Rom [3]

[266] Rom (Antiq.). Die Römer waren ein aus Latinern, Sabinern u. Etruskern gemischtes Volk (Populus roman us Quiritium); den politischen Charakter betreffend, so gab sich in den Latinern die Partei des Fortschritts zu erkennen, während die Sabiner die Conservativen waren; die Etrusker, vom Anfang nicht mit gleichen politischen Rechten, brachten zumeist das religiöse Element zum Römerthum. I. Gliederung der römischen Bevölkerung. Jeder Theil der Bevölkerung bildete eine Tribus (s.d.) od. Stamm; die Tribus der Latiner hießen Ramnes (Ramnenses), das Volk des Romulus; die der Sabiner Tities (Titienses, Tatienses), von Titus Talius abgeleitet; die der Etrusker Luceres (Lucerenses), genannt von ihrem Lucumo, welcher sie nach R. führte. Die Mitglieder einer Tribus hießen Tribules, der Vertreter derselben Tribunus. Jede Tribus zerfiel in 10 Curiae (s. Curie 1), so daß zusammen 30 Curien waren. Die Curien waren für den Staatszweck abgegrenzte Kreise, deren Mitglieder durch gleiche Sacra, Pflichten u. Rechte innig verbunden waren. Die Mitglieder einer Curie hießen als solche Curiales, an der Spitze derselben stand als ihr Vorsteher, bes. in Beziehung auf die Religionsübungen, ein Curio nebst einem Flamen curialis; an der Spitze der Curionen stand der Curio maximus. Jede Curie zerfiel wieder in 10 Gentes od. Geschlechter, deren Glieder Gentiles hießen, welche gewisse Verpflichtungen hatten u. besondere Rechte genossen, s. Gens 1). Das Zeichen, daß man zu einer gewissen Gens gehörte, war das Nomen (s.u. Name). Die Gentes zerfielen in mehre Familiae (Familien) u. diese in Stirpes od. Zweige. Die Tribus mit ihren Curien u. Gentes machten den eigentlichen Stamm des Römischen Volks (die Proci, Altbürger) aus.

Zu unterscheiden sind A) hinsichtlich des socialen Zustandes (Status): a) Freie (Liberi) u. Sklaven (Vernae, Servi). In ältester Zeit gab es keine verschiedenen Grade der Freiheit (Libertas), erst als man Sklaven bisweilen die Freiheit gab, unterschied man: Ingenui, Freie durch Abstammung, Liberti u. Libertini, durch Entlassung aus der Sklaverei. Den Zustand der Sklaverei begründete Kriegsgefangenschaft, Geburt u. Strafe, s.u. Sklaverei. b) Schutzherren (Patroni) u. Schützlinge (Clientes). Die Clienten waren freie Leute, aber keine Bürger u. standen in einem untergeordneten Verhältnisse zu ihren Patronen, doch war dies Verhältniß ein gewisses familiäres, beruhte auf religiösem Grunde u. gewährte Theilnahme an der Gentilität, s.u. Client 1). B) Hinsichtlich der staatsrechtlichen Geltung: a) Bürger (Cives). Die Civität (Civitas) erlangte Einer durch Abstammung, indem er von einem römischen Bürger in einer, nach Römischem Recht gültigen Ehe gezeugt war; od. durch Entlassung aus der Sklaverei (Manumissio); od. durch Verleihung, welche früher durch den König, zur Zeit der Republik durch das Volk mittelst einer Lex od. eines Plebiscitum, unter den Kaisern durch diese erfolgte. Durch Justinian wurden alle freie Bewohner[266] des Reiches Cives. Ansprüche auf die Verleihung der Civität begründeten bes. dem Staat geleistete Dienste. Der Inbegriff der Rechte eines römischen Bürgers hieß Jus civitatis (Civitas romana) od. Jus Quiritium, unter welchen beiden Benennungen etwa der Unterschied ist, daß das letztere das ganze, volle römische Bürgerrecht war, während bei ersterem noch manche Berechtigungen fehlen konnten. Die Berechtigungen (Jura) des römischen Vollbürgers waren theils Jura publica: das Recht in den Comitien mit zu stimmen (Jus suffragii), das Recht öffentliche Staatsämter verwalten zu dürfen (Jus honorum), das Recht gegen die Entscheidung der Magistrate an das Volk zu appelliren (Jus provocationis) u. Freiheit von entehrenden Strafen; Jura privata: das Recht eine nach römischen Gesetzen gültige Ehe zu schließen (Connubium) u. das Recht echtrömisches Eigenthum zu erwerben u. zu übertragen (Commercium). Verpflichtungen des Bürgers waren Kriegsdienst zu thun (Militia) u. Steuer zu zahlen (Census). Das äußere Zeichen der Civität war das Tragen der Toga u. des Calceus. Der Civität verlustig wurde Einer durch die Capitis deminutio (s. Bürgerlicher Tod a). Den Bürgern entgegen standen b) die Fremden (Peregrini), d.h. die Rom unterworfene, od. doch von Rom abhängige u. der Civität nicht theilhaftige Bevölkerung des Römischen Reichs. Diese unterschieden sich je nach dem Grade der Abhängigkeit in Peregrini dediticii, mit Gewalt Unterworfene (vgl. Dedition 3); Socii liberi, freie Bundesgenossen, welche ganz nach ihren Gesetzen lebten u. nur eine Anzahl Truppen zur römischen Armee stellten; Foederati, Verbündete. Der Aufenthalt der Fremden in der Stadt Rom war bloße Begünstigung, u. bisweilen wurden sie (unter Augustus einmal bei einer Theuerung) ausgewiesen (vgl. Junia lex u. Papia lex). Unter den Kaisern, welche großentheils den Zustand der Fremden milderten, war der größte Theil des gemeinen Volks in R. Fremde. Der in seinem Vaterlande verarmte Grieche wurde hier Erzieher, ohne Sklav zu werden, Lehrer der Beredtsamkeit, der Philosophie, Fechtlehrer. Die Fremden hatten kein Jus Quiritium, durften daher eigentlich keine römische Kleidung tragen, hatten kein Eigenthumsrecht u. keine väterliche Gewalt, konnten gegeißelt werden, durften weder Testamentserben (wohl aber Fideicommißerben) sein, noch selbst testiren, sondern ihr Vermögen fiel nach ihrem Tode Anfangs ihrem Patron (vgl. Applicationis jus), später dem Staats-, in der Folge oft auch dem kaiserlichen Schatze anheim; sie durften nicht Zeugen abgeben, nicht Patrone sein, führten keinen Vornamen (Praenomen), nahmen aber mit Empfang des Bürgerrechts gewöhnlich den Vor- u. Geschlechtsnamen dessen an, welcher ihnen dazu verholfen, wobei ihr eigentlicher Name Beiname (Cognomen) wurde (z.B. Demetrius, welchem P. Corn. Dolabella das Bürgerrecht verschafft hatte, hieß P. Corn, Demetrius); sie durften keine römische Bürgerin heirathen u. umgekehrt; doch erhielten sie erst vom Volk, dann vom Senat, später von den Kaisern das Jus connubii theils durch Suspension des Gesetzes, theils durch Privilegium. Hatte ohne dieses ein römischer Bürger eine Fremde geheirathet, so waren ihre Kinder Hibriden (s.d.). Sie standen auch unter einem besondern Gericht (s.u. Praetor). Das positive Recht, Welches dem Verkehr der Peregrinen unter sich u. mit den römischen Bürgern zu Grunde lag, hieß Jus gentium, seine innere Basis war die höchste Billigkeit u. das gemeinsame natürliche Rechtsbewußtsein der Menschen (daher auch Jus naturae). Seit Justinian fiel der Begriff Fremder ganz weg, u. man unterschied nur Römer u. Barbaren. Zwischen römischen Bürgern u. Fremden inne standen seit dem Latinischen Kriege (340 v. Chr.) c) die Latini. Ihre Gerechtsame u. politischen Befähigungen (Jus latii) bestanden darin: sie hatten ihre eigenen Gesetze u. waren weder den Edicten des römischen Prätors, noch dem römischen Census unterworfen, hatten das Commercium (s. oben a), wurden nach R. zum Stimmabgeben berufen, ohne einer Tribus einverleibt zu sein (das Loos entschied, in welcher Tribus sie votiren sollten), ihre Magistrate erhielten das römische Bürgerrecht. Durch die Julia lex 90 v. Chr. erhielten alle Latinischen Städte das volle römische Bürgerrecht, u. damit hörte das Jus latii auf, wurde aber als Jus italicum manchen Städten außerhalb des eigentlichen Italien ertheilt, z.B. im Transpadanischen Gallien, später auch vielen Provinzialstädten u. ganzen Provinzen, wie Spanien u. Sicilien. Doch erhielt sich der Name Latini für eine Mittelstufe zwischen Bürgern u. Freigelassenen (Latini Juniani) od. Fremden fort bis in die Kaiserzeit; unter Justinianus hörte auch diese Mittelstufe von Einwohnern im Römischen Reiche ganz auf. Über die Verhältnisse der Unterthanen in den Colonien u. Provinzen s. beide. C) Hinsichtlich des Standes: a) Patricier u. Plebejer. Früher gab es blos Einen freien Stand, seitdem aber die Bewohner mehrer Städte, zuerst Albaner durch König Tullus Hostilius, nach R. übergesiedelt wurden, begann sich ein zweiter freier Stand zu bilden. Diese neu Aufgenommenen waren persönlich frei, standen aber politisch tief unter den Altbürgern (Proci), denn sie kamen weder in die Curien, noch in die Tribus, halten keinen Antheil an den Staatsländereien (Ager publicus), kein Stimmrecht in den Volksversammlungen, überhaupt keinen Antheil an den Staatsgeschäften, u. zwischen den Altbürgern u. ihnen waren Verheirathungen nicht gestaltet. Diese Neulinge bildeten die Masse der Plebs od. Plebejer, während die Altbürger nun im Gegensatz zu ihnen Patres od. Patricier hießen u. nun den bevorzugten Adel des Volks bildeten (s.u. Patricier). Durch Tarquinius I. wurde eine Anzahl plebejischer Familien in die Tribus aufgenommen, so daß nun in den Tribus Alt- (Gentes majores) u. Neubürger (Gentes minores) waren, von denen jene Primi Ramnes, Tities, Luceres, diese aber Secundi R., T., L., (s. oben) hießen (diese Erhebung ins Patriciat geschah zur Zeit der Republik nicht mehr, sondern erst wieder gegen das Ende derselben, wo die patricischen Geschlechter auf eine ganz kleine Zahl von Familien herabgeschmolzen waren). Durch die Servianische Verfassung (s. unten II. B) erhielten die Plebejer zuerst politische Rechte u. wurden als zweiter Stand des Römischen Volks anerkannt. Sie waren nun auch Bürger, hatten aber nur das Jus suffragii u. das Commercium, sie hatten eigene Sacra, trugen nach ihrem Census zu den Staatslasten bei u. bildeten den Kern des Heeres. Gegen den Druck der Patricier erkämpften sie sich 493 v. Chr. eigene Vertreter, Tribuni plebis (s.d.), seit 445 nach einander das Connubium u. Theilnahme[267] an den curulischen Ämtern (Ädilität, Prätur u. Consulat), s.u. Patricier u. Rom (Gesch.). In Folge davon, daß die Plebejer curilische Ämter bekleiden konnten, trat der Geburtsadel immer mehr zurück, dagegen bildete sich ein erblicher Amts- od. Verdienstadel (Nobilitas), u. Nobilis hieß nun jeder dessen Vorfahren curulische Würden begleitet hatten, alle andern Plebejer dagegen waren Ignobiles, aber die Nobiles bildeten weder einen besondern Stand, noch hatten sie irgend ein Vorrecht außer dem Jus imaginum (s.u. Imago 2). Derjenige, welcher aus der Reihe der Ignobiles zuerst zu einem curulischen Amte gewählt wurde, hieß Homo novus (Princeps nobilitatis, Auctor generis), doch war er selbst noch kein Nobilis, sondern erst seine Nachkommen. Die Namen Optimates, die conservative Partei, u. Populares, die Partei der Bewegung, gehören mehr der Geschichte an; sie erscheinen bes. seit den Gracchischen Unruhen, mehr noch seit der Rivalität zwischen Marius u. Sulla. Dagegen trat seit der Zeit der Gracchen ein früher blos militärisches Institut als besonderer Stand auf, nämlich der der Ritter, u. es gab nun seit 123 v. Chr. drei Stände (Ordines), nämlich b) Senat Senatus, Ordo senatorius), Ritter (equites, Ordo equester) u. Plebs (die aber eigentlich kein Stand war). Zum Senatorenstande gehörten die Mitglieder des Staatsrathes (s.u. Senat), zum Ritterstande die, welche den Census von 400,000 Sestertien u. ein gewisses Alter hatten, sie waren dadurch zu Richterstellen befähigt (s.u. Eques B). Äußerlich unterschieden sich die Mitglieder dieser beiden Stände so, daß die Senatoren an der Toga den Clavus latus, einen breiteren Purpurstreifen, u. die Ritter den Clavus angustus, einen schmälern, trugen.

II. Verfassung. A) Unter den Königen: König, Senat u. Volk. a) Der König (Rex) war Vollzieher der Gesetze, Vorsitzender im Senat u. in den Volksversammlungen, Anführer im Kriege u. Oberpriester. Der König wurde gewählt u. zwar auf Lebenszeit, Anfangs blos aus den Tribus der Ramnes u. Tities, erst mit Tarquinius I. aus den Luceres. Nach dem Tode eines Königs trat bis zur Wahl eines neuen ein Zwischenreich (Interregnum) ein. Der Interrex konnte aus der ganzen Masse der Patricier gewählt werden, seine Macht dauerte fünf Tage, die Zeit des Interregnum war nicht bestimmt, also auch nicht die Zahl der Interreges, doch konnte in der Regel erst der zweite die Wahlversammlung berufen. Der Interrex berieth mit dem Senat über den neu zu wählenden König u. schlug denselben dem Volke zur Bestätigung in den Curialcomitien vor. Der Bestätigte erhielt darauf die Weihe unter Beobachtung der Auspicien (Inauguratio) durch den Augur, wobei er auf die Burg stieg u. sich, mit dem Gesicht nach Süden gekehrt, auf einen steinernen Sitz (Auguraculum) setzte, bis der Priester die himmlischen Zeichen beobachtet hatte. Dem Geweiheten wurde dann in den Curialcomitien das Imperium, d.h. die höchste militärische u. richterliche Gewalt, ertheilt. Auszeichnungen des Königs waren: der Vorantritt von zwölf Lictoren (s.d.) mit den Fasces bei seinem öffentlichen Erscheinen, die Bekleidung mit der Toga praetexta u. der Sitz auf der Sella curulis (s. b.); später kamen dazu elfenbeinernes Scepter u. Kopfbinde (Krone). Den Unterhalt des Königs gewährte der, durch öffentliche Besorgung bebaute Ager publicus. Stellvertreter des Königs in dessen Abwesenheit war der von dem König selbst ernannte Custos s. Praefectus urbis. b) Der Senat (Senatus) war ein von dem König frei gewählter Rath, welcher demselben berathend zur Seite stand; es waren ursprünglich 100 von Romulus aus den Ramnes, dann noch 100 aus den Tities u. unter Tarquinius I. noch 100 aus den Luceres gewählte Familienhäupter; s.u. Senat. Durch den Senat erhielt die römische Verfassung den Charakter einer Mischung aus Monarchie u. Aristokratie. c) Das Volk (Populus) bestand ursprünglich blos aus den eigentlichen Bürgern, d.h. den Patriciern; erst seit Servius Tullius gehörten auch die Plebejer dazu. In der Volksversammlung äußerte sich die Theilnahme des Volkes an der Staatsregierung. Diese bestand darin, daß es die Magistrate wählte, Gesetze genehmigte, über Krieg u. Frieden beschloß u. die oberste Entscheidung in Capitalsachen hatte. Die Initiative konnte die Volksversammlung nicht ergreifen, sondern hatte durch ihre Stimme blos das Recht den Vorschlag der Behörde (König u. Senat) zu genehmigen od. zu verwerfen. Diese Versammlungen waren Conciones, Zusammenberufungen durch einen Magistrat, wo dem Volk Beschlüsse bekannt gemacht werden sollten, also eigentlich Niemand weiter zu reden hatte, als der die Versammlung haltende Magistrat; u. Comitia, von den Magistraten berufene Versammlungen, um eine Entscheidung zu fassen; sie waren Anfangs je nach der zu verhandelnden Sache Comitia calata u. curiata, seit Servius Tullius je nachdem die Berathung allgemeinen od. blos localen Interessen galt, noch Comitia centuriata u. tributa; s.u. Comitia A) u. B). B) Zur Zeit der Republik. a) Das Volk (Populus). Die eigentliche Verfassung des Römischen Volks, welche sich zur Zeit der Republik vollkommen ausbildete, war schon vom König Servius Tullius gegeben, daher Servianische Verfassung. Dieser König theilte die ganze zu Rom gehörende Bürgerschaft in 30 Tribus, von denen 4 auf die Stadt, die anderen 26 auf das Gebiet, den Ager romanus, kamen. Er ordnete hier die Bürger nicht nach ihren Geschlechtern, sondern nach ihren Wohnungen. Das Recht mit zu stimmen gab er den Plebejern dadurch, daß er neue Volksversammlungen anordnete; die Stimmfähigkeit u. das Stimmgewicht wurde durch größeres od. geringeres Vermögen (Census) bedingt. Er theilte alle Staatsbewohner in zwei große Abtheilungen; in Assidui, deren Vermögen wenigstens gegen 12,000 Asses betragen mußte, u. Capite censi (Aerarii, Proletarier), welche weniger besaßen u. nicht nach ihrem Vermögen, sondern nach Köpfen gezählt wurden. Letztere bildeten eine große Masse, Erstere aber waren in fünf Klassen getheilt, verschieden nach ihrem Vermögen. Diese Klassen, welche zusammen einen militärischen Körper bildeten, wurden wieder in Centuriae getheilt, u. zwar die erste Klasse, als die der Reichsten, in 80 (nämlich 40 der Seniores u. 40 der Juniores). Jeder der ersten Klasse mußte wenigstens 100,000 Asses (über 2100 Thaler) besitzen; die zweite Klasse enthielt 20 Centurien, wieder zur Hälfte Juniores u. Seniores, deren jeder 75,000 Asses (1600 Thlr.) haben mußte; die dritte u. vierte Klasse ebenfalls 20 Centurien, das Vermögen der dritten war auf 50.000 (1066[268] Thlr.) das der letztern auf 25,000 Asses (533) bestimmt; die fünfte Klasse zerfiel in 30 Centurien; jeder mußte 11,000 Asses (266 Thlr.) haben. Zu diesen 170 Centurien kam noch eine der gesammten Proletarier, 18 Rittercenturien u. je zwei Centurien militärische Zimmer- u. Spielleute (Fabri u. Tubicines od. Cornicines). Die Anzahl aller Centurien war also 193. Der Zweck dieser Eintheilung war theils ein militärischer, indem nach der Anzahl der Centurien die Anzahl der Conscriptionspflichtigen bestimmt wurde; theils ein politischer, indem für die Volksversammlungen jede Centurie verfassungsmäßig eine Stimme hatte. Daher setzte Servius an die Stelle der Curiatcomitien die Centuriatcomitien (s. oben), u. auf diese ging die Befugniß über, Magistratspersonen zu wählen, Steuern auszuschreiben, Gesetze zu billigen u. zu verwerfen, Kriege zu beschließen u. über Staatsverbrechen zu entscheiden. Die Curiatcomitien behielten nur noch Einfluß auf die Religionssachen. Den Plebejern wurde jetzt noch weder das Bekleiden eines Staatsamtes, noch das Sitzen im Senat, noch das Jus connubii zugetheilt. b) An der Spitze des Staates standen, nach Abschaffung der königlichen Gewalt, zwei auf ein Jahr gewählte Consuln (Consules), über deren Wahl, Geschäfte, Insignien etc., s.u. Consul 1). Die oberpriesterlichen Geschäfte des Königs besorgte seitdem ein bes. dazu gewählter Priester, Rex sacrorum (s. Rex 2). Eine zeitweilige Wiedereinführung der monarchischen Gewalt war die Dictatur, indem man in bedenklichen Fällen u. wo die Consuln über eine zu ergreifende Maßregel nicht einig werden konnten, seit 497 v. Chr., statt der zwei Consuln, einen Dictator auf unbestimmte Zeit wählte, welcher völlig unbeschränkte Gewalt hatte u. nach Beendigung des Geschäfts sein Amt niederlegte, s.u. Dictator 2). Statt zweier Consuln wählte man seit 444 v. Chr., da auch die Plebejer an den obersten Staatsstellen Theil haben wollten, sechs Tribuni militum cum consulari potestate (s.u. Tribunen), bis 366 die Plebejer auch Antheil am Consulat erhielten, worauf wieder blos zwei Consuln gewählt wurden. Vorher waren schon einmal 451 u. 450 die Consuln u. alle andern höhern Magistrate durch die Decemviri legibus scribendis (s.u. Decemvir b) ersetzt worden. Zu den höhern Magistraten gehörten noch seit 443 v. Chr. die Censoren zur Besorgung der Schätzungsangelegenheiten u. seit 367 v. Chr. die Prätoren, zur Pflege der Gerichtsbarkeit in der Stadt; zu den niedern die Quästoren, für das Finanz-, u. Ädilen, für das städtische Bau- u. Polizeiwesen, s.d.a. und überhaupt über die Gliederung u. den Rang der höhern u. niedern, sowohl ordentlich als außerordentlich gewählten Magistratspersonen (Magistratus majores et minores, Magistratus ordinarii et extraordinarii), s.u. Magistrat 2). C) Unter den Kaisern. Der Übergang aus der aristokratischen Verfassung zur Monarchie war schon eingeleitet, als I. Cäsar seit 48 v. Chr. auf fünf Jahre nach einander zum Consul gewählt worden war; auch Augustus, der erste Kaiser, nahm die Würde eines Staatsoberhauptes weder mit Gewalt, noch auf lebenslang, sondern auf Ansuchen des Volks u. zwar nur von 10 zu 10 Jahren an, Anfangs als Consul, seit 23 v. Chr. als Tribunus u. seit 12 v. Chr. auch als Pontifex Maximus. Erst seine Nachfolger wurden wirkliche Regenten auf Lebenszeit. Von Cäsar behielt der erste Kaiser den Namen Caesar u. i. I. 27 erhielt er den Namen Augustus, beide Namen führten seine Nachfolger bis Galba vereinigt (Caesar Augustus) fort, die folgenden nannten sich auch Augustus u. seit Vespasianus nahmen sie noch den Titel Imperator (welchen auch schon Augustus geführt hatte) Caesar vor ihren Namen, den Titel Augustus nebst dem Pontifex- u. Tribuntitel nach ihrem Namen u. die daran gefügte Ziffer zeigte das Jahr ihrer Regierung an, daher schrieb sich der Kaiser L. Septimius Severus in seinem dritten Regierungsjahre (224 v. Chr.): Imperator Caesar L. Septimius Severus Augustus Pontifex Maximus Tribunicia potestate III. Früher ging die Würde der Regenten durch Erbschaft auf ihre leiblichen od. adoptirten Kinder über; nach dem Aussterben des Cäsarischen Hauses mit Nero kam die Besetzung des kaiserlichen Throns an die Prätorianer. Am 1. Jan. jedes Jahres wiederholte Senat u. Volk dem Kaiser den Huldigungseid, worin gesagt war, daß sie billigten, was der Kaiser gethan habe u. in diesem Jahr thun würde. Die Kaiser besaßen alle Vorrechte u. Macht, welche früher die obern Magistrate gehabt hatten; Senat u. Volksversammlung bestanden noch, aber ihre politische Bedeutung hörte nach u. nach ganz auf Die Auszeichnung der Kaiser war Kranz, Triumphkleid, Bewachung durch eine Leibwache; tyranniche Kaiser ließen auch vor sich knieen, was Diocletianus dann förmlich einführte. Ihren Unterhalt bezogen sie aus den kaiserlichen Provinzen, s.u. Provinz 1). Der kaiserliche Schatz hieß Fiscus (s.d.). Die Kaiser wurden nach ihrem Tode meist vergöttert (Apotheose, s.d. 1), früher aus Dankbarkeit, später aus Schmeichelei, u. erhielten deshalb den Namen Divus, ferner wurden ihnen Altäre u. Tempel errichtet u. Priester (Sodales) u. Culte eingesetzt, s.u. Römische Mythologie. Schlechte Kaiser erfuhren dagegen nach ihrem Tode od. ihrer Absetzung das Schicksal, daß ihre Anordnungen, ertheilten Privilegien etc. vernichtet wurden (Rescissio actorum principis), womit die Damnatio memoriae verbunden war. Diese Strafen bestimmte entweder der Senat od. der nachfolgende Kaiser. Die Kaiser hatten einen großen Hofstaat um sich, welcher sich mit der Zeit ins Zahllose vergrößerte, vgl. Magister 1) u. Comes I. B).

III. Finanzen. A) Die Einnahmen für die Staatskasse bestanden a) in den Vectigalia, indirecten Steuern u. Abgaben vom Staatseigenthum, u. zwar Grundsteuer von den Possessionen auf dem Ager publicus u. Häusersteuer (Solarium), Nutzungszins der Viehweide (Scriptura), Zehnten in den eroberten Ländern (Decumae), Abgaben von den Pechhütten (Picariae) in den Staatswäldern u. von den Fischereien, von den Salinen u. Bergwerken, eine Abgabe von freizulassenden Sklaven (Vicesima manumissionum); diese Abgaben trieb der Staat entweder durch seine Beamten ein od. verpachtete sie im Ganzen an einzelne Leute od. Gesellschaften (Publicani, s.d.). Zu obigen Abgaben kamen zur Kaiserzeit noch die Erbschaftssteuer (Vicesima hereditatum), die Verbrauchssteuer (Centesima rerum venalium), die Gewerbesteuer u.a. b) Andere Einnahmequellen waren die directen Steuern der Römischen Bürger (Tributum, s.d.) u. der Provinzialen (Stipendia, s.d.), die Kaufgelder für Theile des Ager publicus, für Kriegsbeute u. Kriegsgefangene, die Strafgelder[269] von Ungehorsamen u. Gesetzübertretern, der Erlös aus confiscirten, erb- u. herrenlosen Gütern, aus den an den Staat fallenden Erbschaften, welche der eigentliche Erbe als unverheirathet od. kinderlos nicht antreten konnte, u.m.a. seit der Kaiserzeit. Die Naturalleistungen, vorzüglich an Getreide, auch an Wein, Öl, Fleisch, welche den Provinzen, auch den Landschaften in Italien aufgelegt waren, wurden von den Staatspächtern, unter den Kaisern von den Staatsbeamten direct eingenommen, kamen aber nicht in den Staatsschatz, sondern wurden meist zur Verpflegung des Heeres verwendet. B) Die Ausgaben bestanden in Verwendungen für religiöse Zwecke, wie Bau u. Erhaltung der Tempel, Besorgung der Opfer u. religiösen Mahlzeiten etc.; dann für Staatsbauten, wie öffentliche Gebäude, Cloaken, Mauern, Brücken, Straßen; für den Ankauf von Getreide theils zu unentgeldlicher Vertheilung, theils zum Verkauf unter dem Preise an Ärmere (Largitiones frumentariae); in der Zahlung von Sold (Stipendium) an das Heer; in der Besoldung der bes. seit der Kaiserzeit großen Anzahl besoldeter Beamteten u. der Erhaltung des kaiserlichen Hofstaates; außerdem erheischten Ausgaben aus dem Staatssäckel die Bewirthung fremder Fürsten u. Gesandten, öffentliche Ehrenbezeugungen u. dgl. C) Die Verwaltung der Finanzen lag in den Händen des Senates; unter dessen Aufsicht u. Einfluß entwarfen die Censoren das Budget u. verwalteten die Quästoren die Kasse. Alle Einnahmen flossen in den Staatsschatz (Aerarium) u. alle Ausgaben wurden aus demselben bestritten; seit 357 v. Chr. wurde auch ein Reservefond (Aerarium sanctius, Aer. interius) gebildet; Augustus schuf noch ein neues Ärarium zur Unterhaltung des Heeres (Aer. militare), so wie eine Privatkasse für das Kron- u. Privatvermögen des Kaisers (Fiscus). Zwar behielt der Senat auch unter den Kaisern noch die Verwaltung des Staatsschatzes, aber derselbe kam nun immer mehr unter den Einfluß der Kaiser, ja verschmolz mit der Zeit ganz mit dem Fiscus. Die ursprünglichen Schatzverwalter, die Quästoren mit ihren Unterbeamten, den Tribuni quaestorii, wurden später durch Präfecten u. Prätoren (s. b.) ersetzt; seit Constantin verwalteten ihn zwei Comites mit zahlreichen Magistri, Procuratores, Praepositi etc.

IV. Rechtspflege. A) Die Civilrechtspflege (Judicia privata) stand bei der höchsten Staatsbehörde, also Anfangs bei dem Könige, dann bei den Consuln u. Prätoren, zuletzt bei den Kaisern, welche über den Consuln u. Prätoren den Praefectus praetorio (P. urbi) zur obersten Instanz machten, während in den Provinzen die Statthalter die mittle u. in Städten die Richter die unterste Instanz bildeten. Der Proceß wurde bis in das 3. Jahrh. n. Chr. getrennt geführt: Das Verfahren in jure, indem der Magistrat den Proceß blos einleitete, u. in judicio, indem der von dem Magistrat damit beauftragte Richter die Sache weiter untersuchte u. entschied. Dieser Proceßgang hieß Ordo judiciorum publicorum, dagegen das nachmalige Verfahren extra ordinem, wo der Magistrat selbst die Sache zu Ende führte. In dem Ordinarproceß führten der Kläger (Actor) u. der Beklagte (Reus) ihre Sache selbst, erst später trat an ihrer Stelle ein Cognitor od. Procurator (s. b.) auf; Oratores, Patroni, Advocati (s.d. a.) waren blose Begleiter der Parteien vor Gericht; die Urtheilsfällung geschah durch einen Einzelrichter (Judex) od. durch Gesammtheiten (Arbitri u. Recuperatores). Der Ort, wo der Prätor Gericht hielt, hieß Jus; sein gewöhnlicher Richterstuhl auf dem Comitium (auf dem Markt), Tribunal; Gerichte wurden nur an den Dies fasti (s.d.) gehalten; an Tagen der Spiele, Comitien, Götterfeste (Feriae) war es unstatthaft; in den Provinzen pflegten sie im Winter gehalten zu werden (s. Conventus) Die Gerichte begannen früh u. konnten bis zu Sonnenuntergang dauern; sie waren stets öffentlich u. mündlich. Das Verfahren bei dem Proceß war nach der Zeit verschieden: a) bei dem Ordo judiciorum publ. galt früher: aa) der Legisactionenproceß (s. Legis actiones 1), wobei man sich ganz genau an gewisse Formeln halten mußte. Hiernach lud der Kläger den Beklagten persönlich vor Gericht (Vocatio), weigerte sich dieser, so rufte jener Zeugen der geschehenen Ladung an (Antestatio) u. brachte den sich Weigernden gewaltsam vor Gericht. Noch konnte der Beklagte den Proceß abwenden, wenn er sich mit dem Kläger verglich, od. brauchte wenigstens nicht persönlich vor dem Prätor zu erscheinen, wenn er einen Stellvertreter (Vindex) für sich stellte. Waren aber beide vor dem Prätor erschienen, so begann das Verfahren in jure, wobei jeder von beiden unter einer der fünf bestimmten, mit symbolischen Handlungen verbundenen Formeln seine Sache vorbrachte u. feierlich Zeugen aufrief (Litis contestatio), worauf der Magistrat (der nur in alter Zeit sogleich selbst entschied) einen Richter (Judex) mit Untersuchung u. Bescheidertheilung beauftragte (Judicis datio). Das an einem bestimmten Tage beginnende Verfahren in judicio fing mit einer kurzen Darstellung der Sache (Col lectio od. Conjectio causae) an, worauf die Parteien ihre Vorträge (Peroratio) hielten u. dabei Zeugen (Testes), Urkunden (Instrumenta, Tabulae) u.a. Beweismittel (Argumenta) vorbrachten. Zuletzt gab der Richter seinen Bescheid (Sententia). Wenn die eine Partei aber krank wurde od. einen Termin mit einem Fremden abzuhalten hatte, so konnte das Schlußverfahren aufgeschoben werden (Diffissio). bb) Der Formularproceß, seit 59 v. Chr., wobei der Prätor dem bestellten Richter bestimmte Formeln als Richtschnur bei seiner Entscheidung angab. Bei diesem Verfahren blieb die Vocation des Klägers, wurde aber gemildert, daneben wurden aber auch die Ladungen Seitens des Gerichtes üblich; der Beklagte konnte durch Bürger das Versprechen abgeben, sich an dem bestimmten Tage vor dem Prätor zu stellen (Vadimonium). Vor dem Prätor brachte zuerst der Kläger seine Klage vor u. erbat sich die Formel; darnach erklärte sich der Beklagte, gestand er, so wurde die Sache sogleich abgemacht, wo nicht, u. brachte er seine Exceptionen vor, so faßte der Prätor die Formel, bestellte einen Richter u. nahm die Litis contestatio vor. In dem nun folgenden Judicium selbst wurde dem Richter zuerst von den Parteien die Formel vorgelegt, worin die Instruction für ihn enthalten war, dann war der Verlauf wie bei dem Legisactionenproceß. Der Urtheilsspruch lautete hier stets auf eine Schätzung des Streitobjectes (Litis aestimatio), welche jedoch gemindert werden konnte (Compensatio). Auch hier konnte vor dem Urtheil eine Vertagung (Dilatio)[270] eintreten. Erschien der Beklagte im Termin nicht (Contumacia), so wurde er als Schuldiger angesehen u. verurtheilt; blieb der Kläger aus, so verlor er den Proceß u. auch das Recht denselben zu erneuern. Das gesprochene Urtheil war unabänderlich, u. wenn der Verurtheilte die Strafe (Mulcta) nicht zahlte, so hielt sich der Magistrat, bei welchem die Sache anhängig gemacht worden war, an des Verurtheilten Vermögen (Bonorum emtio, B. missio) od. Person (Manus injectio). Nur gegen Mißbrauch der richterlichen Gewalt konnte der Verurtheilte bei dem Magistrat um Intercession einkommen (Appellatio). b) Bei dem in der Kaiserzeit üblich werdenden Extraordinarproceß, extra ordinem, wurde die Sache von dem Magistrat selbst entschieden. Der Gang wurde gewöhnlich dieser: nachdem der Kläger seine Sache bei dem Gerichte angebracht hatte (Denuntiatio), erfolgte von diesem die Ladung an den Kläger, welcher entweder bis zum Termin in Gewahrsam bleiben od. Caution stellen mußte. Die Verhandlungen (Cognitiones) dauerten oft sehr lange, wodurch die Processe sehr kostspielig wurden, namentlich da sich jetzt auch ein ordentlicher Instanzenzug bildete.

B) Die Criminalrechtspflege (Judicia publica) hat drei Perioden: a) Die Judicia populi. In der ältesten Königszeit richteten die Könige in Capitalsachen, u. gegen ihr, für ungerecht od. für unbillig gehaltenes Urtheil stand den Bürgern die Provocatio ad populum in den Curialcomitien zu. An Stelle des Königs richteten in Klagen auf Vaterlandsverrath (Perduellio) die von dem Könige bes. beauftragten Duumviri perduellionis u. in solchen auf Verwandtenmord (Parricidium) die Quaestores parricidii. Seit Servius Tullius erhielten die Centuriatcomitien die höchste Entscheidung in allen Provocationsfällen u. die Gerichtsbarkeit über alle Capitalverbrechen; seit 494 v. Chr. bis zu Ende der Republik theilten die Centuriat- u. Tributcomitien die Criminalgerichtsbarkeit (s.u. Comitia). Das Verfahren in diesem Gericht war: der Kläger war allemal ein Magistrat, u. zwar vor den Centuriatcomitien ein ordentlicher höherer, bei den Tributcomitien ein niederer; er erklärte den Comitien, an einem gewissen Tage eine bestimmte Person anklagen zu wollen (Diei dictio), u. gab zugleich die Strafe an, welche er gegen den Angeklagten beantragen würde (Anquisitio). Je nach dem Verlangen des Klägers mußte sich der Beklagte selbst bis zum Termin zur Hast (Carcer) od. einen Bürgen (Vas) für sich stellen. Der Proceß konnte unterbrochen werden durch freiwillige Verlassung der Stadt (Exilium) des Angeklagten, durch Zurücknahme der Klage (Tergiversatio) von Seiten des Klägers, durch Intercession eines Volkstribunen; geschah dieß aber nicht, so legte der Angeklagte bis zum Termin Trauer an. In dem Termine, wozu das Volk ordnungsmäßig berufen wurde, brachte der Kläger seine Klage (Rogatio) vor; darauf folgte die Antwort des Angeklagten entweder durch ihn selbst od. durch seinen Patronus; darnach das Beweisverfahren, wobei Zeugen u. Urkunden producirt (u. gegen Sklaven als Zeugen die Folter [Tormenta] angewendet) wurden; zuletzt erfolgte die Abstimmung des Volkes entweder für Verurtheilung od. für Freisprechung (s.u. Comitien S. 297), deren Resultat sogleich bekannt gemacht u. die auf dem Verbrechen stehende Strafe (Poena) an Leben, Freiheit, Ehre zur bestimmten Zeit vollstreckt wurde. Hatte sich der Kläger vor Eröffnung des Termins selbst entfernt, so wurde über ihn die Verbannung (Aquae et ignis interdictio) ausgesprochen. Die lebenden Verurtheilten konnten auch nachher durch die Volksversammlung von ihrer Strafe entbunden u. in das Vaterland zurückgerufen od. in ihren frühern Stand versetzt werden (Restitutio). b) Quaestiones perpetuae, stehende Gerichtshöfe für Criminalfälle, traten 149 v. Chr. an die Stelle der Volksgerichte, welche letztern fortan nur noch über Landesverrath richteten. Die Quaestiones perp. bestanden aus einer Anzahl Richter (s.u. Quaestio), denen ein Prätor od. Judex quaestionis präsidirte. An den Präsidenten stellt der Ankläger das Gesuch (Postulatio), Einen anklagen zu dürfen (wenn mehre Ankläger waren, so wurde durch die Divinatio [s.d.] entschieden, welcher die Klage führen sollte); wenn das Gesuch genehmigt war, so erfolgte von Seite des Anklägers die mündliche Anbringung der Klage selbst (Nominis delatio), verbunden mit Stellung von Fragen an den Angeklagten in Betreff der Anklage (Interrogatio), Protokollirung der Klage (Inscriptio), Unterschrift des Klägers (Subscriptio) u. Einzeichnung des Namens des Beklagten in die Liste der Beklagten (Nominis receptio) durch den Prätor u. zugleich Anberaumung der Termins (Dies) auf den 10., 30. od. 100. Tag. Die Gerichtsverhandlung (Cognitio) selbst begann damit, daß der Prätor die Parteien aufrief (Citatio), dann wurden die Richter gewählt, entweder durch Wahl des Prätors (Editio judicum) od. gewöhnlich durch das Loos (Sortitio jud.), u. vereidigt. Nun trug der Kläger seine Anklage in einer Rede vor, u. nach deren Beendigung sprachen diejenigen, welche sich ihm anschlossen (Subscriptores). Darauf erfolgte die Antwort des Beschuldigten od. seines Patronus; nach dieser die nähere Beleuchtung einzelner Punkte in Frage u. Antwort der Parteien (Altercatio), dann das Beweisverfahren (Probatio) u. zuletzt das Urtheil (Sententia) nach der Majorität der Stimmen der Richter. Zuweilen wurde auch aus irgend einem Grunde der Urtheilsspruch auf einen andern Termin verschoben (Comperendinatio). Eine Provocation gegen die Quaest. perp. war nicht gestattet, die Strafe wurde sofort gezahlt (Geld) od. angetreten (Exil), doch konnte die Volksversammlung einen Verurtheilten restituiren (s. oben). Neben diesen Criminalgerichten hatten noch die Tresviri capitales die Befugniß über Verbrechen von Sklaven u. Fremden zu richten. c) Cognitio extraordinaria. In der Kaiserzeit, namentlich im Laufe des 2. Jahrh. n. Chr., wurde in dem Criminalverfahren, wie in dem Civilproceß eine Vereinfachung eingeführt, indem Einleitung u. Verhandlung der Sache demselben Richter zufiel; beim Proceß selbst fiel auch die Postulatio weg. Nach dem Urtheil fanden Appellationen an den Kaiser od. an die von ihm delegirten Richter statt, auch Begnadigung (Indulgentia) u. Restitution stand allein beim Kaiser. In der Kaiserzeit kam zu dem Delationsproceß die Befugniß der Magistrate u. Statthalter in den Provinzen eine Untersuchung, ohne vorher gegangene Anklage, namentlich gegen Diebstahl, Raub, Tempelraub einzuleiten. Die Strafen bestanden ursprünglich in Stellung gewisser Stücke Vieh, dann Geld, Gefängniß, Schläge, Ehrlosigkeit, Verbannung, Verkaufung in die Sklaverei, Tod.[271] V. Polizei. a) Die Censoren (s.d.) hatten Vergehungen, welche der Cognition der Gerichte nicht unterlagen, zu rügen u. zu bestrafen, so schlechte Erziehung der Kinder, unordentlichen Haushalt, liederlichen Lebenswandel, Ehrlosigkeit, Impietät, Härte gegen Clienten u. Sklaven, unwürdiges Benehmen der Magistrate u. dgl. Die Strafen (Ignominia, Nota) waren meist Ehrenstrafen u. bestanden in Ausstoßung aus dem Senatoren- od. Ritterstande u. Versetzung aus einer (angesehenern) Tribus rustica in eine (minder angesehene) Tribus urbana, wohl auch Ausstoßung aus der Tribus u. Versetzung unter die Aerarii mit Belegung eines verhältnißmäßig sehr hohen Census b) Die Ädilen besorgten die Sitten- u. Gesundheitspolizei, indem sie die Aufsicht über Bäder u. Wirthshäuser führten u. unsittliches Leben an öffentlichen Orten, Hazardspiele, Wucher, Übertretung der Sumtuargesetze verhinderten u. bestraften; dann die Straßenpolizei, indem sie für Reinlichkeit u. Sicherheit der Straßen sorgten, namentlich daß die Straßen nicht durch Fuhrwerke versperrt, nicht durch gefährliche Thiere unsicher gemacht wurden etc., daß das Pflaster von den Hausbesitzern gehörig unterhalten u. keine Gefahr drohenden Bauten aufgeführt wurden; ferner die Marktpolizei, indem sie für ausreichende Zufuhr von Lebensmitteln sorgten u. auf die gehörige Güte der Lebensmittel sahen, auch auf richtiges Maß u. Gewicht achteten; endlich hatten sie darauf zu sehen, daß kein Bürger eine größere Strecke vom Ager publicus besaß u. mehr Vieh auf den öffentlichen Weiden hatte, als ihm gesetzlich gestattet war.

VI. Über die Gesetze f. Römisches Recht u. Rechtsgeschichte S. 885 ff.

VII. Kriegswesen. Soldat war bei den Römern jeder Bürger, nur die Senatoren, Auguren, Proletarier u. physisch Unfähigen waren ausgenommen. Das Heer bestand aus Fußvolk (Pedites, Milites) u. einer verhältnißmäßig geringen Anzahl Reitern (Equites). Über die Bildung, Eintheilung, numerische Stärke, Führung, Aufstellung, Bewaffnung etc. der Truppen s.u. Legion. Zu dem Heere stießen noch die Truppen der Bundesgenossen, später auch Miethtruppen (Mercenarii). Oberbefehlshaber (Dux, Imperator) des ganzen Heeres waren die Consuln, welche mehre legati (s.d. 3) zur Seite hatten. Zum Stab gehörten noch die Kriegszahlmeister (Quaestores, s. Quästor 2). Dem Heere folgten noch eine Menge Pferde- u. Packknechte (Agasones u. Calones), Marketender (Lixae), Handwerksleute (Fabri), Lagerabstecker (Metatores), Fouragirer (Frumentarii) (s.d. a.) etc., außerdem bes. seit Cäsars Zeit eine Anzahl Vornehme, welche entweder dem Feldherrn aus Freundschaft Anicorum cohors) folgten, od. auch einen Kriegszug als Gelegenheit benutzten eine Reise in jene Länder zu machen, wo der Krieg geführt wurde, od. auch als Ärzte, Secretäre etc. Dienste thaten. Die Soldaten erhielten seit 405 v. Chr. Sold (Scipendium, s. d), Proviant (Commeatus), welchen sie gewöhnlich auf mehre Tage bei sich tragen mußten, Geschenke (Donative) u. Auszeichnungen (Coronae, s.u. Kranz 1); für die Feldherrn gab es besondere Auszeichnungen, die höchsten waren die Ovation u. der Triumph (s. b.). Die Disciplin war in der alten Zeit sehr streng u. es fanden mehre militärische Strafen Statt. Auf dem Marsche wurde des Abends ein Lager aufgeschlagen u. verschanzt; über dessen Einrichtung s.u. Lager S. 20 s.; seit 405 v. Chr. blieb das Heer auch im Winter im Felde liegen (Hiberna). Die Entscheidung über Krieg u. Frieden war Sache der Volksversammlung, s. oben. Kriege wurden angekündigt durch die Fetialen (s.d.). Ein in Italien bes. in der Nähe von Rom plötzlich ausbrechender Krieg hieß Tumultus. Die Art Städte zu belagern, zu erobern u. die dabei gebräuchlichen Maschinen, s.u. Festungskrieg II. B). Im Seekrieg (Bellum maritimum) leisteten die Römer erst seit den Punischen Kriegen etwas (s. Rom, Gesch.). Nach einem Siege wurde vom Feldherrn ein lorbeerbekränzter Bericht (Literae laureatae) an den Senat gesendet u. dann in Rom ein öffentliches Dankfest den Göttern gehalten (Supplicatio). War kein Krieg, so wurde der Janustempel geschlossen; doch geschah dies höchst selten u. nur dreimal in 700 Jahren.

VIII. Über Religion, Sprache, Wissenschaften u. Künste, s. Römische Mythologie, Römische Sprache, Römische Literatur u. die einzelnen Artikel Malerei, Bildhauerkunst, Baukunst, Musik etc.

IX. Gewerbe u. Handel. Gewerbe (Artes sordidae) betrieb der römische Bürger nicht, sondern hielt sich Sklaven, welche ihm die gewerblichen Gegenstände verfertigten. Dagegen galt der Ackerbau (Agricultura) für eine edle Beschäftigung, denn der Ackerbau war die Grundlage des römischen Volkslebens, u. viele vornehme Römer betrieben ihn in den ältesten Zeiten selbst, die meisten freilich hatten auf ihren Gütern (Praedia) Hofmeister u. Verwalter u. benutzten selbst den Aufenthalt auf ihren Gütern nur zur Erholung u. Stärkung ihrer Gesundheit od. um mit Muße studiren zu können. Als der Ackerbau in den letzten Zeiten der Republik anfing vernachlässigt zu werden, suchten ihn Schriftsteller u. Dichter, wie Cato, Varro, Virgilius u.A. durch theoretische Darstellung wieder zu Ehren zu bringen. Der Handel (Mercatura), namentlich der Großhandel, galt seines reichen Ertrags wegen als eine ehrenvolle Beschäftigung. In Rom waren Mercatores die Großhändler, welche seit 494 v. Chr. eine eigene Zunft (Collegium mercatorum) bildeten, während die Negotiatores in die Provinzen gingen, u. in dort Capitale zu hohen Zinsen auszuleihen u. Getreide aufzukaufen, welches sie dann wieder verhandelten. Verachtet waren die Institores, die Kleinhändler in Rom, welche ihre Waaren, meist Luxusgegenstände, in Buden (Tabernae) feil hielten od. hausirend umhertrugen; s.u. Handel, S. 934 s. Auch einen Buchhandel gab es schon in Rom, s.u. Buchhandel S. 411. Schifffahrt (Navigatura) betrieben die Römer erst später u. lange in untergeordneter Weise, bis sie die Carthager u. Tarentiner besiegt hatten; erst unter den Kaisern, nachdem sie auch die vorderasiatischen Länder erobert hatten, war ihre Schifffahrt von Bedeutung; s.u. Schifffahrt.

X. Münzen, Maße u. Gewichte. Über das Gewicht u. die Münzen s.u. As; die römischen Kupfermünzen wurden nach Pfunden (Asses) berechnet; von den Silbermünzen waren die Sestertien (Sestertii) u. Denare (s. b.) die gewöhnlichen, von denen jene früher 21/2, dann 4 As, diese früher 10 später 16 As galten. Sesterituum war keine Münze, sondern eine Summe von 1000 Sestertii; so war auch das Talent (s.d.) nur eine Rechnungsmünze. Goldmünzen wurden erst spät üblich, der [272] Aureus od. Solidus numus galt 25 Denare, entsprach also ungefähr einem Ducaten. Längenmaße: Digitus = 1 Zoll, Palmus = 4 Digiti, Pes = 4 Palmi, Passus = 5 Pedes, Stadium = 125 Passus, Milliare = 1000 Passus. Das vornehmste Getreidemaß war der Modius, er war 1/6 des Medimnus u. hielt 4 Modioli, ungefähr 2 Berliner Metzen. Flächenmaße: das Jugerum, ein Morgen, 240 Fuß lang, 120 breit; Eintheilung: 1/2 Jugerum (Actus quadratus) = 14,400 römische Fuß im Quadrat; 1/8 Jugerum (Clima) 3600; Actus minimus war ein Strich von 4 Fuß Breite u. 120 Fuß Länge, = 480 römische Quadratfuß; Scrupulum hieß 1/288 des Jug. = 100 Quadrats.; 2 Jugera hießen Haeredium, 100 Haeredia (= 200 Jugera) machten eine Centuria u. 4 Centurien einen Saltus. Maße für Flüssiges: das größte der Culeus = 160 römische Pfunde u. 20 Amphorae, die Amphora = 2 Urnae, die Urna = 4 Congii, der Congius = 6 Sextarii, der Sextarius = 2 Heminae, die Hemina = 2 Quartarii, der Quartarius = 2 Acetabula, das Acetabulum = 11/2 Cyathi, der Cyathus = 4 Ligulae, die Ligula zu 1 Loth gerechnet. Die römischen Maße wurden nach der Amphora capitolina geaicht. Die Zeitrechnung der Römer nach Jahren u. Monaten, s.u. Jahrrechnung d), Jahr B) a) u. Kalender 2); nach Wochen rechneten sie nicht; den Tag theilten sie in Tag u. Nacht, beide wieder in 4 Theile; die 4 Theile des Tages hießen die 1., 3., 6. u. 9. Stunde (Hora prima, tertia, sexta, nona), die erste begann mit Anbruch des Tages; die 4 Theile der Nacht hießen 1., 3., 6. u. 9. Nachtwache (Vigilia prima, tertia, sexta, nona).

XI. Privatleben. Die Ehe (Matrimonium), welcher eine Verlobung (Sponsalia, s.d.) vorausging, wurde auf dreierlei Art geschlossen: durch feierliche Antrauung (Confarreatio), od. durch Kauf (Coëmtio), od. durch Verjährung (Usus), darüber s.u. Ehe, S. 502. Über die Hochzeitsgebräuche s.u. Hochzeit, S. 429. Das eheliche Leben war bis zu den letzten Zeiten der Republik streng; die Weiber waren zwar in die Gewalt des Mannes gegeben, kamen aber doch in der Familie zu ihrem Rechte, daher auch bei den Römern eine größere Innerlichkeit des Familienlebens hervortritt, als bei den Griechen. Ausschweifungen von Seiten der Männer waren früher nicht häufig, doch wurden Concubinen nicht selten gehalten (s.u. Concubinat). In der letzten Zeit der Republik u. bes. unter den ersten Kaisern kam die Untreue von beiden Seiten an die Tagesordnung. Ehescheidungen (Divortia), welche, je nachdem die Ehe auf verschiedene Weise geschlossen war, auch wieder verschieden geschahen, s.u. Ehescheidung. So wie die Frau Eigenthum des Mannes war, so auch die Kinder (s. Väterliche Gewalt). Wenn ein Kind geboren war, so wurde es vor den Vater hingelegt, ließ er es liegen, so war es verstoßen, hob er es auf, so erkannte er es an u. verpflichtete sich zu dessen Erziehung. Knaben erhielten sieben, Mädchen neun Tage nach der Geburt ihren Namen; dieser Tag (Lustratio, Dies lustricus) war ein häusliches Fest, wobei die Kinder allerhand Spielsachen (Crepundia) erhielten, welche sie um den Hals trugen. Darauf erfolgte die Einschreibung in die Bürgerrolle im Tempel der Lucina. Die Aussetzung von Kindern, welche nur bei mißgestalteten u. krüppelhaften geschah (u. zwar gewöhnlich neben der Columna lactaria, s.u. Rom S. 251), wurde seit Augustus gänzlich verboten. Die erste Erziehung geschah im Hause unter den Augen der Mutter durch Sklaven, welche sie warteten u. bedienten. Vorzüglich wurden sie früh zur Mäßigung u. Enthaltsamkeit, so wie zur Achtung vor dem Alter angehalten, auch schon im Knabenalter in den Elementen der Wissenschaften unterrichtet u. in körperlicher Gewandtheit geübt. Mehre gelehrte Römer unterrichteten ihre Söhne selbst. In vornehmen Häusern hatten die Knaben besondere Pädagogen, in der Kaiserzeit möglichst jeder einen eigenen, welcher seine Zöglinge in die Schule, in das Theater u.a. öffentliche Orte begleitete. Nach vollendetem 17. Lebensjahre erhielten die Knaben freigeborener Bürger, welche bis dahin langes Haar u. die Toga praetexta nebst der Bulla aurea (s. b.) um den Hals getragen hatten, am Tage der Liberalien (17. März) vor dem Tribunal des Prätors die Toga virilis (s.d.), wurden hierauf im Tempel der Juventus in das Jünglingsbuch eingeschrieben u. brachten den Göttern auf dem Capitol ein feierliches Opfer. Von da an erlangten sie größere Selbständigkeit (nur nicht dem Vater gegenüber), gingen ohne den Pädagogen aus u. traten nun in das Heer. Mittel zu höherer wissenschaftlicher Ausbildung u. zur Vorbereitung zu öffentlicher Wirksamkeit gaben die Schulen der Rhetoren u. Grammatiker od. Reisen nach Griechenland, Kleinasien u. Rhodos. Frei von der väterlichen Gewalt wurde der Sohn erst durch den feierlichen Act der Emancipatio (s.d.). Die Töchter, welche oft an dem Unterricht im Hause theilnahmen, wurden erst nach ihrer Verheirathung von der väterlichen Gewalt befreit. Kinderlose Römer nahmen auch fremde Kinder an, entweder um Erben ihres Vermögens zu haben od. auf rechtmäßige Weise in den Besitz der Güter des Angenommenen zu kommen; dies geschah durch die Adoption (s.d.), wenn der Aufzunehmende noch in väterlicher Gewalt, od. durch Arrogation (s. b.), wenn derselbe selbständig war. Hart war das Loos der Sklaven (Servi) in Rom nur insofern, als sie des Herren reines Eigenthum (Mancipia) wie Sachen waren, mit denen die Herren machen konnten, was sie wollten, deren Erwerb ihnen zumeist gehörte u. über deren Vergehen sie selbst richteten. Doch war ihre Lage in der älteren Zeit durch die Sitte sehr gemildert, u. die Censoren hatten das Recht die Herren für die schlechte Behandlung ihrer Sklaven zu bestrafen (s. oben). Übrigens gehörten die Sklaven zur Familia u. hießen mit der Diminutivform verächtlichen Sinnes Famuli (Diener), sonst auch mit ehrlicherem Namen Pueri (Knaben). Es gab aber in Rom eine so große Menge Sklaven, daß mit zunehmendem Luxus für jedes, selbst das geringste Geschäft im Hauswesen besondere Sklaven abgerichtet u. angestellt wurden, s.u. Sklaverei.

Die Lebensweise war unter den alten Römern höchst frugal u. einfach, später aber, bes. nach der Besiegung Carthagos u. Corinths u. der Bekanntschaft mit dem reichen Asien, trat eine Üppigkeit u. eine Verschwendungssucht ein, welche keine Grenzen kannte. Die Römer standen mit Tagesanbruch auf, dann empfingen die Patrone die Besuche ihrer Clienten; um die dritte Stunde begannen die öffentlichen Geschäfte, Volksversammlungen, Senatssitzungen, Gerichte etc., um die sechste Stunde waren dieselben in der Regel beendigt, u. dann pflegten die [273] Römer der Ruhe, badeten, spielten Ball etc. Um die neunte Stunde wurde die Hauptmahlzeit gehalten, Gelage fanden nur des Abends, aber oft bis in die Nacht hinein Statt. Über die verschiedenen Mahlzeiten des Tages, sowie über die Gastmäler u. Gelage s.u. Gastmahl. Außerdem gingen die Römer ins Theater, wo sie den Schauspielen der Gladiatoren und Histrionen zusahen, auf den Landgütern waren Theilnahme an der Feld- und Hauswirthschaft, Jagen, Fischen, Vogelstellen ihre Beschäftigungen, gebildete Vornehme studirten. Gewöhnliche Unterhaltungsspiele waren Würfel- u. Ballspiel (s. b.). Von der Kleidung der Römer war das Nationalkleid die weite, wollene, weiße (bei den Kaisern purpurfarbene) Toga (s.d.), die der Knaben u. Magistraten mit Purpurstreifen besetzt; seidene Stoffe wurden erst spät getragen, mehr noch die halbseidenen (Sericae vestes); auch Gewänder von Linnen (Carbasus) werden erwähnt. Unter der Toga trug man die Tunica (s.d.), das eigentliche Hauskleid; Manche trugen sie auch doppelt, eine eng anschließende auf dem bloßen Leibe (T. interior, Subucula) u. eine etwas weitere darüber (T. exterior; vielleicht das Indusium). An der Tunica waren die auszeichnenden Purpurstreifen der Senatoren u. Ritter; bei ärmeren Leuten war die Tunica gewöhnlich die einzige Bedeckung des Körpers. Die Toga wurde in der Folge durch die kostbare Lacerna (s.d.) verdrängt. Die Tunica trugen auch die Weiber, darüber die Stola (s.d.) mit Halbärmeln, das Nationalkleid der Römerinnen. Beim Ausgehen warfen sie die mantelartige Palla (s.d.) um. Obergewänder waren auch das Pallium der Philosophen u. Amiculum (s. b.). Das Ricinium (s.d.) trugen die Frauen bei der Trauer; das Sagum (s.d.), eigentlich ein Soldatenmantel, wurde später auch von Civilisten auf der Reise getragen; die Paenula war ebenso ein Reise- u. Winterüberwurf. Beinkleider (Braccae) trugen die Römer erst in der späteren Kaiserzeit, früher umwand man Schenkel u. Beine mit Binden (Fasciae, Feminalia, Cruralia), s.u. Beinkleider. Den Kopf trug man gewöhnlich unbedeckt, nur zuweilen, bes. bei den Saturnalien, einen Pileus (s.d.). Die Frauen trugen eine Art Haube od. Mütze (Calvatica). Die Art das Haar zu tragen, s.u. Haar S. 816; wenn die Jünglinge die Toga virilis anlegten, wurde ihnen das Haar abgeschoren u. zum Theil dem Apollon zu Ehren ins Feuer, theils dem Neptun zu Ehren ins Wasser geworfen. Die Fußbedeckung bestand in Schuhen (Calcei), welche bis an das Schienbein reichten, s.u. Schuh; die curulischen Magistrate trugen rothe Schuhe (Mullei), gemeine Leute trugen Perones (s.d.); auch trug man im Hause blos Sandalen (Soleae); Sklaven gingen barfuß; Frauen trugen bunte Schuhe, wie zur Kaiserzeit auch Männer. Über die Wohnhäuser u. Landhäuser nebst ihren einzelnen Theilen u. ihrer Bauart, s.u. Wohnhaus u. Villa. Die Todten wurden früher begraben, später verbrannt, die Feierlichkeiten dabei s.u. Todtenbestattung.– Vgl. außer den Abhandlungen über einzelne Theile der Römischen Antiquitäten in Grävius' Thesaurus antiquitatum rom., Utrecht 1694–99, 12 Bde., Fol., Sallengre, Novus thesaurus ant. rom., Haag 1716–19, 3 Bde., Fol.; Pitiscus, Lexicon ant. rom., ebd. 1237, 3 Bde., Fol.; Rossini, Antiquitatum rom. corpus, mit Anmerk. von Dempster, Utr. 1710; Handbücher von Kennet, Lond. 1731, 2 Bde.; Nieupoort 1712,13. Ausg. Berl. 1762, Anmerkungen dazu von Haymann, Dresd. 1786; Maternus von Cilano, herausgeg. von Adler, Alt. 1775 f., 4 Bde.; Nitsch, Erf. 1790, 2 Bde.; Adams, Lond. 1791 (deutsch von Meyer, Erl. 1818,4. A. ebd. 1832); Fuß, Leyd. 1836; Ruperti, Hannov. 1841–43, 3 Bde.; Zeiß, Jena 1843; W. A. Becker, fortgesetzt von I. Marquardt, Lpz. 1843–56, 4 Thle. in 6 Bdn.; L. Lange, Römische Alterthümer, Berlin 1896; Meierotto, Erziehung der römischen Jugend, Berl. 1778; Derselbe, Über Sitten u. Lebensart der Römer, ebd. 1776, 2 Bde., 3. A. ebd. 1814; Huschke, Verfassung des Servius Tullius, Heidelb. 1838; Göttling, Geschichte der römischen Staatsverfassung (bis Cäsar), Halle 1840; Zachariä, L. Corn. Sylla als Ordner des römischen Freistaats, Heidelb. 1834, 2 Bde.; Hegewisch, Über die römischen Finanzen, Alt. 1804.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 266-274.
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