Artikel in der Wikipedia: Toskana
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[851⇒] Toskāna, bis 1860 Großherzogtum in Mittelitalien, 22.338 qkm, (1861) 1.826.334 E., seitdem Teil (Compartimento) des Königr. Italien mit den Prov. Arezzo, Florenz, Grosseto, Livorno, Lucca, Pisa, Siena und dem früher zu Modena gehörigen Massa e Carrara, 24.105 qkm, (1905) 2.631.556 E.; Hauptstadt Florenz. [⇐851]

[852⇒] Geschichte. T., im Altertum in weiterer Ausdehnung Tyrrhenien, Etrurien und Tuscien, kam nach der Eroberung des Langobard. Reichs durch Karl d. Gr. 774 unter fränk. Herrschaft und wurde bis zum 12. Jahrh. von Herzögen und Markgrafen regiert. Nach dem Tode der Markgräfin Mathilde (s.d.) 1115 erlangten die Städte während des Streites um deren Besitz tatsächliche Unabhängigkeit; unter ihnen gewann Florenz, geleitet von der Familie der Medici (s.d.), nach Unterwerfung von Pisa (1509) und Siena (1559) die Herrschaft von T. Alexander von Medici ward 1532 zum erblichen Herzog von Florenz, Herzog Cosimo I. 1569 zum Großherzog von T. erhoben. Nach dem Aussterben der Medici 1737 folgte gemäß den Bestimmungen des Wiener Friedens (1735) Herzog Franz Stephan von Lothringen (als röm.-deutscher Kaiser Franz I. 1745-65) als Großherzog in T., welcher dieses 1763 zu einer österr. Sekundogenitur bestimmte. Unter Leopold I. (1765-90; als Kaiser Leopold II.) gelangte das Land zu neuer Blüte; sein Nachfolger Ferdinand III. (s. Ferdinand, Großherzöge von Toskana) mußte im Frieden zu Lunéville 9. Febr. 1801 auf T. verzichten, nachdem dasselbe 1. Okt. 1800 als Königr. Etrurien an den Herzog Ludwig von Parma verliehen worden war. Dieses wurde 24. Mai 1808 Frankreich einverleibt. 1814 erhielt Ferdinand III. T. zurück; ihm folgte (seit 1824) sein Sohn Leopold II. (s.d.). Als 1859 das Volk durch Demonstrationen die Allianz mit Sardinien und Frankreich zu erzwingen suchte, reiste dieser 27. April nach Österreich ab; Viktor Emanuel II. ward als »Protektor der Nationalregierung von T.« ausgerufen. Durch den Frieden von Villafranca (11. Juli) ward die habsburg.-lothring. Dynastie wieder eingesetzt und Leopold II. dankte (21. Juli) zugunsten seines Sohnes Ferdinand IV. ab; doch dekretierte eine Nationalversammlung 16. Aug. 1859 dessen Absetzung und erklärte sich für die Vereinigung T.s mit Sardinien, die nach der Volksabstimmung vom 11. und 12. März 1860 durch Dekret Viktor Emanuels vom 22. März 1860 erfolgte. – Vgl. Reumont (2 Bde., 1876-77). [⇐852]

Quelle: Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 2. Leipzig 1911., S. 851-852.
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Toskanisches Meer, Tyrrhenisches Meer, s. Tyrrhener.

Toskanisches Hügelland, westl. Vorlage des Apennins (s.d.).

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[632⇒] Toskāna, ehemaliges Großherzogtum, jetzt Landschaft (compartimento) des Königreichs Italien, grenzt an Ligurien, Emilia, Marken, Umbrien, Latium, das Tyrrhenische Meer und umfaßt die Provinzen: Arezzo, Florenz, Grosseto, Livorno, Lucca, Massa e Carrara, Pisa und Siena mit 24,104 qkm (437,8 QM.) Areal und (1904) 2,609,587 Einw. Vgl. die Geschichtskarte bei Artikel »Italien«. – T. ist das alte Tuscien oder Etrurien (s. d.). Nach dem Untergang des weströmischen Reiches (476 n. Chr.) herrschten in dem Lande zwischen dem Macrafluß und dem Tiber Ostgoten, dann Griechen, darauf Langobarden. Unter der Herrschaft der letztern zerfiel T. in mehrere Herzogtümer (Lucca, Florenz, Chiusi) und Gastaldate. Nach der Vereinigung des langobardischen mit dem fränkischen Reiche bildete es eine Markgrafschaft, deren Markgrafen mehrfach auch über das Herzogtum Spoleto und die Markgrafschaft Camerino gesetzt waren. Das Amt kam um 1030 an den Markgrafen Bonifaz aus dem Hause Canossa, der zugleich Graf von Modena, Reggio, Mantua und Ferrara und der reichste und mächtigste Fürst in Italien war. Ihm folgte 1052 seine Gemahlin Beatrix, die zunächst für ihren unmündigen Sohn Friedrich (gest. 1055), dann für ihre Tochter Mathilde mit ihrem zweiten Gatten, Gottfried von Lothringen, und darauf mit ihrer Tochter selbst regierte und 1076 starb. Beatrix und Mathilde (s. d. 3) waren eifrige Anhängerinnen des Papsttums und spielten in der italienischen Geschichte des 11. Jahrh. eine bedeutende Rolle. Nach dem Tode der Mathilde (1115) gelangten im Laufe des 12. Jahrh. die größern städtischen Gemeinwesen Florenz, Siena, Pisa, Lucca, Arezzo u. a. zu munizipaler Unabhängigkeit und bemächtigten sich demnächst des mathildinischen Erbes, soweit es in T. gelegen war. Unter ihnen erlangte Florenz die größte Macht und vereinigte im 14. und 15. Jahrh. den größten Teil von T. mit seinem Gebiet, so daß die Familie Medici, als sie in Florenz zur Herrschaft kam, damit auch die Herrschaft von T. gewann. Am 1. Mai 1532 erhob der Kaiser Karl V. seinen spätern Eidam, Alexander von Medici, zum erblichen Herzog von Florenz. Dessen Nachfolger Cosimo I. (1537–74) vergrößerte sein Gebiet 1555 durch die Erwerbung Sienas und wurde 1569 von Papst Pius V. zum Großherzog von T. ernannt; sein Nachfolger Franz (1574–87) ward in dieser Würde vom Kaiser (1576) bestätigt. Dieser hatte seinen Bruder Ferdinand, bisher Kardinal (gest. 1609), zum Nachfolger. Unter den folgenden Herzogen, Cosimo II. (gest. 1621), Ferdinand II. (gest. 1670) und Cosimo 111. (gest. 1723), sank die Blüte des Staates sichtlich. Gemäß dem Wiener Frieden von 1735 fiel T. nach dem Tode des letzten Medici, Giovanni Gasto (1737), an den Herzog Franz Stephan von Lothringen, Gemahl Maria Theresias von Österreich und nachmaligen Kaiser Franz I. Ihm folgte 1765 sein zweiter Sohn, Großherzog Leopold, unter dessen aufgeklärter Regierung die geistige und materielle Entwickelung des zu einer österreichischen Sekundogenitur erklärten Landes durch weise Reformen außerordentlich gehoben wurde. Als Leopold 1790 Kaiser ward, folgte ihm in T. sein zweiter Sohn, Ferdinand III., der im Sinne seines Vaters regierte. 1793 trat er der Koalition gegen Frankreich bei, schloß aber schon 1795 einen Neutralitätsvertrag mit der Republik. Nachdem Bonaparte dessen ungeachtet 1796 Livorno besetzt hatte, wurde 1797 der Abzug der Franzosen mit 1 Mill. Frank erkauft; aber schon im März 1799 rückten sie wieder in T. ein und nötigten den Großherzog, das Land zu verlassen, das er 1801 im Frieden von Lüneville gegen Salzburg abtreten mußte. T. wurde nun zu einem Königreich Etrurien umgeschaffen, das dem Infanten Ludwig von Parma zufiel. Aber schon 27. Okt. 1807 wurde das neue Königreich durch den Vertrag von Fontainebleau zwischen Frankreich und Spanien gegen das nördliche Portugal an Frankreich abgetreten und durch Dekret vom 24. März 1808 damit vereinigt. Am 2. März 1809 verlieh Napoleon seiner Schwester Elisa Bacciocchi den Titel einer Großherzogin von T. Nach dem Sturze Napoleons I. erhielt Ferdinand 1814 T. zurück, dazu durch die Wiener Schlußakte 1815 das Fürstentum Piombino, den ehedem zu Neapel gehörigen Stato degli Presidj, die Insel Elba und die Anwartschaft auf die Erbfolge in Lucca. Ferdinand III. starb 18. Juni 1824; ihm folgte sein Sohn Leopold II., der, von seinem Minister, dem Grafen Fossombroni, unterstützt, im Sinne seines Großvaters und Vaters zu regieren sich bemühte. Straßenbauten, großartige Arbeiten zur Entwässerung der Maremmen, Erweiterung des Hafens von Livorno, Industrieausstellungen, Reorganisation des Unterrichtswesens zeugten von dem Eifer und der Einsicht der Regierung; und erst seit dem Tode Fossombronis (1844) machte sich der reaktionäre Einfluß Österreichs auch in T. deutlich fühlbar. Infolge des Verzichtes des Herzogs Karl von Lucca ergriff der Großherzog von T. im Oktober 1847 von Lucca Besitz und trat Fivizzano an Modena, Pontremoli an Parma ab. Die Nachwirkungen der Pariser Februarrevolution riefen 1848 auch in T. eine Volkserhebung hervor. Schon vorher hatte der Großherzog 17. Febr. eine liberale Konstitution proklamiert. Es folgten der Erlaß eines neuen Preßgesetzes (21. Mai), die Errichtung von Ministerien [⇐632][633⇒] des Kultus und Unterrichts (5. Juni) und die Eröffnung der Kammern (26. Juni), ohne daß die revolutionäre Partei befriedigt worden wäre. Das im August eingesetzte Ministerium Capponi ergriff strengere Maßregeln; als aber bei einem Aufstand in Livorno, wo Guerrazzi (s. d.) der Hauptführer der Bewegung war, 25. Aug. das Militär gemeinschaftliche Sache mit den Aufständischen machte und in Florenz das Volk sich erhob, warf sich der Großherzog eingeschüchtert der demokratischen Partei in die Arme und berief ein Ministerium Montanelli-Guerrazzi, flüchtete aber 23. Jan. 1849 nach Siena und 21. Febr. nach Gaeta. Schon 8. Febr. setzte die Deputiertenkammer eine provisorische Regierung ein, die eine konstituierende Versammlung einberief. Diese übertrug 27. März Guerrazzi die Diktatur. Gleichzeitig aber begann in Florenz die Gegenrevolution und siegte mit Hilfe der herbeigezogenen Truppen und der Nationalgarden so schnell, daß bereits 11. und 12. April die Republik beseitigt war. Eine Deputation lud Leopold zur Rückkehr ein; dieser ernannte 1. Mai von Gaeta aus den General Serristori zum außerordentlichen Kommissar und berief am 24. ein neues Ministerium unter Baldasseroni. Schon 12. Mai ward der Widerstand Livorno von den Österreichern besiegt, und am 25. rückten diese in Florenz ein. Der Großherzog proklamierte bei seiner Rückkehr 28. Juli zwar eine umfassende Amnestie, schloß aber 1850 mit Österreich eine Militärkonvention, der zufolge 10,000 Mann Österreicher zunächst in T. blieben, und 1851 mit Rom ein Konkordat, das der Kirche unumschränkte Freiheit gewährte; durch Dekret vom 8. Mai 1852 wurde die Verfassung von 1848 außer Geltung gesetzt und die unbeschränkte Souveränität des Großherzogs hergestellt. Die österreichischen Truppen räumten T. erst im Frühjahr 1855. Als nach dem Ausbruch des Krieges zwischen Österreich und Frankreich im Frühjahr 1859 der Großherzog den Anschluß an Sardinien abgelehnt hatte, brach 27. April ein Aufstand in Florenz aus, der Leopold veranlaßte, das Land zu verlassen. Es wurde sofort eine provisorische Regierung eingesetzt und der König von Sardinien zum Diktator ausgerufen. Dieser lehnte zwar die Diktatur ab, übernahm jedoch das Protektorat über T. und ernannte seinen Gesandten in Florenz, Boncompagni, zum General kommissar während der Dauer des Unabhängigkeitskrieges. Großherzog Leopold II. entsagte 21. Juli dem Thron zugunsten seines ältesten Sohnes, Ferdinands IV., der durch eine Proklamation an die Toskaner Aufrechthaltung der Verfassung und Anerkennung der Rechte der Nation verhieß. Dessenungeachtet beschloß die am 11. Aug. zusammengetretene Landesversammlung schon am 16. die Thronentsetzung des Hauses Lothringen, und nach der Volksabstimmung vom 11. und 12. März 1860 erfolgte 22. März die Vereinigung Toskanas mit dem neuen Königreich Italien. Am 16. April hielt Viktor Emanuel in Florenz seinen Einzug. Die entthronte großherzogliche Familie lebt in Österreich. Vgl. Repetti, Dizionario geografico, fisico, storico della T. (Flor. 1833–46, 6 Bde.); Rena und Camici, Serie degli antichi duchi e marchesi di T. (das. 1764–87); Galluzzi, Storia del granducato di T. sotto il governo della casa Medici (das. 1781, 9 Bde., u. ö.); Ricasoli und Ridolfi, T. ed Austria (das. 1859); A. Zobi, Storia civile della T. dal 1737 al 1848 (das. 1850–52, 5 Bde.); E. H. Napier, Florentine history (Lond. 1847, 6 Bde.); v. Reumont, Geschichte Toskanas seit dem Ende des florentinischen Freistaats (Gotha 1876–77, 2 Bde.); Poggi, Memorie storiche del governo della T. 1859–1860 (Pisa 1871, 3 Bde.); v. Wurzbach, Die Großherzoge von T. (Wien 1883), und die Textbeilage zu den Tafeln »Orden«. [⇐633]

Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 632-633.
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Toscāna, s. Toskana.

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[711⇒] Toscana (Gesch.). T. ist das alte Etrurien (s.d.) od. Tuscia. Nach dem Sturz des Römerreiches, 476 v. Chr., herrschten in dem Lande erst die Ostgothen, dann kam es an die Byzantinischen Kaiser. Als es im 7. Jahrh. die Longobarden den Byzantinern entrissen, getheilt: das römische, zunächst dem Tiber, welches zum Herzogthum Rom gehörte; das königliche, welches die Städte u. Gebiete Lucca, Pisa, Siena u. Florenz begriff; das herzogliche, zwischen den beiden andern vom Bolsener See bis zum Meer. Während der Longobardenherrschaft stand T. unter ihren Sitz hatten u. gewöhnlich zur königlichen Familie gehörten, die mächtigsten waren. Nach der Zerstörung des Longobardenreichs durch Karl d. Gr., 774, kam es unter die Herrschaft der Franken u. Karl setzte den Markgrafen Gundebrand ein, unter welchem mehre Grafen, namentlich auch der von Florenz, standen. Wahrscheinlich war Graf Wicram sein Nachfolger, welchem 815 Bonifacius I. folgte, welcher die sarazenischen Seeräuber aus Corsica u. Sardinien vertrieb. Als Bonifacius 836 starb, wurde Agano, Graf von Lucca, vom Kaiser Lothar als Markgraf von T. eingesetzt; ihm folgte 847–890 Adalbert I., Bonifacius' Sohn, welcher sich auch zugleich Herzog von Lucca nannte. Unter ihm wurde T. 860 u. 866 von den Normannen überfallen u. Pisa geplündert. Er hing treu den Karolingern an u. behauptete selbst gegen den Papst deren Rechte auf Italien, weshalb er auch 887 mit dem Banne belegt wurde. Sein Sohn Adalbert II. der Reiche verließ die Sache des Kaisers Arnulf u. trat 897 auf die Seite seines Vetters Lambert, welcher sich zum König aufgeworfen hatte. Als er aber nachher auf Antrieb seiner ehrgeizigen Gemahlin Bertha, Tochter des Kaisers Lothar, Lambert [⇐711][712⇒] stürzen wollte, wurde er von diesem gefangen u. erst 899 durch Lamberts Tod wieder frei u. hielt es nun mit Berengar. Nicht lange darauf verließ er auch diesen, um Ludwig 905 zum König zu erheben, doch nahm er bald wieder für Berengar Partei. Als er 917 starb, folgte ihm sein ältester Sohn Guido, welchen seine Mutter Bertha in der Regierung unterstützte. Nach ihrem Tode 924 ver. mählte sich Guido mit der Marozzia, mit welcher er beinahe unumschränkt in Rom gebot. Ihm folgte 929 sein Bruder Lambert. Als sich Hugo von Burgund mit Marozzia vermählte u. König von Italien wurde, ließ er Lambert blenden u. setzte dann erst 930 seinen Bruder Boso u. 936 seinen eigenen Sohn Hubert zum Markgrafen von T. ein. Diesem folgte 961 sein Sohn Hugo, welcher als Erbe seiner Mutter die Markgrafschaften Spoleto u. Camerino besaß; er bewies sich den Sächsischen Kaisern treu u. rettete dem Kaiser Otto III. bei einem Aufruhr in Rom das Leben. Bald darauf starb er sohnlos, Spoleto u. Camerino nebst alle: Erbgü tern fielen an seine beiden Töchter, die Markgrafschaft aber erhielt sein Verwandter Adalbert III., unter welchem die Städte, begünstigt durch kaiserliche Privilegien, zu Macht gelangten u. bereits Kriege unter einander führten. Er st. vor 1016, u. ihm folgte Rainer, welchen der Kaiser Konrad II., weil er sich nicht unterwerfen wollte, 1027 absetzte u. die Markgrafschaft an Bonifacius II. verlieh, welcher bereits Graf von Modena, Reggio, Mantua u. Ferrara u. durch die Heirath mit Beatrix, Tochter des Herzogs Friedrich von Oberlothringen, sehr mächtig war. Er wurde 1052 ermordet. Da sein Sohn Friedrich noch minderjährig war, so führte seine Mutter Beatrix für ihn die Regierung, u. als er 1055 st., folgte ihm sein Stiefvater Gottfried der Bärtige von Niederlothringen, welchem der Kaiser Heinrich III., weil er sich gegen ihn empört hatte, sein Herzogthum genommen hatte. Um ihn in der Treue gegen sich zu erhalten, nahm der Kaiser 1055 die Markgräfin Beatrix u. deren Tochter Mathilde als Geißeln mit nach Deutschland. Nach Heinrichs III. Tode entließ die Kaiserin Agnes die Markgräfinnen, wofür Gottfried die kaiserlichen Angelegenheiten eifrig verfocht; aber Mathilde blieb Zeitlebens Feindin des Kaiserhauses. Sie vermählte sich 1063 mit dem Sohne ihres Stiefvaters, dem Herzog Gottfried dem Höckerigen von Lothringen, um durch ihn die Markgrafschaft T., welche als Reichslehn eine Frau nicht besitzen konnte, ihrem Hause zu erhal ten. Nach dem Tode Gottfrieds des Bärtigen, 1069, regierte sie mit ihrer Mutter gemeinschaftlich u. nach dem Tode ihrer Mutter, 1076, allein; ihr Gemahl hielt sich in Lothringen auf, wo er des Kaisers Sache verfocht, während Mathilde in Italien insgeheim auf Seite der päpstlichen Partei stand. Gottfried der Höckerige wurde 1076 ermordet, u. von nun an trat Mathilde, unter der Leitung des Bischofs Anselm von Lucca, öffentlich auf die Seite des Papstes. 1084 siegte sie bei Sorbara über die Kaiserlichen u. eroberte alle Städte u. Gebiete zurück, welche von ihr abgefallen waren. Nach Gregors VII. Tode beförderte sie die Wahl u. Einsetzung des Papsts Victor III. u. heirathete 1089, als dieser Anstalt zum Frieden mit dem Kaiser machte, als. 43jährige Frau den 17jährigen Welf V., Sohn des Herzogs Welf IV. von Baiern. 1090 wurden ihre Staaten von den Kaiserlichen angegriffen u. Welf, welcher ihre Heere befehligte, geschlagen. Sie verlor Mantua u. Ferrara, auch beinahe alle Besitzungen jenseit des Po; dennoch blieb sie dem Papste treu, u. als sie, von ihren Vasallen bedrängt, 1092 nach der verlornen Schlacht bei Tricontai Friedensunterhandlungen mit dem Kaiser anknüpfen mußte, so hielt sie doch so standhaft bei dem Papste, daß kein Vertrag zu Stande kam, u. beredete Konrad, Sohn des Kaisers Heinrich IV., zur Empörung wider seinen Vater, wodurch sie den Kaiser von Italien abzog. Schon 1077 hatte Mathilde den Päpstlichen Stuhl zum Erben aller ihrer Länder eingesetzt, u. als Welf V. davon Kenntniß erhielt, trennte er sich 1295 von ihr u. trat nebst seinem Vater zur Partei des Kaisers über. Wie hart sie auch öfters von den Kaiserlichen bedrängt wurde u. wie oft sich auch die Städte gegen sie empörten, so wußte sie sich doch stets durch ihre Staatsklugheit aus den verwickeltsten Lagen zu ziehen u. ihr Übergewicht in Italien zu behaupten. Als endlich Kaiser Heinrich V. nach Italien kam, benahm sie sich mit solcher Klugheit, daß er sie 1110 zur Generalstatthat terin von Italien ernannte. Sie st. 1115, u. nun begann der Streit über ihre Erbgüter, welche sie., ms Neue durch eine Schenkung von 1102 dem Päpstl ichen Stuhle zugewiesen hatte.

Kaiser Heinrich V. erschien 1116 in T., unterwarf die widerspenstigen Städte, vermehrte die Freiheiten der übrigen u. bemühte sich das durch die Kriege verödete Land mit neuen Ansiedlern zu bevölkern. Er setzte 1117 den Ratbod zum Statthhalter, 1119 aber seinen Neffen Konrad zum Markgrafen von T. u. Herzog von Ravenna ein. Konrad, welcher sich nach seines Oheims Tode, 1125, zum König von Italien krönen ließ, behauptete sich auch in T. bis 1133, wo Kaiser Lothar II. das Markgrafthum T. an Engelbert gab, da dieser aber sein Ansehen nicht zu behaupten vermochte, ertheilte der Kaiser 1136 seine Eidam, dem Herzog Heinrich dem Stolzen von Baiern u. Sachsen, welcher als nächster Verwandter Welfs das nächste Anrecht auf die Erbschaft hatte, das Markgrafthum u. wies ihm auch die Mathildeschen Erbgüter zu, welche er vom Papste zu Lehn erhalten hatte. Kaiser Konrad III. sprach aber 1139 die Acht gegen Heinrich den Stolzen aus u. entzog ihm auch die Markgrafschaft T. Bei diesem öftern Wechsel u. dem schwankenden Zustande der Markgrafen gerieth deren Ansehen immer mehr in Verfall u. die Städte wurden mächtig, vor allen Pisa durch den Seehandel, Lucca durch den Landhandel u. Florenz, in letzter saß ein kaiserlicher Pfalzgraf, welcher die Macht der Markgrafen lähmte. Während des Mathildeschen Erbschaftsstreites von 1115–36 waren den obigen Städten viele Güter entrissen worden, Vieles wurde zu Lehn gegeben u. der Kaiser ertheilte den Städten viele Rechte, welche sie beinahe unabhängig von den Laut esherren machten. Nach Heinrichs des Stolzen Tode 1139 übernahm Welf VI. die Mathildeschen Erbgüter u. der Kaiser machte ihn zum Reichsstatthalter über T. Sein Nachfolger Welf III., seit 1152, verkaufte, da er kinderlos war, seinem Neffen, dem Kaiser Friedrich Barbarossa, 1169 die Mathildeschen Erbgüter nebst der Reichsstatthalterschaft über T. Die Besitzverhältnisse vieler adeliger Lehnsleute veränderten sich nun, ihre Afterlehen waren unmittelbare Reichslehn u. die mächtigern unter ihnen unabhängige Landesherrn geworden. In den Städten hatten sich viele Landadelige niedergelassen, welche [⇐712][713⇒] sich der Regierung bemächtigten. Von jetzt begannen die Kämpfe zwischen den Städten, z.B. Genuas u. Luccas gegen Pisa (s. b.), welche der Kaiser aus Politik nicht stillte. Unter allen Städten überragte Florenz (s.d.) die Schwesterstädte, es stand auf der Seite der Guelfen, während Pisa ghibellinisch war. Kaiser Friedrich setzte, nachdem er T. erworben hatte, den Erzbischof Christian von Mainz als Statthalter ein, welcher durch seine Härte viele Städte u. Adelige dem Kaiser abgeneigt machte, die sich nun den Guelfen zuwandten u. so der kaiserlichen Partei entgegen wirkten. Um den Abfall der großen Städte zu verhindern, wurden ihnen immer größere Freiheiten zugestanden, so daß sie in Verfassung u. innerer Verwaltung völlig unabhängig wurden. Kaiser Heinrich VI., welcher von seinem Vater Friedrich das Mathildesche Erbgut u. die Rechte auf T. geerbt hatte, übergab beides seinem Bruder Philipp. Aber Papst Innocenz III. erneuerte die Forderung auf die Mathildesche Erbschaft u. brachte, während Philipp in Deutschland mit Otto von Braunschweig um die Krone focht, 1198 den Toscanischen Städtebund gegen Philipp zu Stande, an dessen Spitze Florenz stand (Pisa nahm keinen Theil). Da keiner der beiden deutschen Kaiser während ihres Kampfes nach Italien kam, so geriethen die kaiserlichen Rechte über T. immer mehr in Verfall, u. als endlich nach Philipps Ermordung, 1208, Otto IV. in Italien erschien, durfte er seine Kaiserrechte nicht mit Strenge geltend machen, um seine Anhänger nicht zu verlieren. Die Verhältnisse änderten sich aber schnell, als Otto IV. sich 1211 mit dem Papste entzweite u. derselbe ihm in dem jungen Friedrich von Hohenstaufen (nachmals Kaiser Friedrich II.) einen Gegenkönig aufstellte. Die bisherigen Gegner der Hohenstaufen mußten nun auf deren Seite treten, wenn sie nicht auch Feinde des Papstes sein wollten, u. Otto IV. fand nur noch bei den Ghibellinen einige Anhänger. Als aber Friedrich II. sich mit dem Papste entzweite, rief Letzter den Lombardischen Städtebund gegen den Kaiser ins Leben. Auch in T. begann nun der Kampf zwischen den Guelfen u. Ghibellinen, welcher sich bes. heftig 1206 entzündete. Lucca, Pisa u. Siena waren ghibellinisch, Florenz dagegen guelfisch. Der Kaiser Friedrich setzte seinen Sohn Enzio zum Statthalter von T. ein, dann ging er selbst nach T. u. gab durch seine Siege seiner Partei das Übergewicht. Mehr u. mehr schieden sich in den Städten selbst die Parteien; dem größern Theile nach war der Adel ghibellinisch, die Bürger dagegen guelfisch. So lange Friedrich II. lebte, hatten die Ghibellinen beinahe überall das Übergewicht, nach seinem Tode dagegen wurden in sämmtlichen Städten die ghibellinischen Magistrate vertrieben u. die Bürger bewächtigten sich des Stadtregiments, u. selbst das ghibellinische Pisa trat zur Guelfenpartei. Nachdem Pisa mit Florenz 1256 hatte Frieden schließen müssen, nahm Siena wieder den Kampf für die Ghibellinen gegen Florenz auf u. gewann am 4. September 1260 die Schlacht bei Montaperti. Darauf verließ der guelfische Adel Florenz u. die Ghibellinen kehrten dahin zurück. Die Ghibellinen erkannten den König Manfred als ihren Schutzherrn an, u. Pisa, Siena, Arezzo u. Florenz kämpften 1261 mit Erfolg gegen Lucca, jetzt das Haupt der Guelfenpartei. Diese erhielt neuen Muth durch den Sieg Karls von Anjou über Manfred, 1265, u. nun traten mehre Städte, bes. die kleinern, zu den Guelfen über, u. als König Karl von Anjou vom Papste zum Statthalter von T. ernannt wurde, erhielten die Guelfen beinahe überall das Übergewicht. Doch war Karls Regiment für alle Parteien so drückend, daß er bald allen Einfluß verlor u. seiner Statthalterschaft entsagen mu ßte. Nun war T. sich wieder selbst überlassen, u. die Kämpfe der Städte u. der Parteien in den Städten nahmen überhand, in Pisa u. Florenz fanden die Ghibellinen wieder Aufnahme u. die Guelfen wurden kleinmüthig, als der deutsche Kaiser Rudolf von Habsburg auf Pisas Bitte einen Reichsvicar nach Italien sandte. Dieser richtete zwar wenig aus u. ließ sich, von Florenz bestochen, bald zur Heimkehr bewegen, allein seine Anwesenheit hatte dazu beigetragen alle Verhältnisse mit Karl von Anjou zu lösen u. den Bürgern in den Städten das Übergewicht über den Adel zu sichern. Dies war bes. der Fall in Florenz, wo 1282 eine Revolution ausbrach (s. Florenz S. 365). Die Kämpfe u. Zerrüttungen währten fort. Kaiser Heinrich VII. kam 1310 nach T. u. suchte Ruhe zu stiften, aber wegen der Schwäche seines Heeres gelang ihm dies nicht, u. er belegte 1311 Florenz mit der Reichsacht, der Papst aber mit dem Interdicte. Auch von den Ghibellinen, bes. von dem streitbaren Castruccio von Lucca hart bedrängt, übertrug Florenz 1313 dem König Robert von Neapel die Schutzherrschaft, u. diesem Beispiele folgten Lucca, Pistoja u. Prato. Robert ließ sein Amt durch Vicarien versehen, zuerst durch seine Brüder Philipp u. Peter, da der Letztre aber gegen die Ghibellinen 1315 die Schlacht bei Montecatini verlor, so baten jene Städte um einen andern Statthalter, welcher zwar Anfangs auch wenig leistete, da die Gherardesca u. Castrucci in Lucca u. Pisa das Übergewicht hatten, auch eine Partei in Florenz die Schutzherrschaft des deutschen Kaisers verlangte. Als es aber der neapolitanischen Partei in Florenz gelang von Neuem aus Ruder zu kommen, so bekam König Robert seinen Einfluß in T. wieder, welchen er benutzte, um zwischen den Ghibellinenstädten Lucca, Pisa u. Florenz 1317 einen Frieden zu schließen. Einige Jahre war es nun ziemlich ruhig in T., dann aber griff 1322 Castruccio Pistoja u., nachdem er dieses abhängig von sich gemacht hatte, auch Prato an. Nun begannen die Fehden mit erneuter Heftigkeit, u. in den Städten wütheten die Parteien gegen einander; Castruccio verwüstete das Gebiet der Florentiner u. schlug deren Heer am 23. September 1325. Da ernannte Florenz 1326 den Herzog Karl von Calabrien, Sohn des Königs Robert, auf 10 Jahre zu ihrem Schutzherren, u. ihrem Beispiele folgten andere Städte. Karl that aber nichts zur Besiegung od. Schwächung der Feinde. Ein Jahrhundert lang befehdeten sich unausgesetzt die einzelnen Städte, bes. Florenz, Lucca, Pisa, Siena, Arezzo, Perugia, unter einander, denen sich die nächsten Landherren, die Castrucci, Spinola, Scala, Tarlati (s.d.), anschlossen od. sich auf kurze Zeit als Gebieter aufwarfen. Zuweilen kam zwar ein deutscher Kaiser, wie Ludwig der Baier 1327, Karl IV. 1355 u. 1369, nach Italien, um Ruhe zu stiften, od. sie schickten einen Großen als Reichsvicar, wie jener 1331 den König Johann von Böhmen, dieser 1355 den Patriarchen von Aquileja, allein die Ruhe wurde nur kurze Zeit erhalten. Zuweilen strebten einzelne Städte, so 1370 Florenz, die Oberherrschaft über die andern zu erhalten, u. auch der [⇐713] [714⇒] Papst beabsichtigte 1374–98, Herzog Johann Galeazzo von Mailand 1392 u. König Ladislaw von Ungarn u. Neapel 1409–11 Ähnliches, aber immer verbanden sich die toscanischen Städte fest unter einander, u. dies wendete ostdiedrohendste Gefahr ab.

Während dem hatte die Familie Medici (s.d.) durch Handel großen Reichthum erworben u. durch ihre Begünstigung der niedrigen Volksstände großen Einfluß in Florenz gewonnen u. riß bald die Herrschaft dieses Staates an sich (s. Florenz S. 370). Durch die Medici wurde Florenz Sitz der Künste u. Wissenschaften u. war nebst Mailand u. Venedig bei allen Ereignissen Oberitaliens betheiligt (s. ebd. S. 371). Zwar wurden die Medici 1494 vertrieben, aber schon 1512 kehrten sie zurück, u. nach einer nochmaligen Verbannung wurden sie vom Kaiser mit Gewalt zurückgeführt u. Alessandro dei Medici 1531 zum erblichen Herzog von Florenz ernannt (s. Florenz S. 370 f.). Allmälig war auch der größere Theil der toscanischen Städte mit Florenz vereint worden (s. Pisa S. 156 u. Arezzo 2); nur Lucca blieb unabhängig u. Perugia wurde päpstlich. Herzog Cosmo I. eroberte auch 1555 Siena (s.d. S. 69) u. verband es mit seinem Staate; 1562 bekam er die Herrschaften Pitigliano u. Sorana von den Orsini. Er lebte mit dem Papst Pius IV., welcher, selbst ein Mediceer, die Tiara 1559 nur durch seinen Einfluß erlangt hatte, im besten Einverständnisse. Gebeugt durch Familienunglück u. Krankheit trat Cosmo I. 1564 die Regierung seinem Sohne Franz Maria ab, behielt sich aber den Titel u. die höchste Gewalt, die Verwaltung u. Einkünfte der Herrschaft Pistoja, die Einkünfte von Siena u. Pietrasanta, alle Allodialgüter u. Capitalien u. die Ernennung aller hohen Beamten vor. Um die Rangstreitigkeiten mit den italienischen Herzögen, bes. mit Ferrara, zu endigen, erhob der Papst Paul V. 1569 den Herzog Cosmo zum Großherzog von T. u. krönte ihn 1570 in Rom. Die italienischen Fürsten u. auch der Kaiser protestirten Anfangs hiergegen, doch ertheilte der Kaiser 1575 dem Herzoge Franz selbst diesen Titel. Cosmo I. st. am 21. April 1574, u. Franz Maria war nun alleiniger Fürst. Mit seinen Brüdern, dem Cardinal Ferdinand u. dem Prinzen Peter, lebte Franz in fortwährenden Zwistigkeiten, u. durch seinen Stolz u. Leichtsinn nahm die Sicherheit u. Ruhe des Staates u. so auch der Einfluß, welchen Cosmo I. auf die Angelegenheiten Italiens ausgeübt hatte, immer mehrab. Dagegen trieb der Großherzog wieder Handelsgeschäfte u. erwarb durch glückliche Umstände Lusola, Rico u. Lisana. Er vermählte sich 1579 mit der Venetianerin Bianco Capello (s.d. 1) u. st. mit ihr am 9. October 1587. Sein Bruder Ferdinand I. trat nun aus dem geistlichen Stande, um die Regierung zu übernehmen, u. vermählte sich mit der Prinzessin Christine von Lothringen. Er führte die Regierung mit Einsicht u. Glück, setzte auch den Großhandel u. die Banquiergeschäfte seines Bruders fort. Sein jüngerer Bruder Peter verlangte, von Spanien unterstützt, eine Landestheilung u. machte auf Siena Anspruch Ferdinand näherte sich deshalb Frankreich u. unterstützte zugleich den Kaiser 1595 mit Geld u. einem Heer von 13.000 M. u. 1000 Reiter gegen die Türken Peter starb schon 1604 u. Ferdinand I. 1609. Sein Sohn Cosmo II. hielt sich zu Frankreich, näherte sich aber auch Spanien wieder u. st. 1621. Ferdinand II., sein ältester Sohn, war bei des Vaters Tode erst 10 Jahr alt u. seine Mutter Maria Magdalena von Österreich u. seine Großmutter Christine führten die Vormundschaft über ihn, welche Beide für Österreich u. Spanien gestimmt waren. 1628 übernahm der Großherzog selbst die Regierung. Er wollte sich mit Parma der Vergrößerung Spaniens u. Savoyens in Italien widersetzen, mußte sich aber auf eine bewaffnete Neutralität beschränken, auch gerieth er mit Spanien 1632 wegen der Lehnsbesitzungen auf Elba in Streit; dennoch hatte er nicht Kraft genug sich dem spanischen Einflusse zu entziehen. Mit dem Papste gerieth er, verbündet mit Modena u. Venedig, 1637 wegen der Mahlsteuer, welche in T. auch die Geistlichen zahlen mußten, u. wegen Beleidigungen gegen den Herzog von Parma 1643–44 in Krieg. Ferdinand II. vergrößerte 1650 den Staat durch Ankauf von Santa Flora u. Pontremoli u. st. 1670. Cosmo III., Sohn des Vor., stürzte den schon durch die vorige Regierung sehr geschwächten Staat durch schlechte Wirthschaft in tiefe Schulden. Als er sich 1675 von seiner ausschweifenden Gemahlin Margarethe Louise von Orleans trennte, gerieth er darüber mit Frankreich in Zwist, dessen Folgen Demüthigungen u. eine Abhängigkeit von Ludwig XIV. waren, welche erst 1706 mit der Vertreibung der Franzosen aus Italien endigte. Das Land war durch Kriegssteuern, welche an das Reich gezahlt werden mußten, so erschöpft, daß der Großherzog zur Bestreitung nothwendiger Ausgaben seine Juwelen verpfänden mußte. Dazu kam, daß das Haus Medici dem Erlöschen nahe war (zwei Söhne von ihm hatten keine Aussicht auf Kinder u. sein Bruder war kinderlos gestorben), u. so kam die Frage wegen der Erbfolge in Anregung. Spanien u. Parma machten als Verwandte von weiblicher Seite darauf Auspruch, der Kaiser erklärte das Großherzogthum für Reichslehen, der Großherzog selbst wollte, daß nach dem Erlöschen seines Stammes die Republik hergestellt werde; durch die Quadrupelallianz zwischen England, Frankreich, Spanien u. dem Kaiser 1717 wurde endlich festgesetzt, daß T., im Fall das Haus Medici ausstürbe, an den Infanten Karl von Spanien fallen sollte. Der Großherzog protestirte zwar dagegen u. wollte die Erbfolge seiner Tochter, der Kurfürstin Anna Maria Louise von der Pfalz, zuwenden, doch wurde er nicht gehört. Er st. 1723 u. wurde von seinem Sohne Johann Gaston beerbt. Dieser, obwohl durch eine zügellose Lebensweise geschwächt, strebte doch dem Staate wieder aufzuhelfen, er entfernte die Mönche, welche seinen Vater beherrscht hatten, u. schränkte die Ausgaben ein, doch fehlte es ihm an Kraft die Übel gründlich zu heilen; da er sah, daß es vergebenswar sich den Bestimmungen der Alliirten wegen der Erbfolge zu widersetzen, so schloß er selbst am 25. Juli 1731 einen Vertrag mit Spanien, worin er die Erbfolge des Infanten Karl anerkannte u. eine spanische Besatzung von 6000 M. in seine Staaten aufnahm, wogegen er seinen Schwestern das Allodialvermögen sicherte. Durch einen neuen Vertrag zwischen Österreich, Frankreich u. Spanien vom 3. October 1735 wurde gegen die frühern Bestimmungen der Herzog Franz Stephan von Lothringen zum Erben von T. ernannt, der Infant Karl aber dafür mit beiden Sicilien entschädigt. Johann Gaston st. 1737; mit ihm erlosch das Haus Medici, u. Franz Stephan, der Gemahl der Maria Theresia von Österreich, nahm von T. Besitz. [⇐714]

[715⇒] Franz Stephan, aus dem Hause Lothringen-Habsburg, als Gemahl der Königin von Ungarn u. später als deutscher Kaiser in Wien lebend, konnte wenig thun, um die unglückliche Lage T-s zu verbessern. Als er 1765 st., erbte sein zweiter Sohn, Erzherzog Peter Leopold, T., welches zu einer Secundogenitur erklärt war. Er schaffte die Generalverpachtungen der Steuern, die Monopole u. Mauthen im Innern ab, hob die Feudalrechte der Grundherren auf, verlieh dem Landmann Eigenthumsrechte, löste die Gewerbe von dem Innungszwange, ließ Sümpfe austrocknen, Kanäle graben, Heerstraßen bauen, die Häfen verbessern, die Unterrichtsanstalten vervollkommnen u. vermehren, veranstaltete eine Revision der Rechtspflege u. gab dem Lande ein neues Strafgesetzbuch. Dazu berief er 1787, unterstützt von Scipio Ricci (s.d. 6), Bischof von Pistoja, eine Synode der toscanischen Geistlichkeit u. legte ihr 57 Artikel vor, wodurch die Inquisition abgeschafft, die Klöster beschränkt, die Pfarrstellen besser dotirt, die Bischöfe unabhängiger vom Papste gemacht u. für die Toscanische Kirche der Rechte der Gallicanischen in Anspruch genommen wurden, Der Päpstliche Stuhl protestirte dagegen, aber dennoch wurden die wesentlichsten Verbesserungen durchgesetzt. Als Franz Stephan 1790 Florenz verließ, um als Nachfolger seines Bruders von den österreichischen Erblanden Besitz zu nehmen u. Kaiser zu werden, folgte ihm sein zweiter Sohn, Erzherzog Ferdinand III., welcher in dem Sinne seines Vaters regierte. Er wollte Anfangs keinen Theil an dem Kriege gegen Frankreich nehmen, u. erst als im October 1793 die Engländer mit dem Bombardement von Livorno drohten, trat er der Coalition gegen Frankreich bei, schloß aber 1795, unter allen Fürsten zuerst, Frieden mit Frankreich, zahlte 1 Mill. Franken an dieses u. erklärte sich für neutral. Dies half ihm jedoch wenig, denn 1796 besetzte Bonaparte Livorno mit 5000 M. u. hielt sich, da er sich der englischen Schiffe u. Güter nicht bemächtigen konnte, an die livornischen Handelshäuser, welche ihm 1 Mill. Scudi zahlen mußten. Die Engländer nahmen im Juli 1796 Porto Ferrajo, blockirten den Hafen von Livorno u. bemächtigten sich aller toscanischen Schiffe. Endlich 1797 erkaufte Ferdinand III. wieder für 1 Mill. den Abzug der Franzosen, wogegen auch die Engländer Porto Ferrajo verlassen mußten., Aber schon im März 1799 rückten die Franzosen, nachdem sie nochmals 2 Mill. Franken vom Großherzog erpreßt hatten, wieder in T. ein, besetzten Florenz u. nöthigten den Großherzog das Land zu verlassen. Er begab sich nach Wien, u. die Franzosen behandelten T. wie ein erobertes Land, richteten eine provisorische Regierung ein, verkauften die Allodien des Großherzogs u. der Malteserritter, bemächtigten sich der englischen u. portugiesischen Waaren u. sandten Kunstwerke aus dem Palast Pitti nach Frankreich. Bald brachen Empörungen gegen die Franzosen in Pistoja u. Florenz aus, welche zwar von den Franzosen schnell unterdrückt wurden, aber endlich vertrieb ein Aufstand in Arezzo die französische Besatzung. Die Toscaner vereinigten sich mit einem österreichischen Corps u. nahmen Cortona u. Siena. Bald darauf capitulirten die Franzosen in Livorno, u. nun wurde die Regierung Ferdinands III. hergestellt. 1800 drangen die Franzosen wieder in T. ein u. besetzten im Herbste Florenz, Livorno u. das ganze Land. Im Frieden von Lüneville mußte der Großherzog T. gegen eine Entschädigung in Deutschland (Salzburg) abtreten Parma, welches das spanische Königshaus durch Tertiogenitur besaß, wurde nun gegen T. vertauscht; dies wurde durch einen Theil des Stato degli Presidj vergrößert, dagegen Elba an Frankreich abgetreten, u. der Erbprinz von Parma, Ludwig, nahm unter dem Titel eines Königs von Hetrurien am 2 August 1801 von T. Besitz, u. durch einen Vertrag wurde Hetrurien für ein ewiges Erbe des spanischen Königshauses erklärt. Der neue König begab sich mit seiner Gemahlin Marie Luise, Tochter Karls IV. von Spanien, von Madrid nach T., machte sich aber durch Herstellung der alten kirchlichen Verhältnisse u. durch spanische Hoffahrt die Herzen der Toscaner bald abgeneigt, war auch ein schwächlicher, ganz von seiner Gemnahlin abhängiger Fürst. Als er 1803 starb, übernahm seine Wittwe die Regierung für ihren minderjährigen Sohn Ludwig. Auf ihre Bitten wurde T. von französischen Truppen geräumt u. durch 6000 Spanier besetzt, welche Napoleon aber 1806 nach den Küsten der Ost- u. Nordsee sendete. Durch den Vertrag von Fontainebleau vom 27. October 1807 zwischen Frankreich u. Spanien wurde Hetrurien gegen das nördliche Portugal an Frankreich abgetreten u. durch das Decret vom 30. Mai 1808 mit demselben unter seinem alten Nanen T. vereinigt, die Königin wurde aber von ihrem Vater nach Spanien berufen. Napoleon theilte T. in drei Departements, das vom Arno, vom Mittelmeere u. vom Ombrone, errichtete in Florenz ein Generalgouvernement u. gab es seiner Schwester Elise, welche nun den Titel einer Großherzogin führte.

Nach dem Sturze Napoleons 1814 erhielt Ferdinand III. (seit 1803 Kurfürst von Salzburg, dann Kurfürst, seit 1806 Großherzog von Würzburg) T. in den Grenzen zurück, wie er es vor 1800 besessen hatte, dazu den, ehedem zu Neapel gehörigen Stato degli Presidj, die ehemaligen Reichslehen Vernio, Montanto, Santa Maria, die Insel Elba, die Anwartschaft auf die Erbfolge in dem größten Theil von Lucca, indem nach dem Absterben der Herzogin Maria Luise von Parma der Herzog von Lucca deren Besitz erhalten sollte. Ferdinand III. st. am 18. Juni 1824; ihm folgte sein Sohn Leopold II., welcher im Sinne seines Großvaters u. Vaters zu regieren fortfuhr; er setzte die bereits seit 1818 begonnenen Verbesserungen des Volksschulwesens fort u. begünstigte die Wissenschaften; die Protestanten wurden nicht nur geduldet, sondern erhielten selbst in Florenz eine eigene Kirche. 1829 begann die Austrocknung u. die Cultivirung der Maremmen (s.d.) wieder. Gegen politische Verirrungen fand ein System von großer Nachsicht statt, so wie denn namentlich die Verfolgung der Carbonari hier nicht mit so blutiger Strenge betrieben wurde, wie in den übrigen italienischen Staaten; daher 1830 u. 31 die Ruhe in T. nicht gestört wurde, u. wenn auch 1833 die Regierung sich genöthigt sah Verhaftungen vornehmen u. zum Theil angesehene Männer auf die Citadelle von Livorno setzen zu lassen, so gab doch hierzu mehr ihre Beziehungen zu den übrigen italienischen Staaten u. die Rücksicht auf den allgemeinen Zustand Anlaß. Aller öffentlichen Unternehmungen nahm sich der Großherzog an, so der in der Nähe von Seravezza entdeckten Quecksilberminen, [⇐715][716⇒] zu deren Untersuchung er 1842 aus Sachsen sachverständige Männer kommen ließ; so begünstigte er eine 1844 in Livorno zusammengetretene Actiengesellschaft, welche die Bearbeitung eines in den Maremmen bei Montebamboli aufgefundenen Steinkohlenlagers zu unternehmen beabsichtigte. Eine Revision des Strandrechts u. der Sanitätsgesetze erfolgte schon 1842; ein Grenzberichtigungsvertrag zwischen T., Modena u. Lucca 1844. Auch für Anlegung von Eisenbahnen wurde Sorge getragen u. die erste Strecke von Livorno nach Pisa am 13. März 1844 eröffnet. 1844 wurden die Universitäten Siena u. Pisa neu organisirt. 1845 flüchteten sich ein Theil derer, welche bei den in Ancona u. Bologna ausgebrochenen Unruhen betheiligt waren, nach T.; sie wurden nicht ausgeliefert, sondern nach Frankreich übergeschifft. In den toscanischen Staaten selbst ließ sich von den Unruhen des Jungen Italiens nichts bemerken. Nach dem Rücktritte Fossombronis u. dem Tode des Fürsten Corsini, 1845, welche als erste Minister an der Spitze der Regierung gestanden hatten, wurde die Stimmung des in politischer Hinsicht stets glücklich gepriesenen Landes allmälig eine minder günstige u. am Ende 1845 u. im Laufe d. J. 1846 traten mehrfache Umstände ein, welche das gute Verhältniß zwischen Regierung u. Volk trübten, so mehrfache Verhaftungen aus politischen Gründen, die Austreibung italienischer Ausländer (d'Azeglio); die auf die Trockenlegung der Maremmen verwendeten Summen wurden als Veranlassung zur Unzufriedenheit genommen, dazu kam, daß am 14. August 1846 ein Erdbeben die Ortschaften von Luciana, Lorenzana u. Orciano verwüstete, welches auch in Pisa, Livorno etc. vielfache Zerstörungen anrichtete u. viele Menschenleben kostete, u. daß in Folge der geringen Ernte eine Theuerung entstand. Dies machte die künstlich erregte u. genährte Mißstimmung im Lande noch gereizter. Erst der durch die Reformen des neuen Papstes Pius IX. herbeigeführte Umschwung in den politischen Verhältnissen Italiens ließ T. wieder einen anderen Weg in der inneren Politik einschlagen. Hatte sich die von Rom ausgehende Bewegung bereits allgemein im Volke kundgethan u. selbst zu einigen gewaltthätigen Auftritten geführt, wie Anfang 1847 in Florenz das Verbot der Feier des päpstlichen Namenstages einen blutigen Zusammenstoß zwischen Volk u. Militär veranlaßte: so folgte nun auch die Regierung, als die erste unter den übrigen Italiens, dem Vorgange des Papstes in liberalen Concessionen. Am 7. Mai 1847 erschien ein neues milderes Preßgesetz u. 30. Mai ward eine Versammlung von Notabeln des Landes einberufen, welche namentlich bei der beabsichtigten Gemeindeverwaltungsreform ihren Rath abgeben sollte. Für die bei den neulichen Tumulten Betheiligten wurde eine Amnestie erlassen. Dennoch beschwichtigte sich die allgemeine Aufregung nicht, sondern gab sich in zahllosen Demonstrationen kund; die Regierung ließ sich zu mehren Zugeständnissen bestimmen, so wurde die erst kürzlich wieder eingeführte Todesstrafe abgeschafft, durch Decret vom 24. August eine Staatsconsulta eingesetzt, welche bei allen neuen Gesetzen, bei Veränderung schon bestehender Anordnungen, bei Verkauf u. Verpachtung von Staatsgütern u. Einkünften zu Rathe gezogen werden sollte; am 24. Aug. ein neues Ministerium der Justiz u. der Gnaden errichtet u. an seine Spitze der populäre Bartolini gestellt, durch Decret vom 4. Septbr. die Errichtung einer Bürgergarde gewährt, unter dem 13. Septbr. noch weiter die Umarbeitung der Landesgesetze, des Unterrichtswesens u. der Municipalverfassung zugesagt. Noch erschien ein zweckmäßigeres Preßgesetz, in den höheren Staatsstellen fanden mehrfache Veränderungen im Sinne der Volkswünsche statt, auch wurden die Sbirren u. die geheime Polizei abgeschafft. Das Land erfreute sich im Ganzen der Ruhe.

Dagegen entstanden nun neue Schwierigkeiten für die Regierung durch die Thronentsagung des Herzogs von Lucca. Nach der Wiener Congreßacte vom 9. Juni 1815 u. dem Pariser Tractat vom 10. Juni 1817 sollte Lucca an den Großherzog von T. fallen, wenn einst Parma, Piacenze u. Guastalla an die Infantin Marie Luise od. an deren Sohn Karl Ludwig gelangten; dann sollte T. wieder die toscanischen Bezirke Fivizzano, Pietrasanta, Borga u. die lucchesischen Bezirke Castiglione u. Gallicano, sowie die an Massa grenzenden Minucciano u. Monte-Ignose an Modena abtreten. Modisicirt war diese Feststellung durch den Florentinischen Vertrag vom 28. Nov. 1844, wonach T. Pietrasanta u. Borga mit Seravezza behalten, dagegen Fivizzano an Modena u. Pontremoli an den künftigen Besitzer von Parma abtreten sollte. Jetzt nun trat der vorgesehene Fall ein; der Herzog von Lucca legte am 7. Oct. noch vor dem, erst am 18. Dec. erfolgenden Ableben der Herzogin von Parma, die Regierung nieder (s. Lucca S. 564). Am 11. Oct. fand hierauf die Besitzergreifung von Lucca durch den Großherzog statt, während dasselbe durch den Herzog von Modena 5. Nov. mit Fivizzano geschah. Aber Fivizzano weigerte sich entschieden von T. getrennt zu werden. Auch die Regierung von T. protestirte gegen die gewaltsame Unterbrechung der schwebenden Verhandlungen, ließ gegen die Grenze marschiren u. forderte die Räumung des Landes von den eingedrungenen modenesischen Truppen, bis endlich, nachdem alle unter römisch. sardinischer Vermittlung gepflogenen Unterhandlungen hinsichtlich einer Abänderung der Verträge sich zerschlagen hatten, das Gebiet zwar, der verletzten Form wegen, von den Truppen geräumt, dann aber auch sofort am 4. Dec. von T. an Modena übergeben wurde. Ebenso wenig hatte Pentrem olis Widerstand gefruchtet; nur bis zum Tode Marien Luisens konnte es nach dem nun abgeschlossenen Vertrage bei T. erhalten werden; Anfang 1848 wurde es sammt Baguano, Filatierra, Groppoli u. Lusuolo an Parma abgetreten. Am 3. Nov. hatte T. inzwischen mit Sardinien u. dem Kirchenstaate einen Vertrag wegen Gründung eines Zollvereins abgeschlossen.

So brach nun das auch für T. verhängnißvolle Jahr 1848 an, in welchem Italien von der Reform zur Revolution überging. Schon der Anfang des Jahres kündigte sich durch ernste Unruhen in Livorno an, wo Guerazzi, ein thätiges Mitglied des Jungen Italien, zum Gouverneur verlangt u. zugleich durch eine revolutionäre Proclamation große Aufregung verursacht worden war; aber durch die Energie des Ministerpräsident Ridolfi wurde das Volk beschwichtigt u. Guerazzi nebst mehren Genossen verhaftet (10. Januar). Nun wurde auch eine Commission zur Entwerfung einer Constitution niedergesetzt u. dieselbe am 17. Febr. proclamirt. Die Grundzüge derselben waren: Zwei [⇐716] [717⇒] Kammern, ein Senat aus lebenslänglich vom Fürsten ernannten u. ein Generalconseil aus 86 vom Volke gewählten Mitgliedern bestehend; Verantwortlichkeit des Ministeriums; persönliche Freiheit, Freiheit der Presse, neben der als Staatsreligion anerkannten Katholischen Religion Duldung der übrigen Glaubensbekenntnisse; Gleichheit vor dem Gesetz; keine Rücksicht auf das Glaubensbekenntniß bei Besetzung der Ämter u. der Wahl zur Volksvertretung, allgemeine Militärpflicht etc. Jetzt ergriffen auch die abgetretenen Bezirke die Gelegenheit sich wieder an T. anzuschließen, so im März Fivizzano u. im Mai Massa Carrara, die Lunigiana u. Garfagnana, wogegen aber Modena unter dem 27. Mai protestirte. Am 21. Mai erschien ein neues Preßgesetz; am 5. Juni wurden zwei neue Ministerien für öffentlichen Unterricht u. Wohlthätigkeit u. für die kirchlichen Angelegenheiten errichtet. Am 26. Juni wurden die Kammern eröffnet. Indeß schon nach den ersten Unfällen der italienischen Truppen in der Lomdardel, wohin auch T. Truppen, zum Theil von Neapel entliehen, u. Freiwilligencorps gegen Österreich gesandt hatte, gerieth das Land in Verwirrung. Das Ministerium Ridolfi fiel Ende Juli einem Aufruhr des nach Krieg gegen Österreich schreienden Pöbels zum Opfer, an seine Stelle trat ein Ministerium Capponi, welchem von den Kammern discretionäre Gewalt betreffs der Presse, der Vereine u. Versammlungen eingeräumt wurde, worauf die Schließung der politischen Clubs u. eine strenge Überwachung der Presse erfolgte. Dennoch gelang es nicht die revolutionäre Partei zu bändigen. Am 25. Aug. erhob sich, auf die Kunde von der Verhaftung eines politischen Agitators in Florenz, unter Guerazzi in Livorno ein Aufstand. Die von der Regierung gegen Livorno aufgebotenen Bürgergarden von Pisa u. Lucca verweigerten den Gehorsam u. auch das dahin gesendete Militär versagte nach heftigem Straßenkampf den Dienst u. machte gemeinschaftliche Sache mit den Empörern. Hierauf trat eine livornesische Commission, Guerazzi an der Spitze, mit dem Großherzog über die Bedingungen einer Aussöhnung in Unterhandlung; der Großherzog gab nach Vom 8. Sept, an wurde Guerazzi mit zwei Anderen dem Magistrat von Livorno als Regierungscommission beigegeben u. somit eine Art Sicherheitsausschuß gebildet. Die Ruhe kehrte zurück, die Anarchie griff um sich. Die Ernennung eines unbeliebten Gouverneurs für Livorno bewirkte neue Differenzen zwischen der Regierung u. der Stadt, worauf Montanelli als interimistischer Gouverneur eingesetzt wurde, welcher sich aber alsbald ganz an Guerazzi anschloß. Im Sept. sah sich das Ministerium zur Ausschreibung einer Zwangsanleihe von vier Mill. Lire genöthigt. Inzwischen hatte sich der revolutionäre Geist auch mehr u. mehr der Hauptstadt bemächtigt, u. eine Volksdemonstration für Livorno veranlaßte endlich auch das Ministerium Capponi seine Entlassung zu geben (13. Oct.), worauf sich der Großherzog entschloß sich der demokratischen Partei anzuvertrauen. In dem neuen Ministerium übernahm Montanelli die Präsidentschaft u. das Auswärtige, Guerazzi das Innere, Mazzoni die Justiz, d'Ayala den Krieg, Adami die Finanzen, Franchini den Unterricht. Dieses Ministerium schloß durch Verordnung vom 3. Nov. die Sitzung des Senats, löste die gemäßigte Deputirtenkammer auf u. setzte die Wahl neuer Abgeordneten auf den 20. Nov. fest; erließ unter dem 7. Nov. eine Circularnote an die toscanischen Repräsentanten in Rom, Neapel u. Palermo wegen der beabsichtigten constituirenden italienischen Nationalversammlung u. ein Umschreiben an die Präfecten wegen der für Venedig zu sammelnden Gelder; da es dem sicilianischen Bevollmächtigten die Aufpflanzung seines Wappens gestattete, so brach Neapel den diplomatischen Verkehr mit T. ab.

Am 10. Jan. 1849 fand die Eröffnung der neuen Kammern, in welchen die demokratische Partei ein entschiedenes Übergewicht hatte, durch den Großherzog statt. Dem alsbald von den Kammern berathenen Gesetze über die Wahlen der Deputirten gab der Großherzog am 22. Jan., trotz der Abmahnung des englischen Gesandten, seine vorläufige Zustimmung, die hinsichtlich der Constituante vom Papste angedrohte Excomm unication verursachte ihm jedoch so bedeutende Gewissensscrupel, daß er, unter Widerrufung seiner Bestätigung, am 1. Febr. Florenz verließ u. über Siena am 22. nach Gaeta reiste. Unter dem Einflusse des republikanischen Volksclubs u. seines Anhanges bestellte hierauf am 8. Febr. die Deputirtenkammer eine provisorische Regierung, bestehend aus Guerazzi, Montanelli u. Mazzini (später Zannetti), welche nun ein neues Ministerium bildete, am 9. Febr. Truppen u. Bürgerwehr ihres Eides entband, durch Decret vom 10. Febr. Generalconseil u. Senat aufhob u. statt derselben eine einzige Repräsentantenversammlung von 120 Mitgliedern auf den 15. März berief. Am 12. Februar protestirte der Großherzog von Gaeta aus gegen die provisorische Regierung. Dagegen wurde am 18. Februar in Florenz durch den Volksclub die Republik proclamirt u. alsbald über eine Vereinigung mit der Römischen Republik unterhandelt. Am 25. März wurde die Nationalversämmlung für T. eröffnet, u. diese übertrug am 27. an Guerazzi die executive Gewalt in dictatorischer Form. Die Macht Guerazzis begann jedoch sehr bald zu wanken, u. nur nach langem Weigern wurde ihm von der Nationalversammlung eine Anleihe von zwei Mill. Lire u. die Vertagung der Kammer bis zum 15. April bewilligt. Am 11. April aber entstand zwischen den, von Guerazzi zu seinem Schutze herangezogenen Livornesischen Freiwilligen u. Florentiner Bürgern ein Streit, welcher damit endete, daß das Volk jene vertrieb. Am 12. April wurden die Freiheitsbäume umgestürzt, die großherzoglichen Wappen wieder aufgerichtet, der Widerstand der Municipalgarde gebrochen; die Truppen u. Nationalgarden erklärten sich für den Großherzog; die Regierung übernahmen in dessen Namen außer dem Magistrat fünf angesehene Bürger, unter ihnen Capponi; Guerazzi sammt Ministerium u. Anhängern wurde gefangen gesetzt. Die Republik war ohne alles Blutvergießen gestürzt. Die Nationalversammlung wurde aufgehoben, die Clubs verboten, die Municipalgarde aufgelöst u. ein neues Ministerium gebildet. Eben so schnell u. unblutig verbreitete sich die Gegenrevolution über das Land, nur Livorno beharrte im Widerstande wider die neue Ordnung der Dinge, u. dorthin wandten sich deshalb auch alle Gegner derselben. Am 1. Mai ernannte der Großherzog von Gaeta aus den Generalmajor Serristori zu seinem außerordentlichen Commissär u. setzte am 24. Mai ein neues Ministerium zusammen, an dessen Spitze Baldasseroni stand. Am 25. [⇐717][718⇒] Mai zog ein österreichisches Corps in Florenz ein; in Livorno wurden 6000 Mann als Besatzung zurückgelassen, Pisa wurde entwaffnet Die gesammte Lunigiana war schon im April von österreichischen Truppen im Namen des neuen Herzogs von Parma besetzt worden. Die Ordnung wurde nun rasch wieder herg. stellt u. der Großherzog bei seiner Rückkehr mit Enthusiasmus empfangen. Zu den im Laufe d. I. noch ergriffenen Maßregeln gehörten vornehmlich die Auflösung der akademischen Legionen von Pisa, Siena u. Lucca, die Ertheilung einer umfassenden Amnestie, von welcher nur 81 schwer Gravirte ausgeschlossen blieben, die Errichtung eines neuen Gensdarmeriecorps, der Erlaß einer provisorischen Gemeindeordnung. Die liberale Partei war befriedigt, nur gegen die österreichische Besetzung herrschte Mißstimmung. Dagegen schloß sich die Regierung immer fester an Österreich an, dessen Truppen im Lande blieben, während das toscanische Heer durch Auflösung von drei Infanterieregimentern bedeutend vermindert worden war. Am 22. April 1850 kam eine Militärconvention mit Österreich zu Stande, wonach vor der Hand 10,000 Mann Österreicher das Land besetzt halten sollten, denen Österreich Sold u. Montirung, T. aber die Naturalverpflegung zu beschaffen haben würde. Länger andauernde Differenzen mit England entstanden für die Regierung in jener Zeit durch die von England erhobenen Forderungen von Entschädigung für die von englischen Kauflenten während der Livornesischen Wirren erlittenen Verluste, deren Summe sich auf 160,000 Lire beliefen. Im Frühjahr verließ der Großherzog auf längere Zeit sein Land u. ging nach Wien; die Regterung begaun seit dieser Zeit entschiedener rückwärts zu gehen, bes. wurde jede Äußerung hinsichtlich der gewünschten Wiederherstellung der constitutionellen Staatsform unterdrückt. Dagegen hoben sich Handel u. Gewerbe sichtlich, die Zollerträge stiegen fast über die Hälfte der vorjährigen Einnahme. Zugleich konnte das Ministerium anzeigen, daß die in den beiden vergangenen Jahren gemachte Schuld von 9 Mill. Lire theils durch effective Rückzahlungen, theils durch die zur Einlösung der Bons bereit liegenden Depositen getilgt sei. Die inzwischen mehr u. mehr erregten Besorgnisse der gemäßigt liberalen Partei fanden bald ihre Bestätigung; ein Decret vom 21. Sept. erklärte das Generalconseil der Deputirten vorläufig, bis zum Eintritt günstigerer Zeitverhältnisse, für aufgelöst, wonach bis zur Einberufung einer neuen gesetzgebenden Versammlung alle Gewalt von dem Großherzog allein ausgeübt werden würde Gleichzeitig erschien ein strenges Preßgesetz, außerdem wurde die Universität Siena geschlossen, da von den dortigen Studirenden bei Gelegenheit der angeordneten religiösen Conferenzen Unruhen erregt worden waren. Am 20. Dec. kam der Zollvertrag mit dem Kirchenstaate zu Stande. Noch mehr machte sich im Jahre 1851 die gereizte Volksstimmung bemerkbar; so namentlich in Florenz durch Demonstrationen gegen das Tabakrauchen, in deren Folge es zu blutigen Händeln kam, u. später (29. Mai) in Unruhen gelegentlich der von der Gensdarmerie verhinderten Todtenfeier für die bei Curtatone u. Montanara Gebliebenen. Um so mehr steigerten sich aber auch die Maßregeln der Regierung: mehre politische Verdächtige wurden verhaftet, Haussuchungen u. Ausweisungen waren an der Tagesordnung; die oppositionellen Blätter waren schon bis zur Mitte des Jahres sämmtlich unterdrückt. Die Nationalgarde erhielt zwar ein neues Reglement, wurde aber durch die Auflösung in einzelnen Städten mehr u. mehr beseitigt. Die Universität Siena wurde wieder eröffnet, doch erschien im Oct. ein Decret wegen Umgestaltung der Universitäten Pisa u. Siena. Inzwischen zeigte sich die Regierung sehr thätig hinsichtlich des Zustandekommens einer italienischen Centraleisenbahn; am 1. Mai wurde der hierauf bezügliche Contract mit der römischen Regierung u. am 3. October mit den weiter betheiligten Mächten, Österreich u. Modena, abgeschlossen. Ebenso wurde ein Schifffahrtsconcordat mit Rom (5. April) u. ein Postvertrag mit Frankreich abggeschlossen. Endlich einigte sich die Regierung auch mit dem päpstlichen Stuhle über ein Concordat (s. Concordat S. 333), wonach die bisherige Kirchenfreiheit bedeutend beschränkt u. die Befugniß der Bischöfe sehr erweitert wurden; da jedoch ein Rundschreiben des Ministeriums dasselbe, namentlich bezüglich der ohne Placet der Regierung zu veröffentlichenden päpstlichen Breven, wesentlich beschränkte, so entstand hierdurch ein längerer Conflict mit Rom, welcher erst durch Österreichs Vermittelung ausgeglichen wurde. Laut Befehl vom 13. Octbr. wurde die Generalinspection über die Linientruppen u. der Generalstab des Kriegsministeriums aufgehoben, an deren Stelle das im Oct. 1848 aufgehobene Generalcommando wieder eingeführt werden sollte, so daß ein Generalarmeecommandant dem Großherzog die geeigneten Maßregeln im Heerwesen zu seiner Sanction vorzuschlagen haben würde. Das Generalcommando wurde dem österreichischen Oberstlieutenant Ferrari de Grado übertragen. Ein Decret vom 7. November hob die toscanischen Gesandtschaften zu Constantinopel, Neapel u. Turin auf. Inzwischen waren im Laufe des Jahres von dem österreichischen Kriegsgericht, welches zur Aburtelung von Preßvergehen u. Aufreizung zum Aufstande in Livorno niedergesetzt worden war, von 47 Angeklagten 40 zum Tode verurtheilt worden, darunter die beiden älteren Söhne des Lord Stratford, doch wurden sämmtliche Strafen in Gefängniß umgewandelt.

Erst dem Jahre 1852 war eine völlige Wiederkehr zu den früheren Zuständen vorbehalten. Durch Decret vom 8. Mai wurde die Constitution vom 15. Febr. 1848 definitiv aufgehoben; völlige Herstellung der souveränen Autorität, Verantwortlichkeit des Ministeriums nur dem Großherzog gegenüber, Trennung des Staatsrathes vom Ministerrathe, Revision des Preßgesetzes, allgemeine Aufhebung der Bürgergarden, Reorganisation der Justiz nach den Grundsätzen des Jahres 1847, Modificirung des provisorischen Gemeindegesetzes von 1849 sollten die Hauptpunkte in der neuen Ordnung der Dinge sein. Gegen Mitte des Jahres erschien ein neues Unterrichtsgesetz. Am 6. Nov. zeigte die Polizei sämmtlichen politischen Flüchtlingen an, daß sie binnen acht Tagen das Land zu verlassen hätten. Kurz darauf wurde auch die Wiedereinführung der Todesstrafe angeordnet. Auch im Jahre 1853 währten die politischen Verfolgungen fort u. dehnten sich nun auch auf die einer evangelischen Propaganda Verdächtigen aus, welche eine harte Strafe traf. Besonderes Aufsehen machten bes. der Guerazzische Proceß u. die Angelegenheit der Madiaischen Eyeleute [⇐718][719⇒] (s.b.); über beide Parteien wurden von dem Gericht schwere Freiheitsstrafen verhängt, welche der Großherzog aber im Gnadenwege in Landesverweisung umwandelte. Handel- u. Schifffahrtsverträge wurden 1853 mit Frankreich, Neapel u. Mecklenburg-Schwerin geschlossen; ferner erschien in diesem Jahre das neue Gemeindeverfassungsgesetz u. das neue Strafgesetzbuch, beide im Sinne einer strengeren Ausübung der Regierungsgewalt. In die Strafgesetzgebung wurde das Verbrechen der Majestätsbeleidigung wieder aufgenommen, harte Strafe auf Angriffe gegen die Römisch-Katholische Religion gesetzt, Todesstrafe gegen Anschläge auf das Leben des Großherzogs, seiner Gemahlin u. des Erbgroßherzogs ausgesprochen u. bes. strenge Bestimmungen gegen Theilnehmer an geheimen Gesellschaften getroffen... Die großen, durch Besetzung des Landes durch die Österreicher verursachten Kosten veranlaßten die Regierung an die Kräftigung ihrer eigenen bewaffneten Macht zu denken, in Folge dessen am 18. Febr. 1853 auch ein neues Recrutirungsgesetz erschien. Die österreichische Besatzung wurde um 2000 Mann vermindert. Bei dem eingetretenen Mißwachs erließ die Regierung den 6. Theil der Abgaben vom ländlichen Grundbesitz fürs Jahr 1853. Sowohl dies als mehre außerordentliche Ausgaben, die Trockenlegung des Sees u. der Sümpfe von Bientina u. der Bau des Hafens von Livorno verschlangen große Summen, u. nur mit Mühe gelang es die Ausgaben u. Einnahmen des ordentlichen Budgets im Gleichgewichte zu erhalten, während die außerordentlichen Ausgaben durch Anleihen unter ungünstigen Bedingungen gedeckt wurden. Beim Ausbruche des Krieges gegen Rußland im Jahre 1854 zauderte die Regierung den von Frankreich u. England bekannt gemachten Grundsätzen über das Recht der Neutralen zur See beizutreten, weil bisher bei Seekriegen im Hafen von Livorno der Sammelplatz von Caperschiffen gewesen war, welche daselbst mit dem Nöthigen sich versehen u. ihre Beute verkauft hatten; es geschah noch im Juni 1854. Ein schwacher Versuch von 19–20 in Bocca di Magra gelandeten Flüchtlingen, die öffentliche Ruhe zu stören, scheiterte vollständig. Im December 1854 schloß T. mit England u. Sardinien Verträge über Rhederei an den Küsten, welche die vollständigste Gegenseitigkeit der Begünstigungen u. Rechte in dieser Beziehung zur Regel machen, was auch Frankreich zu Gute kam, weil es nach dem Handelsvertrage vom 2. Febr. 1853 am Genusse einer jeden Vergünstigung theilnehmen sollte, welche von T. einem andern europäischen Staate zugestanden würde. Die Spannung des Verhältnisses zum Papste, schon seit längerer Zeit bestehend, wurde durch gegenseitige Nachgiebigkeit gehoben, die Regierung verzichtete auf das Recht der Bestätigung der kanonischen Einsetzungsbullen, man kam auch überein, daß die Verwaltung der Kirchengüter in T. einem aus weltlichen u. vorherrschend aus geistlichen Mitgliedern zusammengesetzten Verwaltungsrath übergeben werden sollte. Im Frühjahre 1855 verließen endlich die österreichischen Truppen T. Die Cholera hatte bis zum Oct. 1855 von 35,831 Kranken 17,817 getödtet. Nach dem Pariser Friedensschlusse von 1856 beschloß die Regierung die Errichtung von Consulaten im südlichen Rußland u. gab einer Gesellschaft die Berechtigung zum Bau einer Eisenbahn von Florenz über Perugia nach Rom mit Verbürgung von fünf Proc. Zinsen für die Actionäre. Schon im April 1857 hatte die toscanische Polizei Kenntniß, daß in Genua zwei Schiffe zu einem geheimen Unternehmen gegen die niederitalienische Küste gemiethet worden seien, u. im Mai Gelegenheit verbotene Waffen u. Schießbedarf, welche heimlich eingeführt worden waren, wegzunehmen. Es er folgten Verhaftungen, aber erst am 30. Juni kam eine neue mazzinistische Verschwörung in Genua, Livorno u. an der neapolitanischen Küste zugleich zum Ausbruch. In Livorno sammelten sich die Aufrührer u. verwundeten u. tödteten an drei Orten mehre Gensdarmen, wurden jedoch von der bewaffneten Macht schnell besiegt; die mit den Waffen in der Hand Gefangenen wurden sofort von den Soldaten erschossen, die übrigen Verhafteten zur gerichtlichen Untersuchung nach Lucca abgeführt. Am 18. August erwiderte der Papst in F lorenz einen Besuch, welchen ihm der Großherzog kurz vorher in Bologna abgestattet hatte. Die an diesen Besuch geknüpfte Hoffnung der clericalen Partei, die völlige Abschaffung der Leopoldinischen Gesetze zu erreichen, ging aber nicht in Erfüllung. Aus Anlaß des Aufruhrs in Livorno wurden nach u. nach 252 Personen verhaftet; die Mehrzahl derselben wurde von den Administrativbehörden mit längeren od. kürzeren Freiheitsstrafen belegt; nur 25 wurden vor den Gerichtshof von Lucca gestellt u. von diesem fünf, darunter der entflohene Leiter der Bewegung Pacini, zum Tode verurtheilt (März 1858).

Obwohl die Regierung sich von gewaltthätigen Maßregeln fern hielt u. sich vielfach um eine geordnete Verwaltung bemühte, konnte es doch nicht fehlen, daß die Aufregung, welche seit 1858 durch ganz Italien ging, auch in T. einen fruchtbaren Boden fand. Die Unzufriedenen fanden in dem Hause des Vertreters Sardiniens Buoncompagni einen Mittelpunkt; friedliche Demonstrationen gegen die Regierung von Rom u. Neapel u. gegen die weltliche Herrschaft des Papstes zeugten von der allgemeinen Stimmung, u. die Unterdrückung einiger Journale regte zu weiterem Widerstand an. Als gegen das Ende des Jahres 1858 die steigende Spannung zwischen Österreich u. Piemont einen Krieg voraussehen ließ, verlangte Ersteres, wie man wenigstens allgemein annahm, auf Grund der Verträge die Stellung von 12,000 Mann u. 12 Mill. Lire, u. die Regierung setzte diesem Ansinnen nur getheilten Widerspruch entgegen. Als durch die Anrede des Kaisers Napoleon an den österreichischen Gesandten beim Neujahrsempfang 1859 die Aufregung zum Äußersten gesteigert wurde, unternahm der Großherzog am 27 Januar 1859 eine Reise nach Rom u. Neapel, deren Zweck jedesfalls eine Verständigung mit dem Papste u. König Ferdinand vor. Während seiner Abwesenheit führten die Minister die Regierungsgeschäfte in liberalem Sinne u. gestatteten öffentliche Kundgebungen des radicalen Geistes; die Rückkehr des Großherzogs brachte aber wieder strengere Maßregeln. Am 23. März wurde für jede politische Schrift Präventivcensur eingeführt. Aber die allgemeine Unzufriedenheit u. Aufregung war nicht mehr zu unterdrücken. In Florenz wurden in wenigen Tagen für die Freiwilligen, welche sich in das piemontesische Heer einreihen ließen, 100,000 Lire gezeichnet, u. Tausende begleiteten diese Freiwilligen bei ihrer Einschiffung [⇐719][720⇒] in Livorno. Am 24. April überreichte der sardinische Bevollmächtigte Buoncompagni dem Minister des Auswärtsgen eine Note, welche T. einlud sich mit Sardinien u. Frankreich zu verbünden. Der Großherzog antwortete ablehnend u. erklärte, er werde von seiner Neutralität nicht abgehen, er bringe schon hiermit ein Opfer, da die Verträge ihn eigentlich verpflichteten sich Österreich anzuschließen. Schon aber verweigerten die Truppen den Maßregeln zu gehorchen, welche gegen das Volk ergriffen werden sollten, u. Soldaten u. Volk verlangten in einer großen Straßendemonstration zu Florenz die Allianz mit Piemont. Jetzt erst entschloß sich der Großherzog nachzugeben, ließ die dreifarbige Fahne aufpflanzen u. verkünden, daß er, weil man es wünsche, sich an Piemont anschließen wolle. Zur Ausführung dieses Entschlusses bedurfte es eines neuen Ministeriums, zu dessen Bildung der Großherzog den Marquis von Lajatico berufen ließ. Dieser aber erklärte ihm, nachdem er sich mit dem sardinischen Bevollmächtigten verständigt hatte, das einzige Mittel, um seine Dynastie zu retten, sei sofort abzudanken. Dies verweigerte der Großherzog; er versammelte das diplomatische Corps um sich, u. nachdem Buoncompagni erklärt hatte, er glaube versprechen zu können, daß ihm bei seiner Abreise keine Gefahr drohe, verließ er von einer Ehrengarde bis zur Grenze begleitet das Land u. begab sich nach Wien. Die Municipalität, als einzige in Florenz übrig gebliebene Behörde, erwählte sofort eine Provisorische Regierung, deren Mitglieder der frühere Gonfaloniere von Florenz Peruzzi, der Advocat Malenchini u. der Major Danzini waren. Ihre erste Regierungshandlung war den König Victor Emanuel zu ersuchen die Dictatur über Toscana zu übernehmen u. den General Ulloa als Oberbefehlshaber der Armee zu schicken. Victor Emanuel lehnte es zwar ab die Dictatur zu übernehmen, willigte aber darein, während der Dauer des Kriegs Protector des Großherzogthums zu bleiben, beauftragte Buoncompagni, als königlicher Commissar in seinem Namen zu regieren u. ernannte den General Ulloa zum Oberbefehlshaber der Truppen. Am 8. Mai trat Buoncompagni die Regierung an, doch sollte die Verwaltung T-s vorläufig ganz unabhängig von der Piemonts bleiben. Das von ihm gebildete Ministerium bestand aus Ricasoli für das Innere, Ridolfi für den öffentlichen Unterricht u. interimistisch das Auswärtige, Paggi für die Justiz, u. interimistisch die kirchlichen Angelegenheiten, Busacca für die Finanzen, Malenchini (später Niccolini) für den Krieg. Als Beirath für die Regierung berief Buoncompagni einen provisorischen Staatsrath, welcher aus den hervorragendsten Bürgern gebildet wurde. Die dreifarbige Fahne wurde zur Nationalfahne erklärt u. ein in Livorno bestehendes Bureau zur Anwerbung für Kriegsdienste in Rom od. Neapel aufgehoben. Unterdessen beschäftigte sich General Ulloa eifrig mit der Reorganisation der Armee, wachte über die Sicherheit der Grenzen u. schickte Truppen nach den Provinzen Massa u. Carrara, während der Prinz Napoleon mit dem 5. Armeecorps des französischen Heers in Livorno landete, jedoch ausdrücklich erklärte, daß seine Aufgabe nur eine rein militärische sei u. daß er sich in die Regierung des Landes nicht mischen werde. Durch ein Decret Buoncompagni's vom 25 Mai trat nun T. förmlich dem Kriege bei; dagegen protestirte der Großherzog von Wien aus unterm 21. Mai, sowie unterm 28. Mai gegen die Usurpation Victors Emanuels in T., worauf am 10. Juni verfügt wurde, daß alle Beamte dem König Victor Emanuel als Protector der nationalen Regierung von T. den Eid der Treue leisten sollten. Mittlerweile hatte sich das Ministerium durch den Advocaten Salvagnoli für die kirchlichen Angelegenheiten vervollständigt; der Kriegsminister Niccolini wurde durch den sardinischen Generalmajor Decavero ersetzt. An den Grenzen der Romagna bildeten sich zahlreiche Corps von Freiwilligen, welche unter dem General Mezzacapo in 3 Regimenter formirt wurden. Die toscanische Armee in der Stärke von 11,000 Mann unter dem General Ulloa bildete eine Division des 5. französischen Armeecorps, mit welchem sie am 18. Juni abmarschirte, worauf T. fast ganz von Truppen entblößt war.

Am 6. Juli trat der Staatsrath in Florenz zusammen; die hauptsächlichsten Vorlagen bildeten Gesetzentwürfe über Bildung einer Nationalgarde, über die Gemeindeverfassung u. die Reform des Strafgesetzbuchs, endlich Finanzfragen. Die Versammlung war noch mit Berathung dieser Vorlagen beschäftigt, als in Florenz die Nachricht von dem am 11. Juli 1859 zwischen den Kaisern von Frankreich u. Österreich abgeschlossenen Frieden von Villafranca eintraf, nach welchem der Großherzog von T. ebenso wie der Herzog von Modena in seine Staaten zurückkehren sollte. Das Erstaunen über diese Wendung der Dinge war bei der Bevölkerung T-s ein so leidenschaftliches, daß Buoncompagni die Menge beruhigen u. erklären mußte, es sei für T. noch nichts entschieden u. man werde das Land nicht gegen seinen Willen von Neuem dem österreichischen Einfluß unterwerfen. Die Bürger bildeten alsbald eine Legion Nationalgarde von 2250 Mann, u. zugleich wurden nach dem Wahlgesetz vom 3. Mai 1848 Wahlen für den 7. August zur Bildung einer Versammlung ausgeschrieben, welche die Wünsche T-s aussprechen sollte. Der Staatsrath aber beschloß immittelst die Thronentsetzung des Hauses Lothringen, u. die städtischen Behörden in Florenz u. vielen anderen Städten erklärten sich in gleichem Sinne. Die Regierung rief die Armee zurück u. rüstete nach Kräften. Der Großherzog Leopold II. hatte durch Abdicationsurkunde d. d. Vöslau den 21. Juli 1859 dem Throne zu Gunften seines ältesten Sohnes, des Erzherzogs Ferdinand entsagt, welcher als Großherzog Ferdinand IV., eine Proclamation an die Toscaner erließ, worin er sich bereit erklärte die nationalen Farben anzunehmen, die Verfassung aufrecht zu erhalten u. die Rechte der Nation anzuerkennen. Aber diese Proclamation verhallte wirkungslos; die Regierung berief alle Gemeinden T-s zur Abstimmung: 225 sprachen sich für die Thronentsetzung, nur eine gegen dieselbe aus, 20 enthielten sich der Abstimmung. Um den nun folgenden Wahlen für die Landesversammlung den Schein voller Freiheit zu geben, wurde Buoncompagni von der sardinischen Regierung zurückgerufen u. die Regierungsgewalt von dem Staatsrath dem Ministerrath übertragen, zu dessen Präsident Ricasoli ernannt wurde. Die Landesversammlung, welche am 11. August zusammentrat, wählte mit geringer Mehrheit den Candidaten der unbedingten Annexionisten Loggi zum Präsidenten, beschloß die Thronentsetzung des Hauses Lothringen u. die Annexation an das [⇐720] [721⇒] Königreich Sardinien. Ricasoli zeigte diese Beschlüsse in einem Memorandum den auswärtigen Cabinetten an u. er war es vorzugsweise, welcher die Annexation durchsetzte u. jeden Gedanken an ein aus den mittelitalienischen Staaten zu bildendes Königreich Etrurien zurückwies. Jedoch schloß er sich der militärischen Ligue der Staaten Mittelitaliens an; der Vertrag, durch welchen sich diese Staaten verpflichteten die Romagna gegen jeden päpstlichen Restaurationsversuch zu vertheidigen, ward am 17. Aug. zu Florenz unterzeichnet. General Danti verließ die Dienste Sardiniens u. wurde Oberbefehlshaber der Armee der Ligue; Garibaldi, welchen man als Ersatz für Ulloa berufen hatte, begnügte sich, obwohl er die Seele des Ganzen war, mit dem Titel eines Commandanten der 11. Division, d.h. der toscanischen Armee. Am 3. Septbr. hatte eine toscanische Deputation, bestehend aus Gherondescar, Borghesi, Ruschi, Giorgini u. Adami, Audienz bei dem König Victor Emanuel, um ihm officiell die Beschlüsse der Landesversammlung mitzutheilen; doch konnte die Antwort des Königs mit Rücksicht auf die schwebenden Verhandlungen nur eine unbestimmte sein u. auf die Zukunft vertrösten. Es wurde jedoch in T. der Vereinigung mit Sardinien immer mehr vorgearbeitet. Ricasoli verfügte in Übereinstimmung mit seinen Collegen, daß vom 30. Sept. an alle Verfügungen der Behörden im Namen des Königs Victor Emanuel erlassen u. vom 1. Nov. an alle toscanischen Münzen durch sardinisches Geld ersetzt werden sollten. Für Decavero wurde Mitte October der Oberst Cadorea, piemontesischer Deputirter, Kriegsminister.

Die Stipulationen von Villafranca hatten die Partei des vertriebenen Großherzogs nicht wenig ermuthigt; sie begann ruhiger zu werden, als der Kaiser Napoleon den frühern bevollmächtigten Minister des Großherzogs Leopold zu Paris u. nunmehrigen französischen Senator Poniatowski nach T. schickte. Die Codini, d.h. die Anhänger des Großherzogs gingen sogar so weit, den Kaiser Napoleon in einer Adresse um eine Restauration durch die französischen Waffen zu bitten, u. sie fanden in der Geistlichkeit eine lebhafte Unterstützung Die Erzbischöfe von Pisa, Siena, Lucca u. Florenz verwahrten sich energisch gegen ein Circularschreiben, in welchem die Regierung die Behörden zur Überwachung des Clerus aufgefordert hatte, u. alle andern Bischöfe schlossen sich diesem Proteste an. Der Anspruch der Regierung über die weltlichen Angelegenheiten der Kirche zu verfügen fand keinen Gehorsam. Doch ward die öffentliche Ruhe nicht gestört Auf den Vorschlag Farini's, des Gouverneurs der Emilia, wurde von den beiden central-italienischen Regierungen der Vorschlag verabredet den Prinzen Eugen von Savoyen-Carignan, Vetter Victor Emanuels, zum Regenten Mittelitaliens im Namen des Königs bis zur vollständigen Vereinigung mit dem Königreich Sardinien zu wählen. Am 7. Nov. erhob die wieder zusammengetretene Deputirtenversammlung den Antrag, welcher von der Mehrheit als ein Schritt weiter zur Vereinigung mit Sardinien angesehen wurde, einstimmig zum Beschluß. Aber in Folge des bestimmten Widerspruchs Frankreichs sah sich Sardinien genöthigt den Prinzen zur Ablehnung der Regentschaft zu veranlassen; derselbe beauftragte an seiner Stelle Buoncompagni mit der Führung der Regierung, aber nicht ohne lebhaften Widerderspruch von Seiten Ricasoli's, welcher in diesem Wechsel eher eine Begünstigung der Bildung eines Sonderstaats, als einen Schritt zur Vereinigung mit Sardinien erblickte, u. dieser setzte es durch, daß Buoncompagni's Gewalt nur eine nominelle sein sollte. Aus dem Regenten wurde ein Generalgouverneur der centralitalienischen Ligue; aber die beiden Regierungen blieben bestehen u. vollständig gesondert. sogarin ihrer Vertretung nach Außen, u. in die innere Verwaltung durfte sich der Generalgouverneur nicht mischen. Sein einziges Amt war die Verbindung der vier Provinzen unter einander u. mit Sardinien zu unterhalten. Am 21 Dec. landete Buoncompagni zu Livorno, seine Thätigkeit aber war kaum zu bemerken, Ricasoli blieb nach wie vor die Seele der Regierung T-s. Obgleich die Frage der Annexation nur noch als eine Frage der Zeit betrachtet werden konnte, erschienen doch eine große Anzahl von Verordnungen u. Gesetzen in allen Zweigen der Verwaltung, welche zwar einerseits die fortgesetzte allmälige Annäherung an die sardinischen Institutionen u. damit in Verbindung die Zurückdrängung der Kirche von dem staatlichen Gebiete, andererseits aber auch die Beförderung der materiellen Interessen auf der Basis des freien Verkehrs u. die Sicherung der geistigen Hegemonie T-s in Italien bezweckten. Solche Gesetze u. Verordnungen wurden namentlich erlassen über Einführung des metrischen u. Decimalsystems (11. Jan. 1860), über Militärangelegenheiten, über Errichtung von Kreis- u. Provinzialräthen (14. Febr.), Wiederherstellung der Preßfreiheit (6. März). Ein bes. wichtiger Schritt zur Vereinigung mit Oberitalien aber war die Proclamation der sardinischen Verfassung u. des Wahlgesetzes nebst Anordnung der Wahlen für das oberitalienische Parlament (20. u. 21. Jan. 1860). Doch wurde die thatsächliche Einführung einem besondern Decrete vorbehalten, auch wurde die Beibehaltung einiger eigenthümlicher Institutionen der Handels- u. Gewerbegesetzgebung reservirt. Gleichzeitig war im Kriegsdepartement der Übergang vom österreichischen zum sardinischen Heersysteme bewerkstelligt, die Armee auf die Stärke zweier vollständiger Divisionen gebracht u. der Bau mehrer kleiner Kriegsschiffe begonnen worden. Der Zwiespalt mit der Geistlichkeit. aber erhielt durch die Freiheit, welche Ricasoli den Bekennern aller Culte gewährte, neue Nahrung, ohne daß es jedoch der ersteren gelang ihrem Widerspruch Geltung zu verschaffen. Die Regierung, fest entschlossen im Staate keine Autorität neben der ihrigen zu dulden, erließ am 27. Jan. ein Decret, welches die Aufhebung des mit dem Päpstlichen Stuhl bestehenden Concordates verkündete; andere Maßregeln gegen den Ultramontanismus betrafen die Aufhebung des geistlichen Zehnten, dessen Betrag abgeschätzt u. von der Gemeindekasse ausgezahlt werden sollte, die Mobilisirung der im Besitz der Todten Hand befindlichen Güter, das Verbot der ultramontanen Zeitschriften. Zur Beförderung der materiellen Interessen wurden die Hafenbauten in Livorno weiter geführt, die Trockenlegung des Sees von Binatina durch einen unter dem Armbette durchgeführten Abzugskanal vollendet, die Arbeiten in den Maremmen u. verschiedene Eisenbahnbauten wieder aufgenommen. Auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts endlich wurden die beiden Universitäten Pisa u. Siena wiederhergestellt, erweitert u. reicher dotirt, ein Gesetz für den Elemntar- u. [⇐721][722⇒] mittlern Unterricht, welches eine nahezu vollständige Emancipation der Schule von der Kirche begründete, erlassen, die Errichtung von Seminarien u. Kunstinstituten angeordnet. Die nach der neuen Gemeindeordnung erwählten Communalbehörden begannen auf Antrag von fünf Bürgermeistern ihre Wirksamkeit mit einem Vertrauensvotum für die Regierung u. Victor Emanuel; nur in zwei Gemeinden wurde diese Zustimmungserklärung abgelehnt.

Die Verhandlungen zwischen den Großmächten über die Italienische Frage waren inzwischen wenig fortgeschritten. Das Project eines Congresses hatte sich zerschlagen, Sardinien erklärte, es werde sich dem gerechten Verlangen der mittelitalienischen Staaten nach der Annexation nicht lange mehr entziehen können. Frankreich machte in einer Depesche vom 24. Febr. dem König von Sardinien den Vorschlag Parma u. Modena zu annectiren u. in der Romagna Vicar des Papstes zu werden, während T. seine Selbständigkeit unter einem Fürsten bewahren sollte. Dagegen machte das sardinische Ministerium den Vorschlag, das toscanische Volk möge selbst noch einmal über seine Zukunft entscheiden. Dies sollte, nach schon vorher getroffenen Verabredungen, im Wege der allgemeinen Abstimmung geschehen. Frank. reich ließ seinen Widerspruch um den Preis der Abtretung von Nizza u. Savoyen fallen, u. am 11. u. 12. März fand in sämmtlichen Gemeindehauptorten die allgemeine Abstimmung Statt; von 386,445 Votanten hatten 366,571 für die Annexation, 14,925 für einen besonderen Staat gestimmt, die übrigen Stimmen waren als ungültig zu cassiren. Diesen Volksschluß theilte die Regierung der noch immer zu Recht bestehenden Abgeordnetenversammlung mit, worauf dieselbe (20. März) ihre eigene Auflösung beschloß. Noch an demselben Tage reiste Ricasoli nach Turin ab, um dem König das Resultat der Volksabstimmung officiell zu verkündigen, u. dieser empfing ihn am 22. März u. nahm die gebotene Gabe an. Mit Jubel wurde die Nachricht in allen Städten T-s begrüßt; auch die Geistlichkeit schloß sich zum größten Theil der neuen Ordnung der Dinge nun an. Da eine sofortige vollständige Verschmelzung T-s mit Sardinien unmöglich war, so ernannte der König den Prinzen Eugen von Carignan zum Statthalter von T. mit königlicher Machtvollkommenheit in Bezug auf Alles, was die Specialinteressen T-s betraf. Unter ihm sollte Ricasoli als Generalgouverneur stehen, welcher zugleich als Minister für T. Mitglied der Centralregierung war, während die bisherigen Ministerien in Ministerialdirectionen verwandelt wurden, die Ministerien des Auswärtigen u. des Kriegs gänzlich wegfielen u. das Heer dem sardinischen vollständig einverleibt wurde. Am 25. März fanden in ganz T. die Wahlen zum Nationalparlament Statt, welches Anfang April in Turin zusammentrat u. im Abgeordnetenhause am 13. April, im Senat am 14. April die Annexation T-s genehmigte. Unmittelbar hierauf besuchte der König T. u. zog am 16. April in Florenz ein. T. schied hiermit aus der Reihe der selbständigen Staaten aus; wiederholte Proteste, welche der Großherzog gegen die Vorschritte der sardinischen Regierung von Österreich aus erließ, konnten die vollendeten Thatsachen nicht ändern. Ein am 17. Febr. 1861 erschienenes Decret Victor Emanuels hob auch den letzten Rest der Autonomie T-s auf u. machte das bisherige Großherzogthum vollständig zu einem Theil des neuen Königreichs Italien.

Vgl. R. Galluzzi, Storia del Granducato di T. sotto il Governo dei Medici, Flor. 1781, 5 Bde, ebd. 1830, 18 Bde. (deutsch im Auszug von C. I. Jagemann, Dresd. 1784–85, 2 Bde.); L. Pignotti, Storia della T., herausgegeben von A. Paolini, Pisa 1813, 10 Bde., Flor. 1826, 6 Bde.; Reumont. Tavole cronologiche della storia fiorentina, ebd. 1841; Zobi, Storia civile della T. dal 1738 al 1848, ebd. 1853; Derselbe, Memorie econ omica-politiche, o sia dei danni arrecati dall'Austria alla T., ebd. 1860, 2 Bde.; Ricasoli u. Ridolfi, T. ed Austria, ebd. 1859. [⇐722]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 711-722.
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[708⇒] Toscāna, ein bis 1860 selbständiges Großherzogthum in Italien, seit 1861 zum Königreich Italien gehörig, liegt zwischen 27°17' bis 29°50' östl. Länge u. 42°5' bis 44°31' nördl. Breite; grenzt nach der neuen Eintheilung im Norden an die Provinzen der Ämilia (Modena u. Romagna), im Osten an die Marken u. Umbrien, im Süden an den Kirchenstaat u. im Westen an das Tyrrhenische Meer; es umfaßt mit der Insel Elba u. dem 1847 in Folge der Wiener Verträge damit vereinigten frühern Herzogthum Lucca (20,5 QM.), sowie nach Abtretung von Pontremoli (6,55 QM.) an Parma u. Fivizzano (5,22 QM.) an Modena im Jahre 1859 zusammen 402,53 QM. Gebirge: In die nordwestliche Ecke des Landes erstreckt sich die Alpe Apuana, ein Theil des Ligurischen Apennin, mit dem 5728 Fuß hohen Pania della Croce u. deren südöstliche Fortsetzung die Monti Pisani mit dem 2800 Fuß hohen Mont Serra. Östlich schließt sich der meist aus Sandstein bestehende Etruskische Apennin daran, welcher in dem 5076 Fuß hohen Monte Falterona am Ursprung des Arno seine höchste Höhe erreicht u. im obern Thal des Arno zahllose Knochen vorsündfluthlicher Thiere (Mastodon, Elephant, Rhinozeros, Hippopotamos etc.) birgt. Zu demselben gehört auch der am obern Arno liegende Gebirgszug des Prato Magno von 4860 Fuß Höhe, die 4000 Fuß hohe Alvernia u. die 4300 Fuß hohen Alpi Catenaja zwischen Arno u. Tiber. Westlich von dem Etruskischen u. südlich vom Ligurischen Apennin bis zum Meere erstreckt sich das im Mittel 1200–1800 Fuß hohe Plateau von T., aus welchem sich der Poggia di Montieri bei Massa Maritima zu 3233 Fuß Höhe erhebt. Auf diesem Plateau liegt nördlich von dem 1700 Fuß hohen Monte Argentario der Prato degli Olivi mit Schwefelgruben u. Antimongängen bei Pereta u. Selvena, der 1300 Fuß hohe Monte Cerboli bei Volterra mit den zahlreichen heißen, Boraxsäure haltigen Lagoni u. der 1900 Fuß hohe Monte Calvi nahe der Küste mit weißem Marmor, Porphyr u. erzführenden Hornblendegesteinen; der höchste Gipfel im südlichen Theile ist der 5883 Fuß hohe Monte Amiata bei Radicofani. Auf der Insel Elba erreicht der Monte Capanna 3124 Fuß Höhe. Die wichtigsten Straßen, welche über den Etruskischen Apennin führen, sind die von Modena nach Pistoja (auch der Paß von Fiumalbo od. Via Giardini genannt), die von Bologna über die 2808 Fuß hohe Pietramala od. la Futa, von wo man das Adriatische u. Tyrrhenische Meer zugleich erblickt, nach Florenz u. die von Forli über Pontassieve nach Florenz. Ebenen sind die von Pistoja u. Florenz (200 bis 250 Fuß hoch) u. die Küstenebene von Pisa u. Livorno mit den Maremuen. Die Küste nördlich von Livorno ist flach, südlich davon bis zu dem kleinen Fluß Fine wird sie felsig, worauf wieder flacher Strand folgt; aus demselben streckt sich die hohe Halbinsel von Piombino hervor u. begrenzt nördlich den nach Süden bis zur kleinen Insel Troja reichenden Golf Elba gegenüber; hierauf dehnt sich die flache Küstenebene des Ombrone bis zu der 1135 Fuß hohen Halbinsel des Monte Argentario aus. Sämmliche Flüsse T-s münden in das Tyrrhenische Meer; die bedeutendsten sind: Serchio mit Lima, der Arno mit Sieve, Ombrone, Nievole, Pescia (diese beiden letztern durch den Kanal Maëstro zum Arno geleitet), Pesa, Elsa u. Era; die Cecina, Cornia u. Bruna in den Maremmen; [⇐708][709⇒] der Ombrone mit der Orcia; die Albegna u. der Tilber in seinem obern Laufe. Seen sind der Lago di Castiglione, L. di Fucecchio, L. die Montepulciano u.a. Das Klima ist mild u. angenehm, obschon der Schnee auf dem Apennin lange liegen bleibt, der Winter selten hart, der Sommer nur öfters durch heiße u. heftige Winde (Sirocco u. Libecchio) beschwerlich. Nur die Maremnen (sd.) haben ungesunde Luft. Der Boden ist zum Theil sehr fruchtbar (bes. die Arnoebene) u. gut angebaut, theils Gebirgsland, Heidestrecken od. in den noch nicht ausgetrockneten Maremnen sumpfig. Die Äcker nehmen 63 QM., die Weinpflanzungen 40, die Olivenpflanzungen 30, die Waldungen 104, die Wiesen 5, der Weidegrund 117 QM. ein. Das Thierreich hat aufzuweisen unter dem Wild einzelne Wölfe, Wildschweine, Rehe, Hafen, Fückse, Murmelthiere, Adler, Eulen, Schnepfen, Hühner etc., unter den Hausthieren große Heerden von Schweinen, Ziegen, Rindern, Pferden, welche im Sommer auf den Höhen weiden u. im Winter in die Maremuen ziehen, ferner Seidenwürmer (im Arnothal), Bienen, Fische (bes. Thunfische, Anchovis, Sardellen, Forellen u. Gründlinge). Gebaut wird Getreide (nicht hinreichend), Kartoffeln, Hanf, Flachs, Wein, s. Toscanische Weine, Olivenöl (das beste von Lucca), Feigen, Kastanien, Anis, Senf, Krapp, seines Stroh zum Flechten, Maulbeerbäume etc. Das Mineralreich liefert Kupfer, Blei (auch silberhaltig) bei Seravezza u. Terrinca, Quecksilber bei Seravezza, Eisen bei Rio u. dem Monte Capanne auf Elba, Schwefel bei Orbetello, Pereto, Asola, Alaun bei Montioni, Boraxsäure, die meiste in Europa, täglich gegen 12,000 Pfund) zu Monte Cerboli, Mt. Rotondo, Sassa, Serazzano, Castelnuovo, Salz bei Volterra u. Seesalz von Elba, Marmor bei Seravezza, Alabaster im Val di Fine, viel Bausteine, Serpentin, Edelsteine, Steinkohlen im Thale der Elsa, Torf im Thal der Chiana. Die besuchtesten der 32 Mineralquellen sind die Quellen del Bagno a Aqua bei Casciana im Erathale, die del Bagno a Morba im Cecinathale, di S. Casciano im Pagliathale, di Chianciano im Chianathale, di S. Giuliano bei Pisa, di Montalceto im Thal des Om brone, di Montecgtini im Nievolethale, di Rapolano im obern Ombronethale, del Rio di Chitiguano im Casentino, di Roselle im Ombronethale, di Saturnia im Albegnathale, di Rio auf Elba. Seebäder sind in Viareggio.

Die Einwohner (1861: 1,815,243) sind zum größten Theile Katholiken, nur etwa 15,500 Akatholiken, darunter 7700 Juden (wovon gegen 5000 in Livorno). Der wichtigste Erwerbszweig ist der Ackerbau, nächstdem die Viehzucht; obgleich die Fideicommisse u. Majorate seit 1789 aufgehoben sind, so befindet sich doch der größte Grundbesitz in den Händen des Adels; aber auch der Bürgerstand ist wohlhabend u. die Bauern, welche kein eigenes Land besitzen, sondern nur den halben Ertrag des von ihm bearbeiteten erhalten, leben in guten Verhältnissen. Von Industriezweigen treibt man Fabrikation von Wollen- u. Baumwollenzeugen (in Siena die größte Tuchfabrik in T., außerdem große in Prato, Arezzo, Sesto), Seide (bes. bei Pescia, zu Pistoja, Florenz, Pisa, Modigliano, Siena, Volterra), Sammt, Leinwand, berühmt ist die Strohflechterei, welche bes. in der Gegend von Prato, Florenz, Livorno u. Siena betrieben wird u. jährlich über 11/3 Mill. Thlr. einträgt; außerdem gibt es Hochöfen u. Hammerwerke bei Cecina, Follonica, Valpiana u. Vivarelli, Fabriken von Eisen- u. Stahlwaaren (berühmte Flintenläufe u. Pistolen von Pistoja u. Livorno), Thon-, Glas-, Alabaster-, Korallen-, Mosaikarbeiten, Porzellan- u. Papierfabriken (das beste in Italien), Gerbereien etc.; sehr bedeutend ist auch die Korallenfischerei. Der Handel ist lebhaft u. ausgebreitet u. führt (bes. über den Haupthandelsplatz des Landes, Livorno) aus: Strohgeflechte, Seide, Papier, Holz, Steine, Korallen, Vieh, Früchte, Olivenöl, Anchovis, Häute, Leder, Eisen, Borax (1851 für 896,000 Thlr., jährlich 14,600 Ctnr.), während eingefahren wird: Getreide, Baumwolle, Vieh (bes. Schweine), Colonialwaaren, Wein, Öl, Metalle, Tabak. Die Straßen u. Communalwege haben insgesammt eine Länge von 1510 geogr. Meilen. Von den Eisenbahnen führt die Maria-Antonia-Eisenbahn von Florenz über Pistoja nach Lucca, die Luccheser von Lucca nach Pisa, die Leopoldsbahn von Livorno über Pisa nach Empoli, die Centralbahn von Empoli nach Siena, Torrito u. Salargo. Im Bau begriffen sind die Strecken Pistoja-Bologna u. Florenz-Arezzo (letztere theilweise schon befahren). Im Juli 1863 sollte in Siena über eine Vereinigung der Römischen, Livornesischen, Central-Toscanischen u. Maremuen Eisenbahnen unter Einer großen Gesellschaft u. zu der Bezeichnung Italienische Eisenbahnen des Mittelmeeres berathen werden. Geistige Cultur: Um den Volksunterricht machen sich bes. die Padri Scotopj u. P. Bernabiti verdient; es gibt außerdem eine Anzahl Normalschulen, 44 Conservatori für Mädchenerziehung, 21 Seminare, Taubstummenanstalt in Siena, Schifffahrtsschule in Livorno, 5 Collegien in Siena, Arezzo, Prato, Volterra, Pistoja, 3 jüdische hö here Lehranstalten zu Florenz, Pisa u. Livorno, 2 Universitäten in Pisa u. Siena; auch in Florenz sind 2 juristische u. 9 medicinische Lehrstühle. Bibliotheken: die Magliabecchianische, Laurentiana mit der Bibliothek Marucelli, di Ricardiana in Florenz (s.d. S. 364), die Universitätsbibliotheken in Pisa u. Siena. Akademien: die Akademie der Schönen Künste, Akademie Florentina od. Crusca, die Georgofili u.a. (s. Florenz). T. zählt eine zahlreiche Menge der in den Künsten u. Wissenschaften hervorragendsten Männer zu ihrem Vaterlande. Klöster gab es 1855 noch 314, zu gleichen Theilen Mönchs- u. Nonnenklöster, erstere meist Franciscaner, mit zusammen 7413 Bewahnern, neuerlich etwa 200, darunter 69 Nonnenklöster, Weltgeistliche 10,350; die Geistlichkeit steht unter den 3 Erzbischöfen von Florenz, Pisa u. Siena u. unter 16 Bischöfen. Von Kranken- u. Wohlthätigkeitsanstalten gab es 52 Hospitäler, 5 Waisenhäuser, 14 Kleinkinderbewahranstalten, 3 Arbeitshäuser, Irrenanstalten in Florenz, u. Siena Lucca.

Die Staatsverfassung war mit der kurzen Unterbrechung vom 17. Februar 1848 bis 8. Mai 1852, in welcher Zeit der Staat nach der Constitution vom 17. Februar 1848 die Form einer constitutionellen Monarchie annahm, eine völlig unumschränkte Erbmonarchie, an deren Spitze das österreichische Haus Lothringen, dessen Secundogenitur es bildete, stand Die hauptsächlichsten Haus- u. Grundgesetze waren die Investituracte des Kaisers Karl VI. vom 24. Jan. 1737, die Secundogenituracte [⇐709][710⇒] des Kaisers Franz I. vom 14. Juli 1765 u. deren Bestätigung durch Kaiser Leopold II. vom 21. Juli 1790, u. die Übernahmsraete des Großherzogs Ferdinand IV. vom 22. Febr. 1791, welche durch die Schlußacte des Wiener Congresses wieder in Kraft gesetzt wurde. Der Großherzog führte nebst Gemahlin u. der Erbgroßherzog das Prädicat kaiserliche Hoheit u. nebst den sämmtlichen Familiengliedern den Titel Erzherzog u. Erzherzogin von Öfterreich. An der Spitze der Staatsverwaltung stand ein Staatsministerium mit sieben Departements, außerdem bestand noch ein Staatsrath u. ein Geheimes Cabinet des Großherzogs. Das Land zerfiel seit 1815 in fünf, seit dem Anfall von Lucca (s. unten) in sechs Präfecturen (Campartimenti): Florenz mit drei Unterpräfecturen (Pistoja, San Miniota, Rocca San Casciano), Lucca, Pisa mit der Unterpräfectur Volterra, Siena mit der Unterpräfectur Montepulciano, Arezzo u. Grossetto; diese Präfecturen sind seit der Annectirung 1860 geblieben, führen aber den Namen Provinzen. Jede Präfectur zerfiel unter einem Canceliere in 9–28 Bezirke (Cancelleria), deren jeder drei bis fünf Gemeinden (Communita) mit je einem Gonfaloniere an der Spitze umfaßte. Die Gerichtsverfassung gliedert sich in der Weise, daß als Tribunale erster Instanz in der Regel Einzelrichter unter verschiedenen Titeln, als Commissario, Auditore, Giudice, Vicario u. Podesta fungiren, für die wichtigeren Sachen außerdem aber noch fünf collegialisch organisirte Behörden, der Magistrato supremo in Florenz, Mag. civile in Livorno u. die Tribunali civili collegiali in Pistoja, Grossetto u. Rocca S. Casciano bestehen. Für Handelssachen fungiren als besondere Handelsgerichte das Tribunale di commercio in Florenz u. der Magistrato consolare in Livorno. Die zweite Instanz wird durch die Gerichtshöfe in Florenz u. Lucca gebildet; als dritte Instanz bestand der Cassatioushof in Florenz. Das Strafverfahren beruhte bis 1859 auf der Strafproceßordnung vom 2. August 1838, welche auf öffentlichmündlichem Verfahren, doch ohne Geschworene, basirt war. Die rechtsgelehrten Richter hatten nach der öffentlich-mündlichen Schlußverhandlung, ohne Angabe von Gründen, nur nach ihrer inneren Überzeugung zu urtheilen. Allen Gerichten war schon nach diesem Gesetz ein Staatsanwalt (Ministerio publico) beigegeben, mit dem Generalprocurator am Cassatioushof als oberster Chef. Mehre Abänderungen, bes. bezüglich des Vorverfahrens brachte ein provisorisches Gesetz vom 22. Nov. 1849. Im Criminalrecht ist bes. die schon im vorigem Jahrh., wenn auch nur vorübergehend erfolgte Aufhebung der Todesstrafe (s.d.) zu bemerken. Im Civilrecht waren früher neben dem Römischen u. Canonischen Rechte zahlreiche Ortsstatuten (die ältesten von Pistoja von 1107, von Pisa von 1160, Lucca 1539) u. Gewohnheitsrecht in Geltung. Eine größere Übereinstimmung brachte zuerst die Gesetzgebung Leopolds I., namentlich vom 30. Nov. 1786 hervor. Die Leopoldinische Gesetzgebung wurde später wieder reformirt durch ein Gesetz Ferdinands III. vom 30. April 1795. Bei der Vereinigung des Landes mit Frankreich wurden die französischen Gesetzbücher, wenn auch mit manchen Modificationen eingeführt; mit dem Aufhören der französischen Herrschaft traten dieselben zum größten Theil aber wieder außer Kraft. Ein Gesetz über Intestaterbrecht erschien unter dem 19. Aug. 1814, Gesetze über Testamente, Codicille, Pflichttheil, väterliche Gewalt, Vormundschaften unter dem 15. Nov. 1815, ein Hypothekengesetz unterm 2. Mai 1836. Für das Handelsrecht, für welches früher meist das Consolato del mare (s.u. Handelsrecht) die Rechtsnormen bot, wurde der französische Code de commerce zum größten Theil beibehalten. Den Civilproceß ordnete das Regulamento di procedura civile vom 15. Nov. 1814, späterhin mehrfach erläutert, namentlich durch Gesetz über das Vollstreckungsverfahren vom 7. Jan. 1838. Das Notariatswesen wurde durch ein Gesetz vom 11. Febr. 1815 umgestaltet. Für Advocaten u. Procuratoren erschien ein Reglement vom 2. Sept. 1839.

Das Wappen ist ein runder, quadrirter Schild mit rundem Mittelschild. Der Mittelschild ist getheilt. Das linke Feld, wieder getheilt, zeigt die Wappen von Habsburg u. Lothringen, das rechte Feld das Hauptwappen der Medici, im goldenen Felde 6 Kugeln, von denen die oberste größere blau ist u. 3 Lilien zeigt, die 5 übrigen roth sind. Im Hauptschilde ist das rechte Feld gespalten, links von Silber u. Roth achtmal horizontal gestreift, rechts im rothen Felde ein auf grünem Hügel stehendes, aus einer goldnen Krone sich erhebendes Patriarchenkreuz (wegen Ungarn). Im zweiten rother Felde ein silberner, gekrönter, zweigeschwänzte Löwe (wegen Böhmen). Das dritte Feld sechsmal von Gold u. Blau schräg rechts gestreift mit rother Einfassung (wegen Burgund). Das vierte blaue Feld zeigt 2 goldne, aufgerichtete, gegen einander gekehrte Barben, von 4 goldnen Kreuzchen begleitet (wegen Bar). Der Schild ist mit einer Königskrone bedeckt, ruht auf dem rothen Kreuze des St. Stephansordens, von welchem die Spitzen hervorragen, u. ist mit der Kette des St. Josephsordens umgeben. Wenn ein Helm auf den Schild gesetzt wird, so ist er gekrönt u. trägt einen Falken, welcher einen Zettel mit dem Worte Semper in der Klaue hält. Orden: St. Stephansorden, St. Josephsorden (welche 1859 u. 1860 durch Decret der provisorischen Regierung für aufgehoben erklärt wurden), der Damenorden des weißen Kreuzes, die luccesischen Orden des St. Georg für Militär- u. des St. Ludwig für Civilverdienst; eine silberne Militärverdienst- u. eine vergoldete Anciennetätsmedaille für 25 Jahre Dienstzeit, mit der Inschrift: Al lungo e fidel servizio. Nach dem Budget für 1858 betrugen die Einkünfte: 38,870,100 Lires, die Ausgaben: 38,868,365 Lires; die Schulden waren sämmtlich abgetragen. Die Kriegsmacht: 17,200 Mann; die Truppen waren auf österreichische Art bewaffnet u. organisirt. Festungen: Orbitello (mit Citadelle) u. S. Martino; auf Elba Porto Ferrajo u. Porto Longone; außerdem haben alte Befestigungen u. Castelle: Livorno, Siena, Volterra, Pistoja u. Florenz (drei Castelle); Gewehrfabriken zu Livorno, Pistoja u. S. Martino, hier auch Zeughaus u. Stückgießerei. Die Seemacht bestand aus nur wenigen kleinen Fahrzeugen u. war ohne alle wesentliche Bedeutung. Flagge: roth mit weißen Längsstreifen in der Mitte u. dem toscanischen Wappen. Eintheilung, s. oben. Hauptstadt: Florenz. Münzen, Maße u. Gewichte sind seit der Annectirung an Piemont (1860) officiell die allgemeinen italienischen (metrischen, s.u. Sardinische Monarchie S. 903), während die bisher [⇐710][711⇒] giltigen immer noch häufig im Verkehr vorkommen, u. nach denselben gerechnet wird, nämlich nach Lire zu 20 Soldi à 12 Denari od. nach Lire zu 100 Centesimi toscanische Silberwährung 1 seine Vereinsmark Silber, 1 Lira = 6 Sgr. 9,29 Pf. preuß, während bis 1837 bes. in Livorno die sogenannte Moneta lunga, um 4 Proc. schlechter, jedoch nie ausgeprägt vorhanden, gewöhnlich war. Wirklich geprägte Münzen a) in Gold: der Zecchino od. Ruspo, gesetzmäßig 24 Karat sein, 1 Stück 2 Thlr. 26 Sgr. 8,78 Pf. Friedrichsd'or à 5 Thlr., gewöhnlicher Werth 131/3 od. mit 7 Proc. 22,35 auf die seine u. Brutto-Mark, 1 Stück 8 Thlr. 20 Sgr. 2,35 Pf. Friedrichsd'or à 5 Thlr., sonst 40, jetzt 424/5 Lire; seit 1826 Stücke zu 80 Fiorini – 1331/2 L ire, 24 Karat fein, 7,109 Stück auf die seine u. Brutto-Mark, 1 Stück 27 Thlr. 1 Sgr. 1,52 Pf. Friedrichsd'or à 5 Thlr.; b) in Silber: Zehn-Lire (Dena), 15 Loth 6 Grän sein, 66,186224 Stück auf die seine, 5,928435 Stück auf die Brutto-Mark, 1 Stück= 2 Thlr. 7 Sgr. 10,71 Pf., halbe – 1 Thlr. 3 Sgr. 10,85 Pf.; Francesconi zu 62/3 Lire od. 10 Paoli, 14 Loth 12 Grän sein, 9,273813 Stück – 1 Thlr. 15 Sgr. 3,47 Pf., der halbe od. Franceschino nach Verhältniß; Fiorini seit 1826 à 12/3 Lire = 21/2 Paoli in gleichem Gehalt u. Verhältniß, 1 Stück – 11 Sgr. 3,87 Pf., Doppel-Paoli = 9 Sgr. 0,69 Pf., Lire = 6 Sgr. 8,55 Pf., halbe Lira – 3 Sgr. 3,72 Pf., halbe Fiorini = 5 Sgr. 7,93 Pf., Viertel-Fiorini = 2 Sgr. 9,97 Pf., alle zu 14 Loth 12 Grän sein, Stücke zu 2 Crazie (4 Loth 16 Grän fein) = 1 Sgr. 1,08 Pf., 1 Crazia (12/3 Soldo od. 5 Quattrini) = 4,96 Pf., 1 Soldo (3 Quattrini) = 2,75 Pf., 1 Quattrino = 0,44 Pf., alle nur 16 Grän. Bloße Rechnungsmünzen sind der Scudo corrente od. Ducato à 7 Lire (15/23 Pezze) u. die Pezza zu 39/20 Fiorini od. 53/4 Lire. Als Papiergeld cursiren Bankscheine der Bank (Disconto Contor) von Livorno. Maße u. Gewichte: Schon durch das Gesetz vom 11 Juli 1782 waren alle Localmaße abgeschafft u. die Maße u. Gewichte im ganzen Großherzogthum gleichmäßig folgende: Längenmaße: der Braccio da Panno (Wollen-Elle), getheilt in 20 Soldi à 12 Denari od. in 12 Crazie (Zoll), der Soldo in 3 Quattrini zu 4 Denari, die Crazia in 5 Quattrini od. 20 Denari, 1 Braccio = 0,58365 Meter, 100 Braccia = 185,962 preuß. Fuß od. 87,512 preuß. Ellen; die Canna od. Percha (Ruthe) im Verkehr hat 4, bei den Feldmessern 5 Braccia; die Miglia od. toscanische Meile hat 28331/3 Br. da Panna = 1653, 67 Grad des Äquators; als Feldmaß hat der Quadrato 100 Tavole zu 100 QBraccia = 34,0646 Morgen; Getreidemaß: der Moggio hat 8 Sacchi, der Sacco 3 Staja, der Stajo 2 Mine zu 2 Quartl à 8 Mezzette à 2 Quartucci, 1 Stajo = 24,362862 Liter, 100 Staja = 44,3271 preuß. Scheffel; Weinmaß: der Barile da Vino hat 2 Mezzi Barili (halbe B.) à 10 Fiaschi à 2 Boccali à 2 Mezzette à 2 Quartucci, 1 Barile da Vino = 45,584 Liter, 100 Barili = 66,351 preuß. Eimer, 1 Fiasco da Vino = 2,2792 Liter, 100 Fiaschi = 199,052 preuß. Quart; der B. da Vino wird 120 toscan. Pfund Gewicht gerechnet; Ölmaß: der Somo hat 2 Barili da Olio, der Barile da Olio hat 2 Mezzi B., 8 Fiaschi à 2 Boccali à 2 Mezzette à 2 Quartucci u. hält 33,428908 Liter, der Fiasco da Olio hält 2,0893 Liter, 100 Fiaschi = 182,468 preuß. Quart. Handelsgewicht: der Cantaro od. Centinajo (Centner) hat 100, der Migliajo 1000 Libbre, die Libbra od. Pfund hat 12 Gramm od. 7064,48 holländ. As, 100 Libbre = 72,5965 preuß. Pfund = 67,908 deutsches Zollpfund. Gold- u. Silbergewicht ist dem Handelsgewicht gleich, 100 Libbre = 145,193 preuß. od. 145,220 Kölnische Mark, ebenso das Probirgewicht, beim Golde die Libbra in 24 Carati à 8 Ottavi, beim Silber in 12 Once à 24 Denari getheilt; Apothekergewicht dieselbe Libbra à 12 Once à 8 Dramme à 3 Scrupoli à 24 Grani; Juwelengewicht ist der Carato zu 4 Grani, auch in 1/2, 1/4, 1/8, 1/16, 1/32, getheilt, 1 Carato = 0,196494 Gramm od. 4,08824 holl. As. Die Last (Schiffslast) hat 20 Kisten Früchte, 26 Barili Öl, 44 Barili Wein, Kaffee, Alaun etc. Vgl. Serristori, Statistica del Granducato di T., Florenz 1837; Zuccagni-Orlandini, Ricerche statistiche sul Granducato di T., ebd. 1849–52; Repetti, Dizionario geografico-fisico-storico della T., ebd. 1835–47, 6 Bde.; Annali statistichi del Granducato di T., ebd. 1850 ff.; Statistica della T., ebd. 1852, 2 Bde. Karten: Zuccagni-Orlandini, Atlante de Granducato di T., ebd. 1828–32, 24 Blatt. [⇐711]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 708-711.
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[889⇒] Toscana (Geneal.). Das Haus T. stammt aus dem Hause Habsburg-Lothringen; dasselbe erhielt die Anwartschaft auf T. im Wiener Frieden 1735 für das an Frankreich für Stanislaw Lesczynski, weil. König von Polen, abgetretene Herzogthum Lothringen mit der Grafschaft Bar u. bestieg, nach dem Aussterben der Mediceer, 1737, am 9. Juli d. I. den Thron von T. in der Person des Großherzogs Franz I.; dieser war vermählt mit Maria Theresia, der Erbin der Österreichischen Monarchie, u. wurde 1745 auch römischer Kaiser; seine Descendenz s. Österreich S. 472 f. Nach der von ihm gegebenen Secundogenitur-Acte vom 14. Juli 1765 sollte T. eine Secundogenitur des Hauses Habsburg-Lothringen bleiben, aber nie mit Österreich vereinigt werden; daher folgte ihm, als er 18. Aug. 1765 starb, in T. sein zweiter Sohn Leopold I., geb. 5. Mai 1747 u. vermählt seit 1765 mit Luise, Tochter des Königs Karl III. von Spanien; seine Descendenz s. Österreich S. 472. Da er 1790 seinem Bruder Joseph II. in der Österreichischen Monarchie folgte, wurde sein zweiter Sohn Ferdinand III., geb. 6. Mai 1769, Großherzog von Toscana; er verzichtete 1801 im Lüneviller Frieden auf Tu. erhielt dafür das Kurfürstenthum Salzburg u. 1806 das Großherzogthum Würzburg; kehrte aber 30. Mai 1814 auf den Thron von T. zurück u. st. 18. Juni 1824. Er war vermählt in erster Ehe seit 1790 mit Luise, Tochter des Königs Ferdinand I. von Sicilien (st. 1802), u. seit 1821 in zweiter Ehe mit Maria Anna, Tochter des Prinzen Maximilian von Sachsen (geb. 27. April 1796); Kinder aus erster Ehe:

A) Großherzog Leopold II., geb. 3. Oct. 1797, folgte seinem Vater 1824, verließ in Folge der Ereignisse am 27. April 1859 das Land, entsagte 21. Juli 1859 zu Gunsten seines ältesten Sohnes Ferdinand u. lebt im Auslande; vermählt in erster Ehe seit 1817 mit seiner Stieftante Maria Anna, Tochter des Prinzen Maximilian von Sachsen (st. 1832) u. in zweiter Ehe seit 1833 mit Antonia, Tochter des Königs Franz I. Beider Sicilien (geb. 19. Dec. 1814); Kinder aus erster Ehe:

a) Erzherzogin Auguste, geb. 1. April 1825, vermählt 1844 mit Prinz Luitpold von Baiern, st. 26. April 1864; s. Baiern S. 218; aus zweiter Ehe:

b) Erzherzogin Maria Isabella, geb. 21. Mai 1834, vermählt 1850 mit Franz de Paula, Prinzen Beider Sicilien Grafen von Trapani.

c) Großherzog Ferdinand IV., geb. 10. Juni 1835, folgte seinem Vater in Folge dessen Abdication 21. Juni 1859, wurde aber im Lande nicht anerkannt u. lebt ebenfalls in Deutschland; war seit 1856 vermählt mit Anna, Tochter des Königs Johann von Sachsen (st. 10. Febr. 1859); Tochter:

Erzherzogin Antoinette, geb. 10. Jan. 1858.

d) Erzherzog Karl, geb. 30. April 1839, österreichischer Oberst u. seit 1861 vermählt mit Immaculata, Tochter des verstorbenen Königs Ferdinand II. Beider Sicilien; Kinder:

aa) Erzherzogin Theresia, geb. 18. Sept. 1862.

bb) Erzherzog Leopold, geb. 15. Oct. 1863.

e) Erzherzogin Maria Luise, geb. 31. Oct. 1845.

f) Erzherzog Ludwig, geb. 4. Aug. 1847.

g) Erzherzog Johann, geb. 25. Nov. 1852.

B) Erzherzogin Marie, geb. 30. Aug. 1798, Äbtissin des Fräuleinstiftes zu Sta. Anna in Würzburg; st. 15. Juni 1857.

C) Erzherzogin Therese, geb. 21. März 1801, vermählt 1817 mit Karl Albert König von Sardinien, st. 12. Jan. 1855; s. Sardinische Monarchie S. 928. [⇐889]

Quelle: Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 889.
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Verweise:

Toscanisches Meer (Etruskisches Meer), der Theil des Mittelmeeres zwischen Toscana, Corsica u. Sardinien.

Toscanische Säulenordnung, s.u. Säule 2) B) d).

Toscanischer Baustyl, s. Baukunst II J).

Siehe auch:
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[500⇒] Toscana, Großherzogthum in Mittelitalien, zwischen Modena, dem Kirchenstaate u. dem tyrrhenischen Meere gelegen, 398 QM. groß mit 1817000 E., wird von dem Hochapennin durchzogen (der Monte Cimone erreicht 6541' Höhe) und von den Zweigen desselben erfüllt. Das Arnothal ist der fruchtbarste Landstrich und trefflich angebaut, in der Ebene von Pisa aber ungesund; die Maremmen (s. d.) liegen größtentheils noch öde. Das Klima ist eines der angenehmsten in Europa; die Landwirthschaft ist in einem blühenden Zustande, Ausfuhr von Getreide, Wein, Oel, Kastanien, Südfrüchten; ebenso hat sich eine mannigfache Industrie entwickelt, die für das Ausland Seide, Strohhüte, künstliche Blumen, Papier- u. Mosaikarbeiten liefert. Der Bergbau fördert Eisen, Salz u. Marmor zu Tage. Haupthandelsplatz ist Livorno; die Handelsflotte beträgt über 900 Fahrzeuge zu [⇐500][501⇒] etwa 25000 Tonnen. Man rechnet nach Lire (à 11/2 Paoli oder 20 Soldi) = 24 Kreuzer rheinisch od. 7 Sgr.; Gewicht: 1 Migliajo = 10 Cantari à 100 Libbre = 679 Zollpf.; Maße: 1 Elle (Braccia) = 0,583 franz. Metres; 1 Stajo Getreide à 2 Mine = 24,36 frz. Litr.; 1 Baril Wein = 45,58,1 Baril Oel = 33,43 frz. Litr. – Kirchlich ist T. in 4 Erzbisthümer (Florenz, Pisa, Siena, Lucca) u. 17 Bisthümer eingetheilt. Die Gesammtzahl der Mannsklöster beläuft sich auf 157 mit 3240 Bewohnern, die Zahl der Nonnenklöster gerade so hoch mit 4173 Bewohnerinen. Universitäten hat T. 3: Pisa, Siena, Lucca, Gymnasien in allen bedeutenderen Städten, Elementarschulen in den meisten Ortsgemeinden. Politisch zerfällt das Großherzogthum in 6 Präfecturen: Florenz, Lucca, Pisa, Siena, Arezzo, Grosseto, und in die 2 Gouvernements Livorno u. Elba. Das Budget für 1855 berechnete die Einnahme auf 37608400 Lire, die Ausgaben auf 37546700 Lire; die Staatsschuld wird auf 44 Mill. Lire angegeben. Das stehende Heer betrug (1855) 16000 Mann, die Kriegsmarine 10 Fahrzeuge zu 15 Kanonen. T. ist eine unbeschränkte Monarchie, Großherzog seit 1824 Leopold II., geb. 1797. – T., der größte Theil der alten Etruria oder Tuscia, wurde zuerst von den Römern erobert, dann von Ostgothen, Longobarden, Franken, war im 12. Jahrh. eine deutsche Markgrafschaft, hatte zu und nach der Zeit der Hohenstaufen seine Guelfen- u. Ghibellinenkämpfe u. seine Geschichte wird die der Städte Florenz, Pisa u. Siena. 1737 kam es an Franz Stephan von Lothringen, der es als Kaiser Franz I. seinem 2. Sohne Leopold 1765 als Secundogenitur des kaiserlichen Hauses Lothringen-Oesterreich hinterließ. Im Luneviller Frieden mußte es Erzherzog Ferdinand an den Erbprinzen von Parma, Ludwig, abtreten, und es existirte als Königreich Hetrurien bis 1807, wo es Napoleon einzog, in 3 Gouvernements theilte u. seiner Schwester Elise als Großherzogin gab. 1814 erhielt es Erzherzog Ferdinand zurück und unter ihm wie unter seinem Sohne Leopold II. blühte T. neu auf. Die Jahre 1830–32 beunruhigten T. nicht, 1847 fiel ihm Lucca anheim, aber gleichzeitig schloß sich T. der ital. Bewegungspartei an, erhielt nach dem Vorgange der ital. Nachbarstaaten eine Constitution und erklärte 1848 gegen Oesterreich den Krieg; doch im Febr. 1849 flüchtete der Großherzog aus Florenz, man proclamirte die Republik, bis nach der Schlacht bei Novara ein österr. Corps Florenz besetzte und Livorno erstürmte. Der Großherzog kehrte im April zurück u. nun erfolgte die Abschaffung der meisten in der Sturmzeit gegebenen Gesetze u. der Constitution dazu. [⇐501]

Quelle: Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 500-501.
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Toscana

[454⇒] Toscana (das Großherzogthum) liegt in Mittelitalien und ist mit Ausnahme einiger getrennten Theile von den Herzogthümern Modena, Lucca, dem Kirchenstaate und dem mittelländ. Meere umschlossen, welches hier das tuscische oder tyrrhenische heißt.

Der Staat hat einen Flächenraum von 400 ! M. mit beinahe 11/2 Mill. Einw., die sich fast ausschließlich zur röm.-katholischen Kirche bekennen und sehr ungleich über den freilich auch überaus verschiedenen Boden vertheilt sind. Ausgezeichnet fruchtbar und trefflich angebaut ist der nördl. und östl. Theil des Landes, welcher das reizende Arnothal bildet, das nördl. und östl. von dem Apennin begrenzt wird. Im Boscotengo erhebt sich derselbe bis 4178 F., im Cima di Vernina bis 3914 F. über das Meer, und hat neben häufigen Spuren erloschener Vulkane auch noch thätige aufzuweisen, die aber nur Rauch und Flammen ausstoßen. Übrigens trägt selbst das Hochgebirge noch einen mildern Charakter, hat schöne Waldungen von Kastanien, Buchen, Fichten, Lärchen, prächtige Viehweiden und wird von fruchtbaren Querthälern durchkreuzt. Südl. und westl. vom Arno bildet das Land eine Hochfläche, und an der Küste breiten sich die berüchtigten Maremmen (s.d.) aus. Der von Florenz an schiffbare Arno, der Ombrone und die Tiber sind die wichtigsten Flüsse; von Seen sind der Lago di Castiglione von 51/2 M. im Umfange, dessen Austrocknung aber seit 1828 betrieben wird, und der Lago di Bientina zu bemerken. Das Klima ist sehr mild in den Thälern und Ebenen und, die Sumpfgegenden ausgenommen, auch gesund; im Sommer wird jedoch ein heftiger Südwestwind, Libeccio genannt, wie der aus Südost wehende Sirocco lästig. Die Bodenerzeugnisse sind im Allgemeinen die des übrigen Italiens; im Arnothal baut man das seine Weizenstroh zu den besten ital. Strohhüten; bei Pisa wird ein Kameelgestüt unterhalten; die Viehzucht und namentlich die Schafzucht ist höchst bedeutend. In den Flüssen und an den Küsten wird einträgliche Fischerei betrieben, Eisen liefert die Insel Elba (s.d.), Seesalz und Quellsalz mangeln nicht, und außer andern Mineralien wird auch Quecksilber und Borax gewonnen. Als höhere Unterrichtsanstalten bestehen drei Universitäten zu Florenz, Pisa, Siena, und die Regierung thut für den Volksunterricht mehr als andere ital. Staaten. Der Fabrikfleiß liefert hauptsächlich seidene, wollene und leinene Zeuche, Strohhüte und Papier zur Ausfuhr, und Hauptsitz des ausgebreiteten Handels ist Livorno. Die Handelsfahrzeuge stehen, in Ermangelung einer eignen Marine, unter östr. Schutze; das stehende Heer beträgt 5500 Mann; Einkünfte und Ausgaben belaufen sich auf je 16 Mill. Francs. Es bestehen drei Ritterorden, vom h. Stephan, vom h. Joseph und des weißen Kreuzes, mit welchem ein Ehrenzeichen verbunden ist, und die Regierungsform ist unumschränkt monarchisch und erblich. Für das regierende Haus gelten die östr. Hausgesetze.

Im Alterthume gehörte das heutige Großherzogthum T. zu Hetrurien (s.d.) und wurde den Römern von den Ostgothen, diesen von den Griechen, diesen von den Longobarden entrissen, und endlich dem abendländischen Kaiserreiche unter Karl dem Großen einverleibt. Dieser ließ es durch Grafen verwalten, die unter seinen Nachfolgern Markgrafen und Herzoge wurden und ihre Würde erblich zu machen wußten. Nach dem Tode der Markgräfin Mathilde (1115), welche durch Gewalt und Ränke viele Jahre entscheidendes Ansehen in allen ital. Angelegenheiten behauptete und im Testamente den röm. Stuhl zum Erben aller ihrer Besitzungen eingesetzt hatte, nahm gleichwol Kaiser Heinrich V. die ganze Verlassenschaft für das Reich in Besitz. Darüber kam der berühmte Streit mit den Päpsten über die Mathildesche Erbschaft her, welche unterdessen von kais. Statthaltern verwaltet wurde. Gegen Ende des 12. Jahrh. brachte Friedrich I. von Hohenstaufen T. käuflich an sein Haus, die größern Städte wußten sich jedoch unabhängig zu behaupten. Florenz hielt es während der durch Jahrhunderte fortgesetzten Kämpfe der Guelfen und Ghibellinen immer mit den ersten, Pisa mit den letztern oder der kais. Partei und breitete im 13. und 14. Jahrh. seine Macht selbst über Sardinien, Corsica und die balearischen Inseln aus. Endlich jedoch im langen ehrenvollen Kampfe wider Genua und die mit demselben verbündeten toscan. Städte erschöpft, kam es 1406 unter die Botmäßigkeit von Florenz, welches bei den Parteikämpfen von 12. – 15. Jahrh. ebenfalls unsäglich auszustehen hatte. Zu Ende des 15. Jahrh. warf Pisa die florent. Oberherrschaft wieder ab, mußte sie aber nach funfzehnjähriger tapferer Gegenwehr von neuem anerkennen, und jetzt eigentlich erst begründete in T. Florenz sein Übergewicht. Die Familie der Mediceer (s.d.) gelangte in diesem Freistaate im 15. Jahrh. allmälig zur Obergewalt, erhielt 1532 vom Kaiser, welcher die Republik aufhob, die herzogl., vom Papste 1569 die großherzogl. Würde, und erlosch 1737 in männlicher Linie. T. kam nun als Entschädigung für das an den entsetzten König von Polen, Stanislaus Leszcinski, abgetretene Lothringen an den Gemahl von Maria Theresia, den Herzog Franz Stephan von Lothringen. Da er jedoch in Wien lebte, so geschah wenig zur Aufhülfe des zerrütteten Landes, für welches die Regierung seines zweiten Sohnes, des Erzherzogs Peter Leopold und nachherigen Kaisers Leopold II. (s.d.), desto wohlthätiger war und es zum am besten verwalteten in ganz Italien machte. Ihm folgte sein Sohn Ferdinand (1790), der im Frieden von Luneville T. an den Infanten Ludwig, Herzog von Parma, abtreten mußte, welcher es, durch mehre Gebiete vergrößert, als Königreich Hetrurien (1801) besaß Nach seinem Tode regierte seine Witwe Maria Luise von Spanien das Land für ihren unmündigen Sohn Ludwig bis 1807, wo derselbe mit dem nördl. Portugal entschädigt [⇐454][455⇒] und Hetrurien nun 1809 unter dem frühern Namen T. und in drei Departements getheilt, an Napoleon's Schwester Elise als Großherzogthum vergeben wurde, die es bis 1814 besaß. Nach dem Sturze Napoleon's erhielt es der Erzherzog Ferdinand mit dem vor dem luneviller Frieden besessenem Umfange zurück, und 1824 folgte ihm sein Sohn Leopold II. (s.d.) in der Regierung. Im J. 1839 wurden die zum Erzbisthum Pisa und Bisthum Grosseto gehörenden Besitzungen von ihm für Staatseigenthum erklärt und verpachtet. Die neugestifteten, den deutschen Naturforscherversammlungen nachgebildeten Versammlungen der ital. Naturforscher, deren erste im Oct. 1839 zu Pisa stattgefunden hat, fanden an ihm einen eifrigen Beförderer.

Das Großherzogthum wird jetzt in fünf Bezirke oder Compartimenti getheilt, welche von den Städten Florenz, Pisa, Siena, Arezzo und Grosseto benannt werden, zerfiel aber früher in die historisch begründeten drei Gebiete von Florenz, Pisa und Siena. Haupt-und Residenzstadt ist Florenz (s.d.), in dessen Gebiet noch das alte Pistoja mit 18,000 Einw., einer Akademie der Wissenschaften und Künste und einem an Alterthümern reichen Dome aus dem 12. Jahrh., ferner Prato am Bisenzio mit 11,000 Einw., Petrarca's Geburtsort Arezzo mit 8500 Einw., Camaldoli, der Stiftungsort der Camaldulenser (s.d.), anzumerken sind. Im Gebiete der alten Stadt Pisa (s.d.) liegt auch Livorno (s.d.), zu dem hier noch eine Ansicht des Platzes am innern Hafen mit der überlebensgroßen Marmorstatue des Großherzogs Ferdinand I. von Francanella folgt; ferner das uralte Volterra mit 5000 Einw., reichen Salzquellen, und einer auf dem Rathhause verwahrten Sammlung von seit 1828 in der Umgebung gefundenen hetrurischen Alterthümern; auch werden zum pisanischen Gebiete die im tyrrhenischen Meere gelegenen toscan. Inseln Elba (s.d.), Gorgona, das fruchtbare Pianosa und einige andere unbewohnte, sowie das Fürstenthum Piombino mit der gleichnamigen, am Meere liegenden Stadt von 4000 Einw. gezählt, welches unter toscan. Landeshoheit der fürstlichen Familie Buoncompagni gehört. – Das Gebiet von Siena mit der Stadt Siena (s.d.), Grosseto mit 2500 Einw. und Salzwerken in der Nähe, Montepulciano mit 2000 Einw., wo ein danach benannter und berühmter Wein gebaut wird, und dem befestigten Orbitello am Meere, umschließt auch die ungesunde Maremma, sowie einige nahe gelegene Inseln. [⇐455]

Quelle: Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 454-455.
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[171⇒] Toscana, das Großherzogthum. Der Garten Italiens, wie man dieses Land mit Recht nennt, wird im Süden und Südwesten von den Perlenschnüren des tyrrhenischen Meeres umschlungen, während es im Westen an Lucca und Modena, und nördlich, östlich und südöstlich an Roms Delegationen grenzt. Getrennt von dem Mutterstaate zwischen Lucca, Modena, Parma und Genua liegen gleich einsamen, doch darum nicht minder blühenden Kindern, die Parzellen Pietra Santa, Pontremoli, Fivizano und Barga. Noch schmückt das goldgeringelte Haupt der reizenden toscanischen Fee ein schimmerndes Korallenstirnband von tyrrhenischen Eilanden, deren smaragdene Agraffe die Insel Elba ist. Gleich einem breiten, silbergrauen Schlachtschwerte, das aber keinen Funken mehr gibt, lagert sich quer über das Land der Apennin mit seinem Höhenkamme von ausgebrannten Vulcanen. 4178 F. über den Spiegel des Oceans erhebt sich seine äußerste Spitze, der Boscotengo. Hier auf diesen Felsengebieten, welche den dritten Theil des ganzen Großherzogthums bedecken, feiert der Winter fast drei Viertel des Jahres hindurch seine selbstsüchtigen Triumphe; während der liebende Frühling im Gewande der ewigen Jugend über das reizende Thal des Arno gleitet, während der ferntreffende Apollo als unheimlicher Gott mit seinen verpestenden Pfeilen über den Maremmen von Siena weilt. – Des Apennins lieblichstes Kind ist der Arno; mit seinem Schellengeläut von silbernen Perlen tanzt er fröhlich durch den oberitalischen Maskensaal mit seinen Frühlings- und Sommerlarven, schließt lustig Freundschaft mit der Chiana, Ambra, Sieve, Sterzala, Cecinella etc., beugt endlich bei Florenz den kindisch trotzigen Nacken Barken und kleineren Schiffen; und vereint sich unweit Pisa mit seinem alten Wolkenvater, dem Ocean. Gleich goldenen Idyllen ziehen sich an seinen Ufern die Thäler hin; Dithyramben [⇐171][172⇒] ertönen aus den Wein- und Olivengärten, Madrigale und Canzonen aus den lorbeerumrankten Villen, Hymnen von Sonnenschein und ewiger Bläue herab vom Zenith; und ein Reigen von blendend weiß gekleideten Landmädchen mit seidenen Leibchen und blumenbekränzten Strohhüten vollendet das magische Gemälde von Arno-Arkadien. Unweit Siena entsäuselt dem krystallenen Gefängnisse der Ombrone, durchströmt als einzige Lebensader den Leichnam der Maremma und ergießt sich unweit des Lago di Castiglione in das Mittelmeer. Auch die Tiber ist ein Sprößling der toscanischen Erde; doch nur wenige Augenblicke verweilt sie auf dem fremden Gebiete, von Sehnsucht getrieben nach der ewigen Stadt. Dabei durchziehen hundert Canäle das glückliche Land, um es zu erquicken oder auch um den allzureichen Segen des Gottes Pluvius abzuleiten. Konnte Hygieia es verschmähen, hier ihre Quellen zu eröffnen? Stolz wölben sich ihre Tempel zu Pisa, San Miniato, Monte Spertoli, St. Michele und della Perta. Ceres goldene Sterne durchwirken die reichen Ebenen; von Weinstöcken und Pappeln umsäumt, mit silbernen Gräben umgürtet, erblühen einzeln die Felder und einen sich zum bunten Fächer in Pomona's Hand. Und Alles opfert auf des Ueberflusses Altar: der Gott der Gärten bringt sein saftiges Obst, seine aromatischen Kräuter und jene Wassermelonen, die, obwohl die Lieblingskinder des Sommers, doch mit ihrer süßen Kühle den Winter auf die Lippen zaubern, den Winter, der statt des Schnees in Zuckerstaub gehüllt ist. Auf den terrassirten Hügeln siedet Dionysos seine purpurnen Träume; hier erglüht der Vino aleatico oder rothe Muskat von Monte pulciano; hier der Vino di Chianti in der Gegend von Florenz, der Vino di Carmignano bei Cajano, und die Muskatweine von Monte Catini im Thal von Nievole und von Ponte a Moriano an der Grenze von Lucca. Am Saume des dunkelblauen Horizonts hin ziehen sich gleich lustigen Reigen der Hoffnung die grünen, vom Zephyr umgaukelten Kastanienwälder, und wie schüchterne Mädchen, die halb die Augen [⇐172][173⇒] verhüllen mit den Händen und doch freundlich hindurchblicken zum Geliebten empor, so schauen zahlreiche Dörfer, halbverborgen unter Weinlauben und Oelbaumgruppen, zum Sonnenlicht hinauf Die spröden Gäste des Nordens, die er nur durch die sorgsamste Pflege zu fesseln vermag, wie die Narcissen, Hyacinthen, Anemonen etc. zeigen sich unter diesem glücklichen Himmel selbst im Winter auf den Wiesen und tanzen der ernsten Eismajestät zum Trotz ihren Frühlingsringeltanz. Der Oelbaum, obwohl hier nicht so freigebig wie in Genua, beut doch liebend viel' der schönsten Früchte dar. – Geringer ist T's animalischer Reichthum; doch gelten die toscanischen Esel für die schönsten und kräftigsten von ganz Italien. Ziegen gibt es in großer Menge; aus ihrer Milch bereitet man den Marzolino- und Ricottakäse. Außerordentlich groß ist die Menge der Tauben auf den Villen und Bauerhöfen. Im Mineralreiche ist besonders der Marmor zu bemerken, vorzüglich der grüne Marmor bei Campiglia, der rothe und gestreifte von Stazemna und der marmo giallo und marmo broccatello von Siena. – Der Haupterwerbszweig des Landes ist die Strohflechterei (s. Stroh); doch auch die Seidenweberei, die Manufacturen in Leinwand, Damast, wollenen Tüchern und Teppichen sind nicht unbedeutend. Vortreffliches liefern die Florentiner in Marmor, Alabaster, Mosaik, Korallen etc. – Die Toscaner, Abkömmlinge der alten Etrusker, 1,500,000 an der Zahl, sind sämmtlich römisch-katholischer Religion, und zeichnen sich durch Bildung, Fleiß, Höflichkeit und ihr mehr freundliches und wohlwollendes Gemüth vor allen übrigen Italienern vortheilhaft aus. Musik und Dichtkunst ist ihr Element; daher gerade unter ihnen nicht selten vortreffliche Improvisatoren. Zugleich gilt ihre Mundart für die beste und reinste der ital. Sprache. Die Töchter des alttoscanischen Adels werden noch ganz jung in ein Kloster geschickt, wo sie bleiben, bis sich ein angemessener Freier für sie findet. Unverheirathete Frauenzimmer sieht man nie in den Gesellschaften: desto zwangloser leben sie nach ihrer Verheirathung; [⇐173][174⇒] dann weicht der Cavaliere servente nicht von ihrer Seite und sie leben selbst auf Kosten der Eitelkeit und Toilette ganz senza suggezione, sans gêne. Die gewöhnliche Damenkleidung ist schwarz. Der interessanteste Bewohner T's ist jedoch der Landmann. Einfach, offen, freimüthig und betriebsam ist er das verwirklichte Ideal von einem italienischen Compagnnolo. Vorzüglich reizend ist die weibliche Tracht auf dem Lande. Frauen wie Mädchen tragen gewöhnlich ein Mieder ohne Aermel: bloß der obere Theil der Arme ist mit einem Hemdärmel bedeckt, den sie mit rothen Bändchen binden. Dieses Mieder, welches vorn und hinten geschnürt wird, so wie auch der Rock, sind gewöhnlich scharlachroth; und ein zierliches Schürzchen darüber vollendet den arkadischen Anzug. Ein artiger kleiner Strohhut bedeckt an Feiertagen das mit Blumen geschmückte, sorgfältig geordnete Haar; für gewöhnlich tragen sie letzteres in einem seidenen Netze. – Sehr unterhaltend ist auch die Geschichte T's. Lange vor der Gründung der ewigen Stadt blühten hier die Etrusker und Tyrrhener, Roms Lehrer in Kunst und Wissenschaft, unter der Sonne der Humanität. Als der röm. Adlerhorst von den Barbaren heimgesucht wurde und der kaiserliche Aar in die Banden der Sclaverei fiel, wurde das goldene Tuscerland zu Eris' goldenem Apfel zwischen Ostgothen, Griechen und Longobarden, Letztere erhoben es unter dem Namen Toscana zu einem Herzogthume. Später faßte Karl der Große den italischen Diamant in seinen fränkischen Königreif: eigene Markgrafen verwalteten das Land als seine Vasallen. Karl's schwache Nachfolger trugen die Schuld, daß diese Markgrafen sich selbstständiger machten, und in dessen Folge der tyrrhenische Garten vom Kaiser Friedrich I. erst neu erworben werden mußte. Doch nicht lange blieb die Perle im Schatze der Hohenstaufen; wie andere lombardische Städte rissen sich auch Florenz und Siena vom röm. Reiche los und gründeten sich den eigenen Heerd. Nur Schade um die Freiheit, daß ihr bald die Parteisucht ihre Schlingen stellte. Fast drei Jahrhunderte lang [⇐174][175⇒] wüthete der Bürgerkrieg in T.; von Blut färbten sich die goldenen Hügel, und seinen bleichen Nachtschatten warf der Kampf der Guelfen und Gibellinen auch in das sonnendurchwirkte Arnothal. Ein stolzes Kauffahrteischiff nahm endlich die lecke Staatsbrigg an ihr rettendes Schlepptau: 1434 ergriff die Familie der Medici das Scepter über Florenz. Fünf und dreißig Jahre später erhob Cosmus I. das Land zu einem Großherzogthum. Beinahe zwei Jahrhunderte hindurch wehte die stolze Mediceerflagge vom Thurme Pitti, bis nach dem Aussterben dieser Herrscherfamilie T. (1737) an den Herzog Franz von Lothringen fiel. Nach der franz. Revolution wurde das Großherzogthum in ein Königreich Hetrurien verwandelt, und als solches nacheinander von den beiden Frauen Maria Luise und Napoleon's Schwester Elisa (s. d.) beherrscht; 1814 aber kehrte die alte Herrscherfamilie an die geliebten Ufer des Arno zurück – Die vorzüglichsten Städte dieses, fast 400 Quadrat M. umfassenden, Großherzogthums sind außer der Hauptstadt Florenz (s. d.): Pisa (s. d.), Livorno (s. d.) und Siena (s. d.).

–i– [⇐175]

Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 171-175.
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[397⇒] Das Grosherzogthum Toscana oder Florenz, in der neuesten Zeit Hetrurien, zuletzt aber Departement Arno genannt, wird von dem italienischen Königreich, dem Fürstenthum Lucca, dem Kirchenstaate und dem mittelländischen Meere begrenzt. In den ältesten Zeiten von den Umbrern und Pelasgern bewohnt, ließen sich in der Folge die Tyrrheuer hier nieder, bis nachher ganz Hetrurien 231 vor Chr. eine römische Provinz ward. Mit Rom gleichen Schicksalen ausgesetzt, nahm es endlich unter dem deutschen Kaiser Friedrich II. 1250. die republikanische Verfassung an, und die Städte Florenz, Pisa, Siene, Lucca waren blühend, reich und mächtig. Die Familie der Mediceer brachte besonders Florenz auf den höchsten Grad der Blüthe (m. s. daruber weitianfiger dies. Art. Th. III. S. 102.) bis endlich 1530 unter Carl V. Alexander von Medicis, welcher nur den alten Staat, d. h. das Florentinische und Pisanische, besaß, erster Herzog von Florenz ward jedoch so, daß die republikanische Verfassung beibehalten wurde. Sein Nachfolger Cosmus I. († 1574) gelangte sogar, nachdem er von Philipp II. von Spanien das Sienische 1557 erhalten hatte (welches denn nun den neuen Staat ausmachte), 1569 zur grosherzoglichen Würde. – Bei der Quadrupleallianz 1718 wurde das Grosherzogthum als männliches Reichslehen dem spanischen Infant Don Carlos zugesprochen; allein als nun mit Johann Gasto im J. 1737 der um die Blüthe, um Wissenschaften und Künste dieses Staates so hoch verdiente Stamm der Mediceer ausstarb, kam nun, vermöge der getroffenen Uebereinkunft, Toscana an den Herzog von Lothringen, Franz Stephan, statt seiner an Frankreich abgetretenen [⇐397][398⇒] Lande, welcher nachher als Franz I. 1745 zum Kaiser erhoben wurde: dieser ergannte 1765 seinen Infanten, den Erzberzog Peter Leopold, zum Grosherzog von Toscana, welcher denn auch durch sehr lobliche Einrichtungen und Anstalten, besonders aber durch sein neues Gesetzbuch sich den Ruhm eines weisen Regenten erwarb (s. Leopold II. Th. II. S. 387.). Als dieser den deutschen Kaiserthron bestieg, ließ auch er Toscana wieder als abgesonderten Staat für die Secundogenitur, und sein zweite Sohn Ferdinand folgte 1791 als Grosherzog. – Bei dem traurigen Ausbruch des französ. Revolutionskriegs sah sich Toscana durch Englands Deohungen gezwungen, sich für dieses zu erklären; und obgleich 1795 durch eine Geldsumme mit der französischen Republik ausgesöhnt, wurde es doch 1796 von Bonaparte besetzt, erkaufte zwar (1797) die Neutralität; allein, aufs neue zu einem Bündniß mit Grosbitannien und Neapel gereitzt, wurde es nun 1799 nochmals von den Franzosen besetzt, und Ferdinand genothiget, nach Wien zu fluchten. Zwar waren die östreichischen Waffen glücklich das Land erhielt seinen Regenten wieder, allein die Schlacht bei Marengo (den 14. Jun. 1800) lieferte Italien in die Hände der Franzosen; und durch den Luneviller Frieden (d. 9. Febr. 1801) wurde Toscana unter dem Titel: Königreich Hetrurien an Ludwig I. Erbprinzen von Parma und Infanten von Spanien gebracht, von welchem es sein Prinz, Carl Ludwig zwar 1803 (unter Vormundschaft seiner Mutter, Marie Louise Josephe, Carls IV. von Spanien Tochter) ererbte; – der Grosherzog v. Toscana erhielt nachher durch den Deputations Hauptschluß v. 25. Febr. 1803. zur Entschädigung das Erzbisthum Salzburg, ferner Berchtolsgaden, einen Theil von Passau etc. – allein gegen Ende des J. 1807 wurde es an den Kaiser von Frankreich gegen Entschädigung abgetreten, welcher es dann durch ein Decret vom 24. Mai 1808 unter dem Titel: Departemant Arno, mittelländisches Meer und Ombrone mit Frankreich vereinigte.

Toscana (um es noch unter diesem Namen aufzuführen), welches übrigens als Königreich Hetrurien 4 Haupttheile hatte, nemlich: das Florentinische, [⇐398][399⇒] das Pisanische, das Sienische Gebiet, und einen Theil des Stato degli Presidi, enthält gegen 400 Quadrat Meilen und an 1,150,000 Einwohner: ein Land voller Berge zwar, aber schön und fruchtbar an Korn, Wein, Citronen, Alann, Marmor, an warmen Bädern, Gesundbrunnen etc. Die Fabriken sind zwar nicht mehr so blühend, wie ehedem, allein sie haben immer noch an Seide, Wolle, Leder, Papier, Leinwand, Hüten u. dergl. bedeutenden Absatz. Der Hauptsitz des sehr ausgebreiteten Handels ist Livorno (s. d. Art.); die Hauptstadt (die ehemalige Residenz) Florenz (s. ebenfalls dies. Art. an seinem Orte.). [⇐399]

Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 8. Leipzig 1811, S. 397-399.
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[205⇒] Toscana, vorher Großherzogthum, und seit dem Lüneviller Frieden 1801 an Ludwig, Infant von Spanien und König von Etrurien, im Jahr 1807 aber von diesem wieder an den Kaiser von Frankreich als König von Italien abgetreten.1


Fußnoten

1 Unsere gütigen Leser ersuchen wir, hier eine Note, die uns wegen mehrerer noch nachfolgenden Artikel dieses Theils sehr nothwendig scheint, nicht ganz zu übersehen. Gewiß bemerken sie selbst, daß bei der allgemeinen Umänderung, welche so viele Staaten gegenwärtig getroffen hat, und noch trifft, es unmöglich sei, eine bestimmte Angabe in Rücksicht ihrer politischen Lage, ihres Umfangs, ihrer Verfassung etc. zu machen, und gewiß fühlen sie mit uns die Nothwendigkeit, vor der Hand und bis zur nähern Entscheidung über alle diese Dinge noch ein Stillschweigen zu beobachten. Eben hierin aber glauben wir auch hinlänglichen Grund zu gänzlicher Entschuldigung finden zu dürfen, wenn wir lieber mit Aufführung der wichtigen Staaten, welche in diesem letzten Theile noch vorkommen müssen, anstehen, und bloß, mit Beziehung auf diese gegenwärtige Note, auf die Nachträge verweisen, welche unmittelbar nach Beendigung dieses Theils erfolgen werden; da ohne dieß so viele seit Erscheinung der ersteren Theile dieses Werks eingetretene Veränderungen – vielfache Zusätze und Berichtigungen nöthig machen D. Herausg. [⇐205]


Quelle: Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 205-206.
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