Artikel in der Wikipedia: Mainz
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1119. Mais (a männliche Ähren, b weibliche Blütenkolben, c Fruchtkolben).
1119. Mais (a männliche Ähren, b weibliche Blütenkolben, c Fruchtkolben).

[112⇒] Mainz, Hauptstadt der hess. Prov. Rheinhessen und Festung, ehemals Residenz der Erzbischöfe und Kurfürsten von M., l. am Rhein, (1900) 84.251 (1905: 91.124) E., Garnison, Bischofssitz, Land-, Amtsgericht, preuß.-hess. Eisenbahndirektion, Reichsbankstelle, Handelskammer, Dom (12. und 13. Jahrh. neu erbaut), kurfürstl. Schloß mit Sammlungen, Gemäldegalerie, großherzogl. Schloß (ehemals Deutschordenshaus), Priesterseminar, Gymnasium, Realgymnasium, Kunstgewerbeschule; bedeutende Industrie (bes. Leder und Möbel), Weinhandel; wichtiger Stapelplatz. Gegenüber die Stadt Kastel. – M. (Moguntiăcum) wurde 13 v. Chr. von Drusus als röm. Kastell angelegt, während der Völkerwanderung mehrfach zerstört, stand im 13. Jahrh. an der Spitze des Rhein. Städtebundes, wurde 1486 dem Erzstift förmlich einverleibt, seit dem Dreißigjähr. Kriege mehrfach von den Franzosen erobert (1644, 1688, 1792, 1794, 1797), war 1801-14 Hauptstadt des franz. Dep. Donnersberg, kam dann an Hessen, blieb aber bis 1866 von Preußen, Österreichern und Hessen gemeinsam besetzte Bundesfestung. Hier errichtete Gutenberg 1450 die erste Buchdruckerei. – Vgl. Bockenheimer (1874-96). [⇐112]

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 112.
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[132⇒] Mainz (hierzu der Stadtplan), Hauptstadt der Provinz Rheinhessen und deutsche Reichsfestung, liegt links am Rhein und an der Mainmündung schräg gegenüber in einer der schönsten und fruchtbarsten Gegenden Deutschlands, an einer durch die natürliche Lage und die geschichtliche Entwickelung hervorragend begünstigten Stelle, im Knotenpunkte der Linien M.-Worms, M.-Darmstadt-Aschaffenburg, M.-Koblenz, M.-Kurve (Wiesbaden), M.-Goldstein (-Frankfurt a. M.), M.-Mannheim und M.-Alzey der Preußisch-Hessischen Staatsbahn, der Dampfbahnen M.-Finthen und M.-Hechtsheim, 88 m ü. M.

Wappen von Mainz.
Wappen von Mainz.

Über den Rhein führen drei Brücken, oberhalb der Stadt eine 1028 m lange Eisenbahngitterbrücke mit zwei Gleisen (1862 vollendet), unterhalb die 1904 eingeweihte, im Bogenfachwerksystem ausgeführte, 915 m lange neue Eisenbahnbrücke (Kaiserbrücke), mit reichem architektonischem und bildnerischem Schmuck, zwischen beiden, nach dem gegenüberliegenden Kastel, die 1885 vollendete schöne Straßenbrücke. Letztere Stadt ist in das Befestigungssystem mit eingeschlossen. Das Stadtbild von M. ist eins der schönsten am Rhein. M. ist eine gut gebaute Stadt mit sehr günstigen Gesundheitsverhältnissen; sie hat sich in den letzten Jahrzehnten, seit der Hinausschiebung der Festungswerke, außerordentlich erweitert und verschönert; ganz neue, elegante Stadtteile sind auf der Nordseite der Stadt (Gartenfront) und am Rhein (Ufer- und Taunusstraße) entstanden. Zwischen Alt- und Neustadt ist durch Bebauung des Schloßplatzes und des angrenzenden, durch die Niederlegung der Schloßkaserne frei gewordenen Terrains ein neues, vornehmes Stadtviertel im Eutstehen begriffen. Auch für die innere, vielfach eng gebaute Altstadt mit ihren malerischen Straßenbildern geschieht neuerdings viel durch Verbreiterung und Durchbruch von Straßen. Das Gebiet der Ingelheimer Aue ist zu einem günstig gelegenen Industrieplatz umgewandelt. Unter den Plätzen sind bemerkenswert: der Marktplatz mit interessanten Häusern und einem Renaissancebrunnen, der Liebfrauenplatz, das Höschen, der Schillerplatz mit einer Bildsäule Schillers (von dem Mainzer Künstler Scholl, 1862), der Tritonplatz mit einer Fontäne, der Gutenbergplatz mit der bronzenen Statue des Erfinders der Buchdruckerkunst (von Thorwaldsen, 1837), der Halleplatz (vor der Stadthalle), der Fischtorplatz, die Mathildenterrasse mit prächtiger Aussicht, der Bahnhofsplatz, der Frauenlobplatz und der Feldbergplatz. Von Straßen sind hervorzuheben: die Rheinstraße, in geringer Entfernung vom Rhein hinlaufend, und die Rheinallee, die Ludwigsstraße, die Schillerstraße, die Große Bleiche, die Bahnhofsstraße, namentlich aber die in der Neustadt befindliche 60 m breite und mit gärtnerischen Anlagen geschmückte Kaiserstraße, die Schulstraße, die Bonifatiusstraße.

Unter den kirchlichen Gebäuden (10 kath. Pfarrkirchen nebst einer Anzahl Kapellen, 3 evang. Kirchen, eine davon für die Garnison, und 2 Synagogen) steht der Dom obenan. Dieser, 978 vom Erzbischof Willigis begonnen, dann wiederholt durch Feuersbrunst zerstört, in seiner jetzigen Form im 13. und 14. Jahrh. ausgeführt, ist ein imposantes, kunsthistorisch sehr interessantes Gebäude mit sechs Türmen, deren höchster 82 m hoch ist. Das Innere wird von 56 hohen Pfeilern gestützt und enthält zahlreiche Denkmäler und Kunstschätze, zwei schöne eherne Torflügel aus dem 10. Jahrh., ein metallenes Taufbecken von 1328 u. a., namentlich die zum Teil prachtvollen Monumente zahlreicher Erzbischöfe vom 13. Jahrh. an bis zur Neuzeit. In dem anstoßenden gotischen Kreuzgang befindet sich unter andern Monumenten das des Minnesingers Frauenlob (gest. 1318), dem 1842 noch ein andres, ein Werk Schwanthalers, dort errichtet ward. Bei der Belagerung von 1793 und durch die nachherige Verwandlung in ein Magazin hatte der Dom sehr gelitten; die Wiederherstellung begann 1822 unter Mollers Leitung. Der östliche Vierungsturm erhielt 1828 eine gotische Kuppel, 1845 wurde der westliche Hauptturm erneuert, 1859 begann die Ausmalung des Innern. Von 1868 an wurde, besonders unter Leitung des Dombaumeisters Cuypers, eine umfassende Restauration der baufälligen östlichen Teile durchgeführt. Der gotische Kuppelbau wurde 1875 durch einen romanischen Turm ersetzt, die Krypte unter dem Ostchor ausgebaut und 1879 die beiden östlichen Stiegentürme erneuert. Das Mittelschiff und die Kuppel des Westchors sind mit Wandgemälden nach Ph. Veits Entwürfen geschmückt; der Ostchor harrt noch seines vollständigen innern Ausbaues und Schmuckes (vgl. Schneider, Der Dom zu M., Berl. 1886, mit 10 Tafeln; Weiteres s. unten). – Bemerkenswert sind noch: die Ignatiuskirche, eine schöne Barockanlage, dabei eine Kreuzigungsgruppe von 1519; die Stephanskirche, eine schöne frühgotische Hallenkirche, 1321 vollendet, mit reizendem spätgotischem Kreuzgang, auf dem höchsten Punkte der Stadt; die Augustiner- oder Liebfrauenkirche; die 1756 vollendete Peterskirche mit Kuppelgemälden von Appiani. Die prächtige, in italienischer Hochrenaissance aufgeführte [⇐132][133⇒] evangelische Christuskirche, 1903 vollendet, trägt mit ihrem 80 m hohen Kuppelbau zur Belebung des Stadtbildes wesentlich bei.

Andre hervorragende Gebäude sind: das großherzogliche Schloß, früher dem Deutschen Orden gehörig, 1731–39 erbaut, daneben das Zeughaus (von 1738) mit großem Waffensaal; das aus rotem Sandstein in kraftvoller Renaissance-Architektur ausgeführte ehemalige kurfürstliche Schloß, bis 1887 zum Teil als Lagerhaus des Freihafens dienend und jetzt in umfassender Restauration begriffen, enthält die reichen Sammlungen der Stadt: die Stadtbibliothek (220,000 Bände) mit Archiv, Münzkabinett und dem Gutenberg-Museum (s. d.), die Gemäldegalerie, das Altertumsmuseum, das römisch-germanische Zentralmuseum, eine Sammlung von Gipsabgüssen plastischer Werke sowie ein reiches naturhistorisches Museum; der Regierungs-, Justiz- und Gouvernementspalast (ehemalige Adelshöfe), das bischöfliche Palais, das alte Gymnasium mit malerischem Renaissance-Erker; die Barockbauten zum Römischen Kaiser und zum König von England, das romanische ehemalige Hospital zum Heiligen Geist, die durch die Erfindung der Buchdruckerkunst merkwürdigen Gebäude, das Stadttheater etc. Aus neuester Zeit stammen: die Stadthalle, ein prächtiger Renaissancebau für Festlichkeiten; das Verwaltungsgebäude der Eisenbahndirektion, der mit reichem ornamentalem Schmuck gezierte Zentralbahnhof, die beiden Lagerhäuser am neuen Hafen, das Reichsbankgebäude, das Kasino »Hof zum Gutenberg«, das Konzerthaus, das Volksbankgebäude, das neue Gymnasium, die Oberrealschule und mehrere neue Volksschulhäuser, die Kreissparkasse, das Institut für physikalische Heilmethoden, das Verwaltungsgebäude der Fleischereiberufsgenossenschaft, das Militärlazarett, die Reichs-Konservenfabrik für die Verpflegung des deutschen Heeres, mehrere große Kasernen, der Schlacht- und Viehhof etc.

Die Zahl der Einwohner beträgt (1900) mit der Garnison (3 Regimenter Infanterie: Nr. 87,88 und 117,1 Regiment Dragoner Nr. 6,1 Regiment Fußartillerie Nr. 3, je eine Abteilung Feldartillerie Nr. 27 und 63 und ein Pionierbataillon Nr. 21) 84,251, darunter etwa 31,000 Evangelische und 3100 Juden. Industrie, Handel und Verkehr sind von großer Bedeutung. Haupterzeugnisse der erstern sind: Leder, Schaumwein, Konserven, Möbel, Parkettböden, Waggons, Bijouteriewaren, Billards, Schuhwaren, Werkzeuge, Kellereiartikel, Korkpfropfen, Heizungs- und Lüftungsanlagen, Beleuchtungsartikel, musikalische Instrumente, Furniere, Korbwaren, Maschinen, Silber- und Goldwaren, künstliche Perlen, Konditoreiwaren, Müllereiprodukte, chemische Produkte (besonders Lack und Firnisse), Seife, Bürsten, Apfelwein etc. Bedeutend sind auch die Bierbrauerei, die Buchdruckerei, namentlich aber der in den umliegenden Ortschaften sehr umfangreich betriebene Gemüsebau. Der Handel ist besonders lebhaft in Wein, dann in Kolonialwaren, Getreide, Holz, Steinkohlen, Eisen, Petroleum, Öl, Industrieerzeugnissen, Manufakturwaren, Teppichen etc.; bedeutend ist auch die Holzflößerei; hervorragend ist der Musikalienverlag. Der Handel, gefördert durch die vortreffliche Eisenbahnverbindung und den Verkehr zu Wasser, wird unterstützt durch eine Handelskammer, eine Börse, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1904: 1206 Mill. Mk.), mehrere große Bankgeschäfte, eine Filiale der Darmstädter Bank für Handel und Industrie und zahlreiche Dampfschleppschiffahrts-Gesellschaften. Die großartigen Hafenbauten und Niederlagsräume im N. der Stadt, mit einem Kostenaufwand von 6 Mill. Mk. hergestellt, wurden 1887 dem Verkehr übergeben. Ein zweiter Hafen, der Eisenbahnverwaltung gehörig, ist M. gegenüber, an der Mainmündung bei Gustavsburg, erbaut worden. Ein besonderer Hafen dient zur Flößerei. Der Güterverkehr in den Mainzer Häfen hat sich 1903 folgendermaßen gestaltet: Mainzer Inlands-, Zoll- und Floßhafen 11,970,192 dz, Kasteler Hafen 6,472,500 dz, Gustavsburger Hafen 10,461,840 dz. Den Verkehr in der Stadt und mit den benachbarten Orten Kastel, Weisenau und Mombach vermittelt eine elektrische Straßenbahn, außerdem Dampfbahnen nach mehreren Vororten (s. oben).

An Bildungsinstituten etc. hat M. ein Priesterseminar, zwei Gymnasien, ein Realgymnasium, eine Oberrealschule, eine Handelsrealschule, eine städtische höhere Mädchenschule, eine Kunstgewerbeschule, eine Frauenarbeitsschule, eine landwirtschaftliche Winterschule, ein städtisches Theater, ein Konservatorium der Musik, eine öffentliche Lesehalle, einen Verein für plastische Kunst, die Gutenberg-Gesellschaft (s. d.), die Rheinische Naturforschende Gesellschaft, einen Gartenbauverein, zahlreiche Gesang- und Musikvereine, unter denen die Mainzer Liedertafel als Gründerin der mittelrheinischen Musikfeste und durch ihre Händelaufführungen den ersten Rang einnimmt. Die von ihr 1905 begründete Kaiserin Friedrich-Stiftung bezweckt Musteraufführungen von Werken Händels sowie von andern hervorragenden Kompositionen als ständige Einrichtung in M. Besonders zu nennen ist der Altertumsverein als Verwalter des städtischen Altertumsmuseums. In Verbindung mit dem Römisch-germanischen Zentralmuseum (s. d.) besitzt M. eine Sammlung, wie sie für die ältere deutsche Kulturperiode sonst nicht existiert. Von sonstigen Anstalten sind zu erwähnen: die Industriehalle, ein Waisen- und ein Invalidenhaus, zwei Hospitäler, ein therapeutisches Institut, eine Entbindungsanstalt, viele gemeinnützige Vereine etc. Die städtischen Behörden setzen sich zusammen aus 6 Magistratsmitgliedern und 42 Stadtverordneten. Das städtische Budget betrug 1904 in Einnahme und Ausgabe je 8,133,772 Mk. M. ist Sitz eines katholischen Bischofs und eines Domkapitels, der Provinzial- und Kreisbehörden, der Königlich Preußischen und Großherzoglich Hessischen Eisenbahndirektion, eines Landgerichts, eines Hauptsteueramts, eines Hoch- und zweier Wasserbauämter, einer Oberförsterei, der Weinbaudomänenverwaltung etc. Von militärischen Behörden befinden sich dort: der Gouverneur und der Kommandant der Festung M., der Stab der 2. Pionier-Inspektion und der 41. und 50. Infanterie-Brigade. Die Umgebung von M. zieren schöne Promenaden, an die sich beim Neutor die »Anlage« (Stadtpark) anschließt. Einen prächtigen Spaziergang bildet namentlich der stattliche, etwa 7 km lange Rheinkai. Außerhalb des Gautors, bei Zahlbach, sind die Pfeilerreste der römischen Wasserleitung sehenswert. Von den Türmen der mittelalterlichen Stadtmauer haben sich der Holzturm (15. Jahrh.) und der Eiserne Turm (13. Jahrh.) erhalten. Auf dem Marktplatze steht der 1526 errichtete Marktbrunnen, eins der ältesten Renaissance-Denkmäler am Rhein. Der Neue Brunnen auf der Großen Bleiche stammt aus dem Jahre 1726.

Die umfangreichen und starken Festungswerke, die seit den Befreiungskriegen sehr in Verfall geraten waren, wurden seit 1826 auf Bundeskosten wiederhergestellt. Sie bestanden bis zum Umbau der Festung [⇐133][134⇒] seit 1871 aus 13 Bastionen, einem Kronenwerk an der Südseite und einer in die Umwallung eingefügten Zitadelle, die ein bastioniertes Viereck bildet, und in welcher der sogen. Eigelstein steht, wahrscheinlich das Grabmal des Drusus, ein jetzt noch etwa 15 m hoher Turm mit einem Durchmesser von 8 m. Nachdem schon früher einige Festungstore im Verkehrsinteresse beseitigt worden waren, ist durch kaiserliche Kabinettsorder vom 18. März 1904 die Auslassung der Nordwestfront der Festung verfügt und das dadurch gewonnene Gebiet für die Bebauung freigegeben worden; die innere Umwallung von M. wird demnächst ganz beseitigt und die Rayonbeschränkungen sollen aufgehoben werden, wodurch dann auch die geplante Eingemeindung einiger Nachbarorte verwirklicht werden wird. Auch die Stadtumwallung von Kastel (s. d.) ist gleichzeitig gefallen. Von jetzigen Außenforts ist das Fort Biehler bei Erbenheim zu nennen. Der Abschluß der Festung gegen den Strom wird durch eiserne Palisadengitter mit Sandsteinsockel gebildet. Die Tore nach dem Rhein sind in geschmackvoller Form hergestellt und mit Skulpturen, Figuren und Emblemen geschmückt. – Zum Landgerichtsbezirk M. ge. hören die elf Amtsgerichte zu Alzey, Bingen, M., Niederolm, Oberingelheim, Oppenheim, Osthofen, Pfeddersheim, Wöllstein, Worms und Wörrstadt.

[Geschichte.] Auf der Stelle, wo jetzt M. liegt, bestand in vorgeschichtlicher Zeit eine keltische Niederlassung. 38 v. Chr. legte Agrippa hier ein befestigtes Winterlager an, Drusus (14–9 v. Chr.) errichtete das Castrum Mogontiacum (nach dem keltischen Lichtgott Mogo benannt), neben dem die Lagervororte sich zu einer Stadt mit munizipaler Verwaltung entwickelten. Das auf der rechten Rheinseite als Schlüssel für die Mainlinie errichtete Castellum Mattiacorum (Kastel) wurde durch eine feste Brücke im 1. Jahrh. n. Chr. mit M. verbunden. M. war Hauptstadt der römischen Provinz Obergermanien. Mit dem Verfall des römischen Reiches erlebte M. wiederholte Plünderungen und Verwüstungen, 368 durch die Alemannen, dann durch die Wandalen und Hunnen. Begründer der neuen Stadt im 6. Jahrh. ist der Bischof Sidonius. Durch Bonifatius (s. d. 2) wurde M. Metropole der deutschen Kirche; Karl d. Gr. hatte in der Nähe königliche Pfalzen und errichtete eine Münzstätte in M.; schon im 10. Jahrh. wird M. eine vornehme und reiche Stadt genannt. Mit Erzbischof Willigis begann für M. eine neue Epoche kirchlichen Glanzes; der von ihm erbaute Dom brannte am Tage der Einweihung (1009) ab, der neue wurde 1036 vollendet. Mit Willigis beginnt die weltliche Herrschaft der Erzbischöfe über die bis dahin königliche Stadt. 1118 erhielt M. das erste Privileg der Stadtfreiheit. Bemerkenswert ist die Empörung der Stadt 1160 gegen den Erzbischof Arnold, der dabei auf gräßliche Weise ermordet wurde. Friedrich Barbarossa hielt 1163 ein strenges Strafgericht über M. und zerstörte seine Mauern, mit deren Wiederherstellung man 1200 beschäftigt war. Bei M. fand 1184 ein großes Reichsfest statt. Unter den fränkischen und staufischen Königen wurden in M. wiederholt Reichstage und Kirchenversammlungen gehalten. 1244 erlangte M. vom Erzbischof die Anerkennung der Stadtfreiheit mit den Rechten der Selbstregierung; nunmehr tritt neben Kämmerer, Schultheiß und Schöffen auch ein Ratskollegium in M. hervor. 1254 war die Stadt Vorort des von seinem Mitbürger Arnold Walpod gestifteten großen rheinischen Bundes (Städtebund). Um das Jahr 1450 vollendete in M. Johann Gutenberg die Erfindung der Buchdruckerkunst. Während noch im 14. Jahrh. im »goldenen« M. großer Wohlstand herrschte, macht sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. ein bedeutender Rückgang bemerklich. Zwischen Geschlechtern und Zünften entbrannten heftige Zwistigkeiten, und in dem Streit zwischen dem abgesetzten Kurfürsten Dietrich II. von Isenburg und seinem Nebenbuhler Adolf II. von Nassau verlor M. 1462, von letzterm erobert, seine Privilegien und wurde eine erzbischöfliche Stadt; zahlreiche Bürger wurden verbannt oder verließen die Stadt. Die 1477 gegründete Universität wurde 1798 aufgehoben. 1552 ward M. von dem Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, während des Dreißigjährigen Krieges 1631 vom Schwedenkönig Gustav Adolf besetzt. Dieser ließ die Gustavsburg auf dem rechten Rheinufer an der Mainspitze anlegen und die durch die Zitadelle bereits verstärkten Festungswerke erweitern. 1635 von den Schweden geräumt, wurde M. 1644 von den Franzosen eingenommen. 1661 wurde eine ständige Schiffbrücke über den Rhein zwischen M. und Kastel errichtet. Noch einmal von den Franzosen 1688 besetzt, wurde die Stadt im folgenden Jahre durch das Reichsheer wieder befreit.

Im 18. Jahrh. erholte sich die Stadt wieder so weit, daß ihre Bevölkerung um 1780 auf 32,000 Einw. stieg. Am 17. Okt. 1792 erschien der französische General Custine vor der mangelhaft befestigten und ausgerüsteten Stadt, aus der der Kurfürst mit seinem Hof schon geflohen war, und zwang sie schon am 22. zur Kapitulation. Die vom Kurfürsten selbst früher nach M. berufenen liberalen Kosmopoliten, wie Forster, stifteten nun einen republikanischen Klub (»Mainzer Klubisten«; vgl. Bockenheimer, Die Mainzer Klubisten; Mainz 1896), der im März 1793 die »Rheinische Republik« gründete und Forster und Lux nach Paris schickte, um beim Konvent deren Einverleibung in die französische zu beantragen. Doch schon 31. März 1793 schloß ein Koalitionsheer unter General Kalckreuth M. ein, und 22. Juli erfolgte die Übergabe. Im folgenden Jahre wieder von den Franzosen eingeschlossen, wurde M. durch Clerfait 1795 befreit und blieb von den Österreichern bis 1797 besetzt, wurde jedoch 29. Dez. wieder von den Franzosen eingenommen und im Frieden zu Lüneville 1801 an Frankreich abgetreten. Am 2. Jan. 1814 begann die Einschließung der Stadt durch die Verbündeten. Nach einer durch Typhus und Hunger furchtbaren Belagerung wurde die Stadt 4. Mai übergeben. Durch den Pariser Frieden 1814 wurde M. Deutschland wieder einverleibt und nach einer provisorischen Verwaltung 30. Juni 1816 dem Großherzog von Hessen-Darmstadt zur Entschädigung abgetreten, jedoch mit der Beschränkung, daß M. in militärischer Hinsicht als Festung des Deutschen Bundes betrachtet und von österreichischen und preußischen Truppen besetzt werden solle. 1819–28 war M. Sitz der Zentraluntersuchungskommission zur Ermittelung demagogischer Umtriebe. Der 1826 begonnene Neubau der Festungswerke erhob M. (mit Kastel) zu einem Waffenplatz ersten Ranges; die innere Umwallung wird seit 1904 beseitigt. Nach mehreren seit März 1848 vorausgegangenen Aufläufen veranlaßte 21. Mai d. J. ein blutiger Straßenkampf zwischen den Bürgern und dem preußischen Militär die Erklärung des Belagerungszustandes, der jedoch schon 24. Mai wieder aufgehoben wurde. Durch die Explosion eines Pulverturms auf dem Kästrich 18. Nov. 1857 wurde dieser Stadtteil fast völlig zerstört. Vor Ausbruch des Krieges von [⇐134][135⇒] 1866 verließen die österreichischen und preußischen Bundestruppen zufolge eines Bundestagsbeschlusses die Stadt, und es wurde dieselbe von Teilen des 8. Bundesarmeekorps besetzt. Am 26. Aug. zogen aber die Preußen wieder ein, und durch den Frieden erhielt Preußen das alleinige Besatzungsrecht; nach Abschluß der Militärkonvention zwischen Preußen und Hessen-Darmstadt 1871 beteiligten sich auch hessische Truppen an der Besatzung. Nach Errichtung des Deutschen Reiches ward M. Reichsfestung mit preußischem Gouvernement. Vgl. Brühl, M., geschichtlich, topographisch und malerisch (Mainz 1829); Werner, Der Dom von M. nebst Darstellung der Schicksale der Stadt und der Geschichte ihrer Erzbischöfe (das. 1827–36, 3 Bde.); Schaab, Geschichte der Stadt M. (das. 1841–44, 2 Bde.) und Geschichte der Bundesfestung M. (das. 1835); die mittelalterlichen Chroniken von M. mit Verfassungsgeschichte der Stadt von Hegel in den »Chroniken der deutschen Städte«, Bd. 17 und 18 (Leipz. 1881–82); Frohnhäuser, Gustav Adolf und die Schweden in M. und am Rhein (Darmst. 1894); Hennes, Die Belagerung von M. 1689 (Mainz 1864); Bockenheimer, Die Einnahme von M. durch die Franzosen am 22. Okt. 1792 (das. 1892), Die Wiedereroberung von M. durch die Deutschen im Sommer 1793 (das. 1893), Geschichte der Stadt M. während der zweiten französischen Herrschaft 1798–1814 (das. 1890) und Beiträge zur Geschichte der Stadt M. (das. 1874 ff., 6 Hefte); Schädel, Über den Namen und das Rad der Stadt M. (das. 1899); Schaab, Diplomatische Geschichte der Juden zu M. (das. 1855); Salfeld, Bilder aus der Vergangenheit der jüdischen Gemeinde M. (das. 1903); Frohnhäuser, Die Geschichte der evangelischen Gemeinde M. 1802–1903 (das. 1903); Peth, Geschichte des Theaters und der Musik zu M. (das. 1879, Nachtrag 1883); Velke und Meesmann, Die Handelskammer zu M. 1798–1898 (das. 1898); »Zur Erinnerung an die Eröffnung des neuen Zoll- und Binnenhafens in M.« (das. 1887); Schröder, Gärten und Schmuckplätze der Stadt M., einst und jetzt (Neudamm 1898); Börckel, Der Mainzer Friedhof, seine Geschichte und seine Denkmäler (Mainz 1903); Neeb, Führer durch M. und Umgebung (Stuttg. 1903); »Zeitschrift des Vereins zur Erforschung der rheinischen Geschichte u. Altertümer in M.« (1845 ff., 4 Bde.). [⇐135]

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 132-135.
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[746⇒] Mainz, 1) Kreis in der großherzoglich hessischen Provinz Rheinhessen; 65,000 Ew.; 2) Canton hier; 3) (Moguntia, Moguntiacum), Hauptstadt darin u. der Provinz, am linken Rheinufer, etwa 800 Schritt unterhalb der Mainmündung an einem Hügel hinauf erbaut; der obere Theil heißt der alte u. neue Kästrich; über den Rhein führt eine 1525 Fuß lange, auf 49 Pontons ruhende Schiffbrücke nach dem Städtchen Kastel (s.d. 3). M. ist Sitz eines katholischen Bischofs für die Diöcese M. (zum Erzbisthum der oberrheinischen Kirchenprovinz gehörend), Kreisregierung unter der Direction des Generalcommissärs von Rheinhessen; Obergericht, Kreisgericht u. 2 Friedensgerichte; Bürgermeister mit Stadtrath; viele öffentliche Plätze, z.B. Paradeplatz, Gutenbergsplatz mit ehernem, von Thorwaldsen modellirtem Standbilde Gutenbergs. M. hat 6 Thore nach der Land-, 4 gegen die Wasserseite; einige ziemlich breite, aber auch viele enge u. winklige Straßen, die Terrasse auf der Höhe des Kästrich, mit einer weiten u. herrlichen Aussicht; 10 Kirchen, darunter Dom zum St. Martin, seit seiner Entstehung durch Erzbischof Willigis (978–1009) sechsmal ganz od. theilweise abgebrannt, theils im Byzantinischen, theils im Gothischen Styl erbaut, groß, mit hoher Kuppel u. sechs kleinen Thürmen, mit einer ehernen Thüre von Willigis am Haupteingang auf der Nordwestseite, enthält viele Grabdenkmäler, darunter das der Fastrada, Karls des Großen dritter Gemahlin, so wie im Kreuzgange des Meistersängers Frauenlob; ferner die St. Stephanskirche (mit 280 Fuß hohem achteckigen Thurme), welche durch die Pulverexplosion am 18. November 1857 verwüstet wurde; die Ignaz-, St. Peters-, St. Christophs-, Emmerans-, Quintins-, St. Rochus-, Augustiner- (seit 1851 Liebfrauen-), Johanniskirche, mehrere ehemalige Klostergebäude u. Hospitäler, Zuchthaus. Das alte Schloß (auf dem Paradeplatz), das ehemalige kurfürstliche Schloß, an welches einst die berühmte Martinsburg, von Dieth. von Isenburg erbaut, stieß, ist jetzt zum Theil restaurirt u. bewahrt die Sammlungen der Rheinischen naturforschenden Gesellschaft [⇐746][747⇒] u. die der römischen Alterthümer, das ehemals dem Deutschen Orden gehörige Palais (Deutsches Haus), am Paradeplatz u. am Rhein ist zum großherzoglichen Schloß umgewandelt. Andere merkwürdige Gebäude sind: das große Zeughaus, der Justizpalast, Regierungsgebäude (sonst Präfectur), bischöfliches (sonst gräflich Ostheimsches) Palais, das des Vicegouverneurs (sonst dem Grafen Stadion gehörig), Theater, Casinogebäude (sonst Hof zum Gutenberg), Fruchthalle, Industriehalle, Marstall mit Reitschule, die große Actienbrauerei auf der Höhe des Kästrichs, die Kasernen, am Schloßplatze u. auf der Eisgrube. Man zeigt auch noch das Haus, wo Gutenberg wohnte u. wo er die erste Druckerei anlegte (Hof zum Jungen) u. einige andere Häuser, welche historisch wichtig sind für die Erfindung der Buchdruckerkunst. Unterrichts- u. wissenschaftliche Anstalten: sonst Universität (1477 errichtet, 1790 von den Franzosen in eine Central- u. Specialschule, jetzt Gymnasium verwandelt), katholisch-theologische Schule (seit 1851), Priesterseminar, das Englische-Fräulein-Stift, Realschule, Gebäranstalt; Vereine: Kunstverein, Liedertafel, Instrumentalverein, Gartenbauverein, Verschönerungsverein, Gewerbverein (er begründete die erste deutsche Industrieausstellung), Verein für Erhaltung vaterländischer Alterthümer, Stadtbibliothek (sonst der Universität gehörig), Münz- u. Naturaliencabinet, Römisch-germanisches Centralmuseum, Sammlung germanischer Alterthümer, Bildergallerie, physikalische Instrumentensammlung, die berühmte astronomische Uhr des Augustinermönchsn. A. Johann (sämmtlich im Bibliothekgebäude), Naturforschende Gesellschaft für die Rheinländer mit Sammlungen. Fabrikenin Leder, Tabak, Chaisen, Wachsperlen, Tapeten, Schuhmacherarbeiten, Stöcke, Büchsen, moussirende Rheinweine, Seife, Essig, Fortepianos u. Kunsttischlerarbeiten (von großem Ruf), außerdem noch Holzflößerei, Schifffahrt, eine Dampfwalzmühle für Getreide. Auch der Weinbau ist um M. sehr ansehnljch. Handel, bes. mit Getreide, Mehl, Holz u. Öl, von welchem M. der Hauptstapelplatz in Deutschland ist. Auch der Weinhandel u. die Spedition sind stark. Buchhandlungen sind 14, Buchdruckereien 8, Steindruckereien 8 vorhanden. Der Handel wird sehr begünstigt durch die lebhafte Schifffahrt auf Rhein u. Main, durch den von Napoleon eingerichteten Freihafen, mehre jeden Tag rheinauf u. abwärts gehende Dampfschiffe, die Dampfschiff- u. Assecuranzgesellschaften, die doppelte Messe u. durch die Taunuseisenbahn, welche von Kastel nach Rüdesheim, Wiesbaden u. Frankfurt führt, ferner Eisenbahnen über Worms nach Ludwigshafen (Hessische Ludwigsbahn), über Bingen nach Coblenz u. Köln (Rheinische Eisenbahn) u. über Darmstadt nach Aschaffenburg (Rhein-Mainbahn), welche in nächster Zeit durch eine feste auf vier steinernen Pfeilern ruhende Brücke von Eisengitterwerk ergänzt werden wird. Sie wird von der Mainspitze über den Rhein nach der neuen Anlage vor dem Neuthore u. von da nach dem vor dem Holzthore liegenden Bahnhof führen. Vergnügungen: vor der Stadt, der Mündung des Mains gegenüber, die neuen Anlagen, an der Stelle der Favorite, das Gartenfeld, nach dem Hauptstein hin, die neuen Spaziergänge, welche auf dem Glacis hin um die ganze Stadt herumführen, das Theater, zwei Casinos etc. Nach dem Vorgang Kölns begeht M. auch jetzt jährlich einen Fastnachtsschwank Freimaurerloge: St. Johannes zur Eintracht. Ohne die 8000 Mann starke Besatzung: 36,800 Einwohner, worunter 4000 Protestanten u. 2700 Juden.

M. ist deutsche Bundesfestung u. hat preußische u. österreichische Besatzung; von Darmstädtern ist nur ein Commando, so viel zur Bewachung der Gefängnisse nöthig sind, in M. Die Stelle eines Gouverneurs, Vicegouverneurs u. Commandanten wechselt alle fünf Jahre zwischen Österreich u. Preußen, so daß einmal der Gouverneur u. Vicegouverneur von Österreich, der Festungscommandant von Preußen gegeben wird u. so abwechselnd. Die Artilleriedirection ist österreichisch u. die Geniedirection preußisch beständig. Die Festungswerke bestehen aus 11 ganzen, 2 halben Bastions, zu denen vor der Südseite noch ein Kronenwerk kommt. In dieser Umwallung eingefügt, liegt südlich die Citadelle, ein bastionirtes Viereck. Sämmtliche Bastions sind ziemlich gut tracirt u. mit Ravelins u. andern Außenwerken versehen. Nach der Flußseite zu schließt eine Mauer gegen den Rhein den Platz, die mit einem casemaliirten Werk zur Bestreichung des Rheins versehen wird. Vor dieser innern Enceinte liegt noch eine zweite, die auf der Süd- u. Westseite, so weit die Höhen reichen, aus 7 detachirten Forts (Karlsschanze, Welsche Schanze, Elisabethschanze, Linsenberg, doppeltes Zangenwerk, Philippschanze, Hauptstein) von der verschiedenartigsten Form durch Courtinen zusammenhängen, auf der stärkern nördlichen Seite nur aus einer dicht vor den Hauptwerken liegenden, tenaitlirten Enveloppe besteht u. von drei Seiten her unter Wasser gesetzt werden kann. Als erste Vertheidigungslinie kiegen 8 detachirte Forts (Lünetten) vor dem Walle, von denen zwei mit einander u. mit der Josephsschanze durch eine Courtine verbunden sind. Auf einer Bastion der Citadelle steht der Eichelstein, wahrscheinlich verderbt aus Aiglestein, d.i. Adlerstein, weil dies, angeblich dem Drusus als Kenotaphium errichtete Monument, bestehend aus einem runden thurmartigen Aufsatze auf einem viereckigen Postament mit einer Adlersrieskette od mit einer Umstellung des Postaments von Adlern geziert war; zwischen Aufsatz u. Postament ist ein sich etwas verjüngender Fuß. Seit 1826 ist M. als Festung sehr verstärkt worden, namentlich hat man ein sehr festes, verschanztes Lager bei Weißenau angelegt. Das auf dem rechten Ufer des Rhein liegende u. mit M. als Außenwerk, bes. zur Deckung der Schiffbrücke verbundene Kastel hat gleichfalls ausgedehnte u. mit besonderer Kunst angelegte Festungswerke, welche aus den vier Forts Kastel, Mars, Montebello u. Petersaue bestehen. Auch hat man zur Verstärkung des rechten Mainufers in neuerer Zeit ein Fort auf der Mainspitze in der Nähe der ehemaligen Gustavsburg angelegt. Dadurch ist M. zu einem der festesten Plätze Europas gemacht worden. Im Ganzen halten die eigentlichen Werke von M. am linken Rheinufer, die kleinen Feldschanzen nicht mitgerechnet, 21 u. die Forts des rechten Rheinufers u. auf den Inseln 3 Stunden im Umfang. Von römischen Alterthumsüberresten sind noch vorhanden: ein Theil der Ringmauer der römischen Kriegsstadt; 56 Pfeiler von der Wasserleitung bei Zahlbach (s. Finthen); 18 Pfeiler von der Römerbrücke, in der Richtung vom Zeughause nach Kastel, von denen über dem Wasser nichts mehr zu sehen ist; viele Altäre, Graburnen etc. [⇐747]

[748⇒] Auf der Stelle, wo jetzt M. liegt, wurde zuerst von den Celten eine Niederlassung gegründet, welche von den Römern genommen u. darauf 13 v. Chr. von den hier stationirten 2., 13., 14. u. 16. Legionen unter Drusus, im Kriege gegen die Katten, das Castrum Mogontiacum od. Magontiacum, dann auch das kleine Castrum (Castrum Drusi) auf dem rechten Rheinufer, das jetzige Kastel, angelegt. Nach dem Tode des Drusus lag noch die 9. Legion statt der 2. u. 16. hier, welche dem Drusus, dessen Leiche durch M. nach Rom geschafft wurde, ein Denkmal (den jetzigen Eichelstein, s. oben) errichtet haben soll. Trajan verband M. mit dem Castrum des Drusus durch eine Brücke über den Rhein u. legte nach Einigen am Ausfluß des Main ein neues Castell (Castellum Trajani) an; zu diesem kamen durch Hadrian das Castellum superius u. Castellum inferius in Osten u. Westen von M. In den ruhigen Zeiten, bis Marc Aurel, siedelten sich Germanen um die Castelle an, woraus die Stadt M. (Civitas Moguntiaca) wurde, welche die Römer nachher zur Metropole von Germania prima erhoben, in welchem ein Dux seinen Sitz hatte. In der Mitte des 4. Jahrh. eroberten es die Alemannen unter Rando, 406 die Vandalen u. 451 die Hunnen; nachdem es mehre Jahrhunderte in Trümmern gelegen hatte, wurde es von dem fränkischen König Dagobert 622 wieder aufgebaut u. bis an den Rhein erweitert u. 712 vom Bischof Sigbert mit Mauern umgeben. Um 720 belagerten es die Burgunder, aber Karl Martell entsetzte es. Als Bonifacius 748 hier seinen Sitz aufschlug, war das Bisthum in ein Erzbisthum verwandelt worden. Karl der Große baute eine neue hölzerne Brücke auf die Pfeiler der trajanischen; doch ist nicht entschieden, ob er M. zu einer Reichsstadt erhoben habe od. nicht. Unter den vielen Kirchenversammlungen, welche zu M. gehalten worden sind, zeichnete sich aus die 848 in Gegenwart des Königs Ludwig gehaltne, auf welcher der Mönch Gottschalk wegen seiner Prädestinationslehre verdammt wurde; die von 1080 u. 1085, auf welcher Gregor VII. wegen des über Heinrich IV. ausgesprochenen Bannfluchs für abgesetzt erklärt wurde. 1105 hier Reichstag, auf welchem der Kaiser Heinrich IV. von der Versammlung des Reichs für verlustig erklärt wurde, s. Deutschland (Gesch.) VI. Hier 6 Jan.1114 Vermählung des Kaisers Heinrich V. mit der Prinzessin Mathilde von England. M. stand seit 1255 an der Spitze des Rheinischen Städtebundes, der zur Erringung des Landfriedens u. Sicherung des Handels geschlossen wurde. 1440 wurde von Gutenberg die Buchdruckerkunst (s.d.) erfunden; auch Faust u. Schöffer wohnten zu M. In dem, zwischen dem abgesetzten Kurfürsten Diether von Isenburg u. seinem Gegner, Adolf von Nassau, entstandenen Streite eroberte der Letztere 1462 die Stadt u. machte sie dem Erzstift unterwürfig. Kaiser Friedrich III. forderte sie zwar Anfangs für das Reich zurück, aber der Römische König Maximilian begab sich 1486 aller Ansprüche auf dieselbe u. dehnte auch auf sie die dem Erzstift verliehenen Freiheiten aus. Im Dreißigjährigen Kriege nahm 1631 Gustav Adolf M. ein, vermehrte die Festungswerke u. legte da, wo der Main in den Rhein fällt, die Gustavsburg an. Doch mußten 1635 die Schweden wieder den Kaiserlichen weichen, welche die Stadt dem Erzbischof zurückgaben.1644 wurde es von den Franzosen erobert, aber im Westfälischen Frieden 1648 wieder zurückgegeben.1657–76 ließ der Erzbischof Johann Philipp M. durch den Italiener Spalla neu befestigen (die noch stehenden Werke). 1688 wurde die Stadt den Franzosen, nicht ohne geheimes Einverständniß mit dem Erzbischof Anselm Franz, wieder eingeräumt; 1689 von den Kurfürsten von Baiern u. Sachsen u. dem Herzoge von Lothringen erobert. Als 1734 die Franzosen aufs Neue Miene machten, M. zu erobern, legte der Prinz Eugen eine starke Besatzung hinein u. verbesserte u. vermehrte die Festungswerke. Am 21. Oct. 1792 fiel es durch Verrath in die Hände des französischen Generals Custine, wurde aber von den Preußen u. Hessen, nach einer zweimonatlichen Blockade u. nach einer 35 Tage offnen Tranchée, am 22. Juni 1793 durch Capitulation wieder gewonnen.1795 neue Belagerung durch die Franzosen, aber Entsetzung durch Clairfait, welcher die französischen Contravallationslinien am 29. Oct. 1795 stürmte; 29. Dec. 1797 wurde M. den Deutschen abermals abgenommen u. endlich in dem Frieden zu Rastadt 1797 u. zu Luneville 1801 als zum linken Rheinufer gehörig förmlich an Frankreich abgetreten u. Hauptstadt des Departements Donnersberg, u. Hauptwaffenplatz gegen Deutschland. 1813 u. 1814 wurde M. blos blockirt, fiel 1814 an Deutschland zurück u. wurde, nach einem Beschlusse des Wiener Congresses, dem Großherzoge von Hessen übergeben, jedoch so, daß M. in militärischer Hinsicht als deutsche Bundesfestung betrachtet u. als solche von österreichischen u. preußischen Truppen besetzt wird. 1819 vermöge der Karlsbader Beschlüsse war es Sitz der Centraluntersuchungscommission gegen die Demagogischen Umtriebe. 23.–25. Juni 1840 400jährige Feier der Entdeckung der Buchdruckerkunst. Im August u. September 1842 große deutsche Industrieausstellung. Nach mehrern seit März 1848 vorausgegangenen Neckereien zwischen Besatzung u. Civilisten entstand am 14. Mai ein Tumult wegen der Schleppschifffahrt u. brach am 21. Mai d. J. ein blutiger Straßenkampf zwischen den Bürgern u. dem, preußischen Militär aus, worauf die Stadt in Belagerungszustand erklärt wurde. Den 24. Mai traf eine Commission von der Nationalversammlung zu Frankfurt ein, welche sich über die Sache unterrichten sollte, wobei der Belagerungszustand wieder aufgehoben wurde. Am 1. Juli 1850 Aufstand bei einer Versammlung des Piusvereins. Am 18. Nov. 1857 Pulverexplosion (214 Centner Pulver) des sogenannten Stockhausthurmes in der Martinsbastei, wodurch namentlich der alte Kästrich u. die umliegenden Straßen sehr stark, auch der übrige Theil der Stadt mehr od. weniger beschädigt wurde. Vgl. Fuchs, Alte Geschichte von M. etc., Mainz 1771 f., 2 Bde.; Schunk, Beiträge zur Mainzer Geschichte etc., Frankf. 1788–91, 3 Bde.;n. Voigt, Abriß einer Geschichte von M., ebd. 1792; Werner, Der Dom von M., Mainz 1827; H. Brühl, M. geschichtlich, topographisch etc. dargestellt, ebd. 1829; Schaab, Geschichte der Bundesfestung M., ebd. 1835; Derselbe, Geschichte der Stadt M., ebd. 1841–44, 2 Bde.; M. u. seine Umgebung, Darmstadt 18431 Dilthey, Das römische M. in Künzels Geschichte von Hessen, Friedberg 1856. [⇐748]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 746-748.
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[75⇒] Mainz, Hauptstadt der großherzogl. hess. Rheinprovinz u. deutsche Bundesfestung, mit dem auf der andern Rheinseite gelegenen Kastel durch eine Schiffbrücke verbunden, hat ohne Militär 36750 E., worunter 5400 Prot., 2130 Juden. Unter 11 Kirchen sind die merkwürdigsten: die ehrwürdige Domkirche, die gothische Stephanskirche, die Quintinskirche, die neue Ignatiuskirche. In dem ehemaligen kurfürstl. Palaste befinden sich jetzt die städtische Bibliothek von 100000 Bänden, ein Medaillenkabinet, Bildergalerie und die merkwürdige Sammlung röm. Alterthümer aus M. u. der Umgegend. Das vormalige Deutsch-Ordenshaus ist jetzt großherzogl. Residenz; sehenswerth sind ferner das Zeughaus, die ehemaligen Wohnhäuser des Johannes zu Gutenberg, des Fust u.s.w., das eherne Standbild des Gutenberg auf dem von ihm benannten öffentlichen Platze. M. ist Festung ersten Rangs mit einer Citadelle, mehren detachirten Forts und dem ebenfalls stark befestigten Kastel als Brückenkopf. Die Besatzung besteht außer ungefähr 2000 Hessen aus 8000 Oesterreichern und Preußen. Die Stellen des Gouverneurs, Vicegouverneurs u. Commandanten wechseln zwischen Oesterreich und Preußen alle 5 Jahre. Die Industrie ist nicht unbeträchtlich, sehr bedeutend der durch Eisenbahnen und die Rheinschiffahrt begünstigte Speditionshandel; M. ist auch einer der besuchtesten Getreidemärkte Deutschlands. – M. (Moguntia, Moguntiacum) wurde von Drusus im Jahre 13 v. Chr. angelegt und war bis in das 4. Jahrh. ein Hauptwaffenplatz der Römer gegen Germanien; von Attila zerstört erhob es sich im Anfang des 7. Jahrh. unter den Franken wieder und erlangte durch die Stiftung des Erzbisthums bald große Bedeutung. Seine Blüte fällt in das 12. und 13. Jahrh., wo mancher Reichstag daselbst abgehalten wurde und M. an der Spitze des rhein. Städtebundes stand. Als fester Platz war es immer von großer Bedeutung; 1792 wurde es an Custine verrathen, im Juli 1793 nach hartnäckiger Vertheidigung von den Preußen zur Uebergabe gezwungen; 1813 u. 14 nur blockirt und durch den Wiener-Congreß Hessen-Darmstadt überlassen, zugleich aber als Bundesfestung erklärt und besetzt. [⇐75]

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 75.
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[27⇒] Mainz, die wichtigste deutsche Bundesfestung und die Hauptstadt der großherzoglich hess. Rheinprovinz, liegt in einer der fruchtbarsten und schönsten Gegenden von Deutschland am linken Ufer des Rheins, der Mündung des Mains gegenüber und hat 29,000 Einw. Der Umfang ihrer ausgedehnten Festungswerke beträgt gegen 21/2 St. und mittels einer auf 49 Schiffen ruhenden, 1700 rhein. F. langen Schiffbrücke, von der man eine der schönsten Aussichten im Rheingau hat, ist sie mit dem am rechten Rheinufer liegenden Städtchen Kastel oder Kassel verbunden, das ebenfalls umfänglich und kunstreich befestigt ist. Ungeachtet es M. an schönen Privatgebäuden nicht fehlt, ist es doch im Ganzen nicht gut gebaut und hat meist enge, winklige und unreinliche Gassen, von denen nur die sogenannten drei Bleichen und die Thier- (eigentlich Turnier-) Marktsstraße schön genannt werden können; von öffentlichen Plätzen ist der mit Bäumen eingefaßte Paradeplatz am ehemaligen Schlosse der vorzüglichste. Von ausgezeichneten Gebäuden sind anzuführen: der aus rothem Sandstein aufgeführte, durch Brand oft beschädigte Dom, von dessen ehemaligem großen Schatze aber nichts und von seinen vielen alterthümlichen Merkwürdigkeiten nur wenig noch vorhanden ist; die schöne Jesuiten. kirche; das deutsche Ordenshaus mit dem benachbarten großen Zeughause; das neue Theater auf dem Gutenbergsplatze; das Haus zum guten Berg, in dessen Hofe die Casinogesellschaft dem Joh. Gutenberg (s.d.) eine Bildsäule hat setzen lassen, und das ehemalige kurfürstl. Schloß, das jetzt als Kaufhaus im Freihafen dient, welchen Napoleon mit großem Aufwande durch Aufführung eines Steindamms anlegen ließ. Von höhern Bildungsanstalten bestehen hier ein Gymnasium und eine Realschule, und im Bibliothekgebäude sind die 99,000 Bände starke Stadtbibliothek, ein Münz-, Naturalien- und physikalisches Cabinet, eine Bildergalerie und ein Museum der in der Umgegend von M. gefundenen röm. Alterthümer vereinigt. Schiffahrt und Handel, besonders mit Wein, Getreide und Holz sind ausnehmend wichtig und mit den Niederlanden besteht eine Dampfschiffahrtsverbindung, mittels der man in drei Tagen von M. nach London gelangen kann. Die Besatzung besteht in Friedenszeiten aus 6000 M. östr., preuß. und hess. Truppen und Gouverneur ist von fünf zu fünf Jahren abwechselnd ein östr. oder preuß. Obergeneral, wo dann stets ein General der andern Nation Commandant ist und ebenso der Artillerie und dem Geniewesen abwechselnd ein östr. und ein preuß. Befehlshaber vorstehen.

M. gehört zu den ältesten deutschen Städten und schon 13 v. Chr. ward hier die Veste Magontiacum von dem röm. Feldherrn Drusus erbaut, der in Deutschland bis an die Elbe vordrang und aus dessen Zeiten auch die Überbleibsel (59 Pfeiler) einer röm. Wasserleitung bei dem nahen Dorfe Zahlbach herrühren, sowie für dessen Denkmal der von seiner Gestalt sogenannte Eichelstein, eine Steinmasse in der Citadelle, gehalten wird. Bei seichtem Wasser sieht man noch die Überreste der Pfeiler einer röm. Brücke, welche hier über den Rhein führte. Die zu den Römerzeiten hier entstandene Stadt, welche sich nicht bis an den Strom erstreckte, ward 406 von den Vandalen gänzlich zerstört und lag mehre Jahrhunderte wüst, ehe die fränk. Könige sie wieder aufbauten, worauf sie im 8. Jahrh. Hauptsitz des h. Bonifaz (s.d.) und eines Erzbisthums wurde. Die Erzbischöfe desselben behaupteten im ehemaligen deutschen Reiche unter den drei geistlichen Kurfürsten den ersten Rang, waren Reichserzkanzler und das Erzstift erwuchs unter ihnen allmälig zu einem Staate von 146 ! M. mit 406,000 Einw. Im 13. Jahrh. stand M. an der Spitze des gegen die Raubritter gebildeten rhein. Städtebundes und erfreute sich als Residenz und durch den Handel eines blühenden Zustandes bis zu den franz. Revolutionskriegen, während der es durch wiederholte Belagerungen viel litt und 1797 mit einem Theile des Kurstaats an Frankreich abgetreten wurde. Im J. 1814 kam M. wieder zu Deutschland und als Bundesfestung an das Großherzogthum Hessen; die andern ehemals kurmainz. Besitzungen am Rhein wurden an Baiern und Nassau, die Nebenländer des 1801 säcularisirten Kurstaats (das Eichsfeld, Erfurt und Fritzlar nebst Gebiet) meist an Preußen, Kurhessen und Hanover vertheilt. Den karlsbader Beschlüssen zufolge bestand zu M. seit 1819 eine Centraluntersuchungscommission aus sieben von deutschen Regierungen ernannten Commissarien, welche die obere Leitung der in den deutschen Bundesstaaten damals angefangenen und weiter vorkommenden Untersuchungen wegen revolutionnairer Umtriebe führen sollte, um dadurch einen vollständigen Überblick in dieser Sache zu erhalten, die aber, nachdem sie 1822 einen ausführlichen Bericht an die Bundesversammlung erstattet, im Sept. 1828 aufgelöst wurde, ohne daß ein eigentliches Ergebniß ihrer Arbeiten bekannt geworden wäre. [⇐27]

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 27.
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[499⇒] Mainz. Am linken Ufer des Rheins, der Mündung des Mains gegenüber, erhebt sich, von Weinbergen und lachenden Fluren umgeben, die alterthümliche Stadt des Großherzogthums Hessen, hat 3 St. im Umfange, 9 Thore, 130 Straßen und 27 öffentliche Plätze, unter welchen Gutenberg's- und der große Platz mit kunstvollen Springbrunnen die vorzüglichsten sind. Erwähnung verdienen ferner das großherzogl. Schloß, das Regierungsgebäude, der Justiz und bischöfl. Palast, und unter den 11 Kirchen der Dom, ausgezeichnet durch edle Bauart, durch geschichtliche Denkmale und das Grabmal des Minnesängers Frauenlob. Neuerdings erst schmückt Gutenberg's Säule die schönste Gegend der Stadt. Außer großen Fabriken in Zucker, Chocolade, Glaswaaren, Wachsperlen, Seife, Fayence und Steingut besitzt M. zahlreiche Institute für Künste und Wissenschaften, hat 35,000 Ew., treibt bedeutenden Handel, namentlich mit Wein, ist durch eine Schiffbrücke, mit dem jenseits des Rheins gelegenen Städtchen Cassel verbunden und verdankt seinen Ursprung den Römern, weßhalb man auch noch viele römische Denkmäler findet.

* [⇐499]

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 499.
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[31⇒] Mainz, die Haupt- und Residenzstadt des eben angeführten Erzstifts, liegt am Rhein, welcher dicht vor der Stadt den Main aufnimmt, und ist eine der ersten Festungen mit ungeheuern Festungswerken, und der Sitz eines Domkapitels und einer Universität. Die Anzahl der Einwohner betrug i. J. 1784 mit der Besatzung nahe an 30,000 Menschen. Den nördlichen Theil ausgenommen, wo die Residenz des Churfürsten oder die so genannte Martinsburg liegt, und welcher den neusten Theil der Stadt ausmacht, sind die Gassen finster und enge. Die dasige Domkirche auf dem Markte mitten in der Stadt ist vielleicht die größte Kirche in Deutschland; sie hat einen überaus großen Schatz und viele merkwürdige Grabmähler und Monumente. Besonders merkwürdig ist das Monument des Drusus nahe am Wall. Dem Einflusse des Mains gegenüber liegt das churfürstliche Lusthaus Favorite mit vortrefflichen Garten. Auch ist die 2100 Schritte lange Schiffbrücke zu bemerken, die auf 56 Fahrzeugen ruht, und über den Rhein nach den gegenüber am rechten Rheinufer liegenden erzstiftischen [⇐31][32⇒] Städtchen Cassel führt. Fabriken giebt es wenig daselbst. Von dem hiesigen Handel ist im vorigen Artikel gesprochen worden. Eins der schönsten Vergnügen, das man in Mainz genießen kann, ist ohne Zweifel die Rheinfahrt. Uebrigens verbreitet sich die Aufklärung hier sehr; und Mainz hatte vor dem gegenwärtigen Kriege eine der besten Lesegesellschaften in Deutschland. Von dem Einfluß dieses Krieges auf die Mainzer s. den folgenden Artikel: die Mainzer Clubisten; hier will ich nur überhaupt anführen: Cüstine, welcher den Werth, den Mainz für die Franzosen, sowohl als Festung als auch in Rücksicht auf seine Schifffahrt, haben mußte, wohl kannte, erschien nach der Ueberrumpelung von Speier und der Besetzung von Worms nun auch vor Mainz, und nahm, theils schmeichelnd theils drohend, diesen wichtigen Ort (den der churfürstliche Major vom Geniewesen Eikenmaier commandirte, welcher sogleich als Oberster in Fränkische Dienste trat) den 21. October 1792 durch Capitulation ein. Er hatte indeß versäumt sich Meister von Coblenz zu machen; und so hatten die Preußen noch in diesem Jahre bei Coblenz über den Rhein gesetzt, und in Vereinigung mit den Hessen die Franken aus Frankfurt getrieben und am rechten Rheinufer bis nach Cassel und Mainz zurückgedrängt. Im folgenden Jahre 1793 war ihr Hauptaugenmerk auf die Wiedereroberung von Mainz gerichtet. Cüstine hatte sich vorzüglich fest in dem vorhin erwähnten Cassel gesetzt und diesen Ort stark befestigt. Als aber die Preußen nach der Schlacht bei Neerwinden (den 18. März 1793, s. diesen Art.) durch mehrere Manöuvres Cüstinen, der seit der Eroberung von Mainz das ganze linke Rheinufer von Landau bis über Bingen hinaus inne hatte, mit der Fränkischen Armee bei Kreuznach stand, in eine sehr gefährliche Lage setzten, so zog sich dieser eilig mit seinem Heere nach Landau. Die Besatzung von Mainz bestand jetzt in 23,000 Mann, welche, da die Preußen Mainz auf beiden Rheinufern blockirten, ohne die Aussicht eines Entsatzes eingeschlossen waren. Die Besatzung hatte indeß hinlänglichen Vorrath an Proviant und Munition, und die Festungswerke waren in dem besten Zustande; sie unternahm häufige und zum [⇐32][33⇒] Theil äußerst kühne Ausfälle. Die Belagerer zögerten indeß mit dem Bombardement bis zum 18. Juli, an welchem Tage dasselbe mit Tagesanbruch anfing; und während sich die Generale Beauharnois und Houchard mit ihren Armeen in die größte Bewegung setzten, um Mainz, es koste was es wolle, zu entsetzen, übergab der Fränkische Commandant dʼOyreʼ den 22. Juli Mainz durch Capitulation an den Preußischen General Kalkreuth. DʼOyreʼ hat ein eignes Memoire über die Uebergabe von Mainz herausgegeben, welche in Frankreich für die Folge einer von Cüstine herrührenden Verrätherei angesehen wurde. – In der Mitte des J. 1795 schien der Fall von Mainz an die Franzosen von neuen unvermeidlich zu sein; diese hielten es von beiden Rheinufern blockirt, und man sah täglich der Belagerung entgegen: allein es wurde schon den 13. Oct. vermittelst eines geschickten Manöuvers des Feldmarschall Clerfaye auf dem rechten Rheinufer entsetzt, und dann durch die Ueberwältigung der Französischen Linien vor Mainz durch denselben General (d. 29. Oct.) auch auf dem linken Rheinufer befreit. – – Endlich wurde Mainz, am 30. Dec. 1797, nach geschehener Aufforderung durch den General Hatry, mit welchem eiligst eine Capitulation abgeschlossen werden mußte, von den Franzosen besetzt, deren Republik es wahrscheinlich, nebst dem linken Rheinufer, einverleibt wird. [⇐33]

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 3. Amsterdam 1809, S. 31-33.
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[8⇒] *Mainz, die ehemalige Haupt- und Residenzstadt des Erzstifts, gehört jetzt, seitdem die Reichsfriedens-Deputation die Rheingrenzen als Basis des Friedens anerkannt hat, zum französ. Reiche, und zwar zum Depart. Donnersberg, hat aber kaum noch 21,000 Einwohner. Das ehemalige hiesige Domkapitel hat jetzt seinen Sitz zu Aschaffenburg, und ist vom Fürst Primas zum Metropolitankapitel der erzbischöflichen Kirche zu Regensburg im J. 1808 ernannt, auch demselben alle Renten, Güter etc. des ehemaligen Mainzer Domkapitels für ewige Tage geschenkt worden. – Die Universität, 1784 noch von dem Churfürsten sehr erweitert und verbessert, wurde 1798 von den Franzosen aufgehoben, an deren Stelle eine Central-Schule gestiftet, und dabei jedem Professor 2500 Liv. Gehalt ausgesetzt. Am 21. Nov. war die feierliche Einweihung derselben, und sie hat durch des Commissair Rudlers Bemühungen eine treffliche Einrichtung erhalten. [⇐8]

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 8.
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