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1967. Wiesbaden.
1967. Wiesbaden.

[982⇒] Wiesbaden, Hauptstadt des preuß. Reg.-Bez. W. (5617 qkm, 1.007.839 E., 2 Stadt-, 16 Landkreise), Stadtkreis und Kreisstadt, am Taunus, 5 km vom Rhein, (1900) 86.111 (1905: 100.955) E., Garnison, Land-, Amtsgericht, Reichsbankstelle, Handels-, Landwirtschaftskammer; königl. Residenzschloß, bis 1866 Residenz der Herzöge von Nassau, Hoftheater, Kurhaus mit Kolonnaden und Park, Museum, Gymnasium, Realgymnasium, Oberrealschule, zwei höhere Mädchen- und Musikschulen, Gewerbe-, Landwirtschafts-, Blindenschule; berühmter Badeort mit 30 alkalischen Kochsalzthermen (49-69° C.) gegen Gicht, Rheumatismus, Skrofeln, Nerven-, Frauenleiden etc. Wilhelmsheilanstalt für verwundete und erkrankte Krieger. In der Nähe der Neroberg (245 m) mit russ. Kapelle. – W., das Mattiacum der Römer (röm. Befestigungsreste die sog. Heidenmauer), kam 1150 an die Grafen von Nassau, war 1806-66 Hauptstadt des Hzgt. Nassau, seitdem preußisch. – Vgl. Geschichte von Otto (1877) und Roth (1883); Pfeiffer, »W. als Kurort« (5. Aufl. 1899). [⇐982]

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 982.
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[615⇒] Wiesbaden (hierzu der Stadtplan), Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks und Stadtkreis in der preuß. Provinz Hessen-Nassau, bis 1866 Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Nassau, in schöner, durch mildes Klima ausgezeichneter Gegend, am Südfuß des Taunus, 5 km vom Rhein entfernt, 116 m ü. M., ist namentlich in ihren neueren Teilen regelmäßig gebaut und besitzt eine große Anzahl prächtiger Gebäude.

Wappen von Wiesbaden.
Wappen von Wiesbaden.

Von den zu gottesdienstlichen Zwecken bestimmten Bauwerken in der Stadt (3 evangelische und 2 kath. Kirchen und 2 Synagogen) sind bemerkenswert: die neue evang. Kirche (im romanischgotischen Stil, 1853–62 von Boos erbaut), mit drei Schiffen, schönen Altargemälden und Statuen von Hopfgarten, trefflicher Orgel und Glockenspiel; die neue Bergkirche (1877–79 nach Plänen des Baumeisters Otzen unter Leitung Grisebachs errichtet); die neue evang. Ringkirche (1892–94 von Otzen erbaut); die kath. Bonifatiuskirche (1844–49 von Hoffmann im romanisch-gotischen Stil erbaut); die kath. Mariahilfkirche (1893–95 vom Dombaumeister Meckel errichtet); die englische Kirche (1865); die neue altkath. Kirche (1900 erbaut); die Synagoge auf dem sogen. Michelsberg, ein maurischer Kuppelbau (1869). Von andern Gebäuden sind zu nennen: das königliche, früher herzogliche Schloß (1837–40 erbaut); das neue Rathaus (1884–88 nach Plänen Hauberrissers im deutschen Renaissancestil ausgeführt); das Museum mit Gemäldegalerie; das Altertumsmuseum; das Naturalienkabinett und die Landesbibliothek (mit über 150,000 Bänden); das Palais Pauline (1842 im Stil der Alhambra erbaut, jetzt Stadtbesitz); das im florentinischen Stil erbaute Regierungsgebäude; das neue, prachtvolle, 1892–94 von Fellner und Helmer erbaute Hoftheater (s. Tafel »Theaterbau I«); das neue Justizgebäude (1894–97, s. Tafel »Gerichtsgebäude I«, Fig. 7); das Staatsarchiv; das Landeshaus (1905–07) etc. Ferner sind zu nennen: das neue, prächtige Kurhaus mit einem von sechs ionischen Säulen getragenen Portikus und prachtvollen Sälen (1904 bis 1907 von Professor v. Thiersch-München erbaut), dahinter die bis zur Wasserheilanstalt Dietenmühle und zur Burgruine Sonnenberg sich erstreckenden Kuranlagen, mit großem Teich und einer 36 m hohen Fontäne sowie mit den Denkmälern des Kurdirektors Heyl (1907) und Gustav Freytags (1905). Vor dem Kurhaus liegt der auf beiden Seiten von Kolonnaden flankierte Blumengarten mit zwei Teichen und der von Prachthotels eingefaßte Kaiser Friedrich-Platz mit dem Denkmal des Kaisers Friedrich (1897, modelliert von Uphues), seitlich, neben der Alten Kolonnade, das Denkmal des Dichters Bodenstedt, an der Hauptquelle, dem Kochbrunnen, die große Trinkhalle, in der Nähe derselben, auf dem Kranzplatz, eine schöne Hygieiagruppe. Seitlich der Wilhelmstraße die Anlagen des sogen. Warmen Dammes mit dem Denkmal Kaiser Wilhelms I. (1894, modelliert von Schilling) u. dem Schillerdenkmal (1905, modelliert von Uphues), nahebei das Bismarckdenkmal (1898, modelliert von Herter). Auf dem Luisenplatz das Waterloodenkmal (1865), ein Obelisk, zum Andenken an die in der Schlacht bei Waterloo gefallenen Nassauer. Sehenswert ist auch die alte römische, sogen. Heidenmauer mit dem Römertor. Unmittelbar nördlich der Stadt erhebt sich der an seiner Südseite mit Weinbergen bedeckte, sonst bewaldete Neroberg mit Anlagen, Restaurationsgebäude und Aussichtsturm, wohin eine Drahtseilbahn führt. Am Abhang des Berges steht die russisch-orthodoxe Kapelle (1855) mit dem Grab und schönen Sarkophag der 1845 verstorbenen Herzogin Elisabeth. Vor dem Neroberge zieht sich das Nerotal hin, im vordern Teile mit Anlagen, in denen das Kriegerdenkmal steht. Auch das nordwestlich gelegene Dambachtal ist mit Anlagen versehen, in denen das Freseniusdenkmal (1904) Ausstellung gefunden hat. Die Zahl der Einwohner belief sich 1905 mit der Garnison (2 Bataillone Infanterie Nr. 80 und eine Abteilung Feldartillerie Nr. 27) auf 100,953 Seelen, davon 32,801 Katholiken und 2656 Juden.

Die Bedeutung von W. beruht auf den dortigen Mineralquellen, die 1907 von 180,000 Kurgästen besucht wurden. Die hier entspringenden Thermalquellen wurden schon von den Römern benutzt, doch erwarb sich W. als Kurort erst seit dem 16. Jahrh. einen Ruf, der seitdem immer zugenommen hat, besonders auch, nachdem es wegen seines milden Klimas als Winteraufenthalt und behufs der Abhaltung von Winterkuren so besucht wird, daß die Frequenz der Wintersaison derjenigen der Sommersaison kaum nachsteht. Die zahlreichen Quellen, die an Gehalt nur wenig und nur an Temperatur (40–69°) verschieden sind, gehören zu den alkalischen Kochsalzthermen; man zählt ihrer im ganzen 23, von denen die bedeutendste, der Kochbrunnen (69°), ferner die Schützenhofquelle (50°) und der Adlerbrunnen (64°) offen zutage treten (Zusammensetzung s. Tabelle »Mineralwässer VIII b« im 13. Bd.). Sämtliche Quellen geben zusammen 1,4 cbm Wasser in der Minute. Der Kochbrunnen allein wirft täglich 45,5 dz Kochsalz aus. Außer den Thermalquellen besitzt W. im NW. der Stadt noch drei ärztlich nicht benutzte Mineralquellen von 9,4–20°. Die Thermen von W. werden zum Baden (auch in Form von Duschen und Dampfbädern) wie zur Trinkkur benutzt und haben sich als treffliches Heilmittel bewährt bei Katarrhen des Magens und [⇐615][616⇒] des Verdauungskanals, ferner bei Rheumatismen, bei Hämorrhoiden, bei Gicht (jedoch erst nach dem Verschwinden aller Entzündungssymptome), endlich bei verschiedenen Hautkrankheiten, Sexualleiden, alten Geschwüren und Neuralgien.

In W. befinden sich auch mehrere gymnastische und elektrotherapeutische Heilanstalten, ein großes Sanatorium (Augusta Viktoria-Bad), berühmte Augenheilanstalten, 2 Wasserheilanstalten (Nerotal und Dietenmühle), eine Militärheilanstalt (Wilhelmsheilanstalt) etc. Ebenso wird W. behufs der Trauben- und Milchkur stark besucht. Die Industrie ist wenig bedeutend. Der Handel, nur bedeutend in Wein, für den die Stadt weltberühmte Großhandlungen besitzt, wird unterstützt durch eine Handelskammer und eine Reichsbankstelle (Umsatz 1906: 801,8 Mill. Mk.), durch die Nassauische Landesbank und andre Bankinstitute. Dem Verkehr in der Stadt dient eine elektrische Straßenbahn. Für den Eisenbahnverkehr ist die Stadt mit dem neuen Hauptbahnhof (1904–06 erbaut) Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Kurve-W., W.-Biebrich, W.-Dotzheim, W.-Erbenheim und W.-Niedernhausen sowie der Kleinbahnen W.-Sonnenberg, W.-Biebrich, W.-Mainz, W.-Dotzheim und W.-Schierstein. An Bildung s- und andern ähnlichen Anstalten befinden sich in W. ein chemisches Laboratorium (Freseniussche akademische Anstalt) mit agrikulturchemischer Versuchsstation, ein königliches Gymnasium, ein königliches Realgymnasium, ein städtisches Reformrealgymnasium, eine städtische Oberrealschule, 2 Musikkonservatorien, eine Gewerbeschule, eine Landwirtschaftsschule (zu Hof Geisberg), eine Blindenanstalt, eine Rettungsanstalt, mehrere Waisenhäuser und zahlreiche andre Wohltätigkeitsanstalten. Die Stadt ist Sitz einer königlichen Regierung, eines Konsistoriums, eines königlichen Polizeipräsidiums, der Landesdirektion für den Regbez. W., eines Landratsamts (für den Landkreis W.), eines Landgerichts, einer Forstinspektion, eines Bergreviers und eines Steueramts, verschiedener Eisenbahnamtsstellen etc. Die städtischen Behörden zählen 16 Magistratsmitglieder und 48 Stadtverordnete. In der Umgegend sind zu nennen: die Ruine Sonnenberg, teilweise restauriert, mit Restauration und hübschen Spaziergängen; das ehemalige Kloster Klarenthal, jetzt Domanialpachthof mit Restauration; weiterhin der Schläferskopf (455 m) und die Hohe Wurzel (618 m), Berge des Taunus, beide mit Turm und prächtiger Aussicht; ferner die Platte (500 m), Jagdschloß auf der Höhe des Taunus, mit Jagdtrophäen, Hirschgeweihen, Wandgemälden und prachtvoller Aussicht. – Zum Landgerichtsbezirk W. gehören die 16 Amtsgerichte zu: Braubach, Eltville, Hochheim a. M., Höchst a. M., Idstein, Kamberg, Katzenelnbogen, Königstein i. T., Langenschwalbach, Nastätten, Niederlahnstein, Rüdesheim, St. Goarshausen, Usingen, Wehen und W.

W. ist aus einem Kastell entstanden, das die Römer um 11 v. Chr. am Kreuzungspunkt von drei Heerstraßen anlegten. Der heilkräftigen Quellen halber erwuchs bald eine Ansiedelung, die nach der Völkerschaft der Mattiaker (s. d.) Aquae Mattiacae hieß. Reste des Kastells wurden 1838 auf der Höhe des Heidenbergs und der Röderstraße bloßgelegt. Seit dem 11. Jahrh. dem Geschlechte der Grafen von Nassau gehörig, fiel W. 1255 an die Walramsche Linie, kam 1355 an den alten Idsteiner, 1605 an den Saarbrücker Zweig und 1659 an die Linie Nassau-Usingen. 1744 wurde der Sitz der Regierung von Usingen hierher verlegt, und 1815 ward W. die Hauptstadt des Herzogtums Nassau. Vgl. Pagenstecher, W. in medizinisch-topographischer Beziehung (Wiesbad. 1870); Pfeiffer, Balneologische Studien über W. (das. 1883), W. als Kurort (5. Aufl., das. 1899) und Die Trinkkur in W. (2. Aufl., das. 1893); O. Ziemssen, Wiesbadener Kurerfolge (Leipz. 1885); Mordhorst, W. als Terrainkurort (Wiesbad. 1886); Magdeburg, Die Thermen zu W. (2. Ausg., das. 1894); Kalle und Mangold, Die Wohlfahrtseinrichtungen Wiesbadens (das. 1902); Blumenfeld, Das Klima von W. (das. 1907); Katzenstein, W. und seine Heilfaktoren (das. 1908); Heyl, W. und seine Umgebungen (27. Aufl., das. 1908); Normann, Neuer illustrierter Fremdenführer durch W. (4. Aufl., das. 1908); Böttcher, Wiesbaden (das. 1908); Otto, Geschichte der Stadt W. (das. 1877); Roth, Geschichte und historische Topographie der Stadt W. (das. 1883).

Der Regierungsbezirk W. zählte 1905 auf 5618 qkm (102,03 QM.) 1,114,819 Einw. (198 auf 1 qkm), davon 646,244 Evangelische, 426,544 Katholiken und 32,521 Juden, und umfaßt die 18 Kreise:

Tabelle

Über die sechs Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks W. s. Karte »Reichstagswahlen«. Vgl. »Statistische Beschreibung des Regierungsbezirks W.« (Wiesbaden 1876–83, 6 Tle.); »Staats- und Kommunal-Adreß-Handbuch für den Regierungsbezirk W.« (das., jährlich); »Beschreibung der Bergreviere W. und Diez« (Bonn 1893); Kirstein und Gerland, Handbuch des Grundbesitzes im Regierungsbezirk W. (Berl. 1896); »Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks W.« (Frankf. 1902 ff.); Jacobi, Geographie des Regierungsbezirks W. (2. Aufl., Wiesbad. 1907). [⇐616]

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 615-616.
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[195⇒] Wiesbaden, 1) Amt im Herzogthum Nassau; 20,000 Ew.; 2) Hauptstadt hier u. des Herzogthums, am Taunusgebirge u. dem Salzbache, [⇐195][196⇒] an der Taunusbahn (Frankfurt a. M. bis W.) u. der Nassauischen Staatsbahn (Rechtsrheinische Eisenbahn), von zahlreichen Landhäusern umgeben, ist abwechselnd mit Biebrich Residenz des Herzogs; hat die obersten Landesbehörden, herzogliches Palais am Markt (1840 erbaut), Palais des Prinzen Nikolaus (1842 im Geschmack der Alhambra erbaut), Ministerialgebäude im Florentinischen Palaststyl (1842 vollendet), neue katholische Kirche (1844 bis 1849 erbaut), neue evangelische Kirche im Gothischen Styl mit marmornen Kolossalstatuen Christus u. der vier Evangelisten (1853 bis 1862 erbaut), Museum (das sogenannte Schlößchen) mit Alterthümersammlung, Bildergallerie, permanenter Gemäldeausstellung, naturhistorischen Sammlungen (darunter die berühmte Gerningsche Insectensammlung) u. Bibliothek, Realgymnasium, das Freseniussche chemische Laboratorium, Landwirthschaftliches Institut auf dem Geisberg, Pädagogium, Zucht- u. Waisenhaus, Nassauischer Verein für vaterländische Alterthumskunde, Nassauischer Verein für Naturkunde, Sammlung von Alterthümern u. Kunstgegenständen des Prinzen Emil von Wittgenstein, Handels- u. Wechselgericht, Industriehalle, Seidenbauereien, wenig Industrie; 20,800 Ew. W. ist einer der besuchtesten u. glänzendsten Badeorte Deutschlands (jährlich oft über 16,000 Kurgäste bei 30,000 Fremden). Das Wasser der 29 warmen Salzquellen mit einer Temperatur bis zu 56° R. ist durchsichtig, etwas trübe, ins Gelbliche spielend, schwachsalzig, fade, wie Kalbfleischbrühe schmeckend, fade-thierisch, wie abgelöschter Kalk riechend, specifisches Gewicht 1,0047. Der Kochbrunnen enthält in 16 Unzen: Chlornatrium 46,46 Gran, schwefelsaures Natron 0,69 Gran, Chlorcalcium 5,19 Gran, schwefelsauren Kalk 0,44 Gran, kohlensauren Kalk 1,20 Gran, Chlormagnesium 0,72 Gran, kohlensaure Magnesia 0,48 Gran, Thonerde 00,72 Grau, Extractivstoff 2,46 Gran, kohlensaures Eisenoxyd 0,10 Grau, kohlensaures Gas 533 Cubikzoll. Die Wirkung der Quellen ist durchdringend, reizend, belebend, auflösend, gelind eröffnend, harntreibend, auf Ausscheidungs- u. Absonderungsorgane, Drüsen, Schleimhäute, Geschlechtstheilewirkend etc. W. dient bes. bei Skrophelleiden, Gicht, Rheumatismen, Hautkrankheiten, Krankheiten der Harnorgane, der Gebärmutter, der Luftwege, der Nieren, ist dagegen mit Vorsicht bei reizbarer Haut, Vollblütigkeit, Congestionen, Anlagen zu Schlagflüssen, Entzündungen u. activen Blutflüssen zu brauchen; nachtheilig ist es bei wirklichem Fieber, bes. Zehrfieber, bei Scorbut, inneren Vereiterungen, Wassersucht, höchstem Skrophelleiden. Man gebraucht W. vorzüglich als Bad von 1/4 bis 1/2 stündigem Aufenthalt, als Getränk zu vier, sechs bis acht Bechern mehre Wochen hindurch, gewöhnlich mit Bittersalz vermischt, um gehörige Ausleerung zu bewirken; ferner als Douche, Dampfbad, Klystiere u. zum Trinken. Beim Gebrauche dieser auch im Winter zu benutzenden warmen Quellen entsteht zuweilen Jucken u. Brennen auf der Haut, auch wohl Anfangs eine Verschlimmerung der Zufälle, Ausschlag, welche von selbst verschwinden. W. gehört übrigens zu den kräftigsten Quellen u. wird auch versendet. Die bedeutendste der offenen Quellen ist der Kochbrunnen (55°) unter einem tempelartigen Gebäude, welches durch eine lange eiserne offene Trinkhalle, in Form einer Veranda 1854 errichtet, mit dem Curgarten in Verbindung steht. Dabei eine marmorne Hygieagruppe (seit 1850). Eine schon von den Römern in einem großen Gewölbe gefaßte Quelle von 40° Temperatur befindet sich in dem sogenannten Schützenhofe. Außerdem gibt es eine Menge Badehäuser. Der Cursaal liegt vor der Stadt an einem großen Platz mit zwei Springbrunnen, wurde 1809 u. 1810 auf Actien erbaut u. ist mit Gesellschafts-, Tanz-, Spielsälen, Lesezimmern u. Restaurationsräumlichkeiten auf das Eleganteste eingerichtet. An beiden Seiten des Platzes laufen lange geräumige Colonnaden im Dorischen Style hin mit Verkaufsläden. Dabei steht auf dem Theaterplatz das Theater, sowie mehre Bade- u. Gasthäuser. Hinter dem Cursaal erstrecken sich die sehr ausgedehnten Parkanlagen bis an die Dintenmühle (mit 1862 eröffneter Wasserheilanstalt), die Ruine Sonnenberg u. die Rampacher Kapelle (wo 1859 ein römisches Castrum ausgegraben wurde), sowie den Neroberg hinan, auf welchem die 1855 vollendete russisch-griechische Kapelle (Gruftkirche der 1847 verstorbenen Herzogin Elisabeth mit deren Denkmal aus weißem Marmor) u. ein offener Säulentempel mit weiter Umsicht steht. Dabei die Wasserheilanstalt Nerothal u. das herzogliche Jagdschloß die Platte (1824 erbaut) mit weiter Aussicht. Die Quellen in W. sind die Fontes Mattiaci (bei Plinius) od. Aquae Mattiacae (bei Ammianus Marcellinus). Außer den im Museum aufgestellten, hier gefundenen römischen Alterthümern an Urnen, Geräthen, Waffen, Grabsteinen etc. finden sich auf dem Heidenberg Überreste eines römischen Castells (1838 entdeckt), u. auf dem Neroberge Ruinen einer fälschlich dem Kaiser Nero zugetheilten Villa; die sogenannte Heidenmauer ist eine aus Tempeltrümmern, Votivsteinen etc. erbaute Stadtmauer. Unter den Karolingern war W. eine königliche Pfalz u. wurde unter Otto dem Großen zur Stadt erhoben. Seine meisten Verschönerungen erhielt es vom Herzog Friedrich August von Nassau-Usingen, welcher 1816 starb, u. in der neuesten Zeit. Hier 1775 Freimaurerconvent, s.u. Freimaurerei S. 685. Am 4. März 1848 hier tumultuarische Auftritte; Erneuerung der Unruhen am 16. Juli, worauf am 18. Juli preußische u. österreichische Truppen die Stadt besetzten. Die 1848 aufgehobene Spielbank wurde am 8 Juli 1849 wieder eröffnet. Am 27. Juli 1850 Brand der großen evangelischen Kirche. Hier am 10. bis 30. Aug. 1850 Zusammenkunft der französischen Legitimisten, an deren Spitze der Graf von Chambord selbst, u. Einsetzung eines legitimistischen Comités (s.u. Frankreich S. 589). Im Oct. 1854 hier ein Polencongreß unter dem Präsidium Potocki's. Vgl. Stolterfoth, Malerische Beschreibung von W. u. der Umgegend, Mainz 1840; Malten, W. u. seine Umgegend, Darmst. 1842; W., Bieberich u. Umgebungen, ebd. 1854; A. I. Müller, Medicinische Topographie der Stadt W., Wiesb. 1846; Roth, Die warmen Kochsalzquellen zu W., ebd. 1857. [⇐196]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 195-196.
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[717⇒] Wiesbaden, Hauptstadt des Herzogthums Nassau und seit 1840 auch Residenzstadt, in einer sehr angenehmen Gegend, 2 Stund. von Mainz, hat gegen 16000 E., ist einer der besuchtesten Badeplätze Europas, dessen warme, zu den alkalischen Kochsalzwassern gehörige, sehr wirksame Quellen schon den Römern (aquae Mattiacae) bekannt waren. (Müller »Medicin. Topographie der Stadt W.«, W. 1846.) [⇐717]

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 717.
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Wiesbaden

[723⇒] Wiesbaden, eine Stadt mit 9000 Einw. und schon den Römern bekannt gewesenen, berühmten heißen Schwefelquellen im Herzogthum Nassau, Residenz des nach seinem Vater Wilhelm Georg August Heinrich Belgicus (s.d.) im J. 1839 zur Regierung gelangten Herzogs Adolf Wilhelm, liegt eine St. von Mainz und vier M. von Frankfurt a. M. in einer durch hohe Waldgebirge gegen rauhe Winde geschützten und anmuthigen, fruchtbaren, an malerischen Punkten reichen Gegend.

Ausgezeichnete Gebäude des lebhaften, mit breiten Straßen versehenen, neuerlich gegen S. und O. ansehnlich erweiterten Ortes sind das zu Ende des 16. Jahrh. erbaute Schloß mit der herzogl. Bibliothek, das Rathhaus mit sehenswerthen Verzierungen in Holz, der 350 F. lange, 170 F. tiefe, glänzende, hier abgebildete neue Cursaal, in dessen Nähe das Theater und ringsum weit reichende Promenadenanlagen sich befinden. Die obersten Landesbehörden haben hier ihren Sitz, seinen Wohlstand aber verdankt W. dem überaus zahlreichen Besuche von Badegästen u.a. Fremden, welcher jährlich schon 20,000 überstieg und neuerlich nach Eröffnung der W. und Frankfurt a. M. verbindenden Taunuseisenbahn im Mai 1840, noch außerordentlich zugenommen hat. W. gehört aber auch in Hinsicht der Einrichtungen zur Aufnahme, Bequemlichkeit und Unterhaltung seiner Besucher zu den vornehmsten deutschen Badeorten, und selbst hohe Ansprüche werden dort nicht leicht etwas vermissen. Von den 14 heißen Quellen hat der Kochbrunnen eine Wärme von 56° R; zwei kalte Mineralbrunnen, der Faulbrunnen genannt, werden nicht benutzt. Die gewöhnliche Anwendung der Heilquelle W.'s geschieht in Form von Bädern, deren gegen 30 auf eine Cur gerechnet und hauptsächlich wider hartnäckige Gichtleiden, Lähmung, langwierige Hautausschläge, Geschwüre, skrophulöse Geschwülste verordnet werden. Innerlich werden sie gegen Unterleibsstockungen, Verschleimungen, Harn-, Stein- und Hämorrhoidalbeschwerden, Drüsengeschwülste und mehre andere Leiden gebraucht. Unter Zusatz von Seife wird aus dem gelbbraunen Niederschlage des Wassers die sogenannte Sinterseife bereitet, die zu Umschlägen bei hartnäckigen Ausschlägen, Lähmungen, Rheumatismen dient. Hazardspiele sind leider noch immer geduldet und 1840 die Verpachtung derselben auf acht Jahre erneuert worden. Überbleibsel eines röm. Castells, röm. Bäder und Grabmäler sind mehrfach aufgefunden worden und auch [⇐723][724⇒] Karl der Große besaß dort eine Pfalz; Kaiser Otto der Große verlieh W. 955 Stadtrecht. Trinkwasser wird nach W. aus einiger Entfernung durch eine Röhrfahrt geleitet, weil alle seine Brunnen salzig sind. [⇐724]

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 723-724.
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[442⇒] Wiesbaden. Dieses berühmte Taunusbad, welches manches Jahr 10–12,000 Kurgäste an seinen Heilquellen versammelt sieht, gehört mit zu jenen fashionablen Badeorten der vornehmen Welt, wo Luxus und Moden mit Aeskulap um die Herrschaft ringen. 15 warme Quellen, 2 öffentliche und 25 Privatbäder bieten dem ihre Hilfe, der welche sucht, gegen Scrophelleiden, Gicht, Rheumatismen, Hautkrankheiten etc. Man trinkt 4–8 Becher mit Bittersalz vermischt, und badet 1–6 Viertelstunden. So unbestreitbar die Heilkräfte dieser Quellen sind, so elegant, bequem und reizend sind auch die Anstalten, um sie zu gebrauchen, und eben so mannichfaltig [⇐442][443⇒] die Vergnügungen, um das Ernste mit dem Angenehmen zu verknüpfen. Der Kursaal, ein kolossales, prachtvolles Gebäude, ist der Hauptvereinigungspunkt der eleganten Welt für Genüsse aller Art. Nicht weit davon gelangt man zum Theater, oder man promenirt in dem Herrengarten oder dem Weiher, oder macht eine Promenade bis zur Hintermühle. Das neue Gast- und Badehaus zu den 4 Jahreszeiten wetteifert mit dem Kursaale an Eleganz. Einige römische Alterthümer beweisen, daß diese Quellen bereits den Römern bekannt waren. W. selbst ist Hauptstadt des Herzogthums Nassau, hat 7500 Ew., 5 Kirchen, eine bedeutende öffentliche Bibliothek und 2 Schlösser.

5. [⇐443]

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 442-443.
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