie und dauert.« Das »Ducken« zu rechter Zeit scheint die fünfte, vielleicht die wirksamste ihrer Waffen zu sein.
32. Die Kirche hört nie auf Erbe zu sein. – Graf, 543, 43.
Sie, die meist so verächtlich auf die irdischen Güter herabsieht, hat es sehr gern, wenn ihr dieselben zugewandt werden; sie kann deren nicht genug haben, und ihre Diener sind in der Wahl der Mittel, sie zu erwerben, nicht gerade immer sehr peinlich. »Die kirch nimmermehr auffhört eyn erb zu sein.« (Lünig, I, 246.)
33. Die Kirche ist auf Blut gegründet, im Blute gewachsen und aufgewachsen und im Blute wird sie endigen.
Lat.: Sanguine fundata est ecclesia, sanguine crevit, sanguine succrevit, sanguine finis erit.
34. Die Kirche ist des Priesters Gattin. – Graf, 536, 21.
Die Weihe, die dem Priester zum Kirchenamte beruft, begründet nach Ansicht der katholischen Kirche eine geistige Ehe zwischen ihm und der Kirche, in welcher er amtirt. Daraus erwächst die Pflicht, am Orte der Kirche zu wohnen, und die rechtliche Unmöglichkeit, mehrere Pfründen zugleich zu besitzen, weil dies eine geistige Doppelehe sein würde. Da die Kirche des Priesters Gattin ist, so kann er nach dieser Logik keine wirkliche Frau haben, er lebte sonst in einer Doppelehe. Die Angelsachsen: Cirice is mid rihte sacerdes aewe. (Schmid, 528.)
35. Die Kirche ist die Mutter des heiligen Reichs. – Graf, 535, 1; Klingen, 10a, 2.
»Da sich das deutsch-römische Reich als die Gemeinschaft der Christenheit in ihren äussern Beziehungen auffasste, verschmähten es manche Kaiser nicht, auf Betrieb der geistlichen Würdenträger die Krone wie ein Lehn aus den Händen des Papstes entgegenzunehmen und die Kirche als Mutter des Reichs anzuerkennen.« Der Kirche fehlt es bei aller Demuth, die sie[1337] predigt, nicht an Selbstbewusstsein; sie hält sich nicht nur für die Mutter des gestorbenen heiligen Reichs, sondern auch für die Quelle der Wissenschaft und Bildung. In der Sitzung der katholischen Vereine Deutschlands (in Frankfurt a.M. am 24. Aug. 1863) sprach sich Professor Hettinger aus Würzburg dahin über die Kirche aus: »Die Kirche hat alle Wandlungen überlebt und wird alle überleben. Keine Religion hat die Stürme der Zeit überlebt, keine die Kritik der Philosophie ausgehalten; die katholische Kirche hat alles überdauert, die zerstörende Zeit und die Kritik der Philosophie. Descartes, Galilei, Newton sind gekommen mit ihren Naturgesetzen; die Kirche scheint mit ihnen neu aufzuleben. Die Kirche wird ewig leben, weil sie den Begriff erfüllt, der in dem Worte Civilisation liegt. Civilisation ist ein lateinisches Wort, und sie finden es bei keinem lateinischen Schriftsteller. Es kam erst von den Mönchen, denn die Mönche waren die Verbreiter der Civilisation. Die Kirche war der Quell aller modernen Wissenschaft; die erste Universität und jetzt noch die grösste, Paris, ging von der Kirche aus. Von der Kirche wurde der Grund zur Repräsentativverfassung gelegt. Schon im 13. Jahrhundert sagte Thomas von Aquino: ›Es ist gut, wenn alle an der Regierung theilnehmen.‹« (Breslauer Zeitung, 1863, Nr. 457, S. 2386.)
36. Die Kirche ist kein Casino.
Kroat.: Cerkva je, da se Bog moli, a ne da se u njoj zbori.
37. Die Kirche ist kein Frosch, sie hüpft nicht fort.
Damit entschuldigen sich diejenigen, welche es mit dem Kirchenbesuch nicht eilig haben. Die Dänen haben ein ähnliches Wort, um ihr Nichtgehen zu entschuldigen.
Dän.: Kirken er et gammelt huus og fanden en skalk.
38. Die Kirche ist nie so voll, dass für den Pfarrer kein Raum mehr wäre.
Dän.: Kirken er aldrig saa fuld, at jo præsten har rum. (Prov. dan., 344.)
39. Die Kirche ist von Kalk, wer hineingeht, ist ein Schalk. (Niederlausitz.)
40. Die Kirche laichet in Noth auch mit Ketzern. – Eiselein, 376.
»Siehe die Klöster im Bunde mit den reformirten Aristokraten in der Schweiz.« (Klosterspiegel, 31, 18.)
41. Die Kirche leiht sich allen und ergibt sich keinem.
Wird in einem Leitartikel der Berliner Volkszeitung (1859, Nr. 170) näher ausgeführt.
42. Die Kirche muss allzeit Oberhand behalten. – Eiselein, 377.
43. Die Kirche muss (mitten) im Dorfe bleiben.
Warnung vor Ueberstürzung.
44. Die Kirche rupft die Lebenden und schiert die Todten. – Altmann VI, 449.
45. Die Kirche segnet nur die, die sie segnen.
Der Pater Ventura sagte in einer seiner Reden schon vor 1848: »Die Kirche ward sonst von den Fürsten unterstützt; jetzt wollen oder können sie nichts mehr thun; wir werden daher die Demagogie taufen.« (Neue Oderzeitung, Breslau 1851, Nr. 529.)
46. Die Kirche vergiesst kein Blut. – Blumer, I, 92; Graf, 549, 93.
Zwar scheute die Kirche das Blutvergiessen so sehr, dass sie den Mönchen zu arzneien verbot; aber es fehlte ihr, wie die Inquisitionsgeschichte haarsträubend beweist, nicht an Mitteln, welche das Schröpfen und Aderlassen ersetzen. Hat sie selbst kein Blut vergossen, so hat sie es in Strömen vergiessen lassen, und statt Menschen zu schlachten, sich begnügt, sie zu verbrennen. (Weckherlin, Gr. Ung., X, 24.)
47. Die Kirche wird durch den Heiligen Geist regiert.
Auch die Königin Christine von Schweden, die ihren Thron verliess und in Rom als Privatperson lebte, schrieb an den Bischof Burnet in England: Es könne nicht anders sein, als dass die Kirche durch den Heiligen Geist regiert werde, denn sie habe vier Päpste in Rom erlebt, von denen sie schwören könne, dass kein einziger derselben gesunden Menschenverstand gehabt habe. (Mayer, I, 30.)
48. Die Kirche wird nicht in Anschlag gebracht. – Eisenhart, VIII, 4b; Simrock, 5686; Eiselein, 377.
Wenn der Besitzer eines Dorfs, worin eine Kirche ist, dasselbe verkauft, so entsteht die Frage, ob bei Bestimmung der Kaufsumme die Kirche mit in Anschlag gebracht werden soll, was freilich nach dem katholischen Kirchenrecht nie der Fall ist, weil danach die Kirchen als res sacra kein Gegenstand bürgerlicher Geschäfte sind, aber bei den Protestanten Zweifel erregen kann. Das Sprichwort verneint die Frage ebenfalls, welchen Einschränkungen indess diese Verneinung unterliegt, ist in Eisenhart (a.a.O., 2) nachzusehen.
49. Die Kirche ziert der Altar, den Markt die Waar', den Acker das Getreid', den Degen die Scheid', das Pferd ziert der Zaum, das Kleid der Saum, den Garten die Blum', den Mann ein ehrlicher Ruhm. – Parömiakon, 3238.
[1338] 50. Die Kirchen machen die Stadt berühmter als die Priester.
51. Drei Kirchen auf Einem Kirchhof, drei Schlösser auf Einem Berge, drei Städt' in Einem Thal ist der gantz Elsass überall. – Berckenmeyer, 228.
Nach Berckenmeyer (228) standen auf dem Kirchhofe zu Reichenweier drei Kirchen, zu Rappoltsweier drei Schlösser; und als die drei Städte in einem Thal nennt er Kaisersberg, Ammerwihr und Kimshaim.
52. Drêmal um de Kark is so gôd as ênmal drin. – Goldschmidt, 58.
Dreimal um die Kirche gehen, ist so gut, wie einmal hinein.
Holl.: Driemal rondom de kerk is zoo goed als ééns daarin. (Harrebomée, I, 393b.)
53. Eine kleine Kirch' sei jedes Haus, nicht Böses darin und Gutes komme draus. – Hertz, 24.
Hausinschrift in Basel.
54. Es gehen viele in die Kirche, die nicht beten wollen.
Lat.: Non orat semper stans intra templa frequenter. (Binder II, 2205; Neander, 295.)
55. Es hat jeder eine Kirche in seiner Brust. – Reinsberg II, 2.
56. Es is selten a Kirchen, wo kan' Mess' g'lesen wird. (Steiermark.)
Selten ein Haus, in dem es keinen Zank gibt.
57. Es ist dafür g'sorgt, dass de Kirch im Dörfle bleibt. (Ulm.)
58. Es ist kein Kirch so klein, sie tregt jhr eigen Creutz. – Henisch, 622, 51.
59. Es ist keine Kirche so klein, des Jahres muss einmal Kirmess drin sein. – Simrock, 5696.
Böhm.: Není toho kostelíčka oby v nĕm jednou do roka posvícení nebylo. (Čelakovsky, 388.)
60. Es ist keine Kirche so schön und keine Kutte so fromm, der Teufel hat auch sein Plätzlein drin. – Klosterspiegel, 9, 10.
61. Finster kirchen, lichte hertzen; helle kirchen, tunckel hertzen. – Luther's Ms., S. 3.
»Das gemein Sprichwort ist: die alten haben finstere Kirchen vnd lichte Hertzen gehabt, jetzt haben wir schön, gross Licht, gemahlte Kirchen, aber finstere Hertzen.« (Aventin, CCCVIa.)
Dän.: Fordum vare mørke kirker, lyse hierter; træ kalke, gyldene præster. – Først vare faa stifter, kirker og klostere, men mange Christne, men nu mange anderledes. (Prov. dan., 345.)
62. Finstere Kirchen, lichte Herzen; hölzerne Kelche, goldene Pfaffen. – Eiselein, 377; Sailer, 234; Simrock, 5665; Körte, 3404 u. 4247.
D.h. in finstern Gebäuden der öffentlichen Gottesverehrung; aber eine finstere Kirche (Religionsgemeinschaft mit ihrem Glaubenssystem) dürfte sich wol kaum viel lichter Herzen zu erfreuen haben.
Frz.: Évêque d'or, crosses de bois; crosses d'or, évêque de bois. (Körte, 3404.)
63. Für der Kirchen Christi hat mancher frecher Reuber müssen absatteln. – Henisch, 599, 25; Petri, I, 40.
64. Gegen die herrschende Kirche ist jeder tolerant. – Altmann VI, 471.
Man verfolgt immer blos die Schwachen.
65. Goldene Kirchen, hölzerne Herzen. – Blum, 81; Pistor., X, 5; Simrock, 5666.
Wo trotz aller äussern Pracht, trotz der Mitwirkung aller schönen Künste zur Erhebung des Herzens für religiöse Weihe, wo trotz aller die Sinne berauschenden Ceremonien der Geist fehlt, der Geist der Wahrheit und des Lichts, da ist aller Gottesdienst eitel. Die Pracht der Kirchen, die das Sprichwort besonders im Auge hat, schreibt sich ganz besonders aus dem 11. Jahrhundert her. Ein Mönch von Chaisedieu, Namens Guinamand, war zu jener Zeit einer der grössten Künstler in der Sculptur; aber der einfach schöne Geschmack griechischer Baukunst war bereits dahin und Liebhaberei an Buntem und Ueberladenem hatte jenem den Rang abgewonnen. Noch im 18. Jahrhundert glaubte man, diejenigen Kirchen seien die wahrhaft schönsten, in denen eine Menge Goldes und Farben aller Art verschwendet waren. Als der bekannte Dichter D. Schubart von dem Prälaten von Ottobeuren in Schwaben gefragt wurde: »Nun, Herr Professor, wie gefällt ihnen unser Gotteshaus?« antwortete er daher: »Wie ein geputztes Bauernmädchen an der Kirchweih, die sich mit allerlei Spitzen und gefärbten Bändern umhängt hat.« (Wagenseil, 285.)
It.: Gran chiesa e poca divozione. (Bohn I, 100.)
[1339] 66. Grosse Kirchen, fette Pfaffen.
67. Grosse Kirchen, grosse Creutz. – Petri, II, 359; Henisch, 622, 65.
68. Grosse Kirchen, kleine Heiligen. – Eiselein, 376; Simrock, 5667; Braun, I, 1851.
69. Had de Kêke an Hebèghe?1 woare, enee2? (Franz. Flandern.) – Firmenich, III, 697, 9.
1) Wäre die Kirche eine Herberge, ein Wirthshaus.
2) D.i. Gelt, ist es nicht so.
70. Ich gehe täglich in die Kirche, wann wird die Kirche zu mir kommen?
Die Neger in Surinam, um zu sagen: So oft schon habe ich dich besucht, wann wirst du einmal mich besuchen?
71. In alten Kirchen ist das beste Geleut. – Gruter, III, 54; Lehmann, II, 283, 41.
Oft auch das meiste Geklingel.
72. In den kirchen kanst du nicht bessers finden, denn das die bild nicht scheyssen künden; wenn sye koth möchten von sich treyben, möcht nymands vor gestanck dorinn bleyben. – Werdea, Aiij.
73. In der kirch andächtig vnd mildt, in dem feld männlich vnd nicht zu wildt, am tisch züchtig vnd eingezogen, im beth freundlich, darnach der ruh gewogen. – Gartner, Dicteria prov. (Frankfurt 1585), Bl. 70b; Latendorf in Jahrb., S. 264; Lehmann, II, 279, 49; Sutor, 559.
Lat.: In templo fac sis humilis, campoque virilis, in mensa virgo, sed lecto rusticus esto. (Sutor, 559.)
74. In der kirch ist gewohnheit, kein warheit. – Lehmann, 318, 69.
75. In der Kirche gebetet von Herzensgrund, im Bade gesorgt, dass der Leib gesund. – Wenzig, S. 83.
76. In der Kirche gibt es wol viel Zuchtmeister, aber wenig Väter. – Petri, I, 61.
77. In der Kirche ist niemand schuldig um eigenen Lohn zu streiten. (S. ⇒ Altar 8.) – Graf, 544, 60; Hug, 34.
78. In der Kirche lernt man die Leute nicht so gut kennen wie auf dem Markte. (S. ⇒ Handel 26.)
79. In der Kirche spricht Gott zu uns durch die Predigt und wir zu ihm im Gebet.
Dän.: I kirken taler gud til os ved praddiken, og vi til hannem i bøn og sang. (Prov. dan., 345.)
80. In der Kirche und im Wirthshause sind wir alle gleich. (Prag.) – Allg. Anzeiger der Deutschen, 1841, Nr. 119.
81. In der Kirche und in der Schenke sind die Leute gleich. (S. ⇒ Schenke.)
Böhm.: V kostele a hospodĕ pána není. (Čelakovsky, 326.)
82. In der Kirchen andechtig, zu Hoff prächtig, in Sachen richtig, bey Herrn vürsichtig, am Tisch frölich, im Bett freundlich; wer diese sechs stücke helt, derselb Gott vnnd Menschen gefelt. – Gruter, III, 54; Lehmann, II, 283, 45; Petri, II, 402; Henisch, 1364, 38.
Böhm.: V kostele se modliti a v lázni zdrávo jest se mýti, na trhu potřebí kupovati a tobolky chovati. (Čelakovsky, 262.)
It.: In chiesa co' santi, e all' osteria co' ghiotti. (Cahier, 2856.)
83. In der kleinsten Kirche bekommt man den vornehmsten Ablass. – Parömiakon, 121.
84. In der sichtbaren Kirche sind die wahren Christen fast unsichtbar. – Opel, 394.
85. In die Kirche gehört keine Krämerei.
Lat.: E templo gentes Christus percussit ementes. (Loci comm., 23.)
86. In die Kirche geht man, wenn man will; aufs Gericht (aufs Rathhaus), wenn man muss.
Böhm.: Do kostela kdy chceš, a na radnici (před soud) musíš. (Čelakovsky, 363.)
87. In die Kirche kann man einen nöthen, aber nicht zum Lieben und zum Beten.
88. In die Kirche will mancher nicht speien, aber er schmeisst aufs Altar. – Winckler, X, 59.
[1340] 89. In einer alten Kirche geschehen mehr Wunder als in einer neuen. – Parömiakon, 1539.
Oder sind vielmehr geschehen, weil die alten Kirchen die alten wunderreichen Heiligen zu Schutzpatronen haben, während die neuen nur mit jungen Heiligen bedacht sind, denen das Wunderthun in dem lichten Jahrhundert, bei den fortgeschrittenen Naturwissenschaften und der bessern Bildung des Volks weit schwerer wird.
90. In jeder Kirche Gottes hat der Teufel seinen Altar.
91. In jeder Kirche hängen drei Glocken; die erste ruft fein: Gern Wein! Die andere stärker: Wer zahlt? Die dritte brummt: Die Bauern!
92. In solche Kirchen gehören solche Heiligen. – Petri, II, 406; Lehmann, 327, 32.
93. Inn den Kirchen andechtig, am Tisch frölich, auff der Gassen züchtig, im Betthe freundlich, inn Sachen redlich, bey grossen Herren fürsichtig; wer diese Dinge helt, Gott vnd den Menschen wolgefellt. – Latendorf II, 18 u. 56.
94. Ist die Kirch schon gross, singt der Pfaff darumb gleichwol nit mehr als er kan. – Lehmann, II, 279, 61.
Engl.: The church is not so large, but the priest may say service in it. (Bohn II, 79.)
Holl.: Al is de kerk groot, de paap predikt maar aan één einde. – Al is de kerk groot, de paap zingt niet meer, dan hij vermag. (Harrebomée, I, 393a.)
95. Ist die Kirche noch so voll, der Pfarrer predigt nur, was er weiss. – Schlechta, 193.
96. Je dichter (näher) bî de Karke, je later darin. – Frommann, VI, 284; Firmenich, III, 26, 19.
97. Je mehr die Kirch bedrengt wird, je herrlicher sie siegt. – Petri, I, 57.
98. Je mehr Kirchen vnd Altar, je mehr Götzendienst. – Franck, Zeytbuch, I, LVIa.
99. Je näher der Kirche, je später hinein. – Petri, II, 395; Pauli, Postilla, 154a; Gaal, 1014; Eiselein, 377; Simrock, 5668; Körte, 3407; Braun, I, 1853.
Ein stets und überall sich bewährender Erfahrungssatz. Sie glauben stets noch zur rechten Zeit zu kommen.
Böhm.: Poslední do chrámu bývá, kdo pod zvonicí přebývá. (Čelakovsky, 9.)
Dän.: Jo nærmere kirken, jo seenere dertil. (Prov. dan., 345.)
Holl.: Hoe nader bij de kerk, hoe later en zeldzamen daarin. (Harrebomée, I, 394a.)
Kroat.: Blizu cirkve dalko od boga. – Koi je najbliže cirkve, k meší zadnij dojde. (Čelakovsky, 9.)
Lat.: Proximus ecclesiae semper vult ultimus esse. (Binder I, 1441; II, 2684; Neander, 299; Eiselein, 377; Seybold, 462.)
Poln.: Ostatni do kościota bywa, kto pod dzwonicą mieszkiwa. (Čelakovsky, 9.)
Ung.: Ki a' templomhoz közel lakik, legutólsó benne. (Gaal, 1014.)
100. Je näher der Kirche, je weiter von Gott. – Eiselein, 377; Simrock, 5669; Körte, 3406c; Braun, I, 1854.
So sagt der protestantische Brite und Deutsche; der Katholik: Je näher Rom, je schlimmerer Christ; die Geschichte aber: Je mehr Glaube und positiver Religionskram, desto schlechter die Nation. (Vgl. J. Weber, Die Möncherei, Stuttgart 1820, III, 2, 393.) Schon der Prophet Hoseas (8, 14) klagt: »Israel vergisst seines Schöpfers und baut – Kirchen.«
Engl.: The nearer the church, the farther from God. (Bohn II, 79; Eiselein, 377; Gaal, 1014.)
Frz.: Près de l'église et loin de Dieu. (Bohn I, 46; Lendroy, 926; Leroux, I, 15; Kritzinger, 262a; Gaal, 1014.)
Holl.: Nabij de kerk en ver van God. (Harrebomée, I, 394b.)
It.: Vicino alla chiesa, lontan da Dio. (Bohn I, 132.)
101. Je näher der Kirchen, je böser Christ. – Henisch, 601, 66; Petri, II, 395.
102. Jede Kirche ist in Gottes eigenem Frieden. (S. ⇒ Gottesfriede.) – Graf, 497, 90.
Die Angelsachsen: Aelc cirice is mid rihte on Cristes âgenan gridhe. (Schmid, 20, 1.)
103. Jeder hat eine Kirche in seiner Brust.
Dän.: Der er kirke i hver mands bryst. – Hver siunger og ringer som hannem magt paaligger. (Prov. dan., 93.)
104. Keine Kirche so klein, der Teufel baut eine Kapelle daneben.
Das mag noch sein; aber oft nistet er gar mitten hinein in die Kirche, legt seine Eier ins Innere derselben, wie der Sandfloh in Fersen und Fusssohlen, dass Geschwüre entstehen und ganze Glieder abgelöst werden müssen.
Böhm.: Není toho kostelíčka, aby nebylo, kázaníčka (aby čert nemĕl svou kapličku). (Čelakovsky, 388.)
[1341] 105. Kerken gaen un Köken staen kranket nich. – Gülden ABC, S. 1029.
106. Kirche, Meer oder Königshaus, wähl' dir eins, so kommst du aus.
Span.: Iglesia, ó mar, ó casa real, quien quiere medrar. (Bohn I, 225.)
107. Kirche, Meer und Könighaus geben die besten Dienste.
108. Kirchen bestelen hat grosse Verantwortung. – Petri, I, 69.
109. Lass die Kirche im Dorfe stehen! – Simrock, 5688.
Frz.: Il faut mettre le clocher au milieu de la paroisse.
110. Man muss die Kirche lassen, wo sie steht.
In Schwaben: Ma muass no au d' Kirch beim Dorf lasse. – In Wurmlingen: Man muss d' Kilk im Doarf laun. (Birlinger, 297.) – Man muss es beim Alten lassen, an eingeführten Gebräuchen nicht ändern, will das Sprichwort sagen.
Dän.: Lad kirken staae midt i byen. (Prov. dan., 345.)
Engl.: Let the church stand in the church-yard. (Bohn II, 79.)
Holl.: Laat de kerk in het midden van het dorp staan. (Harrebomée, I, 394a.)
111. Mancher nimmt die Kirche mit dem Pfaffen und bedenkt nicht, dass ein Ziel gesetzt ist, da er zahlen soll.
112. Mer muss di Kirch' ban Dorf lass'n. (Franken.) – Frommann, VI, 318, 224.
In Westfalen: Me mot de Kearke im Doerpe loaten. Keine fremden Gebräuche einführen, nichts Auffallendes thun, nichts übertreiben.
113. Nah bei der Kirch', nah bei der Höll'. – Birlinger, 308.
114. Neue Kirchen und neue Schenken (Wirthshäuser) stehen selten leer. – Eiselein, 371; Simrock, 5673.
115. Nymand sol der kirchen geben vnd syn kind enterben. – Hug, 37; Graf, 543, 44.
Dennoch geschieht es oft, dass jemand sein Vermögen zum Nachtheil seiner bedürftigen Verwandten Kirchen und Klöstern vermacht.
116. Olde Karken, dunkel Fensters. – Hauskalender, I.
117. Reiche Kirche, arme Bauern. (Altbaiern.)
118. Und ist die Kirche noch so gross, der Pfaff' singt nur, was er weiss (kann). – Körte, 402; Simrock, 5675.
119. Uns Kerk steit up'n Burmeiste sîn'n Rock, sagen die zu Teterow.
Unsere Kirche steht auf des Bürgermeisters Rock. Zur Erklärung dient folgende Sage. Da die Kirche in Teterow mitten auf dem Markte, gerade vor der Strasse stand, die vom rostocker zum malchiner Thore führt, so beschlossen die Teterower, welche dies unbequem fanden, Walzen unterzulegen und die Kirche ein Stück fortzurollen. Der Küster sollte den umgelegten Strick vorn ziehen und der ganze Magistrat wollte nachschieben. Allen sonstigen Einwohnern wurde aber bei Todesstrafe verboten, ihre Häuser zu verlassen, damit nicht, wenn die Kirche etwa umfalle, jemand zu Schaden käme. Als alles bereit war, fiel dem Küster ein, er wisse nicht, wie weit die Kirche solle. Daran hatte niemand gedacht; aber der Bürgermeister zog schnell seinen Rock aus, warf ihn vor der Kirche auf die Erde und sprach: »So just bis hier über den Kragen weg!« Da er jedoch wieder auf seinen Posten ging, nahm der Küster den Rock und trug ihn heim, indem es ihm leid that, dieses schöne Kleidungsstück unter der Kirche verkommen zu lassen, während er nur einen sehr abgeschabten Rock besass. Im Nu war er wieder zurück, gab das Zeichen zum Schieben und schrie nach einigen Rucken: »Halt, wir sind schon drüber weg!« Er meinte über den Rinnstein; der Bürgermeister aber dachte, über den Kragen und jammerte über den Verlust seines Rocks. (Reinsberg VII, 128.)
120. Vorbei an Kirche und Schulhaus geht der nächste Weg ins Zuchthaus.
121. Vorzeiten waren finstere Kirchen, aber lichte Hertzen, Höltzinn Kelch, aber güldene Pfaffen. – Lehmann, II, 794, 161.
122. Wär nich gären nâ'r Kerken geit, dän âk Godes Sâgen feilt. – Schambach, II, 554.
Scheint sagen zu wollen, dass dem, der die Kirche nicht besucht, also den Segen des Geistlichen nicht erhält, auch der Segen Gottes fehle.
123. Was hilffts, dass die Kirch gross ist, der Kantor singt gleichwol nicht mehr, denn er kann. – Petri, II, 599.
[1342] 124. Was hilffts, dass die Kirch gross ist, wenn kein Volk hinein kompt. – Petri, II, 599.
125. Was man an Kirchen und Schulen erspart, führt der Teufel sonst weg.
Lat.: Subtractum Christo lucrum fit ditis averni. (Seybold, 585.)
126. Was man denket an den Kirchen zu ersparen, das kömpt doch an Galgen. – Spangenberg, 26b.
127. Was müssen wir der Kirche Gottes halber leiden, rief der Abt, als ihm das gebratene Huhn die Finger versengte. – Eiselein, 377; Hoefer, 7; Klosterspiegel, 23, 4.
128. Wenn die Kirch hunger vnd kummer leiden muss, so stehets vmb sie am allerbesten. – Henisch, 328, 58.
129. Wenn die Kirche fertig ist, gehört sie dem Priester. – Graf, 537, 40.
D.h. sie darf für andere als kirchliche Zwecke nicht verwandt werden.
Holl.: Als de kerk gemaakt is, behoort ze den priester toe. (Harrebomée, I, 393a.)
130. Wenn die Kirche noch so voll ist, der Pfaffe singt nur, was er kann. – Simrock, 5647.
Holl.: Als is die kerc groot, die pape singhet dat hi can. (Tunn., 5, 13.)
Lat.: Non canit in templo nisi quod scit presbiter amplo. (Fallersleben, 94.)
131. Wenn man eine vollkommene schöne Kirche haben will, so muss man das Chor zu Bauvais, das Mittelgewölbe zu Amiens, das Portal zu Rheims, die Glocken zu Chartres und die Thürme (von Notre-Dame) zu Paris zusammennehmen. – Berckenmeyer, 48; Hesekiel, 43.
132. Wenn man zwê, drê Karken besingen will, kumt 't all up 't Wilde. – Stürenburg, 103a.
Man bringt alles in Unordnung, wenn man mehrere unvereinbare Geschäfte zugleich unternimmt.
133. Wer am ersten zur Kirchen kompt, der kriegt die beste Stette. – Petri, II, 681.
134. Wer der Kirche dient, dem dient Gott wieder, sagte die Hure, und schmückte den Altar.
In Aegypten: Eine Hure fegte ihr Haus nicht, sondern kehrte die Moschee aus. Da sagte man, sie ist eine Freundin von guten Werken. (Burckhardt, 497.)
135. Wer der Kirche dient, der dient Gott.
Frz.: Tant ayme-on Dieu qu'on suyt l'Eglise. (Leroux, I, 15.)
136. Wer der Kirche dient, lebt von der Kirche.
137. Wer der Kirche dient, soll von der Kirche leben. (S. ⇒ Altar 1.) – Eyering, III, 466.
138. Wer der Kirche gibt sein Gut, der hat einen frommen (auch: dummen) Muth.
Gilt für einen kirchlich gesinnten, frommen Mann. (S. ⇒ Heiliger 103.)
Frz.: Celui-là est bien de l'Église qui y donne son bien. (Leroux, I, 17.) – Cil est bien de l'Iglise qui le sien i divise ce dist li vilains.
139. Wer die Kirche hat, der hat auch den Kirchhof. – Pistor., VI, 41; Eisenhart, 658; Sutor, 372; Hillebrand, 245, 368; Eiselein, 377; Sailer, 253; Graf, 548, 88; Simrock, 5670.
Dies Sprichwort gehört ins Kirchenrecht und will sagen, dass der Kirchhof der Gerichtsbarkeit desjenigen unterworfen ist, dem die Kirche gehört, von welcher der Kirchhof als Zubehör abhängt.
Lat.: Una cum templis et aris. (Sutor, 372.)
140. Wer eine Kirche hat, braucht keine Kapelle.
Engl.: That is not necessary to a chapel, which belongs to a temple.
141. Wer in der Kirche ist, dem besorgt Gott das Haus.
142. Wer in der Kirche übel thut, den schirmt die Kirche nicht. – Graf, 497, 94.
Die Kirche war nach altdeutschem Recht eine Freistätte für Verfolgte. Wer nur den Ring der Kirchthür berührte oder nur den Hut in die Freistätte warf, den konnte kein Frone mehr greifen. Wer aber an der Kirche selbst frevelte, den schützte sie nicht; ebenso wenig bot sie dem bereits verurtheilten Verbrecher eine Freistätte, für ihn gab es über der Erde keinen Frieden.
Mhd.: Wer in der kirchen icht übeles thut, den beschirmt die kirch nit. (Senckenberg, 194, 4.)
143. Wer in die Kirche will, muss durch die Thür (Halle).
Holl.: Men komt in het heiligdom niet dan door het portal van de kerk. (Harrebomée, I, 394a.)
[1343] 144. Wer sich an die Kirch länet, dem fällt bald eyn Götz auff den Kopff. – Fischart, Bkb. (1581), 90; Eiselein, 376.
145. Wer ungern in die Kirche geht, kommt ungesegnet heraus.
Holl.: Die tegen zijnen wil ter kerke gaat, die heeft geen nut van de mis. (Harrebomée, I, 393b.)
146. Wer weiss in einer vollen Kirche, wer des andern Vater oder Schwager ist. – Eiselein, 615.
»In der Kerck gantz misslick is, des andern Schwager kennen gewiss.« (Eyering, II, 168.)
Holl.: Het is moeijelijk te zien, wie des anderen zwager is, daar de kerk vol lieden is. (Harrebomée, I, 393b.)
147. Wie die Kirch, so die Heiligen. – Lehmann, 327, 32.
148. Wie man in der Kirchen hausshelt, so haben die Kirchen Giebel. – Petri, II, 791.
149. Wo die Kirche ist, da ist der Krug nicht weit. – Simrock, 5672.
150. Wo en Kirch wehd gebaut, do setz der Düvel e Kapellche. (Köln.) – Weyden, IV, 13.
151. Ym anfang der Christlichen kirchen synd wenig stiffte, kloster vnd klausen gewesen, vnd vil Christen; itzt synd vil kirchen, klo ster, stiffte vnd klausen, ia alle winckel voll vnd synd wenig Christen. – Agricola I, 734.
Spricht nicht besonders für die segensreiche Wirksamkeit der Kirche.
152. Zu einer Kirche gehört mehr als ein Crucifix.
Dän.: Skulde jeg bygge kirken, da skulde jeg tage andet end en klokke-streng. (Prov. dan., 345.)
*153. Aus der Kirche in die Schenke. – Altmann VI, 513.
*154. D' Kirch' ist sein G'vatterin. (Schwaben.) – Richard, 494; Nefflen, 454.
Er besucht sie selten.
*155. Das heisst die Kirche ums Dorf tragen. – Fränkisch bei Frommann, VI, 318, 225.
Den weitläufigsten Weg einschlagen.
*156. Der kann die Kirche auch zu Gevatter nehmen.
*157. Der könnte Kirchen feil tragen. – Grimm, V, 795.
Von einem grossen, starken Menschen.
*158. Die Kirche mitten ins Dorf stellen und mit den Gläsern zusammenläuten. – Eiselein, 377.
*159. Die Kirche ums Dorf tragen. – Braun, I, 1850.
*160. Do ess ken Kirch op ze bauen. (Bedburg.)
*161. Doat äs en blêsch Kirch. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, II, 32, 24.
Zur Bezeichnung der Bunten, besonders von jemand, der buntgestreifte Kleider anhat.
*162. Du wirst mir wol zur Kilchen kommen. – Eiselein, 507.
*163. E gît (geht) gärn än de Kirch, wo em (man) mät Gläsern laokt (läutet)1. (Siebenbürg.-sächs.) – Frommann, V, 35, 65.
1) Er geht ins Wirthshaus, er ist ein Säufer. In Ostpreussen: Hei geit in de Körch, wo se möt Gläser klappre. (Frischbier2, 2027.)
*164. Eine Kirche bauen und ein Land verwüsten.
Die Araber: Mancher baut ein Moscheenthürmchen, der eine Stadt zerstört. (Cahier, 2275.)
*165. Er goht i de Chilche, wo me mit de Glesern z'säme lütet. (Solothurn.) – Schild, 80, 256.
*166. Er lässt die Kirche im Dorfe stehen, wo sie steht.
Er stört die alte Ordnung nicht.
Frz.: Laisser le moustier où il est. (Leroux, I, 25.)
*167. Er läuft in die Kirche wie ein Wolf in den Schafstall.
*168. Er nimmt die Kirche mit dem Pfaffen auf Borg.
*169. Er springt all' Tag i d' Chilche-n-und bätet der lederig Heiland a. (Solothurn.) – Schild, 93, 402.
Er ist ein Heuchler.
*170. Er trägt die Kirche ums Dorf. – Simrock, 5687.
*171. Er weiss nicht mehr, wo die Kirche steht.
Holl.: Hij heeft de kerk niet gezien, sedert hij gedoopt is. (Harrebomée, I, 394a.)
*172. Er weiss nicht, wie die Kirche inwendig aussieht.
*173. He geit flîtig (fleissig) na de Karke, aber na'n Pastoren up'n Schragen1. (Ostfries.) – Frommann, V, 524, 590; Goldschmidt, 58; Eichwald, 952.
1) Ein vierbeiniges Gestell, worauf Backtrog, Bierfass u.s.w. ruht.
[1344] *174. He geit nich to Karke, noch to Warke. – Eichwald, 950; Schütze, II, 225.
Er kommt nicht aus dem Hause, lebt vollständig zurückgezogen.
*175. Hier ist's wie in der Kirche, man isst und trinkt nicht.
Von einem ungastlichen Hause, in dem nichts zur Erfrischung und Stärkung geboten wird.
Frz.: C'est la maison du bon Dieu, l'on n'y boit ni n'y. (Lendroy, 954.)
*176. Hinter die Kirche will ich mit meinem Lichte nicht. – Schles. Provinzialbl., 1862, 570.
*177. Ich will ihn lehren in der Kirche pfeifen.
Poln.: Nauczę ja go po kościele gwizdać. (Lompa, 23.)
*178. In d' Kirch froga. – Nefflen, 462.
Beim Geistlichen fragen, was für Lieder gesungen werden sollen.
*179. In die Kirche gehen wie die Eulen. – Parömiakon, 1935.
Aus unlautern Absichten. Die Eulen saufen des Nachts das Oel aus den Lampen, wodurch das Licht erlischt.
*180. In die Kirche gehen wie Esau in den Wald. – Parömiakon, 1078.
In Liebesangelegenheiten, uneigentlich auf die Jagd.
*181. In die Kirche hofiren. – Eiselein, 376.
Bayle erzählt, wie pfiffig sich ein Mohammedaner aus solcher Hofirlage zu ziehen gewusst habe.
Lat.: In Pythii templo cacare. (Eiselein, 377.)
*182. In die Kirche läuten und dann schlafen gehen.
Andere zur Frömmigkeit auffordern, selbst aber zu bequem, zu träge und zu genusssüchtig sein. Ein jüdisch-deutsches Sprichwort sagt: Der Schammes (Gemeindediener) von Winnek (Windecken?) klappt schulen (ruft zum Besuch der Synagoge) un legt sich schlafe. (Tendlau, 977.) Früher geschah in jüdischen Gemeinden die Einladung zum Besuch der Synagoge dadurch, dass der Gemeindediener herumging und an die Thüren der Gemeindemitglieder klopfte. (Tendlau, 917.)
*183. Man würde Kirchen auf ihn bauen.
Setzt grosses Vertrauen in ihn.
Holl.: Men zou kerken (huizens, torens) op hem gebouwd hebben. (Harrebomée, I, 394b.)
*184. Me könt Kile uf 'ne baue. (Luzern.)
Er ist worttreu und ehrenfest, dass er nicht weicht und wankt.
*185. Mit dem kann man eine Kirche bestehlen. – Grimm, V, 795.
Um jemand als besonders verschlagen zu bezeichnen.
*186. Mit der Kirche ums Dorf (auch: ums Kreuz) gehen. – Eiselein, 376.
Die Erreichung eines Zweckes auf dem verkehrtesten und schwierigsten Wege anstreben. Kirche ist hier so viel wie Kirchengemeinde, die bei ihren Processionen nicht immer den geradesten Weg einschlägt. Von allem verkehrten Treiben.
Frz.: Prendre le plus long.
*187. Neun Kirchen auf einmal sehen. – Frischbier2, 2025.
Sieht oder erlebt etwas Ausserordentliches, Angenehmes u.s.w. »Ich will dir eins geben, dass du neun Kirchen auf einmal sehen sollst.« Von den goldapper Bergen aus soll man neun Kirchen auf einmal sehen können.
*188. Sö sann mid d'r Kirch'n um an Foahn goangan. (Steiermark.) – Firmenich, II, 765, 35.
Sie sind mit der Kirche um die Fahne gegangen, d.h. sie haben verkehrt gehandelt.
*189. To Kark un Markt führen. – Schütze, II, 225.
Die Heirath mit einer Frau wirklich vollziehen.
*190. Was man in der Kirche versäumt im Kruge nachholen. – Altmann VI, 519.
191. Die Kirche ist Katzenart, will nicht gebunden sein.
D.i. will von niemand regiert sein, sondern jedermann regieren und vorschreiben. (Zinkgref, IV, 69.)
192. Die Kirche rupft, aber zahlt nicht.
It.: La chiesa non paga mai. (Giani, 350.)
193. Die Kirche zu Leon ist die schönste, die zu Toledo die reichste, die zu Sevilla die gröss te und die zu Salamanca die stärkste. – Beiche, 221a.
194. Die römische Kirche wird ohnmächtig von Gottes Wort wie eine Art Käfer vom Geruch des Bisams. – Zinkgref, IV, 69.
195. Fest ruhet der Kirche herrliches Schiff auf deinem Pfeiler, o Priesterkniff.
196. Je leerer die Kirchen, je voller die Kerker.
Die Chinesen sagen ähnlich: Die Gefängnisse werden Tag und Nacht geschlossen und sind doch immer voll; die Tempel sind stets geöffnet und bleiben dennoch leer. (Draper, Geistige Entwickelung Europas, S. 56.)
197. Kirchen, Bilder, Kränze, Glocken, Weiber, die geschmückt als Docken, Knoblauch und Branntewein seyn in Moskau sehr gemein. – Beiche, 235b.
198. Lieber in der Kirchen hinder der Thür sitzen als beym besten Mahl. – Zinkgref, IV, 85.
[1499] 199. Ohne Kirche und Schenke kann's kein Dorf geben. (Rumänisch.) – Neue Freie Presse, 4576.
200. Wer an die römische Kirche glaubt, dem sagt sie: heut wirst du mit mir im Paradiese sein. – Zinkgref, IV, 67.
201. Wer der Kirche viel verspricht, dessen Busse traue nicht.
Die Italiener sagen: Wenn der Korsar Messen und Wachs (Votivkerzen) verspricht zu spenden, so soll man ihn auf die Galere senden: Quando il corsaro promette messe e cera mandalo in galera. (Giani, 409.)
202. Wer in die Kirche und auf den Markt will gehn, braucht um Begleiter sich nicht umzusehn.
It.: In chiesa ni in mercato, non andar mai accompagnato. (Giani, 7.)
*203. A könnte Kirchen fâl troagen. – Schles. Provinzialblätter, 1871, S. 437.
Von einer Person, die sehr gross und stark ist.
*204. Der geht mit der Kirche ums Kreuz. – Wurth, 140.
*205. Der nahest bey der Kirchen, der letzt hinein. – Petri, II, 102.
*206. Er könnte Kirchen feil tragen und geht mit dem Abc-buch.
Lat.: Turpis et ridicula res est elementarius senex. (Seneca.) (Philippi, II, 227.)
*207. Es geht nach der rothen kirchen vnd durch die rothe küchen.
Wie die Hausfarbe der Germanen roth war, so tru gen auch Kirchen und Klöster zum Zeichen ihrer Rechtsbefugnisse rothen Anstrich.
*208. Hei heft ön ä Dommelkeimsch' Körch lödde gehört. (Samland.)
Dommelkeim ist ein Gut zum Kirchdorfe Margen, Kreis Fischhausen, gehörig, also ohne Kirche. (S. ⇒ Gott 2456.)
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