Artikel in der Wikipedia: Homöopathie
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[823⇒] Homöopathīe (grch., von hómoion, ähnlich, und pathos, das Leiden), die von Samuel Hahnemann (s.d.) aufgestellte Heilmethode, wonach die Krankheiten nur durch Mittel geheilt werden können, die im gesunden Körper Erscheinungen (Symptome) hervorrufen, welche denen der zu heilenden Krankheit ähnlich sind (»Similia similibus«, Ähnliches durch Ähnliches), im Gegensatz zur Allopathie (s.d.). Man soll nach Hahnemann zuerst kennen lernen, welche Veränderungen ein Arzneimittel bei Gesunden hervorruft, und dann dieses Mittel bei Erkrankungen anwenden, wo etwa die gleichen Symptome bestehen, wie das Mittel bei Gesunden hervorruft. Da die Wirkung der Mittel eine spezifische ist und die Wirkung auf die erkrankten Organe viel stärker ist als auf die gesunden, so müssen die Mittel in sehr kleinen Gaben gegeben werden, woraus sich die eigenartige homöopathische Gabenlehre ergibt, nach welcher die Mittel durch Schütteln und Verreiben mit Alkohol oder Milchzucker stark verdünnt (potenziert) werden, so daß meist eine Wirkung des Mittels gar nicht mehr erwartet werden kann. Einen wesentlichen Teil des homöopathischen Heilverfahrens bildet außerdem die strengste Diät. Doch hat die H. dadurch Vorteil gebracht, daß sie veranlaßte, die verschiedenen Mittel wissenschaftlich [⇐823][824⇒] zu prüfen, und daß infolgedessen das Verschreiben vieler wirkungsloser Mittel (die langen Rezepte) aufhörte. – Vgl. von Bakody (5. Aufl. 1891); Lutze, »Lehrbuch« (13. Aufl. 1900); von Gerhardt, »Handbuch« (8. Aufl. 1902). [⇐824]

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 823-824.
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[523⇒] Homöopathie (griech.), ein von Samuel Hahnemann begründetes Heilverfahren, das in dem von ihm im »Organon der rationellen Heilkunde« (Dresd. 1810) formulierten Heilgesetze gipfelt: »Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfall eine Arznei, die ein ähnliches Leiden (homoion pathos) für sich erregen kann, als sie heilen soll! Similia similibus curantur.« Von Hahnemann stammt auch der Ausdruck Allopathie (oder Allöopathie, von allos oder alloios, andersartig, d. h. nach andern als homöopathischen Grundsätzen verfahrend). Die ersten Grundzüge dieser Heilmethode veröffentlichte Hahnemann bereits 1796 in dem Aufsatze: »Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen, nebst einigen Blicken auf die bisherigen« (»Hufelands Journal«, u. Bd., 3. Stück). Er beleuchtet hier die verschiedenen Wege, welche die Heilkunde bisher eingeschlagen habe, »um den Beschwerden des menschlichen Körpers Heilmittel anzupassen«. Der »über alle Kritik erhabene« Weg, die »Grundursachen der Übel hinwegzunehmen«, sei leider oft nicht gangbar, da jene Ursachen der menschlichen Schwäche z. T. ewig verborgen bleiben würden. Ein zweites Verfahren, »Beschwerden durch Mittel, die das Gegenteil bewirken«, nach dem Grundsatz »Contraria contrariis« zu bekämpfen, z. B. »Verstopfung des Leibes durch Abführmittel«, »Schmerzen durch Mohnsaft«, hält er allenfalls in Krankheiten für anwendbar, die in einigen Tagen »die Natur größtenteils selbst besiegt«. Im übrigen sei dieses »palliative« Verfahren mit »temporellen« Mitteln, trotz der Möglichkeit, »einige Stunden lindern zu können«, doch insofern bedenklich, als häufig »das Übel unter dieser Tünche tiefere Wurzel faßt«. Die besten Ärzte aller Zeiten hätten stets dahin gestrebt, Mittel zu suchen, »die nicht die Symptome vermänteln sollten, sondern die das Übel aus dem Grunde heben, mit einem Worte nach spezifischen Mitteln«. Die spezifische Wirksamkeit der Arzneien »rationell und geflissentlich« zu erforschen, sei nun leider bis dahin noch nicht gelungen. »Die Beihilfe der Chemie« sei »noch mangelhaft«, die »sinnlichen Eigenschaften der Arzneikörper« lehrten »nur etwas ganz allgemeines«, die Experimente an Tieren seien »ein viel zu rohes Verfahren«, als daß man die feinern Wirkungen der Heilmittel daraus beurteilen könnte. Hahnemann kommt auf Grund jahrelanger Studien, Beobachtungen und Erfahrungen zu dem Schluß, daß die reinen und spezifischen Kräfte der Arzneien am besten aus ihrer systematischen Prüfung am gesunden menschlichen Körper erkannt werden können; es sei, wie er sich im »Organon« ausdrückt, »alles Vermutete, bloß Behauptete, Erdichtete gänzlich ausgeschlossen; es sei alles reine Sprache der sorgfältig und redlich befragten Natur«. Diese Forderung einer experimentalen physiologischen Arzneiprüfung am gesunden Menschen ist bis auf den heutigen Tag ein Grundstein des homöopathischen Lehrgebäudes geblieben. Die Entstehungsgeschichte des homöopathischen Heilgrundsatzes ist folgende. Bei der Übersetzung von Cullens »Materia medica« wurde Hahnemann durch die Frage, ob durch das Wechselfieber oder ihr Heilmittel, die Chinarinde, jene bekannte schwere Nach krankheit, die sogen. Wechselfieberkachexie, erzeugt werde, veranlaßt, Chinarinde einzunehmen. Zu seiner Verwunderung traten bei ihm während dieses Versuches Wechselfiebererscheinungen auf. Diese Selbstbeobachtung und die auffallende Tatsache, daß China rinde nicht jedes Wechselfieber zu heilen vermöge, veranlaßten ihn nach jahrelangen Studien der Arzneiwirkungen an Gesunden und nach aufmerksamen Beobachtungen der Heilvorgänge in der Natur das eingangs erwähnte Heilgesetz aufzustellen, das er ausdrücklich als Naturgesetz anerkannt wissen wollte und an einer Reihe von Beispielen erläuterte. Auf frisch erfrorne Glieder lege man Schnee, bei leichtern Verbrennungen heile jeder erfahrene Koch bald die verbrannte Hautstelle durch Erwärmen am Feuer, wogegen die Kälte schädlich wirke. Die Pocken erzeugten Taubheit und Blindheit, hätten aber auch schon Taubheit und Blindheit geheilt. Die Kuhpockenkrankheit verhüte eine ähnliche Krankheit, die Menschenpocken. Schwere Fieber erzeugten Geistesstörungen und heilten sie auch. »Der Kaffee erregt in großer Gabe Kopfschmerzen, und Kopfschmerzen stillt er daher in mäßiger Gabe«; die Nux vomica habe »Neigung, Krämpfe des Unterleibes und Magenschmerz zu erregen« und heile solche krankhaften Zustände vermöge ihrer Neigung, »in der Nachwirkung die Zusammenziehbarkeit der Muskeln zu verringern«; Arsenik mache, in größern Gaben anhaltend gebraucht, »eine Art etwas langwierigen Hautausschlags«. »Diese Neigung macht ihn hilfreich gegen Hautübel.« [⇐523]

[524⇒] So zutreffend im ganzen die hier erwähnten Erfahrungstatsachen sind, so unhaltbar war der von Hahnemann unternommene Versuch, jene Tatsachen nun auch wissenschaftlich zu erklären, besonders seine Auffassung von dem Wesen der Krankheiten, die er als nur dynamische Verstimmungsreize der Lebenskraft erklärt. Diese mißlungene theoretische Begründung ist angesichts des damaligen Standes naturwissenschaftlicher Erkenntnis leicht begreiflich. Es darf auch nicht unerwähnt bleiben, daß Hahnemann selbst die Unzulänglichkeit seiner Beweisführung deutlich fühlte, wenn er im § 28 des »Organon« unter anderm sagt: »Da dieses Naturheilgesetz sich in allen reinen Versuchen und allen echten Erfahrungen der Welt als nie zu bezweifelnde Tatsache beurkundet, so kommt auf die szientifische Erklärung, wie dieses zugehe, wenig an.« Jedenfalls bildet aber das sogen. Simile- oder Ähnlichkeitsgesetz auch noch für das heute als Homöotherapie ausgebaute Heilverfahren eine zweite und zwar die wichtigste, weil naturgesetzlich fundierte, Grundlage. Von den neuern Vertretern der H. haben erst v. Grauvogl und v. Bakody, von denjenigen der herrschenden Wissenschaft besonders R. Arndt und H. Schulz das Ähnlichkeitsgesetz wissenschaftlich begründet. Arndt insbes. formuliert dasselbe anknüpfend an das sogen. Pflügersche Zuckungsgesetz als »biologisches Grundgesetz« folgendermaßen: »Kleine Reize sachen die Lebenstätigkeit an, mittelstarke fördern sie und stärkste heben sie auf.« Schulz hat die Gültigkeit dieses Gesetzes auch für die Arzneimittelbehandlung erwiesen und auf seine Erweiterung, das sogen. Ritter-Vallische Gesetz, bei tranken Organen aufmerksam gemacht.

Für die moderne H. und ihre therapeutischen Bestrebungen sind ferner noch folgende Auffassungen charakteristisch: Die Kräfte der Arzneistoffe und ihre Affinitäten zu den organischen Gebilden einerseits und die normalen physiologischen Funktionen sowie ihre gegenseitigen Wechselbeziehungen anderseits sind konstant. Die menschlichen Organisationen aber sind einmal je nach den verschiedenen Konstitutionen voneinander verschieden, das andre Mal auch innerhalb der sogen. physiologischen Breite unter veränderten Bedingungen der Außenwelt variabel. Stoffe, die eine Wirkung auf Organe oder Gewebesysteme ausüben sollen, werden zu diesen Gebilden Affinitätsbeziehungen besitzen müssen und unter geeigneten experimentalen Bedingungen angesichts der Gleichartigkeit der organischen Funktionen der Form nach ähnliche, dem Wesen nach aber differente, Wechselwirkungen auszulösen imstande sein, wie sie bei den natürlichen Krankheiten zutage treten. Die Erfahrung lehrt, daß es möglich ist, allen diesen Umständen in der Therapie durch eingehendes Individualisieren, d. h. durch ein genaues allseitiges Vergleichen und Unterscheiden der natürlichen pathologischen Veränderungen und Krankheitsäußerungen mit den künstlich durch das Experiment am Gesunden erzeugten, praktisch Rechnung zu tragen. Durch Erfüllung dieser Aufgabe wird die H. zur vergleichenden Therapie. Insbesondere ermöglicht diese Methodik eine zuverlässige Organ- und Gewebetherapie (Leber-, Nieren-, Haut-, Knochen-, Nerven-, Gefäßmittel etc.).

Die H. besitzt eine eigne, ebenfalls auf Hahnemann zurückzuführende Methode der Herstellung und Anwendung der Arzneien. Von pflanzlichen Stoffen wird möglichst der frisch ausgepreßte Saft verwendet, mit gleichen Teilen (bei stark schleimhaltigem mit 2 Teilen) Weingeist versetzt, filtriert u. später nach der Dezimalskala in der Weise verdünnt, daß die sogen. Urtinktur den Arzneistoff mit dem Weingeist im Mischungsverhältnis von 1: 10 enthält (Hahnemann benutzte ausschließlich die Zentesimalskala). Aus der Urtinktur, bez. ersten Dilution oder sogen. ersten Potenz erhält man die zweite Dilution in derselben Weise, indem man 1 Teil der ersten Dilution mit 9 Teilen Weingeist mischt u. s. s. bis zur gewünschten Verteilungsstufe. Von nicht löslichen Stoffen werden in derselben Weise Verreibungen mit Milchzucker hergestellt. Dieses Verfahren ermöglicht es, daß die homöopathischen Präparate stets zum Gebrauch fertig gehalten werden können und verbürgt neben ihrer gleichartigen Beschaffenheit auch eine Haltbarkeit von z. T. unbegrenzter Dauer.

So einwandfrei und sinnreich Hahnemanns Arzneiherstellungsverfahren war, so unhaltbar war seine Vorstellung von der erhöhten Wirksamkeit sogen. potenzierter Arzneistoffe; er nahm nämlich an, daß die zum Verschütteln und Verreiben benötigte Armkraft sich den Arzneipräparaten mitteile und ihre Wirksamkeit erhöhe. Diese sogen. Potenziertheorie hat der H. sehr geschadet und ist ihrer Ausbreitung und Anerkennung sehr hinderlich gewesen. Etwas Wahresenthielt auch diese Theorie insofern, als bei fortgesetzter Verteilung schwer löslicher und fester Arzneikörper ihre Oberflächenvergrößerung wächst, und beispielsweise alle Metalle, Kalk, Kieselerde u. a. erst in einem sehr seinen Verteilungsgrade für den Organismus aufnahmefähig werden. Der wissenschaftlich vorgehende Teil homöopathischer Ärzte arbeitet seit Jahrzehnten in der Regel mit den ersten sechs Dezimalstufen, an deren Wirksamkeit heute wohl niemand. mehr zweifelt, der beispielsweise von der spezifischen Wirkung des Arsens in einer Levicoquelle überzeugt ist, die in 10 Lit. 0,00095 g Arsenige Säure enthält. Vor allem aber erkennen auch alle heutigen homöopathischen Ärzte die Notwendigkeit an, daß Arzneien, die nicht zu Palliativzwecken, sondern im Sinne des biologischen Grundgesetzes in kurativer Absicht gewählt werden, in relativ kleinen Gaben zu verordnen sind; denn das ist einfach eine logische Forderung des gedachten Gesetzes. Die H. erblickt eben in der Mehrzahl krankhafter Erscheinungen Selbstheilungsbestrebungen des Organismus, die sie mit. ähnlich gerichteten Naturkräften zu unterstützen sucht.

Ein unparteiisches Urteil über die Bedeutung Hahnemanns und der H. ist heute noch kaum möglich, wenigstens nicht für denjenigen, der die Wandelbarkeit der Grundsätze und Anschauungen in der Heilkunde und die Kämpfe kennt, die um sie seit jeher geführt wurden. Am häufigsten vernimmt man das summarische Urteil: die H. sei unwissenschaftlich, und es sei deshalb recht, wenn sie von der Mehrzahl der Vertreter der heutigen medizinischen Wissenschaft nicht beachtet werde; wer aber weiß, daß die praktischen Leistungen in der Heilkunde mit der wissenschaftlichen Erkenntnis leider selten Schritt gehalten haben, der wird notgedrungen mit seinem Urteil noch zurückhalten müssen, zumal, wenn er erwägt, daß es zu allen Zeiten anerkannte Vertreter der medizinischen Wissenschaft gegeben hat, die auf Grund eingehender Studien und vor allem auch auf Grund praktischer Erfahrungen zu Ergebnissen gekommen sind, die sehr zugunsten der H. ausfielen. Eine Reihe von Äußerungen namhafter Vertreter der medizinischen Wissenschaft möge das Gesagte begreiflich machen. Von Hufeland wird Hahnemann einer der »ausgezeichnetsten, geistvollsten und originellsten Ärzte« genannt (»Hufelands Journal«, Bd. 6, S. 2). [⇐524][525⇒] C. A. Eschenmayer sagt von ihm und seiner Schöpfung: »Was aber bis jetzt geschehen ist, ist so viel, daß wir nur mit Bewunderung vor diesem riesenhaften Geiste stehen können, der den Plan zur Reformation der Heilkunde faßte und die Bahn sich brach« (»Die Allöopathie und H.«, Tübing. 1834). In dem großen modernen »Lehrbuch der allgemeinen Therapie« von Eulenburg und Samuel meint Samuel: »Unglaublich kritiklos ist die Methode, die Hahnemann zur Erforschung der Wirksamkeit der Arzneimittel angewandt hat«. –»Wenn es wahr wäre, daß die Lächerlichkeit tötet, so hätte diese Doktrin nur ein kurzes Leben haben können, doch hat sie in der Alten wie in der Neuen Welt Verbreitung gefunden.« In demselben Werke sagt v. Behring: »Hahnemanns Grundsatz war nach unsern jetzigen Kenntnissen gar nicht so übel«, aber die »praktische H.« bezeichnet er »bei aller Anerkennung des ihr zugrunde liegenden gesunden Gedankenkeimes als Charlatanerie«. So ziemlich das Gegenteil von dem eben Behaupteten sucht in eben diesem Jahrbuch H. Schulz zu beweisen. Er spricht von »geradezu frappierenden Erfolgen« von Mitteln, die in der H. lange bekannt waren, ehe andre Ärzte sie versuchten, und meint, »gerade unsre Zeit hat es gelehrt, daß auch das scheinbar Unerhörte möglich werden kann«. Der Kampf der beiden Schulen sei der alte Kampf der Theorie gegen die Praxis. »Versuche, beide zu vereinen ... müssen auch heute unsre Aufgabe sein«. Schulz macht den Standpunkt des Hippokrates zu dem seinen: »Je nach ihrer Art und den zugrunde liegenden Umständen muß im einen Falle die Behandlung durch gegensätzlich wirkende Mittel eintreten, im andern Falle, unter Berücksichtigung derselben Momente, zur Behandlung mit ähnlich wirkenden Mitteln geschritten werden. Der Grund dafür liegt in der Schwäche des menschlichen Organismus

In Preußen kann jeder praktische Arzt das Recht erlangen, nach homöopathischen Grundsätzen bereitete Arzneien selbst zu dispensieren, und zwar auf Grund einer nach dem Reglement vom 20. Juni 1843 und der Instruktionen vom 23. Sept. 1844, vom 28. Febr. 1846 und vom 30. Mai 1856 abzulegenden Prüfung. Das Zeugnis ist den Bezirksregierungen vorzulegen. Homöopathische Hausapotheken unterliegen den allgemeinen für Hausapotheken erlassenen (Revisions-) Bestimmungen. Der Handel mit homöopathischen Arzneien ist Unbefugten verboten (Oberlandesgerichtserkenntnis vom 13. Okt. 1881). Die Beilegung des Titels Homöopath seitens eines Nichtarztes ist von manchen Gerichten (z. B. Landgericht Aachen 28. Mai 1900) für zulässig erachtet, von andern als unberechtigte Annahme eines arztähnlichen Titels bestraft (z. B. Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 15. Mai 1893).

Nach Willmar Schwabe gibt es in Deutschland und Frankreich etwa je 500, in Östereich-Ungarn und England etwa je 400, in Spanien 300, in Italien 250, in Belgien 60 homöopathische Ärzte. Homöopathische Lehrstühle befinden sich in Paris, London, Madrid; Krankenhäuser unter andern in Großlichterfelde bei Berlin, Köthen, München, Budapest, Wien (im 6. Bezirk), Paris und Madrid. Homöopathische Lehrstühle wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte z. T. wiederholt von den Volksvertretungen in Baden, Württemberg u. Bayern verlangt und von den Regierungen auch befürwortet, aber regelmäßig von den medizinischen Fakultäten der Landesuniversitäten abgelehnt. Die homöopathischen Ärzte Deutschlands haben sich in verschiedenen Landesvereinen sowie dem Homöopathischen Zentralverein Deutschlands (eingetragene Genossenschaft, Leipzig) korporativ zusammengeschlossen. Außerdem bestehen etwa 300 homöopathische Laienvereine, mehrfach zu Landesverbänden vereinigt. In Amerika hat fast jede größere Stadt ihr homöopathisches Krankenhaus. Auch befinden sich dort homöopathische Akademien in Chicago, Jowa, Boston, New York, Cleveland, Philadelphia, St. Louis, Cincinnati, Ann Arbor. Seit 1903 besteht die Homöopathische Liga, ihr Organ ist die »Homöopathische Rundschau«, ein Zentralblatt für die Interessen der H. (Berlin).

Vgl. v. Grauvogl, Lehrbuch der H. (Nürnb. 1866) und Die Grundgesetze der Physiologie, Pathologie und homöopathischen Therapie (das. 1860); Kafka, Die homöopathische Therapie (Sondersh. 1865–69, 2 Bde.); »Die H. in Theorie und Praxis«, herausgegeben vom Homöopathischen Zentralverein Deutschlands (Berl. 1897); Hirschel, Der homöopathische Arzneischatz in seiner Anwendung am Krankenbett (16. Aufl., Leipz. 1895); Konst. Hering, Homöopathischer Hausarzt (19. Aufl., Stuttg. 1904); C. Hering, Kurzgefaßte Arzneimittellehre (3. Ausg. übersetzt von Gisevius, Berl. 1893, 2 Bde.); Groß u. Hering, Vergleichende Arzneiwirkungslehre (Leipz. 1892); Farrington, Klinische Arzneimittellehre (deutsch von Fischer, das. 1891); Faulwasser und Windelband, Deutsche homöopathische Arzneimittellehre (Berl. 1900 ff.); Puhlmann, Handbuch der homöopathischen Praxis (Leipz. 1894); »Lehrbuch der homöopathischen Heillehre«, herausgegeben vom Berliner Verein homöopathischer Ärzte (Berl. 1900 ff.); Bakody, Hahnemann redivivus (Leipz. 1883); Fellenberg-Ziegler, Kleine homöopathische Arzneimittellehre (7. Aufl., das. 1898); »Lehrbuch der homöopathischen Therapie« (5. Aufl. von W. Schwabe, das. 1891, 2 Bde.); Vogel, Homöopathischer Hausarzt (22. Aufl., das. 1900). Pharmakopöen: Schwabe, Pharmacopoea homoeopathica polyglotta (Leipz. 1901) und Deutsches homöopathisches Arzneibuch (das. 1901); Gruner, Homöopathische Pharmakopoe (6. Aufl., das. 1890); Baehr, Die Therapie nach den Grundsätzen der H. (das. 1862–66, 2 Bde.). Geschichte: Ameke, Entstehung und Bekämpfung der H. (Berl. 1884); Köppe, Die H. Hahnemanns und der Neuzeit (das. 1880). Zeitschriften: »Allgemeine homöopathische Zeitung« (Leipz., seit 1832); »Populäre Zeitschrift für H.« (Organ fast sämtlicher homöopathischer Vereine Deutschlands, das., seit 1870); »Zeitschrift des Vereins Berliner homöopathischer Ärzte« (Berl., seit 1881). Tierheilkunde: Schwabe, Großer illustrierter Haustierarzt (Leipz. 1888). [⇐525]

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 523-525.
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[513⇒] Homöopăthie (Homöopathik, v. gr.), die von S. Hahnemann begründete Heilmethode, welche, im Gegensatz mit einem der, seit Hippokrates herrschenden Hauptgrundsätze der Medicin, daß nämlich Krankheiten durch ihnen entgegengesetzte Heilmittel (Contraria contrariis) bekämpft werden müssen, als Heilprincip aufstellt, daß dieselben durch solche Arzneimittel geheilt werden müssen, welche, bei Gesunden angewendet, jenen ähnliche Leiden erzeugen (Similia similibus). Dieser seiner Lehre hat Hahnemann vorzüglich folgende Grundsätze untergelegt: Das thierische Leben beruht auf einer, nicht physischen Gesetzen folgenden, sondern dynamisch wirkenden u. jene sich unterordnenden Grundkraft. Krankheit besteht in einer in ihrer nächsten u. wesentlichsten Ursache uns unerkennbaren Veränderung dieser Grundkraft. Da dieselbe eine durch den Körper allgemein verbreitete ist, so gibt es auch keine örtlichen Krankheiten, u. die H. bekümmert sich daher auch wenig um die anatomische Ordnung derselben, so wie sie überhaupt wenig auf Anatomie u. Physiologie gibt. Bei der Erforschung der Krankheit hat sich die ärztliche Untersuchung blos an die Symptome zu halten, deren Complex die Krankheiten bildet, u. diese mit aller Genauigkeit zu ermitteln. Die Krankheiten lassen sich nicht in größere od. kleinere Gruppen bringen u. mit eigenen Namen bezeichnen, weil bei der Mannichfaltigkeit der Symptome jeder einzelne Krankheitsfall ein besonderer ist u. die Zahl der Arten der Krankheiten ins Unendliche geht Die bisherige Nomenclatur derselben ist daher unbrauchbar. Eben so wenig, wie die nächste Ursache der Krankheit, ist das Heilprincip der Arzneien erforschbar. Ihre Wirkung kann nur durch Prüfung derselben an Gesunden ausgemittelt werden. Die durch sie an diesen erzeugten krankhaften Zufälle bilden zusammengenommen künstliche Krankheiten. Die Arzneiwirkungen sind im Verhältniß zu einer bestimmten Krankheit entweder andersartige Zustände (allopathische), od. ihr entgegengesetzte (anantiopathische) od. ihr ähnliche (homöopathische). Nur durch letztere ist Heilung möglich, indem diese Wirkungen, welche im Allgemeinen die Krankheitspotenzen an Kraft übertreffen, dieselben vernichten, wobei die H. der Heilkraft der Natur u. ihren kritischen Bestrebungen fast gar keinen Einfluß einräumt. Je mehr eine Arznei einer Krankheit ähnliche Symptome entwickelt, je mehr sie dieselbe deckt, desto sicherer heilt sie dieselbe. Die Arzneien müssen in der einfachsten Form, in aus frischen Kräutersäften u. Weingeist zu gleichen Theilen bereiteten Tincturen od. Pulvern, gegeben werden. Da sie die Krankheitspotenzen an Kraft überwiegen, so müssen sie, um keine Verschlimmerung der Krankheit, od. störende Nachwirkungen zu erzeugen, in möglichst kleinen Gaben (Homöopathische Dosen) gegeben werden. Man mischt daher einen Tropfen einer Tinctur mit 100 Theilen destillirtem Wasser od. Weingeist u. schüttelt die Mischung zwei- bis zehnmal kräftig, od. zerreibt bei [⇐513] [514⇒] Pulvern 1 Gran davon 10 Minuten lang mit 100 Gran Milchzucker. So wird die Verdünnung bis zur dreißigsten Potenz fortgesetzt (Decilliontheil). Pulver werden nur bis zur dritten Verdünnung verrieben u. von da in Weingeist weiter verdünnt. Durch Schütteln u. Reiben soll die Kraft der Arzneien mehr entwickelt u. dadurch sowohl wie durch die Verdünnung gleichsam gesteigert werden. Doch hat die H. später die Arzneien auch in niedrigeren Verdünnungen, selbst in der urspünglichen Tinctur gebraucht. Früher ließ Hahnemann immer nur eine Dosis der Arzneien anwenden, bis deren Wirkungszeit abgelaufen war, od. die Krankheit sich vermindert hatte; später näherte er sich jedoch wieder der alten Schule, indem er die Wiederholung der Gaben nicht blos erlaubte, sondern sogar für nothwendig hielt. Damit die Wirkung der kleinen Arzneigaben nicht gestört werde, schreibt die H. eine höchst einfache u. strenge Diät vor. So sehr auf der einen Seite Hahnemanns Pathologie dem Dynamismus huldigt, so tief versinkt sie wieder in Materialismus, indem derselbe die meisten chronischen Krankheiten auf die Miasmen der Sykosis, des Schankers u. der Krätze zurückführt u. bes. die letztere mit Übertreibung gewissermaßen zur Mutter der allermeisten derselben stempelt u. ihr die große Reihe der sogenannten antipsorischen Mittel entgegenstellt. Ein Auswuchs der H. war die sogenannte Isopathik, die sogar Gleiches mit Gleichem heilen wollte u. sich dazu bes. der Contagien u. Krankheitsstoffe bediente.

Die H. machte bei ihrem Erscheinen großes Aufsehen, u. Hahnemann erwarb viele Jünger. Die neuern Homöopathen haben ihr Streben bes. darauf gerichtet, ihrer Lehre eine wissenschaftlichere Begründung zu geben. Zu diesem Zwecke haben sie nicht blos die neuern Hülfsmittel der Medicin, als Stethoskopie, Chemie etc. mit in ihren Bereich gezogen, sondern es sich auch namentlich zur Aufgabe gemacht, die Wirkungen der anzuwendenden Arzneimittel nach allen Seiten hin sorgfältig zu prüfen, um nach dem Ergebniß diesen Mitteln ihren richtigen Platz in dem homöopathischen Arzneischatze anweisen zu können. Diese Versuche sind theils vereinzelt angestellt worden, theils haben sich aber auch besondere Vereine zu diesem Zwecke gebildet, so bes. der Arzneiprüfungsverein zu Wien. Förderlich für die H. war es, daß die Regierungen anfingen, das früher bestandene Verbot des Selbstdispensirens der homöopathischen Ärzte aufzuheben, z.B. im Königreich Preußen durch Cabinetsordre vom 11. Juli 1843. Hierdurch erwuchs den Homöopathen der Vortheil, daß sie sich auf die Reinheit ihrer Mittel u. auf die Wirkung derselben verlassen konnten. Da es aber mehreren homöopathischen Ärzten unthunlich war, ihre Arzneien sich jedesmal selbst zu bereiten, so wurden theils besondere Homöopathische Apotheken errichtet, z.B. in Leipzig, Dresden etc.; theils fingen einzelne Arzte od. auch bloße Liebhaber der H. an, die homöopathischen Arzneimittel in condensirteren Formen darzustellen u. dieselben in größerer od. kleinerer Auswahl ebenfalls unter dem Namen von homöopathischen Apotheken zum Verkauf auszubieten. Da hierdurch auch dem nichtärztlichen Publicum der Besitz homöopathischer Arzneimittel möglich wurde, so erschienen bald auch populäre homöopathische Schriften, so z.B. F. A. Günthers Homöopathischer Hausfreund, Sondersh. 1847–50, 3 Thle., um dasselbe in dem Gebrauch dieser Mittel zu unterrichten. Ferner wurde der Anfang gemacht, auch in öffentlichen Spitälern die Behandlung der Kranken nach homöopathischen Grundsätzen einzuführen. Das älteste derartige Institut ist die homöopathische Heil- u. Lehranstalt in Leipzig, welche bereits 1833 durch den gegründeten Verein zur Beförderung der H. eröffnet, durch mannigfache ungünstige Verhältnisse aber in ihrer Entwicklung sehr gehindert wurde. Bessern Erfolg hatten die in Österreich bestehenden derartigen Spitäler, bes. die Spitäler der Barmherzigen Schwestern in Wien unter der Direction Fleischmanns, in Linz unter Reiß, in Kremsier unter Schweitzer u. die Armenkrankenanstalt zu Nechanitz in Böhmen unter Feltler, Hahnemannshospital in London, in welchem, sowie in dem Spital zu Wien, auch klinische Vorträge gehalten werden. Auch in Amerika bestehen mehrere derartige Spitäler u. selbst Lehranstalten, wie die Homöopathische Akademie zu Allentown in Nordamerika, u. in Madrid wurde 1850 ein Lehrstuhl der H. gegründet. In der neuern Zeit hat die H. auch Eingang in die Thierheilkunde gefunden. Trotz aller dieser Fortschritte der H. ist dieselbe doch noch nicht zu dem Ansehen gelangt, daß die Allöopathie dadurch in den Hintergrund gedrängt worden wäre. Unter den homöopathischen Ärzten Deutschlands sind nach dem am 2. Juli 1843 in Paris erfolgten Tode Hahnemanns, dessen Wittwe sich daselbst ebenfalls mit homöopathischen Kuren beschäftigte, als die vorzüglichsten zu nennen: Stapf in Naumburg Griesselich in Karlsruhe (gest. 1849), Trinks is Dresden, Noack, Hartmann, Haubold in Leipzig, Goullon in Weimar, Fleischmann, Watzke in Wien, Groß in Magdeburg, Lutze in Köthen.

Die Schriften Hahnemanns, s.d.; vgl. Bibltotheca homoeopathica, Lpz. 1842, 2. Aufl. Hartlaub u. Trinks, Reine Arzneimittellehre, Lpz. 1828–31, 3 Bde.; Hufeland, Die H., Berl. 1831; Weber, Systematische Darstellung der reinen Arzneiwirkung, Braunschw. 1831–34; Kopp, Denkwürdigkeiten aus der ärztlichen Praxis, Frankf. 1834, 2 Bde.; Hartmann, Therapie akuter Krankheitsformen nach homöopathischen Grundsätzen, Lpz. 1834, 2 Bde., 2. Aufl.; J. R. Buchner, Homöopathische Arzneibereitungslehre, Münch. 1840; Noack u. Trinks, Handbuch der homöopathischen Arzneimittellehre, Lpz. 1841–48; Jahr, Klinische Anweisungen zu homöopathischer Behandlung der Krankheiten, Lpz. 1846; Georg Schmid, Homöopathische Arzneibereitung u. Gabengröße, Wien 1848; Griesselich, Handbuch zur Kenntniß der homöopathischen od. specifischen Heilkunst, Karlsr. 1848; Hartmann, Specielle Therapie akuter u. chronischer Krankheiten, Lpz. 1848; Jahr, Ausführlicher Symptomencodex der homöopathischen Arzneimittellehre, Lpz. 1847–49, 4 Bde.; A. Haas, Die H. lichtvoll in der Theorie u. heilvoll in der Praxis, Wien 1851; Hirschel, Die H., eine Anleitung zum Verständniß derselben, Dessau 1851; Derselbe, Die H. u. ihre Bekenner, ebd. 1851; Jahr, Handbuch für die Wahl der homöopathischen Heilmittel, Lpz. 1851, 4. Ausg.; Possart, Charakteristik der homöopathischen Arzneien, Sondersh. 1851; Jahr, Die Lehren u. Grundsätze der gesammten theoretischen u. praktischen homöopathischen Heilkunst, Stuttg. 1857; Lutze, Lehrbuch der H., Sondersh. [⇐514][515⇒] 1857; Goullon, Darstellung der H., Lpz. 1859; Hellmund, Repertorium der Thierheilkunde nach homöopathischen Grundsätzen, Gotha 1848; F. A. Günther, Der homöopathische Thierarzt, Sondersh. 1849, 5. Aufl., 3 Thle.; Zeitschriften: Stapf, Archiv für die homöopathische Heilkunst, Lpz. 1828–35, 1._– 15. Bd., nebst 2 Supplementbdn., mit Groos u.a. 16. u. folg. Bde., 1837–43, u. dann Neues Archiv etc., 1844 ff; Hartlaub u. Trinks, Annalen der homöopathischen Klinik, Lpz. 1830–33, 4 Bde.; Hygea von Griesselich, Karlsr. 1834 ff., 1._– 12. Bd.; Allgemeine homöopathische Zeitung von Groos, Hartmann u. Rummel, Lpz. 1832 ff.; Österreichische Zeitschrift für H., herausgegeben von Fleischmann, Clem. Hampe, Ph. Ant. Watzke u. Fr. Wurm, Wien 1844–50; Allgemeine. Zeitung für H., vom Verein in- u. ausländischer Arzte, herausgegeben von J. Nusser u. J. B. Buchner, Augsb. 1848 f.; Homöopathische Vierteljahrschrift, Centralorgan für die gesammte H. mit besonderer Berücksichtigung aller medicinischen Hülfswissenschaften, herausgegeben von Clotar Müller u. Veit Weber, Lpz. 1850; Homöopathische Klinik, Dessau seit 1851; Günther, Magazin für die neuesten Beobachtungen u. Erfahrungen im Gebiete der homöopathischen Thierheilkunde, Sondersh. 1845.

Die Gegner des homöopathischen Systems machen diesem hauptsächlich folgende Einwände: daß in demselben die Wirkung der Medicin als allmächtig hingestellt werde, u. daß man auf die Natur u. ihre Heilkraft keine Rücksicht nehme; dann daß der Grundsatz: Similia similibus zu heilen, der Begründung entbehre u. sich in der Medicin nicht durchführen lasse; ferner, daß es unglaublich sei, von einer Arzneigabe um so stärkere Wirkung zu erwarten, je schwächer dieselbe sei; auch daß die strenge Diät in sehr vielen Fällen den Kranken eher schädlich als nützlich sei, u. bemerken, daß die homöopathischen Ärzte selbst eingeständig seien, keine einzige Krankheit zu erkennen u. zu behandeln, sondern nur die äußern, oft sehr zufälligen Erscheinungen derselben; endlich daß die homöopathischen Arzneigaben völlig wirkungslos seien, u. daß daher nur diejenigen Krankheiten von den Homöopathen geheilt werden könnten, welche die neuere physiologische Medicin ohne alle Arznei durch die exspectative Methode behandle u. heile; wo aber Heilungen nach Gebrauch homöopathischer Mittel erfolgten, da seien dieselben nur einer Einwirkung der Einbildungskraft der Kranken beizumessen u. daher mit denen durch Sympathie in eine Klasse zu stellen. Unter die gewichtigsten Gegner der neuern Zeit gehört der Naturforscher Liebig, u. in Großbritannien beschloß 1851 die medicinische Facultät der Universität St. Andrews u. Edinburg, sowie das Londoner Royal College of Physicians, keinem Studirenden die Doctorwürde zu verleihen, welcher nicht durch ein feierliches Versprechen auf die Anwendung der homöopathischen Heilmethode verzichtet, u. der Medicinische Verein zu Brighton entschied sich für ein Manifest, welches die H. als dem gefunden Menschenverstand durchaus zuwiderlaufend verdammt. Indessen leugnen auch ihre Gegner nicht, daß die H. einen großen historischen Werth hat u. daß sie einst vielen Nutzen gestiftet hat, indem sie die Arzte darauf aufmerksam machte, wie die Heilung eines Kranken keineswegs von der Menge der Arznei abhinge, welche derselbe nähme. Vgl. Rummel, Die H. in ihrer Licht- u. Schattenseite, Lpz. 1827; Jörg, Kritische Hefte für Arzte, Lpz. 1822–24, 1._– 3. Heft; Heinroth, Antiorganon, Lpz. 1828; Simon, Pseudomessias Hahnemann, Hamb. 1830–34, 3 Thle.; Lesser, Die H., Berl. 1834; Stieglitz, Über H., Hann. 1835; Simon, Antihomöopathisches Archiv, Hamb. 1834 ff. [⇐515]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 513-515.
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[340⇒] Homöopathie, griech.-deutsch, eine neue, von Hahnemann aufgestellte Heilmethode, auf den Grundsatz gegründet, die Krankheiten können nur geheilt werden durch Mittel, welche im gesunden Körper Symptome (Erscheinungen) hervorrufen, welche denen der zu heilenden Krankheit ähnlich sind (ein ähnliches Leiden, ὅμοιον πάθος woher der Name), während die alte Heilkunde (von Hahnemann Allopathie genannt) solche Mittel anwende, welche einen der vorliegenden Krankheit entgegengesetzten od. doch von ihr verschiedenen Zustand (ἄλλον πάθος) bewirken. Hahnemann sah in seiner dynamischen Auffassung die Krankheiten nur als Verstimmung an; für den Arzt bestehen sie nur in dem Complex ihrer Symptome u. an diese allein habe er sich zu halten. Hauptaufgabe der Heilkunde sei es daher, einmal die Krankheiten in ihren Symptomen zu studieren und zu erkennen, sodann die Wirkungen der Heilmittel auf den gefunden Körper genau zu erforschen; aus der gewonnenen richtigen Erkenntniß nach diesen 2 Richtungen ergebe sich sodann das nöthige Heilverfahren für den einzelnen Fall. Eine weitere Eigenthümlichkeit der H. liegt in der Dosirung der Arzneistoffe, die nur in außerordentlich kleinen Gaben und in höchster Verdünnung gereicht wurden. Einen sehr wesentlichen Theil des homöopathischen Heilverfahrens bildet endlich die strengste Diät, welche alles fern hält, was die Wirkung der Mittel nur irgend stören oder selber arzneilich wirken könnte. – Hahnemann soll auf seine Heilmethode geführt worden sein durch die Beobachtung, daß eine Gabe Chinarinde, die er bei gesundem Körper nahm, einen wechselfieberartigen Anfall bei ihm erregte. Auf weitere Versuche mit andern Arzneistoffen veröffentlichte er seine Ansicht zuerst in Hufelands Journal 1796. Später erschienen dann seine »Fragmenta de viribus medicamentorum in sano corpore observatis«, sein »Organon der Heilkunde« 1810, die »Reine Arzneimittellehre« und »Chronische Krankheiten«. Die neuern Homöopathen weichen in Vielem von Hahnemann ab, namentlich in Beziehung auf die unendlichen Verdünnungen, und anerkennen und benützen die reichen physiologischen und pathologisch-anatomischen Entdeckungen der neuern Medizin. Jedenfalls hat die H. das wichtige Verdienst, zu einer genauern Prüfung der Arzneistoffe angeregt u. auch die Aerzte der alten Schule zu bedeutender Vereinfachung ihrer Ordinationen, gegenüber dem früheren Wuste in denselben, veranlaßt zu haben. »Homöopath. Vierteljahrsschrift«, Leipzig 1849; »Zeitschrift für homöopath. Klinik«, Dessau 1851; »Die H. u. ihre Bekenner« von Hirschel, Dessau 1851. [⇐340] [⇐341]

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 340-341.
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[411⇒] Homöopathie bezeichnet das von Sam. Hahnemann (s.d.) erfundene Heilsystem, welches sich von allen bisherigen Verfahrungsarten in der Heilkunde seinen Grundsätzen nach wesentlich unterscheidet. Das Wort Homöopathie ist nach dem Griechischen gebildet und bezeichnet ein Heilverfahren, bei welchem zur Heilung der Krankheiten solche Mittel angewendet werden, welche im gefunden Körper einen ähnlichen Zustand herzustellen vermögen, wie derjenige ist, an welchem der Kranke leidet. Außer von der auf diese Weise der Homöopathie zu Grunde liegenden Überzeugung, welche auch durch den lat. Satz similia similibus curantur (d.h. Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt) ausgedrückt wird, gehen die Homöopathen auch noch von dem Grundsatze aus, daß nur einfache Arzneimittel in der Medicin in Anwendung zu bringen seien und daß diese bei einer strengen Diät des Kranken nur bei sehr kleinen Gaben die gewünschte Heilwirkung hervorzubringen vermögen. Die homöopathische Diät besteht in einer Enthaltung von allen denjenigen Nahrungsmitteln, die selbst auf den gesunden Menschen eine Wirkung hervorzubringen vermögen, welche der eines Heilmittels gleicht. Die Wahl des Heilmittels in einem besondern Krankheitsfalle bestimmt nicht ein einzelnes Symptom der Krankheit, sondern die Gesammtheit aller auch der scheinbar geringfügigsten Symptome. Daher hat der homöopathische Arzt, ehe er ein Mittel gibt, den Zustand des Kranken auf das Allseitigste zu prüfen, hierbei auch auf die bisherige Lebensweise, auf die früher ihn betroffenen Krankheitsfälle u.s.w. genau einzugehen. Es ist endlich ein Grundsatz der Homöopathen, die Wirkung eines Heilmittels erst vollkommen abzuwarten und zu beobachten, ehe sie zur Wahl eines andern Mittels oder zur Wiederholung der frühern Gabe schreiten; bei heftigen und schnell zur Entscheidung führenden Krankheiten pflegen sie jedoch das Mittel, von dessen Anwendbarkeit sie überzeugt sind, auch in kürzern Zeiträumen zu wiederholen.

Die Homöopathie hat sehr viele Gegner gefunden, aber auch viele begeisterte Anhänger. Die letztern sind, wie dieses bei einer noch so jugendlichen Wissenschaft auch nicht anders möglich war, in manchen Punkten von der strengen Lehre Hahnemann's mehr oder weniger abgewichen, und Hahnemann selbst hat manche seiner Annahmen im Verlaufe [⇐411][412⇒] der Zeit verändert. Die Gegner der Homöopathie haben wenigstens so viel eingestehen müssen, daß in gewissen Fällen der Grundsatz, auf welchem Hahnemann's Lehre beruht, Anwendung finde und daß jedenfalls Vereinfachung der Arzneimittel, Verminderung der Quantität, in welcher sie dem Kranken zu reichen, und endlich eine strenge Diät zeitgemäße Verbesserungen in der Medicin seien. [⇐412]

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 411-412.
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[329⇒] Homöopathie, die von Hahnemann erfundene Heilmethode, deren Hauptgrundsatz das »similia similibus curantur«, d. h. das Aehnliche werde durch das Aehnliche geheilt, ist, hat in neuerer Zeit eben so viele Anhänger als Gegner gefunden Die Homöopathen gehen von dem Princip aus, daß bei einer Krankheit zur Heilung derselben dasjenige Mittel gewählt werden müsse, welches im gefunden Körper dieselbe Krankheit erzeugt; ferner, daß die Arzneien in ihrer subtilsten Verdünnung durch die sogenannte Verreibung potenzirt werden und so, trotz der geringen Dosis, an Wirksamkeit gewinnen. Um diese zu erzielen, ist eine strenge Diät, welche namentlich Gewürze, Kasse u. dergl. ausschließt, unerläßlich. Die Homöopathie hat übrigens nicht nur in Deutschland und Oestreich, sondern auch in Schweden, Rußland, Frankreich, England, Nordamerika etc. zahlreiche Anhänger gefunden.

D. [⇐329]

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 329.
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